Die SPD hat eine Idee, die ihr viel Beifall von links, aber auch aus der Mitte der Gesellschaft einträgt und mit der sie eine überfällige Debatte ausgelöst hat: die Wiederbelebung der Vermögenssteuer. Sie ist seit 1997 ausgesetzt. Damals entschied das Bundesverfassungsgericht, dass die Grundlage, auf der diese Steuer erhoben wird, verfassungswidrig sei. Es ging insbesondere um die Bewertung von Grundbesitz. Die damalige schwarz-gelbe Koalition unter Helmut Kohl (CDU) erarbeitete jedoch keine verfassungskonforme Bewertungsgrundlage, sondern beschloss, die Steuer schlicht nicht mehr zu erheben. Folgende Regierungen ließen ebenfalls die Hände davon und trugen so dazu bei, dass die Reichen in diesem Land immer reicher wurden, statt sich angemessen an der Finanzierung des Gemeinwohls zu beteiligen. Die Schere zwischen Arm und Reich in der Bundesrepublik ging seitdem immer weiter auseinander. Die Nichterhebung der Vermögenssteuer trug dazu bei.
Es gibt Lob und Kritik für den Vorschlag, der von einer Kommission unter der Leitung des kommissarischen SPD-Vorsitzenden Torsten Schäfer-Gümbel erarbeitet wurde. Es geht darum, das Vermögen der Reichsten in diesem Land – ab zwei Millionen Euro aufwärts, so der Vorschlag – mit einem bis 1,5 Prozent zu besteuern. Und zwar nicht nur Geldvermögen und Einkommen, sondern auch Grundbesitz, Immobilien und Unternehmensanteile. Auch juristische Personen, insbesondere Kapitalgesellschaften, sollen der Steuer unterlegen sein. Es soll Schutzklauseln für Unternehmen in Schwierigkeiten geben.
Vermögensbezogene Steuern gibt es viele. Die Grundsteuer, die gerade neu geregelt wird, ist eine, aber auch die Kraftfahrzeugsteuer oder die Hundesteuer. Der deutsche Staat hat also keine Scheu, uns alle mit vermögenssteuerartigen Abgaben zu belegen. Gerade von den großen Vermögen aber lässt er die Hand. Meist mit dem Argument, die Sache sei juristisch so heikel, dass es praktisch nicht möglich ist, die Grundlage der Steuer festzusetzen. Aber auch mit dem Argument, das auch jetzt gleich wieder zu hören war: Die Vermögenssteuer werde Kapital in die Flucht schlagen, es werde sich andere Anlagemöglichkeiten auf der Welt suchen. Das ist womöglich kein kompletter Unsinn, aber erstens geht Kapital meistens dorthin, wo sich mit seinem Einsatz Rendite erwirtschaften lässt – und wo sollte das besser gelingen als in einem wirtschaftlich starken Land wie Deutschland? Und zweitens erheben die meisten unserer europäischen Nachbarn ebenfalls Vermögenssteuern – und was soll man sagen? Es gibt sie noch.
Also, liebe SPD: Lass dich nicht beirren. Du bist auf dem richtigen Weg. Vielleicht findet sich ja nach der nächsten Wahl eine Option, diese Pläne umzusetzen, womöglich unter einer grünen Bundeskanzlerin Baerbock oder einem grünen Bundeskanzler Habeck in einer grün-rot-roten Koalition, die endlich wieder das Soziale an der „sozialen Marktwirtschaft“ in den Mittelpunkt stellt. Es ist unter tätiger Mithilfe der Regierungen Kohl/Lambsdorff und ihrer Nachfolger verloren gegangen. Von den Marktradikalen in CDU/CSU und FDP ist in dieser Hinsicht nichts zu erwarten, und auch die gegenwärtige „große Koalition“, die ja längst nicht mehr groß ist, wird da nichts machen, aber das Thema ist auf jeden Fall eines, mit dem die SPD wieder Profil gewinnen kann. Daher, liebe SPD: Halte es hoch! Die Sache hat das richtige Maß.
Anmerkung: Da Bronski jetzt zwei Wochen Urlaub macht, ruht das FR-Blog bis zum 16. September. In diesem Thread, der an meinem letzten Arbeitstag online geht, kann daher nur kurz diskutiert werden. Das Thema wird uns aber vermutlich erhalten bleiben, so dass die Diskussion nach meiner Rückkehr wieder aufgenommen werden kann.
Den Plänen der SPD ist Erfolg zu wünschen
Die Wiedererhebung der Vermögensteuer – wie sie die SPD fordert – ist auch grundgesetzlich geboten. Klar bestimmt die Hessische Verfassung in Artikel 47: „Das Vermögen und das Einkommen sind progressiv nach sozialen Gesichtspunkten unter besonderer Berücksichtigung der familiären Lasten besteuert.“ Eine Schonung des Vermögens bezieht sich dabei lediglich auf „erarbeitetes“ Vermögen Der aktuelle SPD-Vorstoß ist deshalb sozialstaatlich geboten und lange überfällig, weil die Vermögensteuer – trotz eines vollgültigen Bundesgesetzes (Vermögensteuergesetz) seit knapp einem Vierteljahrhundert nicht mehr erhoben wird. Diese „stille Subvention“ der (Super-)Reichen dürfte schon jetzt erheblich über 100 Milliarden Euro liegen.
Natürlich stellt sich auch die verfassungsrechtlich interessante Frage, warum seit einem Vierteljahrhundert noch keine Bundesregierung sich bemüßigt sah, die Vermögensteuer grundgesetzkonform auszugestalten. So muss der „Grundbesitz“ in etwa mit dem Verkehrswert erfasst werden, was aktuell mit der Übernahme der gesetzlichen Regelungen für Zwecke der Erbschaftsteuer quasi steuervereinfachend zu bewerkstelligen wäre.
Die SPD könnte die Wiederhebung der Vermögensteuer auch zu einem Thema der Groko machen! Die SPD-Vorstöße kommen zu einem Zeitpunkt, in dem sich die SPD als Partei in einer – vorsichtig ausgedrückt – schwierigen Lage befindet. Sie muss auch neben ihren konzeptionellen Überlegungen zur Vermögensteuer auch eine „realpolitische Umsetzungsstrategie“ vorlegen, da die starken und mächtigen Gegner einer wiederzuerhebenden Vermögensteuer sich schon jetzt wirkungsvoll in Stellung bringen.
Warum die „wiedererhobene Vermögensteuer“ nicht schon lange politischer Gegenstand der drei ostdeutschen Landtagswahlkämpfe sind, erstaunt dann doch. Die Partei „Die Linke“ könnte sich damit sozialpolitisch-kämpferisch klar gegen die AfD positionieren und der SPD jeder erdenkbare Unterstützung anbieten.
Die wiedererhobene Vermögensteuer würde den deutschen Bundesländern Spielraum für vernünftige sozialökologische Investitionen eröffnen. Allein schon deshalb ist der sozial ausgestalteten Vermögensteuer und der SPD der größte Erfolg zu wünschen!
Thomas Ewald-Wehner, Nidderau
Ungleichverteilung gefährdet die Demokratie
Oft wird gefragt: wieso Multimillonäre und Milliardäre denn immer noch mehr wollen? Das kann man ja in Generationen nicht verbrauchen. Das stimmt natürlich, in dieser Hinsicht bringt ein Mehr keinerlei zusätzlichen Nutzen. Aber je größer die Vermögen, desto größer sind Macht und Einfluss. In dieser Hinsicht gibt es wohl keine Sättigungsgrenze.
Damit wird aber nicht nur die extreme Ungleichverteilung zum Problem und mit Recht Gegenstand der Debatte, sondern mit diesen riesigen Vermögen in privater Hand steht unsere Demokratie in Frage und diesen Aspekt vermisse ich in der Debatte. Der Demokratie, in der alle Macht vom Volke ausgeht, nähern wir uns in dem Maße an, in dem alle in möglichst gleichem Maße an der Volkssouveränität partizipieren. Deshalb ist die Macht des Stärkeren ein grundsätzlich antidemokratisches Konzept, nicht nur wenn sie auf physischer Gewalt beruht, sondern auch wenn sie in ökonomischer Macht begründet ist. Diesen für unsere gesamte Verfassung fundamentalen Gesichtspunkt, halte ich für noch bedeutsamer, als die wichtige Gerechtigkeitsfrage. Die Demokratiefrage würde auch den notorischen Versuchen, diese Gerechtigkeitsdebatte in eine „Neiddebatte“ umzudeuten und sie so zu diskreditieren, den Boden entziehen. „Wir müssen eine Wahl treffen. Wir können eine Demokratie haben, oder wir können eine Konzentration von Reichtum in den Händen einiger weniger haben, aber wir können nicht beides haben.“ (Louis Brandeis, Richter am obersten Gerichtshof der USA 1916 – 1939)
Karl Höhn, Frankfurt
Faire Finanzierung des Sozialstaats
Der Leitartikel von Tobias Peter bringt es treffend auf den Punkt. Denn eine Vermögenssteuer ergibt nur dann aus Sicht der SPD wirklich einen strategischen Sinn, wenn man sie programmatisch in eine große Steuerreform einbettet, bei der im Gegenzug die Arbeitnehmer entlastet werden. Schließlich würde ansonsten eher der negative Eindruck entstehen, dass der Staat trotz jahrelanger Rekordüberschüsse, in denen in sehr fahrlässiger Art und Weise gegenüber der jüngeren Generation vor allem unter Wolfgang Schäuble eigentlich nur der Stillstand verwaltet wurde, wie ein „Nimmersatt“ seine Einnahmen für eigene Zwecke erhöhen will. Deshalb tut insbesondere Finanzminister Olaf Scholz nicht nur wegen seiner Kandidatur zum SPD-Vorsitz sehr gut daran, zügig einen Masterplan für eine fairere Finanzierung des Sozialstaates auszuarbeiten sowie ebenfalls ein Ende des öffentlichen Investionsstaus, zumal die Sozialdemokraten gerade bei Letzterem angesichts der historisch niedrigen Zinsen mit einem umfangreichen Modernisierungsprogramm für Deutschland die Union beim Thema Wirtschaftskompetenz gewaltig in den Schatten stellen können!
Rasmus Ph. Helt, Hamburg
Grundlegende Reformpolitik
Es ist zu erwarten gewesen, dass CDU, CSU, FDP und Wirtschaftsverbände laut aufheulen, wenn es darum geht eine gerechtere Vermögensverteilung hierzulande anzustreben und über die Sozialdemokratie und die Linke herfallen. Doch das sollte die Initiatoren eines neuen Konzeptes für eine Vermögenssteuer geradezu darin bestärken in ihrem Vorhaben um eine bessere Unterscheidbarkeit von Union und SPD fortzufahren und das Thema gegebenenfalls zur Koalitionsfrage zu machen. Die SPD muss nach der Schröder-Ara und der verlorenen Zeit in der großen Koalition Zeichen setzen und sich auch bei der Suche nach Kandidaten für den Parteivorsitz für wirkliche grundlegende Reformpolitik öffnen. Es geht darum, die ungerechten Strukturen in der Sozial- und Wirtschaftspolitik zu beseitigen und einen wirklichen sozialen Ausgleich herbeizuführen. Zu Beginn der 1970er Jahre hatten die damaligen linken Jusos eine konsequente Reformpolitik gefordert, die durch „antikapitalistische Strukturrefomen den Kapitalismus überwinden sollte. Die damalige Analyse der ungerechten kapitalistischen Wirtschaftsordnung gilt noch immer und sollte auch zu einem Schwerpunkt der daraus sich als notwendig ergebenden Politik der SPD führen. Armut und deren Beseitigung sowie eine solidarische Gesellschaft sind den Rechten in dieser Republik ein Dorn im Auge. Es muss deutlich werden, dass weder die Union und rechts davon die AfD die Partizipation der Menschen wollen. Den rechten Rattenfängern der AfD geht es vor allem darum eine demokratische und solidarische Gesellschaft zu verhindern, wie die Äußerungen derer Funktionäre und Mitglieder immer wieder beweisen. Die SPD sollte sich auf August Bebel besinnen und verstärkt deutlich machen, wie unmenschlich, ungerecht und undemokratisch die AfD und auch große Teile der strukturkonservativen Union sind. Die Sozialdemokratie muss wieder als die Gerechtigkeitspartei in unserer Republik erkannt werden.
Manfred Kirsch, Neuwied
Eine Besteuerung der Substanz ist nicht sinnvoll
In Ihrem Artikel vom 27.8.19 zum Thema Vermögenssteuer zitieren Sie Frau Kipping von den Linken, die eine Besteuerung von 5 % auf alle Vermögen von 1 Million € und mehr fordert. Frau Kipping hat an dieser Stelle nicht wirklich nachgedacht. Das Bundesverfassungsgericht hat die alte Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen, insbesondere auf Immobilienvermögen, verworfen. Wie will man jedoch den Wert einer Immobilie nunmehr ermitteln? Der Einheitswert darf nicht mehr genutzt werden, was dann, der Verkehrswert, der Marktwert?? Wie ist der Wert eines Aktiendepots anzusetzen? Sollen Lebensversicherungen ebenfalls zu den steuerrelevanten Vermögensgegenständen gehören? Wie sind wertvollere Schmuckstücke zu behandeln?
Nehmen wir für Immobilien den Marktwert, in den Ballungsräumen ist das Reihenhaus rasch eine halbe Million wert, nehmen wir noch ein Depot mit durchschnittlich 200 T€, drei kleinere Eigentumswohnungen mit je 110 T€ als zusätzliches Standbein zur Altersvorsorge, kein unwahrscheinliches Szenario für die Generation 55plus, die in den vergangenen Jahren geerbt hat. Damit wird bereits ein Vermögenssteuer von 50 T€ fällig, jedes Jahr, zusätzlich zur Einkommensteuer und Kapitalertragsteuer.
Diese Generation 55plus, häufig geprägt durch die 68er, vielleicht mit linker Vergangenheit, potenzielle Wähler der Linken, werden nicht erfreut sein, im Alter dann nichts mehr zu haben. Diese Generation ist bereits darauf angewiesen, zusätzlich zur gesetzlichen Rente sich Alterseinkünfte zu generieren, da die Rentenbeträge aus der DRV nicht üppig sind und den Lebensstandard aus der Berufszeit nicht garantieren können.
Es kann nicht Sinn einer Vermögensteuer sein, nur einmal erhoben zu werden, weil für die erste Steuerzahlung ein erheblicher Vermögensgegenstand veräußert werden muß und damit das Gesamtvermögen die Besteuerungsgrenze bereits nicht mehr erreicht.
Mein Vorschlag daher: Man trennt sich komplett von der Vermögensteuer, die nichts anderes als eine Neidsteuer ist und von Frau Kipping einer Linken unwürdig populistisch eingesetzt wird. Stattdessen sollte der Spitzensteuersatz für die Einkommensteuer erheblich hochgesetzt und die Steuerkurve verändert werden, so daß die tatsächlich hohen Einkommen, die ja aus den Vermögenswerten erzielt werden (das ist nämlich der Sinn von Vermögen), effektiver als heute zum Steueraufkommen beitragen und so die Steuergerechtigkeit verbessert wird. Eine Besteuerung der Substanz ist meines Erachtens einfach nicht sinnvoll.
https://www.sendungverpasst.de/content/phoenix-pers%C3%B6nlich-49
Ein äußerst interessantes Gespräch bei Phönix. Man könnte es bei verschiedenen Themen hier einstellen. Ich frage mich was David Precht zum Thema Vermögenssteuer sagen würde. Ich vermute das er sagen würde das die Vermögensteuer nicht das Problem derzeit ist und deshalb nicht die erste Priorität derzeit haben sollte. Wenn man sagt das der Beitrag den das Kapital zur Finanzierung der staatlichen Leistungen gesteigert werden soll dann muss man sich fragen welche Steuer dafür am besten geeignet ist. Da würde ich sagen das es ganz klar die Finanztransaktionssteuer ist die schnellst möglich eingeführt werden müsste. Inzwischen rast das Kapital in großen Mengen um den Globus. Das kann nur in der nächsten Finanzkrise enden. Der Staat müsste das eindämmen und sich darauf vorbereiten. Die Finanztransaktionssteuer wäre solch ein Hebel um da einzugreifen. Außerdem steht sie auch im Koalitionsvertrag. Eine Vermögenssteuer geht dabei völlig am Problem vorbei. Man kann sie langfristig angehen aber es gibt eindeutig wichtigere Maßnahmen die gemacht werden sollten.
Dass viele Medien und die Wirtschaft sowie die Union und die FDP gegen die Vermögenssteuer Sturm laufen würden, war, wie Manni Kirsch schreibt, zu erwarten. Wieder muss die alte Leier „Gefährdung des Wirtschaftsstandorts und der Wettbewerbsfähigkeit“, die bei jeder Tarifforderung hervorgeholt wird, als Mittel gegen eine gerechtere Steuerpolitik herhalten.
Dabei wird unterschlagen, dass
die Vermögenssteuer nach dem Urteil des BVerfG nicht grundsätzlich als verfassungswidrig gilt, sondern in ihrer damaligen Ausgestaltung nicht gerecht war,
während der Erhebung dieser Steuer der Standort ebensowenig gefährdet war wie heute.
Neben der Vermögenssteuer wäre es auch wichtig, die Veräußerung von Vermögensanteilen wieder zu besteuern; die Abschaffung dieser Steuer unter Schröder hat weder Arbeitsplätze geschaffen noch gesichert, noch zu mehr Investitionen geführt, sondern die Taschen der Reichen gefüllt.
Bereits anässlich einer Tagung der Arbeitgeberverbände im Jahre 2013 hatte sich der heutige Bundespräsident Steinmeier in seiner Rede beklagt, dass unter SPD-Regierungen eine Reihe von Steuervorteile sowie Deregulierungen des Arbeitsrechts für die Unternehmen geschaffen wurden, ohne dass diese Maßnahmen durch mehr Investitionen oder Schaffung von Arbeitsplätzen seitens der Unternehmen gewürdigt worden wären.
Mit der Zusage der Einführung der Finanztransaktionssteuer hat die Union die SPD seit sieben Jahren wiederholt über den Tisch gezogen:
Beim Beschluss des Fiskalpakts im Jahre 2012 wurde seitens der damaligen schwarz-gelben Regierung die Zustimmung der SPD mit der Zusage der Finanztransaktionssteuer erkauft,
im Koalitionsvertrag von 2013 ist sie ebenso enthalten wie im jetzigen Koalitionsvertrag, aber eingeführt wird sie wohl nie, zumindest nicht unter Scholz.
Leider hat die SPD es versäumt, die Vermögenssteuer zu reaktivieren, als dafür noch eine Mehrheit im Parlament vorhanden war. Eine Rücksichtnahme auf die Unternehmen ist nach dem wiederholten steuerpolitischen Entgegenkommen -ganz zu schweigen von den Zugeständnissen bei der Steuerflucht und -hinterziehung- völlig unangebracht, da die erwarteten Gegenleistungen regelmäßig ausbleiben.
Dass es sich um eine Neidsteuer handeln soll, ist ein Begriff der neoliberalen Schule, um alle Forderungen nach mehr Steuergerechtigkeit schlecht zu reden, ohne dass hierfür ein Rechtsgrund besteht.
Bei einer Tagung zu Ehren von Jürgen Habermas räumt sein früherer Assistent Oskar Negt laut einem Bericht der Frankfurter Rundschau (Steinhagen, M.: „Kollaps der Glaubwürdigkeit“, in: FR-Online v. 23.06.2019) ein: „Uns als kritischen Wissenschaftlern ist es nicht gelungen, ein emanzipatorisches Gesellschaftsmodell zu entwickeln“. Angesichts dieser Leerstelle ist es außerordentlich schwer zu sagen, was heutzutage das Soziale an der sozialen Marktwirtschaft kennzeichnet. Mangels eines Entwurfs für eine neue Lebensform verliert sich insbesondere das Vorhaben der SPD, die Vermögenssteuer wieder zu erheben, geradewegs im Nichts, weil es keine Möglichkeit zu ihrer Vergegenständlichung gibt. Mitunter erweckt die deutsche Sozialdemokratie sogar eher den Eindruck, in Wirklichkeit ziemlich wenig Ahnung von den Voraussetzungen für ihre Forderung zu haben. Während Adorno seinerzeit noch davor warnte, den Zentralbegriff einer Gesellschaft gleichsam über Bord zu werfen und dadurch dem schieren Naturalismus den ihm nicht gebührenden Vorrang zu geben, muss gegenwärtig kritisiert werden, dass die zeitgenössischen Forscher weit davon entfernt sind, einen dementsprechenden Begriff überhaupt erarbeitet zu haben, dem sich Opportunisten daran anschließend entledigen könnten. In der Konsequenz davon müsste zuvörderst gefragt werden, was es unmöglich machte, die Arbeit am Begriff zu leisten, bevor fiskalisch Änderungen in den Blick genommen werden. Wenn man so will, lässt sich somit resümieren, dass die SPD unverdrossen den zweiten vor den ersten Schritt setzt und ihr fortgesetztes Stolpern in gleich welchen allgemeinen Angelegenheiten deshalb nicht wunder nimmt.
Es gilt, das richtige Maß zwischen der prinzipiellen, individuellen Selbstverantwortung des Bürgerseins einerseits und dem Gebot des gesellschaftlichen Zusammenhalts andererseits durch ein Mindestmaß bürgerlicher Solidarität, insbesondere bei der Wahrung des Existenzminimums (auch im Alter), zu halten. Wenn jetzt, etwa in Fragen eines Wiederauflebens der Vermögensteuer, der Gestaltung des Abbaus des Solidarbeitrags oder ganz generell der Finanzierung übergeordneter gesellschaftspolitischer Ziele wie des Klimawandels sofort eine Art von „shitstorm“ von konservativer Seite sich erhebt, wird dies der Konstruktion des GG zwischen der Freiheit des Individuums , der gebotenen Fairness innerhalb der Solidargemeinschaft und dem strikten Einhalten rechtsstaatlicher Prinzipien nicht gerecht. Im sogenannten Neoliberalismus ist nun einmal das Pendel tendenziell in Richtung auf das Vertrauen, allein in eine, mehr oderweniger , radikale Marktwirtschaft ausgeschlagen. Das GG – ohne daß dieser Begriff als obligatorische Wirtschaftsform im GG verwandt wird – impliziert jedoch eindeutig eine Soziale Marktwirtschaft, also eine sozial verantwortete Marktwirtschaft. Hinter der „Neuen Sozialen Marktwirtschaft“ hingegen verbirgt sich eine neue Facon von Neoliberalismus ganz bestimmter Wirtschaftsinteressen. Zurzeit schlägt eben das Pendel dahin aus, wieder mehr die Sozialität zu betonen. Niemand kann in der Bundesrepublik für sich beanspruchen, den Inhalt sozialer Gerechtigkeit allein bestimmen zu wollen. Der Versuch, diesen Begriff aus der politischen Debatte ganz zu entfernen, wird am Geist des GG jedoch scheitern. Die Konkretisierung von „Sozialer Gerechtigkeit“ ergibt sich aus den jeweiligen politischen Machtverhältnissen. Kassandrarufe sind fehl am Platz, wenn bestimmte Parteien, wie jetzt die SPD im Rahmen des GG , ihre Gerechtigkeitsziele neu formulieren.
Wie der starke Staat derzeit aussieht und wie er sich positionert sieht man ja derzeit an anderer Stelle: die anarchisch, lebendige und junge E-Scooter Szene darf ihre Roller bald nur noch an bestimmten Parkplätzen abstellen. Sie lachen? Machen sie doch mal einen kleinen Betrieb auf, so was wie einen mobilen Bratwurststand. Auch hier ist der starke Staat und seine Verordnungswut zu spüren. Wenn aber z.B. die Geschwister Klatten und Quandt alleine mit ihren BMW Aktien innerhalb eines Jahres gut eine Milliarde Eur Gewinnn machen, ein Zugewinn an Vermögen ohne jede auch nur irgendwie daran gekoppelte menschliche Leistung, die über das reine besitzen der Aktien hinausgeht, dann auf einmal darf der Staat nicht mehr stark sein und das daraus gewonnen Vermögen besteuern. Wie grotesk ist das denn? Der Kölner Maler Gehard Richter wird bei Wikipedia bei den 500 reichsten Deutschen gelistet. Seine Frau und seine zwei Kinder würde eine geänderte Erbschaftssteuer sicherlich treffen, aber da er selber auch immer die irren Preise für seine Bilder moniert, er, der eine kulturelle Leistung vollbracht hat, hat er wahrscheinlich nichts grundsätzliches gegen eine Vermögenssteuer und eine womöglich den Verhältnissen angepasste Erbschaftssteuer einzuwenden. Sicherlich aber Fr. Klatten und Hr. Quandt, die nur reine, langweilige Unternehmer sind und die der Autor, der im Wirtschaftsforum der SPD ist, offensichtlich vertritt. Die Deutschen und ihre Angst vor einem Linksruck, was für ein Schreckgespenst pinselt der Autor da wieder einmal an die Wand? Gnade uns Gott vor solchenn Parteivorsitzenden, dann hätte es gleich Nahles oder Schröder bleiben können.