Die Opelaner können erst mal zufrieden sein, ist die Existenz des Autobauers nun doch zunächst gesichert. Bundeswirtschaftsminister Guttenberg dagegen machte ein langes Gesicht: Er konnte sich mit seinem Favoriten „geordnete Insolvenz“ – als ob Insolvenzen in Deutschland ansonsten ungeordnet verliefen! – nicht durchsetzen. Bundeskanzlerin Merkel machte den Schröder – siehe Holzmann – und gab die Pragmatikerin: „In dieser Krise muss der Staat stärker helfen, als er das normalerweise tut.“ Mittlerweile sind die ersten 300 Millionen Euro aus dem staatlichen Überbrückungskredit von 1,5 Milliarden Euro an Opel geflossen, der Neuanfang scheint greifbar. Nur die Opelaner in Bochum sind wütend: Rund ein Drittel der 5500 Bochumer Arbeitsplätze sind jetzt in Gefahr. Derweil hat Siegfried Wolf, Deutschland-Chef des geplanten Investors Magna, den Rüsselsheimern einen ersten Besuch abgestattet und einen Mordseindruck auf der Betriebsversammlung hinterlassen. „Ohne Schlips, ganz lässig und ruhig“, wie ein Arbeitnehmer meinte – das scheint den Opelanern zu gefallen.
Die FR-Leser sehen das meist kritisch. So meint Hans-Christian Uhlemann aus Köln-Esch:
„Mit Verlaub, nun mal was aus Kölner Sicht: Gegen den Willen des Wirtschaftsministers ist praktisch beschlossen worden, dass die Ford-Beschäftigten mit ihren Steuern die eigenen Arbeitsplätze destabilisieren sollen. Denn die jahrzehntealte, natürlich gewachsene Konkurrenzsituation von Opel und Ford wird nun durch massive finanzielle Marscherleichterungen für eine Seite höchst unfair ausgehebelt. Es gibt ja nicht nur Bürgschaften, es fließt auch Geld. Frankreich hilft seinen konkurrierenden Massenherstellern Renault und PSA wohlausbalanciert. Das ist anständig. Deutschlands Politiker denken an Wahlen und an sich selbst. Auch bei Ford haben die Arbeitnehmer Familien! Sie sind als Stimmbürger nur nicht so zahlreich wie die bei Opel.“
Jürgen Böck aus Wasserburg:
„Bundesregierung, Industriefunktionäre und Medienvertreter führen ein interessantes neues Gesellschaftsspiel vor: den Opeltanz. Er besteht darin, sich vor der Wahl so lange im Kreis zu drehen, bis das zuschauende Wählervolk nicht mehr weiß, woran es ist. Der schwarze Peter wird so oft herumgereicht, bis ihn jede Teilnehmerpartei mindestens einmal in der Hand hält. Alle Betrachter – einschließlich tausender Opelaner – können dann am Wahltag keine Schlüsse mehr darauf ziehen, wer die fabelhaften Autos aus Rüsselsheim, Bochum und Eisenach wirklich in den Graben gefahren hat.
Der erzielte Deal mit Magna steht auf so schwachen Beinchen, dass er sich nicht selbst tragen kann, sondern vom Steuerzahler finanziert werden muss. Das soll verschleiert werden. Genau dies ist der tiefere Sinn des Opeltanzes!“
Volker Schumann aus Darmstadt:
„Schlage vor den Artikel 3 Grundgesetz um folgenden Satz zu erweitern: Kein Unternehmen darf wegen seiner Größe, seiner Mitarbeiterzahl von den Organen des Bundes, der Länder und der Kommunen bevorzugt oder benachteiligt werden. Eine solche Grundgesetzänderung scheint dringend geboten. Was jetzt an Euro-Mitteln für den, warum auch immer, maroden Autobauer aus Rüsselsheim fließt, ist ein Schlag in Gesicht aller Selbstständigen, Freiberufler, Kleingewerbetreibenden, Handwerker und Mittelständler. Viele von ihnen kämpfen ums Überleben, stehen unverschuldet vor der Insolvenz, müssen sich von langjährigen Mitarbeitern trennen, weil Löhne und Gehälter nicht mehr aufzubringen sind, weil Banken die Kreditlinie streichen. Und wer hilft hier? Frau Merkel? Herr Steinmeier? Nicht genug Wählerstimmen? Sie täuschen sich. 80 Prozent der Arbeitsplätze und Einkommensmöglichkeiten in Deutschland finden sich gerade in Kleinbetrieben und Mittelstand. Die 25.000 Opel-Arbeitsplätze erscheinen dagegen marginal.
Für mich ein klarer Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz. Mein Gerechtigkeitsgefühl ist verletzt.“
Warten wirs erst mal ab, ob die derzeitige Lösung länger hält als bis zum Wahltag. Da gabs schon mal die Rettung eines großen Betrieb, der dann doch in die Insolvenz ging. Der AZUBI im BMWi jedenfalls lässt keinen tag aus, die Insolvenz doch noch als Variante anzukündigen.
Nein nein, das ist nicht der Adam Opel-Tanz, sondern eine Abwandlung des Gesellschaftsspiel: „Die Reise nach Jerusalem“ – nennt sich die Reise nach Rüsselsheim. Es bedarf keiner Glaskugel, kein stundenlanges Pendelgucken um zu wissen, wer der Dumme am Ende ist. Das Stühlewegziehenn beginnt erst, und es liegt in der Natur Sache, daß die Schwachen auf der Strecke bleiben.
Ludwig Erhard wird sich wie ein Brummkreisel im Grabe umdrehen.
Ein Schlag ins Gesicht jedes kleinen und mittelständischen Unternehmers.
Die Gesetze des Marktes werden zu Grabe getragen und verstaatlichung aller ehemaligen Multis ist die Konsequenz.
Marks und Engels drehen mit Erhard um die Wette,aber die beiden vor Freude und in eind andere Richtungen.
Margot lebt noch und Krenz ist sicher auch nicht abgeneigt:-)
jojo, das Kapital uns, die Arbeit dem Volk – „bewährtes“ Stühlerücken nach links.
schönen Wahlsonntag Euch.
😉 🙁 😉 =:-) …
Müntefering und Steinmeier merken nicht, dass die Situation anders ist als zu Schröders Zeiten: Seine großspurige „Rettung“ von Holzmann haben die meisten noch nicht vergessen und dass die Hilfe für die Banken nicht heißt, dass dem „kleinen Mann“ geholfen wird, kann man heute wieder im Spiegel lesen („Merkels Geldeintreiber“), von den Boni, die aus Steuergeldern bezahlt werden, gar nicht zu reden. Arbeitsplätze zu sichern heißt nicht, gutes Geld schlechtem hinterherzuwerfen.
Es geht nicht nur um Arbeitsplätze, sondern um nicht weniger als den Fortbestand des homo sapiens! Diese Arbeitsplätze bei Opel gefährden uns.
Unter katzen-gegen-klimawandel.de liegt ein aktueller Umweltroman, der die Autos vor dem Hintergrund des Klimawandels hinterfragt, Umsonst und für alle lesbar! Es ist schon nach zwölf!
Es ist schwierig, Meinung äußern und dabei Klartext reden zu wollen, denn der Fall Opel geht nicht nur die Opelaner/inenn, sondern eine ganze Region bzw. eine Branche an; eigentlich geht auch das die ganze Weltwirtschat an. (Die Blogseite „Eine Hochzeit im Himmel?“ [../fiat/] vom 06.05.2009 um 15:05 hat z.B. nur eine Antwort geerntet.)
Da möchte ich erstens Einiges von Dr. Edgar Most (der DDR-Bankier, gut angekommen als West-Bankier /Deutsche Bank) zitieren und zwar aus der MDR-Talkshow Riverboat vom 05.06.2009 22:00-24:00. Das ist hier kein Original-Zitat, im MDR-Web sah ich nur den Podcast, keinen Skript (etwas zeitgemäße Kreativität muß man bei den Öffentlich-Rechtlichen immer wieder vermissen). Also zeigen sich auch hier Folgen der Überproduktion — Sozialismus= totale Wirtschaftskontrolle, Kapitalismus= unkontrollierte Wirtschaft, Zwischenlösung? — usw.
Auch wenn die Lage von Opel stabilisiert wird, was ich doch so hoffe, an wen sollte man Autos, besonders angesichts der schrumpfenden Kaufkraft, verkaufen?! Da hat mal ein Unternehmer (oder Verbandsvertreter) gesagt: Wenn alle schon ein Handy haben, wer will zwei?! Ende der 80er, während der Kohle-Krise und als die Unwirtschaftlichkeit dieser Energie klar wurde, sagte der damalige Bundeswirtschaftsminister Jürgen Möllemann, man solle die Belegschaft bei Lohnfortzahlung nach Hause schicken, da spart man wenigstens die Betriebskosten ein.
In einer Weltkrise muß man auch passend-strategisch denken und solche Lösungen ansteuern. Eine „Wiederherstellung der Wirtschaft in den vorigen Stand“, also lange vor der Krise, scheint mir ein problematischer Vorhaben bzw. Konzept zu sein. Man kann auch nicht Zeitreisen machen, um Einiges so zu verändern, daß diese Krise umgangen wird… Aber man könnte neue sozial-politischen bzw. wirtschaftlichen Zielsetzungen zum Wohle der ganzen Gesellschaft formulieren & setzen. Das bewirkt neue Arbeits- & Produkt-Märkte und kann die Wirtschaft neu beleben.