Und noch so’n repräsentatives Ding: Berlin kriegt sein Stadtschloss wieder. Das, was im zweiten Weltkrieg zerbombt worden war. Das, an dessen Stelle dann der „Palast der Republik“, vulgo: Erichs Lampenladen gestanden hat, das asbestverseuchte Ding. Die ticken doch nicht mehr richtig da in Berlin!
Sehe ich mir Stuttgart 21 an, wo Bahnchef Grube unter die Erde geht und dabei viele Milliarden Euro vergräbt, von denen niemand jemals etwas haben wird, dann finde ich dieses Projekt Stuttgart 21 bescheuert, weil ineffizient; da wird Geld für ein Prestigeprojekt rausgeschleudert, Geld, das an anderen Ecken fehlt, z.B. um den internationalen Verpflichtungen nachzukommen, die aus dem NEAT-Vertrag resultieren: Die Rheinschiene müsste bahntechnisch ausgebaut werden. Dringend! Aber dafür ist kein Geld da.
Sehe ich mir die Elbphilharmonie an, dieses Bilderbuchsymbol hanseatischer Großmannssucht, diesen Freihafen-Palazzo, der selbst Venedig neidisch erblassen lassen soll, dann kommt mir so etwas wie bittere Galle hoch. Hat man da doch angefangen zu bauen, ohne Klarheit über die statischen Probleme zu haben, die die Dachkonstruktion mit sich bringt. Es ist wie im Mittelalter; wie viele Kirchtürme sind noch gleich eingestürzt, weil Bauherren immer höher hinaus wollten und fest daran glaubten, dass die Gesetze der Statik für Gotteshäuser nicht gälten? Haben die Menschen seitdem etwas gelernt?
Und jetzt das Berliner Stadtschloss. Jüngst wurde der Grundstein für den Neubau gelegt. Ich schweige. Es wird ja nur ungefähr so viel kosten, wie gerade im Drohnendesaster verbrannt wurde; und wenn wir das eine wegstecken, dann wird uns das andere auch nicht weiter jucken. Darüber verliere ich kein einziges weiteres Wort. Lasst sie also bauen! Berlin soll eine neue Mitte bekommen? Meinetwegen. Ich bin schon still. Wozu brauchen wir Kita-Plätze für alle? Ordentlich und modern ausgestattete Schulen und Hochschulen? Einen effektiven Hochwasserschutz? Straßen, die diesen Namen auch verdienen? Nein, brauchen wir alles nicht. Wir brauchen ein neues Stadtschloss. Meinetwegen. Macht doch, was ihr wollt. Ich bin still.
Markus Erich-Delattre aus Hamburg meint:
„Warum engagiere ich mich und spende für den Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses als Humboldt-Forum: Die monströsen Verbrechen der Nazis, der Terror unter Stalin; die Diktatur der SED haben den durch und durch liberalen Berliner Bürgersinn fast vollständig zerstört. Es wird sicher noch Jahre wenn nicht Jahrzehnte dauern bis der Bürgersinn der Hauptstadt Berlin wieder zurückgewonnen ist. Das der europäischen Stadt zugrunde liegende Gestaltungsmuster ist generationsübergreifend beliebt und ungebrochen aktuell. Insbesondere die Neu-Berliner wünschen sich in den kleinteiligen; funktionsgemischten Quartieren Prenzlauer Berg, Friedrichshain oder Kreuzberg zu wohnen. Der Bau des Humboldt-Forums im Berliner Stadtschloss eröffnet die Möglichkeit den weiträumigen Verlust von städtischer Sensibilität; die autogerechte Stadt endlich zu überwinden. Berlin hat jetzt die einzigartige Chance seine Mitte neu zu gestalten. Der Entwurf „Lindenforum“ von Stephan Braunfels verdeutlicht, dass hier durchaus ein großstädtisches Quartier plus Stadtgrün; ja ein Brückenbau in Stein; Glas; Stahl oder Holz realisiert werden kann.“
Dieter Smyczek aus Frankfurt meint:
„Ich finde es empörend, dass in unserer Hauptstadt ein Symbol des preußischen Imperialismus‘ und Militarismus‘ aufersteht! Leider passt das zu dieser von sich überzeugten Stadt, in der Großmannssucht den Ton bestimmt. Dieses Angeberprojekt wird am Ende weit mehr Steuergeld verschlingen als jetzt prognostiziert. Das ist jedoch nicht das Schlimmste, viel schlimmer ist der geschichtslose Geist, der dieses Projekt durchgesetzt hat.
Erichs Lampenladen, der diese Stelle einmal verunziert hat, ist weg – und das ist gut so. Aber an diesem Platz erneut die wilhelminische Schaubude auferstehen zu lassen, ist eine Dokumentation von Großmannssucht und entspricht bestimmt nicht republiklanischem Verständnis. Aber so ist es nun mal, wenn man sich in die Reihe der Großmächte einordnen will. Bonn war provinziell, aber nicht so aggressiv.“
Christiane Kimmler-Sohr aus Ratzeburg:
„Danke, Tom Schimmeck, für dieses klare Bekenntnis! Schon bei den ersten Informationen zum Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses nagten ähnliche Gedanken und Empfindungen in mir, wenn auch nicht so bildhaft und überzeugend formuliert wie in Ihrer Kolumne. Ich finde es hahnebüchen, dass angesichts so vieler finanzieller Engpässe in unzähligen Bereichen der deutschen Innenpolitik, der gravierenden Situationen im europäischen und vor allem aussereuropäischen Teil dieses Planeten (nicht zuletzt Steuer-) Mittel für solch größenwahnsinnige und sinnlose Projekte versprochen werden. Vielleicht gehört das zu einem noch nicht enttarnten Plan, demnächst wieder die Monarchie in Deutschland einzuführen. Kandidatinnen für den Thron gibt’s sicher zuhauf.
Ich weise auf den Leserbrief von M. Maresch aus München vom 15.6. hin, in dem er einen für mich verblüffenden Vorschlag zur Vermeidung von künftigen Jahrhundertfluten schildert, der zwar erst einmal Milliarden verschlingen, aber auf längere Sicht viel Leid und Kosten vermeiden würde. Eine Anregung zum Nachdenken und Umsetzen…So könnte man zukunftsorientiert und vor allem auch im Interesse kommender Generationen sinnvolle Politik machen, nicht (Luft-)Schlösser bauen! Aber mit Informationen über Luftschlösser aller Art und allerorten werden wir ja nachgerade überflutet. Es ist mir immer wieder ein Rätsel, dass Millionen von Menschen, des Lesens, Schreibens und Denkens kundig, so vieles schlucken oder abnicken …“
Marcus Große von der Bürgerinitiative für ein Potsdam ohne Garnisonkirche aus Potsdam:
„Am 12. Juni wurde in Berlin der Grundstein für die Replik des Stadtschlosses gelegt. Keine vierzig Kilometer weiter, in Potsdam, ringen Befürworter und Gegner heftig um ein ähnlich gelagertes, aber ganz anders beschaffenes Projekt: Die einen wollen die Garnisonkirche aufbauen. Die anderen suchen dies zu verhindern. Und dies nunmehr seit über zwanzig Jahren.
Auf der Breiten Straße in Potsdam harrt eine beräumte Baulücke ihrer undiskutierten Verwendung. In den letzten 16 Jahren hat niemand die Bürger Potsdams gefragt. Das Prinzip Faktenschaffen soll die demokratische Legitimation ersetzen. Aber es fehlt das Geld. Die Spendenbereitschaft ist bisher hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Kein Wunder: Anders als das Projekt Frauenkirche in Dresden ist der Wiederaufbau der Garnisonkirche kein Bürgerprojekt. Sie wird nicht geliebt – war sie doch nie eine Bürgerkirche.
Entgegen aller Beteuerungen schielt man nach öffentlichen Geldern und versucht, die Bundeswehr mit ins Boot zu holen. Eine fragwürdige Traditionslinie zeichnet sich am Horizont ab. Seit kurzem tritt auch Verteidigungsminister Thomas de Maizière öffentlich für das Projekt ein.
Der Vorschlag, kein öffentliches Geld für Errichtung und Unterhalt der Garnisonkirche auszugeben, landete in der Befragung zum Potsdamer Bürgerhaushalt 2013 auf dem ersten Platz. Ein klares Votum. Die politische Praxis ignoriert das. Anfang Juni wurde bekannt, dass die Bundesregierung das Projekt Garnisonkirche als „national bedeutsame Kultureinrichtung“ mit 400.000 Euro fördern wird.
Altbischof Wolfgang Huber hatte 2012 in einem Interview den Wiederaufbau der Kirche ein „Projekt von nationaler Bedeutung“ genannt und dabei Jörg Schönbohm zitiert. Mit der Brisanz, die das Projekt für Deutschland hat, dürften beide richtig liegen.
Mit dem HILFERUF AUS POTSDAM versuchen wir, die Bürgerinitiative für ein Potsdam ohne Garnisonkirche, dem Rechnung zu tragen. Das Projekt gehört unserer Meinung nach tatsächlich auf die Bühne eines landesweiten, wenn nicht sogar internationalen, Diskurses. Es gilt, in letzter Minute einen Prozess in Gang zu setzen, ohne den der angestrebte Wiederaufbau zu einer argumentationslosen Raumpolemik geraten würde.“
Warum machen wir es nicht wie die Brasilianer, die wegen der sinnlos für WM und Olympiade geplanten Milliarden-Ausgaben zu Hunderttausenden auf die Straße gehen? Auch wir haben im Lande abhängte Ecken zuhauf, Prekariat und Menschen, die ihr täglich Brot über die Tafeln sichern. Es kann für mich nicht Großmannssucht alleine sein – es muß hier auch, wie immer, wenn es um Bauen geht, Korruption im Spiele sein.
Ich rate allen Bürgern nur, die gegen diese Milliarden-Projekte sind, in den nächsten Wochen an Wahlständen und in Versammlungen ernsthafte Fragen zu stellen, und den Befürwortern dieser Geldverschwendung ihre Wählerstimme zu versagen.
Von mir aus lasse ich mir gerne auch einen „geschichtslosen Geist“ vorwerfen. Besser als ein Unterstützer von Geldverschwendern mit einem dann eher geschichts-besoffenen Geist. Ganz Deutschland arm, aber sexy? Ganz Deutschland arm, aber voller Investitions-Ruinen!
Sollen sich Wowereit & Co. doch die Pläne als eine Art „Playmate/Playmen of the month“ als …..Vorlage aufs Klo hängen.
Ob ein Bauvorhaben im öffentlichen Raum unsinnig genannt werden darf, bemisst sich einzig daran, inwieweit die dem Einzelnen von Natur aus absolut abgezirkelten Grenzen im Zuge von dessen Verwirklichung relativiert werden. Allein lauthals besagten Frevel zu reklamieren, ohne den dazu erforderlichen Beleg in den Händen zu halten, wiederholt somit lediglich denselben nahezu bis in die Unendlichkeit zum äußersten Nachteil der Allgemeinheit. Nicht wenige der dadurch als selbsternannt geltenden Kritiker beispielsweise des Bahnhofsumbaus in Stuttgart oder des zu rekonstruierenden Stadtschlosses in Berlin üben sich somit in Praktiken, die nicht verbotswidrig eigenmächtiger sein könnten.
# 2: toter Handlungsreisender
1. verstehe ich Ihr Geschwurbel nicht, bitte ins Deutsche übersetzen
2. handelt es sich bei dem Projekt „S21“ nicht um einen Umbau (da ja nicht der Kopfbahnhof „umgebaut“ werden soll, sondern um ein (überaus) unterirdisches Neubauprojekt
Nicht das erste Mal werfen Dritte wie nicht zuletzt auch der Anonymus namens „Wolfgang Fladung“ meiner Person im Angesicht des mir unveräußerlich eigenen Schreibstils vor, nicht sprachmächtig zu sein und mich vorgeblich in Geschwurbel zu verlieren; indes ohne je Anstalten unternommen zu haben, den dafür zwingend erforderlichen Nachweis zu erbringen. Selbst beim besten Willen bleibe ich daher systematisch außerstande, auf besagten Vorhalt antworten zu können und ziehe daraus den Schluss, künftig keinen Kommentar mehr innerhalb des frblog zu verfassen, weil hier offenkundig lediglich das Faustrecht gilt.
@ Toter Handlungsreisender
„… ich … ziehe daraus den Schluss, künftig keinen Kommentar mehr innerhalb des frblog zu verfassen …“ (Toter Handlungsreisender #4)
Das immerhin habe ich verstanden und bedaure es sehr.
Ich habe zwar inhaltlich kaum je verstanden, was genau sie verbergen wollten, aber da Sie nie dazuschrieben, wen Sie gerade so brillant persiflierten, war mir jeder Ihrer Beiträge eine dringliche Aufforderung, selbst deutlicher zu schreiben.
@2+4, TH :
Ein Faustrecht kann ich im FR-Blog nicht erkennen.
Ich muss aber gestehen, dass ich die Botschaft, die Sie hier „rüberbringen“ wollen, auch nicht verstehe.
@Toter Handlungsreisender,
eine vom Üblichen abweichende Weise der Kundgebung einer Ergebnislage nach angestrengten und umfangreichen synaptischen Aktivitäten wirft, wenn nicht Fragen über die Grundlagen einer Begrifflichkeit wie der des „Üblichen“, so doch ebensolche über die Motivation allseitiger Ablehnung des Unüblichen durch die teilnehmenden Subjekte auf.
Das Verständnis ist eines der soliden Fundamente, daß die Blog genannten solcherartigen Veranstaltungen überhaupt zum Quell einer wie gering auch immer perzipierten Freude sich zu eignen in der Lage sind. Aus einer inversen Operation auf das vorherig Behauptete ergibt sich die Emotion des Ärgers als eine der unbezweifelbaren Folgen einer individuellen Situation des Unverständnisses, die ein Spiegelbild der Unverständlichkeit ebenso sein kann wie sie durch eine Trübung des besonderen Spiegels hervorgerufen wird, der vom menschlichen Wesen für gewöhnlich, zwischen den auditiven Organen gelegen, für die Reflektion verwendet wird, aber nicht die des Lichts.
In vollster Anbetracht der Unklärbarkeit der ewigen Menschheitsfrage „Ist der andere ein Idiot“ bei insgesamt unzureichender Datenlage kann erst Vertiefung der Kommunikationsanstrengung hier Aufschlüsse liefern, die dann das Gegebene aber bisher nicht Erschlossene aufschließen kann. Einem Kommunikationsabbruch ist nicht zuletzt wegen ihres final nicht nur anmutenden sondern tatsächlichen Charakters eine gewisse kontraproduktive Eigenschaft dahingehend nicht abzusprechen, wiewohl sie einem Gefühl der Erleichterung durchaus Bahn brechen kann, welches sich nicht selten vorübergehend ausbreitet, wenn Wege für Alternativbeschäftigungen mindestens ebensolcher Güte freigemacht sind.
Einer Vertiefung muß (darf, und sollte) sich jedenfalls nicht auf dem Verfahrenswege einer Simplifizierung genähert werden, sondern kann dem nicht völlig unzulänglichen Auge und dahinter situierten Organ schon gelingen als Resultat einer Rezeption syntaktischer Variationen der Aussendungen des Gegenübers, welcher im Kontext des Weltnetzes allerdings eher als ein Woanders aufgefasst werden muß (wobei dies zum eigentlichen Gegenstand der Betrachtung in einem nicht unbedeutenden Verhältnis der Beziehungslosigkeit steht).
@ M.W.
Hier merkt man beim Lesen, mit welcher fröhlichen Hingabe sich der Schreiber der Macht seiner Worte freut, wohl wissend, dass es sehr schwer sein würde, ihm auf gleicher Stufe zu entgegnen. :-).
Eine Macht, andere zu verwirren, erschiene mir nicht besonders erfreulich. Auch vor dem Betreten von Stufen wird gewarnt, wenn diese sich im Kellergeschoß der Linguistik befinden, in einer besonders düsteren und verschimmelten Ecke.
Ein großes Danke aber an Bronski, daß hier die gelegentliche Auflockerung auch dann möglich ist, wenn sie thematisch voll daneben liegt.
So, und jetzt zurück zum Thema…