Die „Alternative für Deutschland“ ist keine Alternative, sondern eine Gefahr für Deutschland. Das muss jedem freiheitlich-demokratisch gesonnenen Menschen in diesem Land an diesem Wochenende klar geworden sein. Wenn die AfD-Vorsitzende wie jüngst im Interview des Mannheimer Morgen davon schwadroniert, dass Schusswaffengebrauch zur Abwehr von Flüchtlingen an der Grenze als „Ultima Ratio“ möglich sei, ist offenkundig geworden, dass diese Frau nicht auf dem Boden des Grundgesetzes steht. Und sage mir keiner, das sei ein Ausrutscher gewesen! Auch Petrys Lebensgefährte Marcus Pretzell, AfD-Landeschef in NRW, hat sich sinngemäß gleichlautend geäußert, und Petrys Stellvertreterin Beatrix von Storch hat auf ihrer Facebookseite Petry sekundiert: Das gelte auch für Mütter, die mit Kindern illegal auf deutsches Territorium einreisen wollten. Später relativierte sie ihre Aussage: Auf Kinder dürfe nicht geschossen werden, sehr wohl aber auf die Mütter, die anders als Kinder verständig seien, weshalb der Gebrauch von Waffen gegen sie „innerhalb der gesetzlich engen Grenzen“ zulässig sein könne. Das machte es natürlich viel besser: Von Storch hält es also für ein probates Mittel der Gefahrenabwehr (!), Mütter vor den Augen ihrer Kinder erschießen zu lassen? Und das sagt eine Juristin!
Schusswaffengebrauch ist den Sicherheitskräften erlaubt, wenn akute Gefahr droht. (Hier ein paar Details.) Mehr ist dazu nicht zu sagen. Was Frau Petry da vorschlug, steht keinesfalls im Gesetz.
Es ist nicht zu fassen, dass so etwas in Deutschland wieder gesagt werden kann. Was sind das für Köpfe, die es für eine ernsthafte Option halten, auf unbewaffnete Menschen schießen zu lassen, auf Menschen, die bei uns Schutz suchen? Selbst wenn man wohlwollend juristische Unbedarftheit unterstellte — wo bleibt die Humanität? Wie weit muss die Verrohung fortgeschritten sein? Wo bleiben die vielbeschworenen Werte, die christlichen Werte oder meinetwegen auch die „deutsche Leitkultur“ (unterstellt, es gäbe so etwas wirklich) in dieser inhumanen Gedankenwelt? Nun ist es offensichtlich: Die selbsternannten Verteidiger dieser Werte dort am äußersten rechten Rand sind in Wirklichkeit ihre Sargträger, und sie unterscheiden sich offensichtlich nicht mehr von der NPD. Der Berliner Extremismusforscher Hajo Funke spricht es aus: Die AfD ist eine rechtsradikale Partei. Keine rechts- oder nationalkonservative.
Es ist gut, dass dies so kurz vor den Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt noch herausgekommen ist, und es steht zu hoffen, dass die Wählerinnen und Wähler, auch wenn sie streng konservativ sind und die Flüchtlingspolitik der Regierung keinesfalls mittragen wollen, nun bemerken, welche Gefahr von der AfD ausgeht. Die Hoffnung allein reicht aber noch nicht. Die Mitte der deutschen Parteienlandschaft, von der die Flüchtlingspolitik im Großen und Ganzen getragen wird, muss sich nun endlich den Menschen in diesem Land erklären. Sie muss sich der Diskussion stellen und erläutern, warum das „Wir schaffen das!“ der Kanzlerin keine Einladung an die Flüchtlinge, sondern eine Einladung an die Deutschen war und warum diese Politik alternativlos ist. Sie muss sich endlich offen an die Seite des Heeres der Selbstlosen stellen, den vielen ehrenamtlichen Helfern, und den Nicht-Selbstlosen klarmachen: Wir müssen aufhören zu jammern und diesen Einwanderungsprozess endlich zu gestalten anfangen, damit die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholt werden. Konstruktiv, lösungsorientiert. Die Herausforderung ist nun mal da. Wir sind rechtlich und moralisch verpflichtet, allen Schutzsuchenden zu helfen. Das heißt nicht zwangsläufig, dass wir auch alle integrieren müssen. Viele werden in ihre Länder zurückkehren. Andere werden abgeschoben. Aber das ist Zukunftsmusik und ändert nichts an der aktuellen Situation. Die Herausforderung wird nicht geringer, indem wir sie beklagen.
Also, liebe Frau Merkel — wie wäre es, wenn Sie uns mal erklären, wie Ihre Pläne aussehen? Reden an die Nation haben in Deutschland keine republikanische Tradition, doch wann, wenn nicht jetzt, wäre der Zeitpunkt gekommen, eine solche Tradition zu begründen? Wenn es sein muss, reicht mir auch eine Regierungserklärung, also eine „kleine“ Rede an die Nation, aber dabei besteht die Gefahr, dass Sie nicht breit genug registriert werden, liebe Frau Merkel. Und wie wäre es außerdem mit klarer Kante gegenüber dem Hetzer aus Bayern, dessen Parteifreunde in Ihrer Regierung sitzen und der es wagt, diese Regierung quasi aus der Regierung heraus vor das Bundesverfassungsgericht bringen zu wollen? Horst Seehofer, der Wasserträger der AfD, hat unermesslichen Schaden angerichtet. Will die CDU als gemäßigt-konservative Partei wirklich eine Parteienunion mit solchen Rechtspopulisten aufrecht erhalten? Kündigen Sie diese Parteienunion.
Das wären Maßnahmen gegen die rechten Hetzer, für die Sie meine volle Hochachtung hätten. Klare Kante gegen die Extremisten, auch die in der eigenen Fraktion. Wählen würde ich Sie natürlich trotzdem nicht, Frau Merkel. Dennoch: Wann, wenn nicht jetzt, ist der geeignete Moment zu zeigen, wie viel Schröder in Ihnen steckt?
Ute Daub aus Frankfurt meint
„Zu Petrys Forderung nach dem Gebrauch von Schusswaffen an der Grenze als „Ultima Ratio“: Unter Psychiatriemitarbeitern kursiert – in Analogie zu „An apple a day keeps the doctor away“ – der Spruch: „A death wish a day keeps the (psycho-)analyst away“. Wenn aber dieser Todeswunsch auf gänzlich unbekannte Menschen gerichtet ist, sieht die Sache anders aus: Dann ist eine Selbst- oder Fremdanalyse dringend geboten.“
Klaus Philipp Mertens aus Frankfurt:
„Auf die Forderung der AfD-Vorsitzenden Frauke Petry nach Zäunen entlang der deutsch-österreichischen Grenze und einem Schießbefehl (als Ultima Ratio) reagierte der ehemalige DDR-Bürgerrechtler und Theologe Friedrich Schorlemmer in einem Interview mit dem Deutschlandfunk am eindeutigsten. Er sprach von einer „AfD-Bande“ und zweifelte an deren Bereitschaft und Fähigkeit, sich in einen seriösen politischen Diskurs einzubringen. Dieser Gruppe ginge es lediglich um die Verbreitung rassistischer Parolen, aber nicht um humane Lösungsansätze zur Flüchtlingsproblematik.
Es wäre schön, falls die FR bei der Berichterstattung über diese Partei Schorlemmers Sprachregelung aufgriffe und künftig den Begriff „AfD-Bande“ benutzte. Denn es kann nach meiner Meinung nur noch um deren Entlarvung gehen. Eine normale politische Auseinandersetzung ist mit dieser Gruppe nach meiner Einschätzung nicht möglich.“
Cornelius van Lessen aus Drochtersen:
„Ich habe heute eine Strafanzeige gegen Frau von Storch und Frau Petry wegen des Verdachts der Volksverhetzung erstattet. Die Aufforderung zum Schusswaffengebrauch gegenüber Flüchtlingen an der Grenze zu Deutschland erfüllt m.E. diesen Tatbestand. Geradezu zynisch ist die Aussage von Frau von Storch, die Schusswaffe gegenüber Flüchtlingsfrauen und ihren Kindern nun doch nicht anzuwenden. Damit sagt sie doch, dass die Männer dieser Frauen und Väter dieser Kinder in deren Anwesenheit bei Grenzübertritt erschossen werden dürfen/sollen.“
Astrid Zinnecker-Rönchen aus Münster:
„Ich finde die Empörung über Frau Petry völlig richtig, meine aber, es wäre wichtiger, z.B. Herrn Seehofer und seine CSU-Freunde mal zu fragen, wie sie sich denn eigentlich die Sicherung der Grenzen vorstellen, die sie einfordern. Wer wirklich die Grenzen dichtmachen will – egal ob in Deutschland oder in Griechenland –, muss angesichts der verzweifelten und zu allem entschlossenen Flüchtlinge bereit sein, notfalls zu schießen. Und jeder, der eine „Obergrenze“ fordert, muss bereit sein, Grenzen zu schließen. Dass Seehofer und Co. nicht auch gezwungen werden einzugestehen, wie sie es damit halten, finde ich den viel größeren Skandal. Dann wüssten die Wahlbürger endlich, woran sie sind. Und dann würde offenbar, dass es keine Alternative zum Kurs der (von mir wahrlich nicht geliebten) Kanzlerin gibt, wenn wir nicht zu einem offenkundig inhumanen Volk werden wollen. Frau Petry ist nur die, die offen sagt, was ganz logisch auch der CSU und Teilen der CDU vorschweben muss.“
Beate Holtken de Dorich aus Lima (PER):
„Für viele Menschen, die nach Europa geflohen sind, gab es keine andere Alternative für Deutschland. Diese Herausforderung für Deutschland haben viele Menschen mit Güte, Mitgefühl und Engagement angenommen. Mit rechtsextremen Aktionen wie von AfD werden keinerlei Lösungen geboten.“
Albrecht Thöne aus Schwalmstadt:
„Genug der Verrohung! An Frau Petry und ihrer Partei scheiden sich nun wirklich die Geister. Es ist bedrückend, in welch primitive Abgründe unsere politischen Auseinandersetzungen abgeglitten sind. Ich habe schon vor Jahren nicht akzeptiert, dass Aufforderungen wie „Brandt an die Wand“ oder „Tötet Helmut Kohl“ straffrei blieben. Ich akzeptiere heute nicht, dass die Träger der Galgen-Transparente nicht verhaftet und bestraft werden, und, ja, ich bin für ein Verbot jeglicher Fackelmärsche, nicht nur am 30. Januar und egal von welcher Seite. Ich habe über die Feuersymbolik in der NS-Propaganda geforscht, für mich ist ist der Konnex zu den Bücherverbrennungen, zu den brennenden Synagogen der Reichspogromnacht, zu den Brandschatzungen der Waffen-SS, zu den KZ-Krematorien und schließlich zum Weltenbrand schauderhaft direkt.
Zahllose Brandanschläge auf Asylbewerberheime in letzter Zeit und nun bald „Feuer“ auf Asylsuchende? Haben wir denn die Schande von Rostock, Hoyerswerda, Mölln und Solingen schon vergessen? Denk ich an Deutschland in der Nacht, bin ich bald um den Schlaf gebracht! Der Aufstand der Anständigen bleibt zu blass und gewährt vor allem zu wenig Schutz. Da unsere verdiente Polizei überbeansprucht und überfordert ist, hätte schon längst unsere Bundeswehr die Brandstifter – aber auch die Menschenjäger und Kesseltreiber jeglicher Herkunft – in Schach halten können!“
Die in der Einführung und in den zitierten Leserzuschriften erkennbare Empörung ist mit Sicherheit berechtigt. Sie kann aber nüchterne politische Analyse nicht ersetzen. Zu der gehört nun, Handlungsweisen und Wirkungen auch von Gefühlslagen und Bewusstseinsformen der Gegenseite her zu durchdenken – so sehr das einem selbst auch widerstreben mag. Daher ein Versuch in dieser Richtung.
Die Mehrzahl der Kommentatoren geht davon aus, dass die unsäglichen Äußerungen der Damen Petry und v.Storch über Waffengebrauch politischem Kalkül entspringen, ohne dies allerdings näher zu begründen.
In meiner Antwort an Bronski („Wer sich wegduckt, haucht der AfD das Leben ein“, 31. Januar 2016,0:39) formuliere ich unter 4,2 die These, dass die AfD keine eigene „politische Gesamtstrategie besitzt“, sondern „Rezepte von Rechtspopulisten andernorts imitiert“. Eine Einschätzung, die auch hier weiterhilft.
1. Donald Trump:
Dessen fast inhaltsgleiche Äußerung, „er würde auch dann keine Stimmen verlieren, wenn er auf offener Straße einen Menschen erschießen würde“, gibt in seiner Menschenverachtung und Verhöhnung des eigenen Wahlvolks die Richtung vor. (http://www.fr-online.de/politik/us-wahlkampf-trump-sagt-tv-debatte-ab,1472596,33627052.html). Mit ziemlicher Sicherheit dem (verfrühten) Siegestaumel eines selbstverliebten Demagogen entwachsen, der zu jedem Mittel bereit ist, lässt dies dennoch eine zynische – um nicht zu sagen diabolische – Rationalität erkennen: Formuliert sie doch die Einschätzung der eigenen Wähler, diese wären ohne Wimpernzucken auch bereit, einen Mörder (auf den in den USA immerhin die Todesstrafe wartet) zum US-Präsidenten zu küren. Unterstellt, das würde tatsächlich passieren, dann würde ihm dies freie Bahn für jede Form von Willkür eröffnen. Sind doch seine Wähler in die bevorstehenden Machenschaften, selbst krimineller Art, bereits eingebunden, und keiner könnte sich darauf berufen, es „nicht gewusst“ zu haben. Eine Logik, die der von kriminellen Banden entspricht, um Ausbrechen einzelner zu verhindern. Die zugleich die Kehrseite des blind-frenetischen Jubels darstellt, der wirklichkeitsfremde Erwartungen von nationaler „Größe“ auf quasi gottähnliche „Erlöser“-Gestalten projiziert.
2. Marine LePen
Diese ließ sich durch nichts davon abhalten, angesichts der Selbstmordattentate von Paris ihre aberwitzige (und chancenlose) Forderung nach Wiedereinführung der Todesstrafe sogleich zu wiederholen. Ein Manöver, das in ähnlicher Weise auf die eigene Klientel abzielt, mit der Absicht, diese, unter Ausnutzung der Empörung, auf Gedeih und Verderb an sich zu binden. Und es ist nicht zu erkennen, dass ihr dies in besonderer Weise geschadet hätte. Demagogen dieser Couleur setzen auf einen perfekten Verdrängungsmechanismus zumindest bei den eigenen Anhängern, der sie zur beliebig manipulierbaren Masse macht und jegliches Eindringen rationaler Erwägungen verhindert.
3. Petry und v.Storch:
Nicht nur die inhaltliche Deckungsgleichheit, auch die zeitliche Koordinierung der Provokation (auf dem Höhepunkt nationaler Hysterie) spricht für sich. Auf gezielte Kalkulation einer Petry (analog zu LePen) verweist zudem die Wiederaufnahme von Äußerungen ihres Ehegefährten, die keine nennenswerte Reaktionen hervorgerufen hatten. Das freilich ist nun anders.
Eine Fehlkalkulation in doppelter Hinsicht: Noch ist der geistige Hintergrund selbst eines Großteils von AfD-Anhängern nicht ganz mit dem von FN-Anhängern (über Jahrzehnte gewachsen und durch nationalistische Symbole gefestigt) oder gar der quasi-religiösen Wirklichkeitsverdrängung amerikanischer Chauvinisten und Tea-Party-Hysteriker vergleichbar. Und solche Äußerungen von Spitzenfunktionären der eigenen Partei, die totalitäres Denken offenbaren, haben eine ganz andere Qualität als Vorwürfe der gleichen Art seitens der „Lügenpresse“ oder etwa von mir als einer von deren „Agenten“.
Allen „wohl meinenden“ AfD-Anhängern, die sich tatsächlich als „Opfer“ böser „Mainstream“-Presse, von „political correctness“ oder eines „Schweigekartells“ wähnten, ist dieser Weg des Selbstbetrugs in Zukunft verbaut. Sie haben sich der Realität zu stellen, dass sie bei weiterer Unterstützung künftig – nach den Worten der eigenen Parteivorsitzenden und mit vollem Recht – den „Tätern“ zugerechnet werden müssen.
Ein notwendiger Klärungsprozess, den es zu unterstützen und weiter zu treiben gilt: durch Einfordern konkreter Problemlösungsstrategien für reale Herausforderungen – und immer neues Nachhaken. Der nicht durch Rückfall in ein Wischiwaschi von egozentrischem und selbstmitleidgeprägtem „Ängste“-Gerede wieder verschüttet werden darf.
Ein Sachverhalt, den sogar ein Bernd Lucke verstanden hat:
„Der Umgang der AfD mit Flüchtlingen ist inhuman, unmenschlich und nicht zu ertragen. Deshalb nehmen wir nach solchen Äußerungen bei Alfa keine AfD-Mitglieder mehr auf. Wir haben einen Aufnahmestopp verhängt.“ (http://www.fr-online.de/politik/bernd-lucke-ueber-afd–inhuman-und-nicht-zu-ertragen-,1472596,33695316.html)
Zunächst: Für mich ist es kein Verstandes-Problem, sondern eines der Emotionen. Meine Geschichtskenntnisse sagen mir, das es immer wieder galt, „schwarze Schafe“ zu produzieren, die „an allem“ Schuld sind. Die AfD macht da nichts Neues. Wie im Mittelalter gibt es schwarze Schafe, früher Juden, jetzt Migranten, welche vorgeblich Unheil anrichten und den Deutschen ihren Wohlstand (wer hat den heutzutage wirklich noch) wegnehmen wollen. Hitler hat das geschickt aufgegriffen, weil er Elemente der noch relativ jungen Erkenntnisse von Freud und Jung benützen konnte. Wer einen Schuldigen benennen kann, wird selbst sauber, reingewaschen, erhält quasi Absolution erteilt, nur in diesem Falle vom Führenden, vom Politiker, vom Herrscher statt vom Priester im Beichtstuhl.
Und Otto-Normalverbraucher fragt ja nicht nach Gründen von Migration, sondern fürchtet nur die Folgen. Er muß abgeben, sich mit Fremd- und Andersartigkeit auseinandersetzen, vielleicht Verlust erleiden, von Arbeitsplatz, Einkommen, billiger Wohnung, Lärm und Müll in der Nachbarschaft, und vieles mehr.
Eine Partei, die ihm verspricht, all dieses Unheil von ihm zu wenden, ist da willkommen. Auf einfache Fragen und Befürchtungen einfache Lösungen – so funktionieren die meisten Menschen. Und da jeder das „Schwarze-Peter-Spiel“ kennt, wird es geschickt genützt von den rechten Demagogen. Sie pflegen damit, nur leicht intellektuell gestützt, ihre eigenen Vorurteile, gewinnen Bestätigung ihrer eigenen verkorksten und verschrobenen Person bzw. Persönlichkeit, und suhlen sich in ihrer Macht, die berauschend wirkt.
Was passiert derzeit in den USA? Welche Idioten sind da, mit Ausnahme von Sanders, Favoriten der WählerInnen? Trump, Cruz – alles Vernünftige?
Was passiert derzeit auf der Welt? Gegen Dummheit gibt es kein Medikament.
Ich würde keine Hoffnungen in Frau Merkel setzen. Sie ist womöglich, siehe ihre Bemerkung zur „marktkonformen Demokratie“ nur ein Instrument anderer Gruppen. Mit dem Zustrom von Flüchtlingen kann man schließlich sehr gut die unverschämten Forderungen von links konterkarieren. Nur hat sie sich vielleicht in der Tragweite verschätzt. Das gönne ich ihr.
@ Werner Engelmann: Ich verorte Sie altermäßig so um die 75. Es muß nicht sein, das dieser Blog so eine Art Zwiegespräch wird. Deshalb dürfte Bronski Ihnen auch meine private Mail-Adresse mitteilen.
Aber zum Thema: Ich bin auf Ihrer Seite, aber nur hälftig. Weil ich überzeugt bin, das die Demagogie von rechts auf der Bürgerseite eben nicht vom Kopf, sondern vom Bauch aufgenommen und aufgefasst wird. Und da können wir noch so viel Erklärungsversuche starten, Gefühl bleibt Gefühl, und Bauch Bauch. Wenn ich Vorurteile habe, dann suche ich mir Leute, welche diese bestätigen. Ich schaue also nicht nach Gegenargumenten, die meine Vorurteile widerlegen, sondern nach solchen, welche diese Vorurteile bestätigen. Ich habe selbst Menschen im Bekanntenkreis, die ich früher eher „links“ verortet hätte, und die mich jetzt mit Argumenten a la „Kopp-Verlag“ bombadieren. Warum wohl?
Schlimm finde ich, dass diese Partei wie auch Pegida vom Verfassungsschutz, der doch sonst alle Bürgerinnen und Bürger, die links von der CDU stehen, ob durch Teilnahme an einer Demo, einer Unterschriftenaktion u.ä. beobachtet und erfasst, nicht observiert werden. NSU lässt grüßen!
@ Wolfgang Fladung: 2. Februar 2016 um 21:01
Lieber Wolfgang Fladung,
da Sie mich persönlich ansprechen, hier auch eine persönliche Antwort, und hoffentlich auch klar genug.
1. Mein Alter:
Tut zwar nichts zur Sache, Sie können es aber ruhig wissen: Ich bin Jahrgang 44 (geboren exakt 155 Jahre nach der französischen Revolution). Ich sehe das nicht als Verdienst, wohl aber als Verpflichtung, mit Erfahrungen , die sich nun mal angesammelt haben, verantwortlich umzugehen. Will heißen: Jüngeren, die nicht erfahren konnten, wie man aus Not, Verunsicherung, verfahrenen und hoffnungslosen Situationen auch wieder herauskommen kann, Mut zu machen und nicht, sie noch mehr in aufgeblasene „Ängste“ zu verstricken.
2. – „Weil ich überzeugt bin, das die Demagogie von rechts auf der Bürgerseite eben nicht vom Kopf, sondern vom Bauch aufgenommen und aufgefasst wird.“
Logisch, sonst wär’s ja auch keine Demagogie und man müsste nicht mit aller Kraft (und Verstand!) dagegen halten.
3. – „Und da können wir noch so viel Erklärungsversuche starten, Gefühl bleibt Gefühl, und Bauch Bauch. Wenn ich Vorurteile habe, dann suche ich mir Leute, welche diese bestätigen.“
Widerspruch, Euer Ehren! Meines Wissens hat jeder nicht nur einen Bauch, sondern auch ein Hirn. Und es bedarf nicht des Hinweises auf „Aufklärung“, um zu wissen, dass es zur menschlichen Natur gehört, dieses auch zu betätigen.
Nun gehe ich mal davon aus, dass Sie mit „ich“ nicht sich selbst meinen, sondern dass dies als Verallgemeinerung für menschliches Verhalten zu verstehen ist. Dann aber entspricht dies weder meinen vergangenen noch meinen jetzigen Erfahrungen. Möglich, dass dabei die – beruflich bedingte – Tatsache eine Rolle spielt, dass ich vorwiegend mit jungen Menschen zu tun hatte, die ich in der überwältigenden Mehrheit als interessiert, aufgeschlossen, kurz: als mit Herz und Verstand ausgestattet erfahren habe. Eine Erfahrung, die einen immer wieder aufs Neue zwingt, sich mit Veränderungen auseinanderzusetzen, Zukunftsperspektiven ins Auge zu fassen, statt eigene Nabelschau zu betreiben.
4. – „Ich schaue also nicht nach Gegenargumenten, die meine Vorurteile widerlegen, sondern nach solchen, welche diese Vorurteile bestätigen.“
Neuer Wierspruch: Ich war, ganz im Gegenteil, oft mit jungen Menschen konfrontiert, die gerade „Gegenargumente“ suchten, um sich selbst daran messen zu können. Wer in meinem Job zu tun hatte, weiß, dass solches gelegentlich auch die Form von Provokationen annehmen kann. Er versteht dies aber auch positiv zu interpretieren und gerät deshalb nicht gleich aus dem Häuschen. Und das ist wohl der Normalfall, der von Ihnen beschriebene Zustand dagegen eher ein pathologisch zu erfassender Befund, der nach Gründen und Gegenstrategien zu befragen ist.
Also: Wenn jemand bei Ihnen allein die Bestätigung seiner Vorurteile sucht, tun Sie ihm dann den „Gefallen“? – Ich nicht. Wir leben auf dem Land, hatten vielfach sehr einfach gestrickte Menschen zu Gast. Ich kann mich nicht erinnern, dass jemals jemand solche Erwartungen von uns hatte. Immerhin ein Hinweis, dass es sehr wohl möglich ist, die Verbreitung von Vorurteilen einzugrenzen.
5. Negativismus, Wahrnehmung und Perspektive:
Wer nicht mehr in der Lage ist, das oben genannte Positive wahrzunehmen, der sollte zumindest bereit sein, die eigene Wahrnehmung zu hinterfragen, die eben dazu führt. Dazu gibt es ein sehr einfaches Mittel, das ich gelegentlich in Klassen angewandt habe: Ich steige selbst aufs Pult und demonstriere so meine Macht. Dann lasse ich die Schüler auf die Tische steigen und ihre Empfindungen gegenüber dem armen Würstchen vor ihnen beschreiben. Sie glauben gar nicht, welche Einsichten das schafft, was so eine kleine Änderung der Perspektive bewirken kann.
Einsichten, die ausreichen, um die Goebbels-Karikatur Björn Höcke auf dem Podium am Marktplatz von Erfurt in seiner geliehenen „Größe“ und wahren Erbärmlichkeit zu entlarven. Die auch vor fast genau 100 Jahren von Heinrich Mann im „Untertan“ meisterhaft beschrieben und im entsprechenden Film umgesetzt wurden.
6. Vorurteile und objektive Gründe:
Ich lasse mal die globalen Ursachen für Verunsicherung in der gegenwärtigen Umbruchsituation ganz weg – werden noch vielfach zu thematisieren sein. Ich beschränke mich auf den Umgang mit dem, was als „Ängste“ ständig breitgetreten wird.
Wie jeder weiß, der sich mit „Vorurteilen“ beschäftigt hat, entspringen diese aus diffusen Bedrohungsgefühlen, Bedürfnis nach „Schutz“ und angstbestimmter Abwehr. Dazu zunächst noch einmal der Link zu dem ausgezeichneten Interview mit dem Sozialpsychologen Rolf Haubl:
(http://www.fr-online.de/flucht-und-zuwanderung/fremdenangst-das-schwarz-weisse-weltbild-der-rechthaber,24931854,33624300.html)
Wichtig hier: Gefühl der Überforderung und „Wunsch nach einfachem Denken“ in einer komplizierten Welt, Reduktion auf „Schemata“ und „eindeutige Lösungen“, durch „Angst“ diktierte Suche nach (vermeintlicher) „Autorität“, Unfähigkeit, „objektive Informationen zu verarbeiten“ und Abwehr derselben, Panikreaktion aus Angst, das eigene „Weltbild“ könne zusammenbrechen, und ebenso aggressive wie vergebliche Abwehr der Angst durch Projektion auf alles Fremde.
7. Vorurteile, Verdrängung und Empathie:
Unfähigkeit zu konstruktiver Angstbewältigung, wie bei (6) analysiert, führt gezwungenermaßen zu Unterdrückung von Empathie und zu Selbstmitleid. Auseinandersetzung mit Missständen findet nur noch in Form allgemeiner hohler Phrasen statt, die der Selbsttäuschung dienen, nicht aber in konkreten Formen und Aktionen. Besonders angstbesetzt ist die konkrete Auseinandersetzung mit Menschen in wirklichem Elend, weil hier das konkrete Bild dessen vor einem steht, was man, in übersteigerter Angst, als eigenes Schicksal vor sich sieht und daher massiv verdrängt. Ein Mechnismus, der wohl einen großen Teil der gegenwärtigen Anti-Flüchtlings-Hysterie erklärt, vielleicht auch der gewalttätigen Übergriffe als Ausdruck der eigenen Feigheit, sich mit diesem Elend auseinanderzusetzen.
Ein Mechanismus, gegen den rational kein Kraut gewachsen ist. Der wohl nur durch – zufällige oder erzwungene – Auseinandersetzung mit dem Elend in nächster Nähe angegangen werden kann. Wenn einer nicht jegliche Empathie verloren hat, dann hilft vielleicht noch ein Experiment:
Man zwinge sich dazu, sich intensiv mit einer der vielen aufwühlenden Flüchtlingsschicksalen zu befassen, von denen gegenwärtig zu Hauf berichtet wird. (Gestern mehrere Stunden auf „arte“, ein selbst erfahrenes Beispiel in : http://frblog.de/silvesternacht/Werner Engelmann, 28. Januar 2016 um 2:04, Porträt eines „Wirtschaftsflüchtlings“). Dann versetze man sich in „pegida“typisches Wut- und Selbstmitleidsgehabe und stelle sich so vor den Spiegel. Wenn man dann die eigene Visage nicht mehr ertragen kann, besteht noch Hoffnung.
8. Fazit:
Es kann kein Zweifel bestehen, dass die von AfD und „Pegida“ betriebene Panikmache- und Provokationsstrategie niemals zu Problemlösungen führen kann, weil sie selbst wesentlicher Teil des Problems sind. Und es ist ebenso klar, dass den reaktionärsten Kräften dieses Landes zuzurechnen ist, wer ihnen zuarbeitet oder sie wählt – aus welchen Gründen auch immer, egal, wie „rechts“ oder „links“ er sich fühlt. „Reaktionär“ im objektiven Sinne von Handlanger für eine Politik, die eine Gruppe von Benachteiligten in der Gesellschaft gegen die andere ausspielt. Und mag man sich subjektiv noch so sehr vormachen, sich für Belange „kleiner Leute“ einzusetzen.
Und – Frau Petry sei Dank – er wird sich auch nicht mehr an seiner geliebten „Opfer“rolle weiden können, sondern sich damit auseinandersetzen zu müssen, mit vollem Recht zu den „Tätern“ gerechnet zu werden.
Was dabei beschäftigt:
Wer hat die Deutungshoheit, was „normal“ ist?
Etwa das bisherige Blockflötentheather, bei dem zwar niemand nach Gewalt ruft, aber doch reichlich Menschen im Mitetlmeer ertrinken?
Die „AfD“ scheint, gleich welchen Unfug deren vetreter herauposaunne, derzeit die einzige als „Notbremse“ wahrgenommene politische Kraft. Wie kann es nur zu solcher Erkenntnis kommen?
zu Karl Müller:
und diese „Notbremse“ ist die große Gefahr, die uns droht, und die uns vor 83 Jahren ein großes Unheil beschert hat.
Daher sollten die „Blockflöten“ endlich begreifen, dass es auch Alternativen zu deren bisherigem Handeln gibt, und diese schnellstmöglich in Angriff nehmen, bevor diese unheilvolle „Notbremse“ in Aktion tritt!
hallo herr Boettel,
derzeit bezweifle ich sehr, ob in der Konsequenz der Schaden durch die AfD größer ausfällt als durch die Blockflöten. Ganagrt und Ausprägung werden auf Seiten der AfD sicher von erheblicher Gewalt und Brutalität sowie von nicht rechtsstaatlichem Handeln geprägt sein, kämen die ans Ruder.
Nur, die Blockflöten sind doch aufgrund kultivierteren Auftretens und eleganterer Sprechblasen auch nicht besser im Resultat?
Ausbau des Überwachungsstaates mit fadenscheinigen Gründen, Reduktion der öffentlichen Sicherheit auf ein Minimalmaß, jeden Cent aus der allgemeinen Darseinsvorsorge in Luftschlösser und Versuche die Lebenswirklichkeit an die jeweilige Weltanschauung anzupassen.
Ehrlich, derzeit sehe ich für ein halbwegs demokratisch organisiertes System keine Perspektive in der AfD, aber im Klammergriff der Blockflöten auch nicht.
@ Karl Müller: 3. Februar 2016 um 22:23
„Die „AfD“ scheint, gleich welchen Unfug deren vetreter herauposaunne, derzeit die einzige als „Notbremse“ wahrgenommene politische Kraft. Wie kann es nur zu solcher Erkenntnis kommen?“
Wäre es möglich, auch nur eine einzige positive „Erkenntnis“ zu benennen, welche durch die Hetze der AfD befördert worden wäre? Und das Verhältnis von Wahrnehmung und Realität ist auch so eine Sache. Soll ja vorgekommen sein, dass da ein ganzes Land in seiner Wahrnehmung schon ganz übel daneben lag.
In Frankreich kennt jedes Kind La Fontaines Fabel von der „Kutsche“ und der „Mücke“. Da piesackt eine Mücke pausenlos die schwitzenden Pferde auf einem beschwerlichen Weg und bildet sich dabei ein, so das Ganze am Laufen zu halten. Und am Ende fordert sie dafür ihren Lohn.
Mir scheint, Deutschland wird zur Zeit von ganzen Mückenschwärmen heimgesucht.
Daß die politische Auseinandersetzung mit der Einthemapartei AfD nur über dieses eine Thema möglich ist, besagte bislang noch nicht, daß man die verbale Konfrontation mit ihren SpitzenvertreterInnen hätte scheuen müssen. Nach den jüngsten, zum Teil schon wieder relativierten Äußerungen der Damen Petry und v. Storch bedarf es keiner Diskussion mehr: Die Ziele dieser Partei sind verfassungswidrig und stehen im krassen Widerspruch zur Menschenwürde und zu den Menschenrechten.
Dennoch wird man sich mit dieser Partei, der in Umfragen eine zweistellige Zustimmung bescheinigt wird, weiterhin politisch auseinandersetzen müssen. Vier Fünftel der deutschen Wahlberechtigten haben danach kein Zutrauen in die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung, zwei Drittel fordern eine Obergrenze bei der Zuwanderung.Die Frage ist: Fühlen sich die Deutschen, die eventuell die AfD wählen würden, von der Forderung nach dem Gebrauch von Schußwaffen gegen Flüchtlinge abgestoßen oder eher in ihrer eigenen Meinung bestätigt?
Wiederholt erfuhren wir über die Medien, daß Brandstiftungen und tätliche Übergriffe auf Flüchtlingsheime und Personen von einem Mob, wenn nicht gar selbst verübt, zumindest aber gutgeheißen wurden. In welchem Maß sind Pegida und Vergleichbare gewaltbereit? Und wie verhält es sich mit der stummen Mehr- oder Minderheit, die weiß, daß Brandstiftung, Körperverletzung, Mord und Totschlag, auch wenn Nichtdeutsche die Geschädigten sind, als Straftaten geahndet werden? Und wäre es denn Mord, auf aggressive, aber unbewaffnete Flüchtlinge, von denen eine Verletzung der deutschen Staatsgrenze droht, zu schießen? Wenn die Bundespolizei oder die Bundeswehr schösse, wäre die Gefahrenabwehr doch institutionalisiert und somit legal. Keiner brauchte sich schuldig zu fühlen, oder?
Wir Deutsche, auch wenn der größere Teil von uns dank „der Gnade der späten Geburt“ sich selbst von den Greueltaten der deutschen Diktaturen des zwanzigsten Jahrhunderts freisprechen kann, müssen wachsam sein, daß nie wieder Menschen unter der Maßgabe, es diene dem Wohle der Deutschen, getötet oder auch nur der Gefahr ausgesetzt werden, den Tod zu erleiden.
@ manfred petersmark , 5. Februar 2016 um 1:50
Danke für Ihre Erläuterungen. Genau das meine ich damit, dass, wer AfD unterstützt, zu den „Tätern“ zu rechnen ist. Natürlich nicht im strafrechtlichen, wohl aber im moralischen und psychologischen Sinn. Denn in diesem Sinne wird gedanklich die Todesstrafe wieder eingeführt.
Die Todesstrafe etwa in den USA erfüllt eben diese Funktion: Aggression so zu kanalisieren, versehen mit dem Schein von „Gerechtigkeit“, um Schuldgefühle zu verhindern. So werden Aggressionen auch erfolgreich von Regierenden abgelenkt. (Ich habe mich mit einer Amnesty-Gruppe länger mit der Praxis der Todesstrafe in den USA befasst.)
Auch am Beifall „normaler Bürger“ in Hoyerwerda war erkennbar, dass sie im Geiste mit brandschatzten, ohne sich selbst direkt die Hände schmutzig zu machen. Deswegen gehe ich auch davon aus, dass die Mehrzahl der AfD-Sympathisanten zumindest „klammheimlich“ den Waffengebrauch gegen Flüchtlinge billigt, weil dies scheinbare Erleichterung für aufgestaute Aggressionen verschafft.
Dies liegt auch in der Logik der AfD- und „Pegida“-Demagogie: Indem „Ängste“ und Aggressionen immer mehr aufgepeitscht werden, aber natürlich keine Lösungen angeboten werden können, müssen die Scheinlösungen auch immer extremer und brutaler werden. Daher sehe ich darin auch eine bewusste Strategie der Brutalisierung der Gesellschaft.
Nach Hoyerswerda wurde aber auch deutlich, dass kollektives Entsetzen durchaus Wirkung zeigt. Denn die sich an ihrer Wut und Aggressionen gegen Schwächere berauschen, sind im Grunde Feiglinge. Und darin besteht auch die Chance der Abwehr: Sie außerhalb der grölenden Menge zu stellen, wo sie zeigen müssen, was von der geliehenen „Stärke“ dann noch übrig ist.
@Herr Petersmark:
zu Ihrer Frage:
„Und wäre es denn Mord, auf aggressive, aber unbewaffnete Flüchtlinge, von denen eine Verletzung der deutschen Staatsgrenze droht, zu schießen? Wenn die Bundespolizei oder die Bundeswehr schösse, wäre die Gefahrenabwehr doch institutionalisiert und somit legal. Keiner brauchte sich schuldig zu fühlen, oder?“
Wieso gehen Sie denn in diesem Fall bei Schusswaffengebrauch von einem Erschießen aus, was ja Voraussetzung wäre, um über Mord überhaupt nachzudenken?
Meines Wissens neigt die deutsche Polizei nicht zum Totschießen von Menschen, die z. B. vor einer Festnahme flüchten. Ein Beinschuss, der das Weiterlaufen verhindert ist doch da das Höchste, oder etwa nicht?
@ Katja Wolf
Eigentlich hatte ich mir nicht ausmalen wollen, wie es wäre, wenn Fliehende nicht von hinten sondern von vorn erschossen würden. Beinschüsse sind da selbstverständlich viel humaner; darüber müßte noch nachgedacht werden. Dumm dabei ist nur, daß bei kleinen Kindern ein Schuß in dieser Höhe den Rumpf treffen würde. Aber am Weiterlaufen wären sie auf jeden Fall gehindert.
Meine Hoffnungen beißen sich permanent mit meinem Realismus. Wir haben und hatten doch, nicht nur in Deutschland, aber hier eben sehr gerne, weil das über Jahrzehnte hinweg als „deutsch“ galt, als Tradition sozusagen, eine fremdenfeindliche Einstellung, durchaus auch durch Parteien wie die NPD hochgehalten. Aber diese Einstellungen waren nicht auf rechtsaußen beschränkt, sondern griffen weit ins rechte Lager bis hin zur Mitte, siehe CSU und Teile der FDP, hinein.
Wenn jetzt die Medien melden, das in D. jeder Vierte einen Schießbefehl auf Flüchtlinge für gut hält,dann zeigt sich für mich eben der stabile „braune“ Bodensatz. Den wir eben auch in anderen europäischen Ländern finden. Und der letztendlich doch, wahrscheinlich nur z.T., psychologisch erklärbar ist: Der/die Fremde(n) wollen mir wegnehmen, wollen mein (erbärmliches) Leben noch erbärmlicher machen, und ich soll dafür meine Börse öffnen.
Und diese Ängste, und diese Furcht, wird jetzt instrumentalisiert, indem z.B. wieder gefordert wird, den Mindestlohn zumindest auszusetzen. Kommt im Kleide äußerster Humanität daher, ist aber äußerst perfide.
Wenn wir, Arbeitsplätze, Arbeitsplätze, egal, in welchen, und ja, muß auch sein, in Rüstungsbetrieben, rufen, und die Gewerkschaften machen mit, dann ist klar, das dies nicht ohne Waffenlieferungen in Spannungsgebiete geht. Aber wenn dann, mit Hilfe unserer Waffen, die Spannungen eskalieren, und die Menschen dann sagen: Ich hau‘ ab, weil ich keine Lust mehr auf Spannungen habe, und irgendwie noch einigermaßen leben will, dann sagen wir: Tut uns Leid, Du darfst hier nicht rein, und wenn Du darauf bestehst, dann machen wir es Dir so schwer, das Du keinen Bock mehr drauf hast.
Die Heuchelei lebt da schon lange hoch, hoch , hoch. Siehe Griechenland: Ihr Pleite-Griechen müßt sparen, und nicht mehr weiterhin so südländisch-verschwenderisch leben, aber bitteschön Milliarden für die Sache mit den Flüchtlingen aufwenden.
Wir sind eben von Alpha bis Omega ein durch und durch christlich-humanistisches Land, und als solches Vorbild für Europa. Vor allem für all die Länder, die wir für ihre Abweisungspolitik beneiden, pardon, kritisieren.
Sicherlich werde ich jetzt wieder als Wutbürger beschimpft, aber das ist mir schietegal.
menschen, um was geht es euch … narzistische selbstdarstellunmg (sorry:; verdoppelt)? schlauleundaberschlaule kommentare und gegenreden… ich lese eure/ihre beiträge meist mit interesse, meine dennoch, das das meiste nicht dem erkenntnisweitervermittelnbedürfnis dient… w e r liest diese ellenlangen beiträge (die oft interessant, aber langatmig sind).
geht es auch mal kürzer, praegnanterP?
Auch ich bin der Meinung, dass jetzt genug gejammert und gegen die böse „AfD-Bande“ gewettert wurde. Nun sollte man sich auch mal fragen, was dagegen zu tun ist. Und da bleibt uns Demokarten nur die Überzeugungsarbeit.
Sich in hehrer Empörung zu suhlen hilft wenig weiter, ebensowenig wie Aufmärsche von „Aktivisten“, die versuchen, Besucher einer AfD-Veranstaltung mit Körpereinsatz am Betreten des Saales zu hindern (s. FR vom 05.02., S. F4).
Wir Demokraten dürfen nicht müde werden, uns inhaltlich mit dem von der AfD propagierten völlig schiefen Weltbild auseinanderzusetzen, nach dem es nicht das Großkapital und die Finanzzocker sowie ihre Gefolgsleute in den Parlamenten sind, die unsere Zukunft bedrohen, sondern ausgerechnet die – schlimmer als der Durchschnittseuropäer – durch deren internationale Machenschaften Geschädigten, nämlich die Flüchtlinge.
In diesem Zusammenhang empfehle ich das Interview mit dem katholischen Sozialethiker und Wirtschaftswissenschaftler Friedhelm Hengsbach, FR vom 06.02. S. 14 (online auch in der Mitteldeutschen Zeitung zu finden). Er bringt die Zusammenhänge, die in diesem Blog in verschiedenen Threads ja schon benannt wurden (z.B von Wolfgang Fladung), auf den Punkt. Doch dass sich die Politiker der sogenannten christlichen Parteien solche von einem Jesuiten verbreiteten Erkenntnisse zu Herzen nähmen, kann man wohl nicht erwarten.
Und das ist genau das Problem: dass die etablierten Parteien, solange sie sich nicht vom neoliberalen Irrweg verabschieden, keine echten Lösungen bieten.
Was bleibt? Eine neue Partei gründen oder zumindest eine Bewegung initiieren, die die Bevölkerung aufklärt?
@ Wolfgang Fladung:
vielleicht sollten wir einmal klären, was der „Schießbefehl auf Flüchtlinge“ eigentlich nicht moralisch sondern inhaltlich bedeutet bzw. bedeuten würde.
D.h., in welchen Fällen und in welcher Form würde er angewendet.
Ohne diese Klarheit ist eine moralische Diskussion darüber aus meiner Sicht nicht möglich.
@ Katja Wolf:
Meiner Überzeugung nach läßt sich die Sache mit dem „Schießbefehl“ inhaltlich nicht vom moralischen trennen. Meinten Sie damit womöglich „rechtlich“? Bitte daher näher erläutern.
Für mich wäre ein solcher Schießbefehl in jedem Falle zuächst einmal ein Zeichen für politisches Versagen auf ganzer Linie.
Die Entscheidung, in welchen Fällen und in welcher Form er angewendet werden würde, kann nur die Politik bzw. zunächst einmal die AfD, und alle BürgerInnen, die diesen befürworten, für sich – mit wohl unterschiedlichen Aussagen – beantworten. Ein Vergleich mit dem Schießbefehl damals an der DDR-Grenze zur BRD erübrigt sich wohl, weil damals Menschen an der Flucht a u s der DDR gehindert werden sollten, und nicht an einer Abwehr von Flüchtenden seitens des BGS bzw. der BRD.
@Wolfgang Fladung:
mir geht es darum, abzuklären, ob der nun in aller Munde genannte Schießbefehl als „Erschießbefehl“ (also den Tod des Beschossenen wollend oder billigend in Kauf nehmend; vgl. DDR-Grenze) oder als „Anschießbefehl“ (das Flüchten oder Entziehen des Flüchtenden vor der Staatsgewalt verhindernd, z. B. durch einen Schuss ins Bein) gemeint war.
Das könnte (!) „moralisch“ zu unterschiedlichen Einschätzungen führen.
@ Katja Wolf: 7. Februar 2016 um 22:20
„abzuklären, ob der nun in aller Munde genannte Schießbefehl als „Erschießbefehl“ (also den Tod des Beschossenen wollend oder billigend in Kauf nehmend; vgl. DDR-Grenze) oder als „Anschießbefehl“ (das Flüchten oder Entziehen des Flüchtenden vor der Staatsgewalt verhindernd, z. B. durch einen Schuss ins Bein) gemeint war.“
Zunächst wäre darauf hinzuweisen, dass in keiner Weise von einem „in aller Munde“ befindlichen “ Schießbefehl“ gesprochen werden kann, sondern dass es um eine unerträgliche Provokation zweier AfD-Vorsitzender geht.
Zur Sache:
Es gibt in der Bundesrepublik weder einen „Erschießbefehl“ noch einen „Anschießbefehl“ und darf es auch nicht geben. Dies hat der Bundesgerichtshof schon 1988 in einem Urteil unmissverständlich klargestellt:
(ttp://www.faz.net/aktuell/politik/inland/die-afd-und-die-grenze-schuss-vor-den-humbug-14044672.html 31.1.2016)
„Darin heißt es, dass ein Polizist niemals auf einen Menschen schießen dürfe, der nur ’seiner Anhalteverfügung‘ nicht nachkomme, wenn nicht ‚die ihm bekannten Gesamtumstände auf eine erhebliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit hindeuten, wenn der Grenzgänger unkontrolliert entkommt‘. Durch die unerlaubte Einreise eines Asylbewerbers ist die öffentliche Sicherheit nicht ‚erheblich‘ gefährdet. Damals stellte der BGH klar: Paragraph 11 des UZwG bezweckt die Sicherung der Grenze ‚vor besonders gefährlichen Tätern‘.“
Damit handelt es sich nicht nur um eine moralische, sondern auch eindeutige rechtliche Frage. Und ebenso eindeutig haben sich die Damen Petry und v.Storch als auf Kriegsfuß sowohl zu Moral als auch zu Grundwerten der Verfassung stehend erwiesen.
Betr. „Kriegsfuß“:
Wehrdienst bedeutet bekanntlich Vorbereitung auf einen Zustand, in dem Kriegsrecht gilt. Für den Gebrauch der Schusswaffe gilt der Grundsatz, dass der Gegner „kampfunfähig“ zu machen sei. Auf Nachfrage wird das gewöhnlich als Schuss auf die Beine erklärt. Ganz abgesehen von der Praktikabilität im Ernstfall: Bei Schießübungen werden üblicherweise Pappkameraden mit aufgemalter Zielscheibe verwendet. Es darf geraten werden, auf welcher Höhe sich die „10“ befindet. (Zumindest war das bei meiner Wehrzeit so.) Richtig: Die Beine sind es nicht.
Fazit:
Die Relativierung eines Schießbefehls als „Anschießbefehl“ ist nichts anderes als der Versuch einer schleichenden Einführung des Kriegsrechts und kann nur als zynisch bezeichnet werden.
@ maiillimi: 6. Februar 2016 um 22:15
„…w e r liest diese ellenlangen beiträge (die oft interessant, aber langatmig sind).“
Abgesehen von dem Widerspruch (seit wann ist „Langatmiges“ auch interessant?) –
Könnte es sein, dass eine komplizierte Wirklichkeit nicht in 2 Sätzen darstellbar ist? Dass auf eben solcher Erwartung die Strategie von Vereinfachern und Demagogen aufbaut? Dass eben darin die Krankheit unserer Zeit und die Anfälligkeit für Demagogien besteht?
Danke, Herr Engelmann, für die klare Information. Ich war gerade dabei, mir die entsprechenden Paragraphen im Internet zusammenzusuchen, aber Sie haben mir diese Arbeit erspart.
Als Antwort auf Katja Wolfs Frage noch eine Ergänzung:
Zwischen Anschießen und Erschießen gibt es in der Tat einen Unterschied. Im ersten Fall würde sich der betreffende Grenzbeamte „nur“ der schweren Körperverletzung schuldig machen, im zweite Fall des Totschlags oder gar des Mordes.
Wie kann man sich in D um die Schulpflicht drücken und es als Erwachsene/r zu Spitzenpositionen in einer Partei bringen? Rechnen ist nicht Jedermanns/frau Sache. Betrachten wir so etwas wie den Schießbefehl einmal realistisch von der Seite der Kosten die der Partei mit der Bezeichnung AFD doch so am Herzen liegen.
Gleich im, der Religion entsprechendem, Platz im Universum: Die Kosten für Bergung, Begräbnis evtl. Gerichtskosten und Schriftkram überschreiten wohl bei weitem die Finanzierung von Wohnen und Verpflegung für ein Jahr. In einem Jahr dürfte aber die Einzelfallprüfung für einen Asylantrag abgeschlossen sein.
Angeschossen: Die Kosten für Bergung, Krankenhausbehandlung Schriftkram und evtl. Gericht kommen noch zu den Kosten von Unterbringung und Verpflegung bis zum Asylentscheid hinzu.
Das ganze mag jetzt Zynisch und Herzlos erscheinen, aber wie bringt man Idioten zur Vernunft?
In der Diskussion um den Schießbefehl gegen Flüchtlinge darf keinesfalls dieser heikle Aspekt vernachlässigt werden: Wer kann mit Sicherheit ausschließen, daß bei der Notwehr gegen Flüchtlinge, die von Österreich aus die deutsche Grenze zu überrennen drohen, keine Unschuldigen – also österreichische Schaulustige oder Grenzer wie die Treiber bei der Jagd – durch Geschosse aus deutschen G36-Sturmgewehren zu Schaden, wenn nicht gar zu Tode kommen?
Frau von Storch, eine geborene Herzogin von Oldenburg, bewegt sich in punkto Menschenverachtung ja ganz auf der Linie ihres Geschlechts: Das Leben der Leibeigenen war für ihre Vorfahren ja auch vernachlässigenswert. Man konnte sie ausbeuten und in Kriegen verheizen oder verkaufen. Insofern können wir ja froh sein, dass die edle Nachfahrin heute immerhin die deutsche Bevölkerung ungeschoren lassen und „nur“ Menschen aus anderen Ländern ihren Interessen opfern will.
Vielleicht kann man das auch als besondere Form der Fürsorge von Frau v.Storch für ihre Untergebenen sehen. (Wobei ich offen lassen möchte, ob „untergeben“ auch als „unterwürfig“ zu interpretieren wäre.)
Adel verpflichtet!
Zur Abrundung des Bildes:
(1) Frauenversteher Gauland:
http://www.fr-online.de/frankfurt/gauland-bei-afd-frankfurt–kein-recht-auf-nazipropaganda-,1472798,33708922.html (FR,3.2.16)
„Alexander Gauland sagte in seiner Rede, der rund 100 AfD-Sympathisanten zuhörten, „Merkels Grenzöffnung“ für Flüchtlinge sei illegal gewesen. Jedes Volk müsse selbst entscheiden, wie viele „Fremde“ es aufnehme. In Wahlkämpfen müsse die AfD in Zukunft im Grunde nichts mehr tun, als „immer nur noch auf die Kölner Domplatte verweisen“, sagte Gauland mit Blick auf die sexuellen Angriffe auf Frauen, die sich dort in der Silvesternacht ereignet hatten.“
(2) Eu-Vernichterin und Abendlandsretterin Festerling:
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/pegida-aktivistin-tatjana-festerling-in-warschau-14057497.html (FAZ, 8.2.16):
„Tatjana Festerling setzt zu dieser Zeit ihre Hasstirade fort und spricht von Angela Merkel als der „gefährlichsten Frau Europas“. (…) Ihre sprachlichen Bilder von einem physisch durch diese Fremden bedrohten deutschen Volkskörper spielen mit sprachlichen Mustern des Faschismus.
Festerling proklamiert in Warschau im Namen ihres Publikums: „Wir sind die echten Europäer“ und ruft dazu auf, die Union von innen zu zerstören. Die Warschauer Hooligans und besorgten Bürger rufen zurück: „Nieder mit der Union, nieder mit der Union!“ Auch sie meinen die Europäische Union.“
(3) Flüchtlingsproduzent und AfD-Freund Putin: (ebd.)
„Der russische Präsident Wladimir Putin spekuliert darauf, dass solche Parolen verfangen, wenn er in mehreren Ländern rechtsradikale Parteien finanziell unterstützen lässt. Bei seinem hybriden, mit Hilfe von gezielter Desinformation geführten Krieg muss Putin nicht überall, wie im Osten der Ukraine, auf Separatisten zurückgreifen. Es gibt in Europa eine gut vernetzte rechte Internationale, die mit der Zerstörung der Europäischen Union ein gemeinsames Ziel verfolgt.“
(4) Und noch ein Vernichter:
Faust: Szene Studierzimmer, Faust und Mephisto, -Vers 1359-1361:
Faust: Nun kenn ich deine würd’gen Pflichten!
Du kannst im Großen nichts vernichten
Und fängst es nun im Kleinen an.
Das Absurde in der Debatte um den Schießbefehl erhält seine Qualität durch die Ernsthaftigkeit der Argumente, mit denen es gefüttert wird. Wir Deutsche verfügen über die Gabe, das Undenkbare zu denken und praktisch durchführbar zu machen.
Ob diese Fähigkeit nur auf uns Deutsche zutrifft, weiß ich nicht, Herr Petersmark. Donald Trump faselt derzeit von der Wiedereinführung des Waterboarding. Eigentlich auch etwas Undenkbares, das aber bereits praktisch durchgeführt wurde.