Hartmut Saenger ist zum stellvertretenden Mitglied des Stiftungsrats „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ berufen worden. Und mit ihm Arnold Tölg. Beide Nominierungen erregten heftige Kritik an der Berufungspraxis des Bundes der Vertiriebenen, denn beide BdV-Politiker haben schon mal Töne angeschlagen, die als revanchistisch gewertet werden können. Doch der Bundestag hat in Sachen Nominierung zum Stiftungsrat kein Vetorecht mehr; das hat er als Preis dafür abgegeben, dass Erika Steinbach damals auf ihren Sitz im Rat verzichtete.
Was hat Harmut Saenger also Schlimmes gesagt? Hier haben wir es zitiert nach der „Preußischen Allgemeinen Zeitung – Das Ostpreußenblatt„: „Der historische Kontext zum Sommer 1939 weist bei allen europäischen Großmächten eine erstaunliche Bereitschaft zu Krieg auf … Im März 1939 machte Polen sogar gegen Deutschland mobil und gab damit Hitler die Möglichkeit der Aufkündigung des deutsch-polnischen Nichtangriffspakts von 1934.“ Eine Kurzformel wie die des „vom nationalsozialistischen Regime entfesselten Weltkriegs“ werfe „naturgemäß mehr Fragen auf als beantwortet werden.“
Und der CDU-Politiker Arnold Tölg? „Während in Nürnberg von den Siegern die deutschen Kriegsverbecher zurecht verurteilt wurden, haben die gleichen Länder bezüglich Zwangsarbeitern ähnliche Verbrechen begangen wie Hitler-Deutschland.“ Ebenfalls zitiert nach dem Ostpreußenblatt. (Wer, aber das nur nebenbei, einen Blick in die Online-Kommentare zu dem klar wertenden Text wirft, kann erkennen, welches Publikum da wem applaudiert.) In der FR stand noch etwas mehr, was das Ostpreußenblatt unterschlägt: Im Streit über die Entschädigung von NS-Zwangsarbeitern hatte Tög gesagt, dass „gerade die Länder, die am massivsten Forderungen gegen uns richten, genügend Dreck am Stecken haben, weil sie Hunderttausende deutscher Zwangsarbeiter in zahllosen Lagern hatten“.
Der eine relativierte also die deutsche Alleinschuld am Zweiten Weltkrieg, der andere sagte im übertragenen Sinn: Die sind auch nicht besser gewesen. Auf dieser Ebene der Debatte, die von Historikern eigentlich längst geklärt ist, geht es um altvordere Schuldzuweisungen. Und diese Herren also sollen stellvertretende Mitglieder im Rat einer Stiftung sein, die sich Versöhnung mit den ehemaligen Kriegsgegnern, allen voran Polen auf die Fahnen geschrieben hat?
Dazu meint Manfred Kirsch aus Neuwied meint:
„Die Kritik des Zentralrats der Juden, der SPD und des Zentralrats der Sinti und Roma an der Neubesetzung des Stiftungsrates „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ ist doppelt und dreifach zu unterstreichen. Die Ernennung der BdV-Vertreter Hartmut Saenger und Arnold Tölg mit ihren rückwärtsgewandten, braun schimmernden Positionen zu stellvertretenden Mitgliedern des Gremiums ist geradezu eine Provokation für alle, die den Versöhnungsauftrag der Stiftung ernst nehmen und nicht nur als reines Lippenbekenntnis betrachten.
Es ist geradezu unerträglich, wie der Bund der Vertriebenen und seine Vertreter sich an den schick gewordenen Versuchen beteiligen, die alleinige deutsche Kriegsschuld zu relativieren und zu verharmlosen. Die Ernennung von Saenger und Tölg zu stellvertretenden Mitgliedern des Stiftungsrats zeigt auch, wie weit sich der BdV im rechten, antidemokratischen Sumpf bewegt. Es darf hierzulande keinen Zweifel daran geben, und das muss Staatsräson sein, dass Nazideutschland der Alleinschuldige an der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs mit seinen millionenfachen Opfern ist. Wer diese historische Tatsache leugnet, macht gemeinsame Sache mit alten und neuen Nazis. Das Agieren des BdV zeigt, dass dieser Verband nach wie vor aus der Vergangenheit nichts gelernt hat, braune Ideologien in seinen Reihen immer noch weit verbreitet sind und dort eine Heimat haben.“
Dietrich Puchstein aus Kronberg:
„So lange ich mich erinnern kann, und das ist schon über ein halbes Jahrhundert, vertrat man im Bund der Vertriebenen schon immer revanchistische Tendenzen. Dafür wurde man von bayrischen Politikern sogar noch gehätschelt. Meines Erachtens ist der BdV mitschuldig an dem immer noch gespannten Verhältnis zu Polen. Dies behauptet ein Vertriebener, dessen Heimatstadt heute die größte Hafenstadt Polens ist (Stettin). Die Aufgabe des Vetorechts der Bundesregierung bei der Auswahl der Mitglieder des Stiftungsrates war ein schwerer politischer Fehler, wie sich jetzt erweist.“
Sibylle Dreher, Präsidentin des Frauenverbandes im BdV, Berlin, meint dagegen:
„Es ist interessant, wie gegen das Zentrum „Flucht Vertreibung Versöhnung“ Stimmung gemacht wird, und immer mit der Keule: Geschichtsrevisionisten des Bundes der Vertriebenen am Werk. Ich kann Sie beruhigen. Herr Saenger ist ausgewiesener Versöhner: Seit 20 Jahren führt er Veranstaltungen in den „Vertreibungsgebieten“ durch mit Vertriebenen, mit den kommunalen Vertretern vor Ort und mit Deutschen, die dort noch leben. In allen Gebieten, von Königsberg bis Ungarn und natürlich in Polen. Er kennt sich aus. Er hat einen einzigen Artikel geschrieben, der kritisiert wird. Dort hat er ein Buch zum Anlass genommen und dazu einige Meinungen geäußert. Ist das in Deutschland verboten?
Aber worum geht es? Die Aufregung lohnt sich nicht, weil die beiden Kritisierten nur Stellvertreter im Stiftungsrat sind, der erst im Herbst zum ersten Mal tagen wird. In dem Stiftungsrat sitzen 21 Mitglieder, u.a. Salomon Korn, Kirchenvertreter, Vertreter der Parteien. Wo ist das Problem? Wenn einer mal eine andere Meinung vertreten würde, wäre er doch leicht zu widerlegen.
Es ist natürlich damit zu rechnen, dass kontroverse Meinungen auftreten. Will man das schon im Vorfeld verbieten? Wozu dann das ganze demokratische Prozedere? Wir haben doch keine Meinungsdiktatur. Der Auftrag der Stiftung ist im Stiftungsgesetz vorgeschrieben, und der lautet nicht, den BdV mit seinen Vertretern anzugreifen. Das hat Herr Raphael Gross falsch verstanden.“
Da hat sich also nicht der Außenminister durchgesetzt sondern Frau Steinbach. Das aber wirft ein wirklich schlechtes Licht auf das Außenminsterium bzw auf den Amtsinhaber. Wer sich über die vertiebenen informierte, weiß, dass aus dieser Richtung kaum etwas Versöhnliches in Richtung Tschechien und Polen angesagt ist. Die regierigen sollten die ganze Stiftung Vertreibung auflösen. Das hilft der Völkerverständigung mehr als das herumkaspern von Frau Steinbach bzw deren Klientel.
Zu:
„Der eine relativierte also die deutsche Alleinschuld am Zweiten Weltkrieg, der andere sagte im übertragenen Sinn: Die sind auch nicht besser gewesen. Auf dieser Ebene der Debatte, die von Historikern eigentlich längst geklärt ist, geht es um altvordere Schuldzuweisungen.“
Der zweite Weltkrieg wäre bestimmt nicht das erste historische Ereignis, dass erstens von verschiedenen Historikern unterschiedlich und zweitens in aufeinander folgenden Epochen auch unterschiedlich bewertet wird.
Da die deutschen Historiker ja mittlerweile qua §130(4) StGB:
„Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer öffentlich oder in einer Versammlung den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, dass er die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt.“
relativ schnell damit rechnen müssten, ggf. wegen „Rechtfertigung“ der Nazidiktatur bestraft zu werden, ist eine ergebnisoffene Forschung über die Vorkriegszeit in Deutschland nicht zu erwarten.
Wer an neuen oder auch alten Forschungsergebnissen interessiert ist, müsste sich also an ausländische Quellen halten.
Die umfangreichen Ausführungen der letzten Tage zur Vertriebenen-Charta aus dem Jahre 1950 verleiten zu einer Kommentierung. Hierbei ist nicht der Inhalt der gedruckten Argumente zu beanstanden, sondern die Verwendung der immer gleichen Textbausteine, denn auch begründete Ausführungen werden damit zu Worthülsen.
Die Charta der Vertriebenen wurde zum Zeitpunkt einer gefährlichen Konfliktsituation zwischen hoch gerüstetem kommunistischem und demokratischem Lager erstellt. Die deutschen Gebietsabtretungen im Osten und die damit einhergehenden willkürlichen Menschenverschiebungen –
natürlich als Folge des von Deutschland angezettelten Krieges! – ließen sich somit einseitig feindlichen osteuropäischen Staaten anlasten. Nur wenige Jahre nach Kriegsende waren es im Westen im wesentlichen die „kommunistischen Linken“, die sich einem anderen Dogma verschrieben hatten.
Heute sollte es eigentlich möglich sein, auf rd. 12 Millionen deutsche Flüchtlinge, Vertriebene und ausgedehnte Gebietsverluste hinweisen zu können, ohne gleich mit dem mittlerweile gefürchteten Wort „Relativierung“ belastet zu werden. Einem brutalen Krieg – natürlich von Deutschland angezettelt! – folgte nach 1945 eine inhumane Umsiedlungsaktion. Solch eine Kriegsfolgen-Erwähnung immer als ein „Objekt zur Relativierung“ zu erklären, zeugt von Normdenken im abträglichen Sinne.
Mit einem zynischen schiefen Vergleich setzt die CDU-Politikerin Steinbach die Vertuschungs- und Verschleierungsstrategie des von ihr geführten BdV fort, der zufolge die Vertriebenen die einzigen und wahren Opfer der Nazizeit und des Krieges sind und sie daraus Forderungen ableiten können. In der Nachkriegszeit seien die Vertriebenen die Entwurzelten gewesen, während die Verfolgten der Nazizeit „dann auch materiell besser dran“ gewesen seien als die Vertriebenen, behauptet Erika Steinbach im DLF.
Dies wirft Fragen auf: Warum vergleicht sie die Vertriebenen mit den noch wenigen überlebenden Verfolgten der Nazis? Waren diese nicht entwurzelt? Warum vergleicht sie die Lage der Vertriebenen nicht mit dem Schicksal der Milllionen Opfer des Holocaust und dem der Widerständler mit ihren
hinterbliebenen Familien? Dann würde sie nämlich feststellen müssen, daß es den meisten Vertriebenen viel besser ergangen ist als den Verfolgten der Nazis, die in KZ und meist in der Vernichtung geendet sind. Es würde dann auch die Assoziation aufkommen, daß die Vertreibung eine klare Ursache hatte und daß der Holocaust und der Vernichtungskrieg im Osten von den Vertriebenen mitgetragen worden waren. So war z. B. Ostpreußen eine Hochburg der Nazis. Warum verschleppt Frau Steinbach eine Aufklärung über die Nazi-Vergangenheit der früheren BdV-Führung, die 1950 in der „Charta der Heimatvertriebenen“ ein „Recht auf Heimat“ einforderte und zugleich auf „Rache und Vergeltung“ verzichtete. Was war dies für ein großartiger „Verzicht“, wenn man gerade ganz Europa mit einem Eroberungskrieg überzogen, weite Landstriche verwüstet und die Bewohner ausradiert hatte? Im Stuttgarter Schuldbekenntnis der EKD von 1945 heißt es dagegen: „Durch uns ist unendliches Leid über viele Völker und Länder gebracht worden. Wir klagen uns an …“.
Die Präsidentin des BdV rief beim „Tag der Heimat 2009“ in Berlin das völlig überholte Grußtelegramm von SPD-Politikern von 1963 zum Deutschlandtreffen der Schlesier mit der Aussage „Verzicht ist Verrat!“ in Erinnerung. Der Chefredakteur der Preußischen Allgemeinen Zeitung/PAZ, Organ der im BdV maßgeblichen Landsmannschaft Ostpreußen, Konrad Badenheuer, schrieb dazu 2009, „die großen Anliegen der Vertriebenen“ seien „bis heute nicht erledigt“ und „ihre Rechtspositionen offen“.
Warum deckt die CDU-Bundestagsabgeordnete Steinbach Revanchisten und Rechtsextreme im BdV und die Parteivorsitzende Merkel solche in der CDU? Der Sprecher der Pommerschen Landsmannschaft, Mitglied des BdV-Präsidiums und Funktionär der CDU, Hartmut Saenger, schiebt Polen, England und Frankreich eine Mitschuld am Zweiten Weltkrieg zu und relativiert damit die Schuld Hitler-Deutschlands. Er erklärte, besonders kriegerisch habe sich Polen aufgeführt. Ein weiteres BdV-Präsidiumsmitglied, der Landesvorsitzende in Baden-Württemberg Arnold Tölg, sprang Saenger bei: Der von Hitler ausgelöste Krieg habe Ländern, die Deutsche vertreiben wollten, die Chance gegeben, ihre teilweise schon 1848 gehegten Ziele zu verwirklichen. Wenn von den Verbrechen der Nazis die Rede sei, dann müsse auch über „die Grausamkeiten“ der anderen gesprochen werden. Auch die hätten „grauenvolle Verbrechen“ begangen, rechnete Tölg auf. Zur
Zwangsarbeiterentschädigung meinte er: „Gerade die Länder, die am massivsten Forderungen gegen uns richten, haben genügend Dreck am Stecken, weil sie Hunderttausende deutscher Zwangsarbeiter in zahllosen Lagern hatten.“ Saenger und Tölg wurden am 8. Juli vom Bundestag per Listenwahl zu stellvertretenden Mitgliedern des Stiftungsrates der „Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ bestimmt, der bereits in schwere See geraten war.
Ministerpräsident Mappus klärte über die Zurückhaltung seiner Partei auf: Es sei falsch zu glauben, die CDU brauche die Vertriebenen und Kirchgänger nicht mehr. Der neue Bundespräsident Wulff mahnt zwar, niemand dürfe die Geschichte umschreiben, doch lobt er die Vertriebenen: Gerade sie hätten viel zur Verständigung zwischen Polen und Deutschen beigetragen. Dabei hat die Präsidentin des BdV und CDU-Abgeordnete Steinbach den deutsch-polnischen Grenzvertrag und die deutsch-tschechische Aussöhnungserklärung im Bundestag abgelehnt. Wie auch kann man es sich erklären, daß das ehemalige Bundesvorstandsmitglied der rechtsradikalen Republikaner und bis Ende 2009 Bundesvorstandsmitglied und Pressesprecher der rechtsextremen Bürgerbewegung „Pro Deutschland“, Christian Perbandt, in der Landsmannschaft Ostpreußen/LO Fuß faßte und bereits 2008 1. stellvertretender Vorsitzender der Kreisgemeinschaft Heiligenbeil wurde? Er scheint bei der LO in guter Gesellschaft zu sein. Ihr Vorsitzender, BdV-Vizepräsident Wilhelm von Gottberg (CDU), beklagte sich in der PAZ/Das Ostpreußenblatt schon darüber, daß nicht nur die verfassungsfeindlichen Extremisten bekämpft würden, sondern auch „die gesamte demokratische Rechte“.
Manfred Böttcher, Bremen (geb. in Ostpreußen)
ich kann die Vorbehalte gegen Frau Steinbachs Weltsicht nur unterstützen. Ich argumentiere aus eigenem Erleben der eigenen Familie. Die einen Großeltern waren in Kassel ausgebombt und lebten lange bei Bauern zur Untermiete auf dem Land. Meine Eltern trafen sich dort und auch meine Tante lebte dort, ich wurde dort geboren. Ich glaube kaum, dass man da von viel besseren Wohnumständen ausgehen kann, als sie die Flüchtlinge „aus dem Osten“ hatten. Viele andere Menschen waren, wie die Klientel Frau Steinbachs, Flüchtlinge im eigenen Lande.
Meine Eltern und meine Tante haben in der Zeit auch bei den Bauern auf dem Feld helfen müssen, um sich das eine oder andere zusätzliche Nahrungsmittel zu verdienen.
Die andern Großeltern konnten ihr Haus über den Krieg retten, nur ein Zimmer in diesem Mietshaus brannte aus. Jedoch wurde das Haus von den englischen Besatzungstruppen beschlagnahmt und das Wohnzimmer meiner Großeltern wurde zum englischen Offizierskasino. Meine Großeltern durften auch nur einen Handwagen voll Dinge mitnehmen und mußten bei Verwandten Unterschlupf suchen. Als sie ihre Wohnung zurückerhielten, mußten sie diese erst wieder bewohnbar machen. Türbeschläge, Lichtschalter und viele andere Armaturen fehlten. Anschließend wurde ein drittel der Wohnung von den deutschen Behörden zur Aufnahme von ostpreußischen Flüchtlingen bestimmt. Die Küche wurde von allen Bewohnern der Wohnung genutzt. Die letzten Flüchtlinge sind etwa 1958 ausgezogen, dann aber sogleich in ein eigenes Haus!
Da die eigene Familie selbst Wurzeln im Osten hat (Schlesien und Ostpreußen), habe ich auch von der „andern Seite“ erfahren. Ein Problem (nicht nur für die Vertriebenen) war ganz sicherlich, dass die Einheimischen überall Ressentiments gegen Fremde hatten. Mag sein, dass Frau Steinbach diese Erfahrung in ihrer Erinnerung jetzt so verkehrt. Jedoch: Ich bin Naziopfern begegnet, denen es in der Bundesrepublik nicht viel besser als zuvor ging, sie haben sich von Anfang an immer für ihr Tun rechtfertigen müssen und haben zumeist Mühe gehabt, nicht als „Vaterlandsverräter“ zu gelten!
Noch etwas zum Finanziellen. Beide Großeltern haben Lastenausgleich zahlen müssen. Selbst die Großmutter, die in Kassel ausgebombt war, hat noch einen geringen Betrag zahlen müssen. Die Großeltern, deren Haus den Krieg überstanden hatte, haben noch lange gezahlt.
Und jetzt noch eine ganz persönliche Sicht am Schluß. Das Sammelbecken der Vertriebenen war ja früher eine eigene Partei, die sich BHE (Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten) nannte. Diese Partei wurde wohl mehrheitlich von den Konservativen aufgesogen. Betrachtet man das „Personal“ dieser Partei, dann hat es ein Mitglied zunächst zur Teilnahme am Hitlerputsch und dann zum Vertriebenenminister gebracht, der Name: Theodor Oberländer. Ein weiterer Teilnehmer am Hitlerputsch geriet zusammen mit General Paulus in russische Gefangenschaft und wurde Mitbegründer der NPDP (DDR), Wilhelm Adam. Der Präsident des Bundes der Vertriebenen und CDU-Politiker, Hans Krüger, war ebenfalls beim Putschversuch dabei…
… aber das ist meine ganz persönliche Sicht der Dinge.
@ Manfred Böttcher
Ihre Kritik an Frau Steinbach kann ich nur unterstreichen. Wen sie behauptet, in der Nachkriegszeit seien die Verfolgten der Nazizeit “dann auch materiell besser dran” gewesen als die Vertriebenen, sagt sie die Unwahrheit. Die Nazi-Opfer in Mittel- und Osteuropa haben nämlich von der Bundesrepublik Deutschland keine materielle „Wiedergutmachung“ erhalten. Da die Frist für Antragstellung endgültig am 31.12.1969 endete, konnten Personen, die danach nach Deutschland kamen, keine Ansprüche stelle. Hingegen stand „Spätaussiedlern“ der „Lastenausgleich“ weiterhin offen.
Davon betroffen waren auch meine Eltern, die als Juden 1938 aus dem Sudetengebiet vor den Nazis fliehen mussten, 1941 nach Theresienstadt und 1944 weiter nach Auschwitz deportiert wurden. Nach ihrer Befreiung kehrten sie in die Tschechoslowakei zurück. Nachdem ich 1969 nach der Niederschlagung des Prager Frühlings nach Deutschlandd geflohen bin, kamen meine Eltern 1975 nach, dank des 1973 von dr Brandt-Regierung abgeschlossenen Deutsch-Tschechoslowakischen Vertrags mit Genehmigung der Behörden der CSSR. Wie erwähnt, hatten sie als deutsche Spätaussiedler Anspruch auf „Lastenausgleich“, eine Entschädigung für die KZ-Haft und die erlittenen Gesundheitsschäden erhielten sie aber nicht. Lediglich aus einem „Härtefallfonds“ erhielt meine Mutter eine „Entschädigung“ von 5.000 DM (mein Vater war zu diesem Zeitpunkt schon verstorben).
Erst nach 1989 kam die Entschädigung der Nazi-Opfer in Mittel- und Osteuropa allmählich wieder auf die Tagesordnung. Für viele der Opfer kam dies zu spät, sie waren (wie meine Mutter) inzwischen verstorben.
Im Übrigen: Meine Eltern, die ab Sommer 1945 die Vertreibung der Sudetendeutschen aus nächster Nähe erlebt haben, haben diese immer als Unrecht bezeichnet. Sie konnten aber auch die Rufe nach „Heim ins Reich“ der großen Mehrheit der deutschen Bevölkerung des Sudetenlandes nicht vergessen.
Eine „Skeptikerin“ behauptet hier, dass in Deutschland „eine ergebnisoffene Forschung über die Vorkriegszeit in Deutschland nicht zu erwarten“ sei und man „sich also an ausländische Quellen halten“ müsse. Dabei beruft sie sich wohl auf „Historiker“, die aus ideologischen Gründen der „Rehabilitation“ des Nationalsozialsmus Fakten manipulieren oder nicht zur Kenntnis nehmen. Kein seriöser Historiker kann anhand der Faktenlage bestreiten, dass Hitler den 2. Weltkrieg aus eigenem Entschluss begonnen hat.
Eine Bekannte – geb 1929 in Eger – hat mir ende der 50er erzählt, dass die Deutschen bei der Besetzung des Sudetenlandes durch die Nazis fast alle am Straßenrand standen und jubelten. Wer sich heute über Verteibungen beschwert, muss immer bedenken, dass wer mit dem Finger auf andere zeigt nicht daran denkt, dass drei Finger auf ihn zurückzeigen. Die Schuld der Nazis wars, die die Vertreibungen verursachte. Jede andere Begründung baut auf Lügen auf.
@ Werner Thiele-Schlesier
Da brauchen Sie sich nicht auf die (richtige) Erinnerung Ihrer Bekannten verlassen. Der steigende Wahlerfolg der Henlein-Partei (die faktisch eine Abteilung der NSDAP war) unter der deutschen Bevölkerung der CSR in freien, demokratischen Wahlen ist in Zahlen belegbar. Nur die deutschen Sozialdemokraten in der CSR währten sich gegen die Nazis, wofür viele mit KZ-Haft und anderer Verfolgung „bezahlt“ haben. Auch sie wurden aus ihrer Heimat vertrieben; es hat lange gedauert, bis nach der „samtenen Revolution“ von der Bevölkerung und der Führung der CR dieses Unrecht erkannt wurde.
Viele der vertriebenen Sozialdemokraten setzten sich – in Opposition zu den Vertriebenenverbänden – frühzeitig für die Aussöhnung und für Brandts Ostpolitik ein.
Nachtrag:
In den Wahlen im Jahre 1935 gewann Henleins Sudetendeutsche Partei 44 der 66 deutschen Sitze im Prager Parlament und wurde so zur stärksten Partei der damaligen Tschechoslowakei (laut Wikipedia).
@ Abraham
Hitler hatte 1938 der Tschechei ein Ultimatum gestellt. Es war also Krieg zu befürchten. Dass nicht die tschechische Politik an dem Abkommen zur Abwendung eines Krieges angemessen beteiligt wurde ist Tatsache. Mensch muss isch nur die Äußerungen derzeitiger Verantwortlicher bei den Vertriebenen anschauen, um zu erkennen, welcher Art Geschichte sie nachtrauern. Da hilft auch nicht, dass in der Charta des BVD steht, dass auf Rache verzichtet würde. War das nicht überhaupt Voraussetzung, dass die BRD wieder in die Reihe demokratisch verfasster Staaten aufgenommen wurde? Warum wird in Reden aber von führenden Vertretern des BVD immer wieder so getan, als ob die Vertreibung keine Vorgeschichte gehabt hat?
Eine kleine Ankündigung für alle, die es noch nicht mitbekommen haben: In 24 Stunden, also am 13.8., 12 Uhr, wird die Kommentarfunktion im FR-Blog abgeschaltet, weil ich Urlaub mache. Dann kann im FR-Blog drei Wochen lang nicht diskutiert, nur gelesen werden.