Die Rente — ein hochkomplexes System
Rentenpolitik ist ein Bereich des politischen Lebens, in dem man normalerweise keinen Blumentopf gewinnen kann. Die Renten sind das beste Beispiel für ein hochkomplexes System, und daher gibt es für die Probleme, die in Sachen Renten für alle sichtbar am Horizont heraufziehen, keine einfache Lösung. Die Zahl der Einzahler wird künftig sinken, die Zahl der Empfänger steigen. Um die Wirtschaft nicht zu belasten — das ist so gewollt, müsste aber mal hinterfragt werden –, dürfen die Beitragssätze nicht steigen. Die der Arbeitgeber nicht und auch nicht die der Arbeitnehmer, denn dies wäre ungerecht, weil der Arbeitgeberbeitrag eingefroren ist. Dies würde die Rentenlast allein bei der arbeitenden Bevölkerung abladen. Auch ein weiteres Absenken des Rentenniveaus verspricht keine Lösung, weil es ein anderes Problem hervorruft: Altersarmut. Die kapitalgedeckte Zusatzrente (Riester, Rürup) hat sich in Nullzinszeiten als Flop erwiesen: Die Wirtschaft wächst zwar, aber an den Kapitalmärkten gibt es sonderbarerweise trotzdem keine Zinsen. Möglicherweise zeigt sich hier, dass sich die Finanzmärkte inzwischen völlig von der Realwirtschaft gelöst haben.
Es gibt verschiedene Ansätze für eine Lösung des Problems. Die Partei Die Linke fordert eine Mindestrente von 1030 Euro im Monat, doch dem steht das Äquivalenzprinzip des Rentensystems entgegen: Die Höhe der inidivivuellen Rente bemisst sich an den geleisteten Einzahlungen. Der Grundgedanke dieses Äquivalenzprinzips ist gerecht. Trotzdem könnte der Sozialstaat sich gefordert sehen einzugreifen und soziale Härten durch eine Aufstockung ausgleichen. Nur: Damit wird das zugrundeliegende Problem nicht gelöst. Ebenso wenig wie mit der Einbeziehung von Selbstständigen und Beamten in das Rentenversicherungssystem. Die Beamten etwa würden während einer langen Übergangszeit zunächst sogar zur Belastung des Systems, wenn jetzt radikal umgestellt würde, denn sie haben ja nicht eingezahlt.
Andere fordern ein bedingungsloses Grundeinkommen. Obwohl dies eine neoliberale Idee ist — sie geht unter anderem auf den Begründer der Lehre vom segenbringenden freien Spiel der Kräfte an den Märkten zurück, den Nobelpreisträger Milton Friedman, Vater des „Neoliberalismus“ –, wird sie heute von den Apologeten des Meisters kritisch gesehen, weil sie an keinerlei Leistung gekoppelt ist. Dennoch werden wir, glaube ich, über das bedingungslose Grundeinkommen wieder reden, denn in Bälde wird unsere bisherige Lebensweise durch zwei Trends überrollt werden, die eine weitere industrielle Revolution bedeuten: Digitalisierung und Robotik. Dann wird die Arbeit in Industrie und Produktion in einem Ausmaß von Maschinen erledigt werden, das wir uns heute noch kaum vorstellen können.
Ein entscheidender Fingerzeig
Der Ausblick auf diese bevorstehende Revolution gibt den entscheidenden Fingerzeig: Die Produktivkräfte müssen wieder vermehrt in die Finanzierung der Sozialversicherungen einbezogen werden. Früher, als wir noch eine soziale Marktwirtschaft hatten, funktionierte das über die Löhne. Ein kontinuierliches Wachstum der Reallöhne gab die Wertschöpfung aus Arbeit und den Produktivitätszuwachs in die Sozialversicherungen weiter. Diese Zeiten sind vorbei. Starke Gewerkschaften, die einen solchen Anstieg der Reallöhne durchsetzen könnten, haben wir heute nur noch in wenigen Wirtschaftszweigen. Die Tariflandschaft ist zersplittert, zahllose Menschen arbeiten außerhalb von Tarifverträgen in Leiharbeit und Werkverträgen zu schlechten Bedingungen, die oft keine Zuwächse vorsehen. Erst seit 2014 steigen die Reallöhne in Deutschland wieder in nennenswertem Maß.
Was spräche gegen die Einführung einer Robotersteuer? Wenn Maschinen menschliche Arbeit ersatzlos verdrängen, ist es nur gerecht, diese Maschinen an der Finanzierung des Gemeinwesens zu beteiligen.
Davon ist in dem Rentenkonzept, das Bundesarbeitsministerin Andrea Nahlos (SPD) in die Diskussion eingebracht hat und über das die große Koalition seitdem herzhaft streitet, noch keine Rede. Mit einer „doppelten Haltelinie“ will die Ministerin erreichen, dass die Beiträge mittelfristig nicht über 25 Prozent steigen und die Renten nicht unter 46 Prozent sinken.
Leserbriefe
Jürgen Seifert aus Hamburg meint:
„In der Rentenreform sind tatsächlich einige notwendige Korrekturen vorgenommen worden. Es fehlte jedoch der Mut zur grundsätzlichen Reform. Je später sie kommt, um so radikaler wird sie ausfallen müssen. Entscheidend sind zwei grundsätzliche Dinge: Die Rente muss gerechter werden und es müssen alle Einkunftsarten zur Rentenversicherung, im übrigen auch zu den anderen Sozialversicherungen herangezogen werden. Es muss eine Bürgerversicherung werden, in die alle Personen einzahlen, natürliche Personen, Angestellte, Beamte und Selbständige sowie juristische Personen, also auch Firmen. Ihr Der Beitrag ergibt sich nicht allein aus den Arbeitgeberanteilen ihrer Beschäftigten, sondern darüber hinaus aus der Wertschöpfung der Unternehmen bzw. deren Gewinnen.
Die Wertschöpfung der Beschäftigten hat sich im Lauf der letzten Jahrzehnte in vielen Bereichen enorm vervielfacht. Das ist aber fast ausschließlich als Rationalisierungsgewinn von den Unternehmen vereinnahmt worden. Die Aussicht auf weitere Rationalisierungsfortschritte wird nicht nur zu neuer Arbeitslosigkeit führen, sondern auch das Missverhältnis zwischen Beschäftigten und Rentnern, Arbeitslosen und prekär Beschäftigten sowie Arm und Reich weiter aus dem Lot bringen, wenn nicht umgesteuert wird und endlich die hemmungslosen Unternehmensgewinne stärker mit Steuern und Sozialabgaben belegt werden.
Die Diskussion hierüber muss endlich auch von den Medien in die breite Öffentlichkeit getragen werden. Sie darf nicht nur bei den Linken und linken Sozialdemokraten geführt werden!“
Bernd Kreuzberger aus Heusenstamm:
„Zur andauernden Rentendiskussion nur diese Bemerkungen: Kein Mensch kann verbindlich vorhersagen, wie die Situation im Jahr 2030 oder noch später sein wird (Flüchtlinge usw.), auch nicht sog. „Experten“, dies müssen wir erst mal abwarten. Mit dem Beitragssatz von über 25 Prozent kann m. E. auch nicht gedroht werden, da wir diesen inklusive Rürup- oder Riesterrente bereits haben. Auch haben wir ein großes Problem mit der kapitalgedeckten Rente, nach Absenkung des Zinssatzes auf 0 Prozent der EZB ist diese nicht mehr zu finanzieren, dies betrifft insbesondere die Betriebsrenten, siehe auch die USA, dort müssen 70-Jährige noch einen Job suchen, gerade weil die Aktienkurse niedrig sind.
Was bleibt also? Der Rentenbeitrag wird so oder so steigen, nur das sollte unter dem Dach der gesetzlichen Rentenversicherung geschehen. Dort sind die Verwaltungskosten rund 1,5 Prozent, da die Infrastruktur bereits vorhanden ist. Ansonsten fallen erhebliche Provisionen und Abschlussgebühren an.
Oder ist die ganze Schau nur dem Erhalt des Arbeitgeberbeitrags in die GRV geschuldet? Ich empfinde, dass sog. Experten, die von der Versicherungswirtschaft entlohnt werden, hier lieber den Mund halten sollten, die Namen sind ja allseits bekannt, die muss ich hier nicht aufführen. Ihre Vorhersagen werden sie auf Grund ihres Lebensalters so oder so nicht mehr erleben. Ich lobe ausdrücklich die Aussage von Norbert Blüm von früher und ergänze sie um den Zusatz „gesetzliche“ also: Die gesetzliche Rente ist sicher.“
Ernst Niemeier aus Wentorf:
„Nicht die notwendige Wiederanhebung des Rentenniveaus gefährdet die Rente, sondern das von Riester veranlasste Absinken des Rentenniveaus. Die Riestersche Niveauabsenkung basierte auf der einseitigen Beachtung nur der demografischen Entwicklung und der unbegreiflichen Vernachlässigung der Produktivitäts- und damit langfristig der zu erwartenden Realeinkommenssteigerung – alles zugunsten der Beitragssatzstabilität für die Unternehnmen.
Die wesentlichen Veränderungen des Riesterschen Rentensystems bedeuteten gemäß Bewertung durch den ökonomischen Sozialpolitik-Experten Winfried Schmähl – zum Zeitpunkt der Riester-Reform Vorsitzender des Sozialbeirats der Bundesregierung – einen Paradigmenwechsel zurück ins 19. Jahrhundert. Das deutsche Rentensystem war 1957 nicht als Programm der Armutsbekämpfung konzipiert worden. Vielmehr wurde aus dem vorher gewährten Zuschuss zur Finanzierung des Lebensunterhalts eine Rente entwickelt, die einen Lohnersatz darstellte und die die Teilhabe der Rentner an der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung sichern sollte. Ein Nebeneffekt war, dass die Altersarmut deutlich sank.
Dieses System, das in einer relativ reichen Volkswirtschaft eine wünschenswerte Absicherung im Alter schuf, ist durch Riester zerstört worden. Winfried Schmähl hat die Absenkung des Rentenniveaus in seiner damaligen Funktion vergeblich zu verhindern versucht. Mit diesem Riester-Programm wird – als Nebeneffekt – auch das Problem der Altersarmut wieder vergrößert. Ihre Bekämpfung aber ist ein anderes zu lösendes Problem.
Die notwendige Reform der Riester-Reform, die Anhebung des Rentenniveaus, ist nicht primär ein Programm zur Bekämpfung der Altersarmut, obwohl es einen solchen Nebeneffekt auch hat. Sie ist ein Programm, das den Rentnern – wie 1957 geplant – auch in Zukunft tendenziell eine Lebensstandardsicherung bieten soll. Bemerkenswerterweise würde – wie vom Sozialministerium in Auftrag gegebenen Berechnungen zeigen – der Ausstieg aus dem Riester-System bei Wiederanhebung des Rentenniveaus zu einer geringeren Belastung der Beschäftigten für die Altersvorsorge führen als die Fortführung des Riester-Systems. Die Mehrbelastung der Unternehmen hielte sich in Grenzen und könnte durch die Produktivitätsentwicklung aufgefangen werden. Es ist, so stellt Winfried Schmähl richtig fest, „höchste Zeit für den Ausstieg aus dem Ausstieg“.“
Wenn noch nicht mal in Artikeln der FR ein Wort über das Thema Volkseinkommen steht wird man sich einer Lösung des Problems nicht wirklich nähern können. Wenn man wissen will ob die junge Generation überfordert wird sollte man sich endlich der Frage widmen welchen Anteil die Rente am jährlichem Volkseinkommen hat und nicht wie hoch der Beitragssatz beim Lohn ist. Wenn der Anteil am Volkseinkommen nicht steigt ist auch keine Generation überfordert. Das sollte mal jemand den Leuten sagen die meinen Artikel zu dem Thema schreiben zu sollen. Das Volkseinkommen sollte die Basis für diese Diskussionsein.