Wie sind die doch rückständig!

Wollen wir ausnahmsweise einmal wieder über den Islam beziehungsweise die Muslime reden? Das Pew Research Center aus Washington, nach eigenen Angaben ein „nonpartisan fact tank“, hat eine Studie veröffentlicht, die Widersprüchliches über 38000 Muslime in 39 Ländern zutage förderte. Die FR berichtete darüber in einem Text „Islam: Freiheit von anderen Religionen„. Beispielsweise sagten 96 Prozent der befragten Pakistaner und 77 Prozent der Ägypter, Religionsfreiheit sei ihnen sehr wichtig. Zugleich forderten sie, abtrünnige Muslime hinzurichten. Fast 80 Prozent der Pakistaner befürworten die Todesstrafe in solchen Fällen, in Ägypten fiel die Umfrage sogar zu knapp 90 Prozent pro Exekution aus. „Wie aber kann das sein?“, fragt die FR. „Religionsfreiheit und keinerlei Toleranz gegenüber Glaubenswechseln? Zunächst kommt der Wunsch zum Ausdruck, die eigene Lebenswelt möge frei sein von anderen Religionen. Und den Befragten kommt nicht in den Sinn, Freiheit müsse auch die der anderen sein.“

Da hat also jemand die Weisheit gepachtet.

Beatrice Morgenthaler aus Berlin hat mir dazu einen hübschen Leserinbrief geschrieben. Hier kommt er als Gastbeitrag:

Wie sind die doch rückständig!

Man liest die Nachricht, staunt und schaudert. Diese Muslime mal wieder, wissen unsere Freiheiten nicht zu schätzen. Wie sind die doch rückständig.
In dem Artikel, er ist gar nicht so kurz, erfahren wir nichts darüber, wie diese Daten erhoben wurden. Ging man zu einer Moscheegemeinde, fragte man die Menschen auf der Straße, bemühte man sich um eine repräsentative Umfrage, mit nicht mal 1000 Befragten pro Land? Stellen wir uns vor, eine solche Umfrage, wie sie unter Muslimen stattgefunden hat, würde hierzulande in christlichen Gemeinden, möglicherweise auch evangelikalen, durchgeführt. Dann würde das Ergebnis nicht viel anders ausfallen. Natürlich sollte man sich nach den biblischen Gesetzen richten, was denn sonst? Gibt es nicht auch viele Menschen, die sich dagegen wehren, dass in unserem „christlichen Vaterland“ Moscheen gebaut werden? Dass Menschen anderen Glaubens bei uns ihre Religion frei ausüben dürfen? Werden Juden nicht heute noch bei uns angefeindet, nur weil sie Juden sind? Und unterstellen viele Deutschen nicht allen, die irgendwie so aussehen, als könnten sie aus dem arabischen Raum stammen, dass sie gefährliche Islamisten seien? Und auch diejenigen, die nicht streng gläubig sind, wollen wir nicht auch, dass „unser“ Recht überall Anwendung finden sollte?
Über das Recht werden die Normen des Zusammenlebens einer Gesellschaft definiert, und diese Normen werden in den Familien weitergegeben. Die Väter und Mütter bringen den Kindern bei, was Recht ist und was nicht, und wie man das Leben so gestaltet. Die Mehrheit der Menschen findet das dann auch richtig. Was also ist verwunderlich daran, wenn man solche Antworten erhält?
Es ist noch nicht so lange her, dass auch in Deutschland der Ehemann bestimmte, wie das Familienleben zu gestalten sei, in welche Schule die Kinder gehen sollten, ob die Ehefrau arbeiten dürfte. Ist das keine Unterordnung? Wo ist der große Unterschied von Muslimen und Nicht-Muslimen? Welchen Freiheitsbegriff haben wir? Hätte die Mehrheit von uns nicht schon vor 50 Jahren gefunden, wir wären frei?
Die Emanzipationsbewegung war eine Bewegung von Minderheiten. Erst allmählich wandelte sich das Bild dessen in der Gesellschaft, welches Leben erstrebenswert sei. Und noch heute stoßen wir an Grenzen, streiten wir über Frauenquoten, über Kruzifixe im Gerichtssaal, über Integration etc. Schauen wir also nicht auf andere herab, sondern prüfen uns selbst und unsere Haltung, bevor wir werten.

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49 Kommentare zu “Wie sind die doch rückständig!

  1. Eine realistische Zustandsbeschreibung durch Frau Beatrice Morgenthaler. In dieser schnörkellosen und verständlichen Form ist das wohl, in aller Regel, ohnehin nur von einer Vertreterin des starken Geschlechts zu erwarten. Insbesondere seit dem 11.09.2001 „steht“ das(verordnete) Feindbild unverbrüchlich und ich befürchte, das wird auch noch sehr lange so bleiben. Demnach sind immer die Anderen, die Muslime, nicht nur die Rückständigen, sondern natürlich auch die Bösen. Wenn sich die westlichen Wertegemeinschaftler, unter Anführung der USA, über nix einig sind, dass der Islam das Übel der Welt ist, darüber herrscht beim Expertenunwesen, in Politik und Medien, weitgehend Konsens. Die Gleichung ist ganz einfach: Islam=Islamisten=Terroristen. Zu den Ausführungen von Frau Morgenthaler noch eine kleine Ergänzung. Ich bin der festen Überzeugung, dass die Menschen in ihrer übergroßen Mehrheit, gar nicht so unterschiedlich sind, wie es immer von „interessierter“ Seite dargestellt wird. Egal welcher Nationalität, Religion, Kultur, Hautfarbe, ob mit oder ohne Bart, mit oder ohne Kopftuch, die Menschen wollen ein auskömmliches Leben führen, und ansonsten Ruhe und Frieden. Natürlich wird es auch immer Verrückte geben, aber wahrlich nicht nur unter den Moslems. Viel gefährlicher als so mancher Verrückte sind z.B. Hetzer und Rassisten, die besonders gerne Bücher schreiben, die sie dann noch, in so genannten Talkshows, öffentlich, insbesondere bei den Öffentlich-Rechtlichen, umfänglich bewerben können. Interessant ist, dass es sich dabei in aller Regel um Männer, also um Vertreter des schwachen Geschlechts handelt.

  2. Ich finde es ja richtig gut, wenn die Leute Zahlen nicht mehr einfach glauben, sondern nach ihrem Zustandekommen fragen. Allerdings sind diese Zahlen nicht weg, wenn man sie einfach nur in Frage stellt, ohne zu beweisen, dass sie falsch sind. Was man machen kann, ist sie mit eigenen Erfahrungen vergleichen, quasi mit der sehr kleinen eigenen Stichprobe aus der eigenen Umgebung.

    Aber dabei sollte man ehrlich bleiben: Selbst wenn man in diesem Land mit allgemein christlich sozialisierter Gesellschaft nur die Christen vor oder in der Kirche fragte, dann wäre ein derartiger Widerspruch wie der einer 3/4 Mehrheit für Religionsfreiheit und einer vergleichbaren nicht nur für die Bestrafung der Apostasie, sondern sogar für die Todesstrafe für dieses „Verbrechen“ ausgeschlossen. Das Umfrageergebnis deckt sich auch mit der Lebenswirklichkeit in islamischen Ländern: Man geht dort für einige Freiheiten auf die Straße, aber nicht gegen die Scharia – wir können im Gegenteil Tumulte beobachten, in denen eine entsprechende Bestrafung von Apostaten und Häretikern gefordert wird – was vielleicht noch einige in Erinnerung haben, waren tumultartige Demonstrationen im Sudan, bei denen es darum ging, eine Lehrerin zu bestrafen, in deren Klasse das Maskottchen, ein Teddybär, Mohammed genannt worden war.

    Wenn bei uns ein gekreuzigter Frosch in eine Ausstellung gestellt wird, dann gibt es Proteste von Berufschristen und für Proteste praktisch keine Zustimmung.

    Und das zeigt auch den eigentlichen Unterschied: Die Bibel wird heute von der überwiegenden Mehrheit der Geistlichen historisch-kritisch ausgelegt, d.h. es ist auch bei Berufschristen Konsens, dass die Bibel nicht das Wort Gottes ist, sondern, zwar von Gott inspiriert, aber von Menschen ihrer Zeit geschrieben wurde. Deshalb ist sie so widersprüchlich, wie sie ist, und deshalb bedarf sie der Auslegung.

    Und jetzt bin ich gespannt, wer hier berichtet, wo und von wem im Islam der Koran historisch-kritisch betrachtet wird – das gibt es praktisch nicht. Das bedeutet wiederum, dass der Koran allgemein als das direkte Wort Gottes betrachtet wird und damit als absolute Wahrheit. Das führt natürlich auch zu politischen Konsequenzen, weil im Islam die Menschenrechte nur so weit gültig sind, so weit sie dem Koran nicht widersprechen, das gesamte System Demokratie wird relativiert. (Wer das für meine Phantasie hält, der suche im Lexikon oder in Wikipedia die Kairoer Erklärung der Menschenrechte im Islam.) Bei Christen sprechen wir von Fundamentalisten, wenn sie die Bibel wörtlich nehmen, und etwa die Evolutionstheorie ablehnen, weil sie der Genesis widerspricht. Wenn wir also vergleichbare Maßstäbe anlegen wollen, kommen wir ehrlicherweise nicht darum herum, festzustellen, dass die überwältigende Mehrheit der Muslime fundamentalistisch ist und wir hier wahrscheinlich deshalb so frei leben, weil die Muslime hier keine Mehrheit haben.

    Ich schlage denen, die die Aussagekraft der zitierten Umfrage in Frage stellen, mal einen kleinen Test vor. Stellen Sie sich zu Hause auf den Marktplatz und verteilen Flugblätter mit folgender Aussage: „Es gibt keinen Gott, und die Autoren des Märchenbuchs Bibel waren wahrscheinlich alle einfach nur bekifft.“ Dann gehen Sie bei ihrem nächsten Ägyptenurlaub auf einen Marktplatz in Kairo und verteilen Flugblätter folgenden Inhaltes (auf arabisch bitte):“Es gibt keinen Allah und Mohammed war wahrscheinlich einfach bekifft, als er diese Märchenbuch schrieb.“ Und anschließend kommen Sie in eine Talkshow, um allen mit ihrer Gesundheit zu demonstrieren, dass die Gläubigen aller Religionen alle den selben Begriff der Menschenrechte teilen.

  3. Jutta Rydzewski :

    „In dieser schnörkellosen und verständlichen Form ist das wohl, in aller Regel, ohnehin nur von einer Vertreterin des starken Geschlechts zu erwarten. “

    „Interessant ist, dass es sich dabei in aller Regel um Männer, also um Vertreter des schwachen Geschlechts handelt.“

    Aha. Hier redet jemand also der Freiheit das Wort , nur um einen Satz weiter höchstselbst auf eindimansionale und blödsinnige Vorurteile zurückzugreifen.

    Genau diese Doppelzüngigkeit hat Beatrice Morgenthaler gemeint , wenn ich sie richtig verstanden habe.
    Oder handelt es sich um Ironie?

  4. … und warum treten seit einiger Zeit in deutschen Vorgärten nur Buddha-Gartenzwerge vermehrt auf – und keine Jesus- oder Mohammed-Gartenzwerge?

  5. @ EvaK

    Bitte sehr , bin ich halt gesprungen , Hauptsache , Sie können sich darüber freuen.
    Wenn ich so etwas sage , muß ich halt mit Reaktionen rechnen.

    Es ist doch lächerlich , dann auf den zu zeigen , der reagiert und ihn als „Frosch“ zu titulieren , ist das tatsächlich Ihr Niveau?
    Das ist keinesfalls so souverän , wie Sie es jetzt offenbar darstellen wollen, das ist ganz einfach nur kindisch.

  6. @DH

    „Aha. Hier redet jemand also der Freiheit das Wort , nur um einen Satz weiter höchstselbst auf eindimansionale und blödsinnige Vorurteile zurückzugreifen.“

    Dass Männer ständig als das starke Geschlecht bezeichnet werden, ist in der Tat eindimensional, blödsinnig und kindisch. Deshalb habe ich ja darauf aufmerksam gemacht. Freut mich, dass auch Sie das nun eingesehen haben, obwohl ich gar nicht weiß, was Ihre Selbstbenennung DH sozusagen geschlechtlich bedeutet. Dieter Heinrich wäre z.B. genauso denkbar wie Doris Helga.;-))

    mfg
    Jutta Rydzewski

  7. @ Jutta Rydzewski

    Bei aller Freude über mehr oder weniger lustige Seitenhiebe auf eingefahrene Geschlechterrollen – das gehört nun aber nicht mehr zum Thema, okay?

  8. Eine gewisse Sehnsucht nach militärischen Umgangsformen ist bei Frau Rydzewski doch spürbar.

    Bronski, laß das „Okay“ am Ende weg und ersetze es durch „Verrrstannndennn?!“

  9. Für mich ist unverständlich, dass so viele Generationen nach der Aufklärung die Religionen immer noch so viel Einfluß in unserer Gesellschaft haben.
    Dauernd wird z.B. „mehr Bildung“ gefordert und gleichzeitig wird, statt den Religionsunterricht in den Schulen abzuschaffen, noch überall muslimischer Unterricht eingeführt. Das macht einfach traurig.

  10. @maderholz

    Religion ist die unwissenschaftliche Umsetzung und Vermittlung von Wissen. Man sollte sie deshalb respektieren, weil sie den Menschen wesentliches Wissen so gut wie möglich nahebrachte. Die absichtlichen und machtpolitischen Verfälschungen des Wissens sind ein Hindernis, eigentlich ein Unglaube, über den man hinwegsehen und hinwegkommen muß.

  11. @ BvG : „das wesentliche Wissen“ wurde aber in eine falsche Richtung, in eine Sackgasse gelenkt.
    „…nahebrachte…“, das sehe ich ähnlich, hoffe aber, dass das Zeitalter der Religionen jetzt zu Ende geht. Der aufgeklärte Mensch braucht sie nicht mehr!

  12. Einverstanden.
    Damit ist allerdings nicht das Problem gelöst, daß (die meisten?)Menschen „gesichertes Wissen“ benötigen, um ihr Leben zu führen.
    Wie ich im anderen Thread schon schrieb, muß eine solche Lücke gefüllt werden und Wissen und Handeln müssen auf einen gemeinsamen Nenner gebracht werden.

    Provokativ könnte man sagen, daß man dann „Verkünder Des Derzeitigen Standes“ braucht, und da ist bei der politisierten, gekauften und vernachlässigten Wissenschaft derzeit nicht viel zu hoffen.

    Natürlich ist der aufgeklärte Mensch aufgerufen, sich seine Meinung und Anschauung selbst zu bilden, aber das ist bei der Menge des verfügbaren Wissen völlig unmöglich.

  13. @BvG #12

    „Religion ist die unwissenschaftliche Umsetzung und Vermittlung von Wissen. Man sollte sie deshalb respektieren, weil sie den Menschen wesentliches Wissen so gut wie möglich nahebrachte. Die absichtlichen und machtpolitischen Verfälschungen des Wissens sind ein Hindernis, eigentlich ein Unglaube, über den man hinwegsehen und hinwegkommen muß.“ (BvG)
    Vorweg einen Entschuldigung, dass das jetzt etwas lang wird. Aber ich wollte meine andere Meinung nicht einfach da hinwerfen, ohne sie im Zusammenhang zu begründen:

    Der erste Satz beschreibt Religion schon relativ gut. Um damit etwas anzufangen, sollte man aber präziser werden. Um welches Wissen handelt es sich? Nicht um ein Wissen über die Welt im Allgemeinen, da waren diese Mythen nicht weiter hilfreich, sondern um die zur Religionsentstehung historisch erfolgreichen Regeln für den Umgang innerhalb der Gemeinschaft. Überlebt haben die Kulturen, deren Weitergabe dieser Regeln am erfolgreichsten war – religiöse Kulturen haben deshalb überlebt, weil die Religion mit der Priesterkaste für eine eigene Organisation gesorgt hat, die nur dafür zuständig war, die Tradition der Kultur, das heißt der Umgangsregeln zu organisieren.

    Der Wettbewerb der unterschiedlichen Religionen fand bzw. findet auf unterschiedlichen Ebenen statt. Da gibt es zum einen eine kriegerische Ebene – die Religion kann nur überleben, solange es Menschen gibt, die sie tragen und tragen dürfen. Ein erfolgreicher Eroberer zerstörte früher üblicherweise die priesterliche und örtliche Infrastruktur der besiegten Gesellschaft, um seine eigene dafür zu installieren.
    Ansonsten „erbt“ man seine Religion von seinen Eltern. Dieses Erbe wird um so zuverlässiger angetreten, als es das unbewusste, das wir alle besitzen, zu nutzen imstande ist. So stützt sich der eine Gott der Religionen, die aus dem Judentum hervorgingen, auf der psychischen Ebene auf die Identität Gottes mit dem kleinkindlichen Vaterbild und schafft so eine sehr hohe Abhängigkeit, die im Polytheismus nie erreicht wird, was sich auch in der Richtung möglicher späterer Missionierungen niederschlägt. Aber grundsätzlich gilt für Missionierungen, dass unsere Möglichkeit, uns unseren Gott auszusuchen, begrenzt ist: Wer schon in Kindertagen einen Gott als Weltprinzip aufnimmt, wird höchstens in existenziellen Krisen eine Bereitschaft haben, daran etwas zu ändern – unsere Psyche hält immer an allem fest, was sie bis dahin getragen hat. Das ist grundsätzlich auch eine sinnvolle Einrichtung, denn bis zur Krise hat es sich anscheinend bewährt. Äußerer Zwang, an der Religion der Eltern festzuhalten, geht meist direkt von der Religion bzw. ihrer Kirche selbst aus: Früher war es in allen Religionen üblich, Apostaten zu töten oder wenigstens auszustoßen, was bei der Unmöglichkeit außerhalb der Gesellschaft zu leben, und Kirche und Gesellschaft waren identisch, einem Todesurteil fast gleichkam. Hier ist der Islam übrigens nur in der Forderung der Todesstrafe so archaisch, wie er uns vorkommt, ansonsten sollten wir im Hinterkopf behalten, wie lange auch die christlichen Kirchen Schwierigkeiten mit den Menschenrechten hatten – etwa die katholische Kirche bekennt sich erst seit ca Mitte des letzten Jahrhunderts zur Religionsfreiheit. (Anmerkung: Wie sehr die Abhängigkeit der einzelnen Person von der „Person“ Gott, man könnte auch sagen die psychische Realität dieses Gottes, von der überlieferten Vaterfigur abhängt, ist auch auch an der Heftigkeit der Reaktionen auf Gotteslästerung sichtbar: Es sind die autoritären patriarchalischen Gesellschaften, in denen Gotteslästerungen am meisten verunsichern und deshalb die stärksten Reaktionen hervorrufen.)

    Bevor wir uns bemühen, uns mit Herrn BvG über irgendeinen Unglauben hinwegzusetzen, um wieder mehr zu glauben, sollten wir uns aber erst einmal ansehen, was uns dieser Glaube denn Positives bringt. Wenn man die Selbstschutzvorrichtungen (Nur unser Gott ist heilig, Apostasie ist des Teufels usw….) einmal weglässt, bleiben als Durchschnitt aller Religionen oder als Essenzen aller erfolgreicher Kulturen eigentlich immer mehr oder weniger ausführliche Ausführungen zur goldene Regel übrig: „Behandle andere so, wie du von ihnen behandelt werden willst.“ oder negativ ausgedrückt: „Was du nicht willst, dass man dir tu’, das füg’ auch keinem anderen zu.“ Diese Ausführungen, nur viel gründlicher und detaillierter finden wir aber inzwischen in den Gesetzbüchern der verfassten Staaten dieser Welt. Auch die Organisation der Weitergabe ist normalerweise laizistisch geregelt, dafür gibt es Schulen mit staatlichen Prüfungsvorgaben usw..

    Und wozu brauchen wir Gott oder die Religion im Privaten? Die Antwort darauf geben uns heute die Menschen, die gottlos aufwachsen: Sie vermissen nichts. Was auch ungläubige Kinder gerne mitmachen, ist höchstens die Folklore, wenn sie denn entsprechend belohnt werden, wie es bei der Konfirmation geschieht. Dass auch die gottlosen Kinder später in Lebenskrisen von religiösen Rattenfängern gekrallt werden können, ist kein Gegenargument, weil das auch gläubigen Menschen passiert (s.o. zum Thema Missionierung). Für die Religion stimmt noch mehr, was Karl Kraus eigentlich für die Psychoanalyse formuliert hatte: „Die Religion selbst ist die Krankheit, die zu heilen sie vorgibt.“

    Was von BvG’schen Beschreibung übrigbleibt, ist also der zweite Satz, und das auch nur, weil er bereits in der Vergangenheit formuliert ist: „Man sollte sie deshalb respektieren, weil sie den Menschen wesentliches Wissen so gut wie möglich nahebrachte.“ Das ist richtig und damit auch hinreichende Beschreibung der Rolle der Religion in der verfassten Gesellschaft: Vergangenheit. Rein funktional ist Religion nur noch Folklore, eine eher museale Angelegenheit.

    Aber es sind nicht nur die erwähnten Schutzmechanismen, die die Religionen noch eine Weile am Laufen halten werden: Das Gemeindeleben rund um die Kirche ist ein hervorragendes Milieu für die Entstehung sozialer Netzwerke völlig ohne „neue Medien“ auf der ganz persönlichen Basis: Es kommt nicht von ungefähr, dass alle unsere Parteien einen überproportionalen Anteil hoch organisierter Christen in der Parteispitze haben – da menschelt es genauso in Seilschaften wie bei allen anderen Gruppen auch. Die Religionen haben ihre Lobbyisten an prominenter Stelle direkt im Parlament.

  14. @Wohlgemuth

    Die Beschreibung von Religion als blosse Regeltradierung reicht mir nicht aus. Auch die historische Rolle der bildhaften Wissenvermittlung an ungebildete Zuhörer greift zu kurz. Die machtpolitischen Anteile kann man wohl aus der Diskussion ausschließen, da bekannt und allseits abgelehnt. Man könnte sich zwar fragen, wie man Wissen ohne Macht vermittelt, aber das lieber ein andermal.

    Ihre Spitze „Bevor wir uns bemühen, uns mit Herrn BvG über irgendeinen Unglauben hinwegzusetzen, um wieder mehr zu glauben..“ bringt es dennoch auf den Punkt: Ich postuliere ein Bedürfnis, eventuell sogar eine Notwendigkeit zum Glauben, die lange Zeit nur durch einfache, später komplexere Systeme beantwortet wurde. Das Argument, daß „Ungläubige“ nichts vermissen, wäre zu bedenken, denn was man nicht kennt, kann man nicht vermissen, was man nicht braucht, allerdings auch nicht.
    Da wäre ein wenig Statistik angebracht, wieviele der aufgeklärten oder ungläubigen Menschen tatsächlich auf Mystik, Glaube oder Aberglaube verzichten können.

    Offen bleibt nach wie vor die Frage, wie man eine solche Notwendigkeit zum Glauben aufgeklärt behandeln soll. Wie gesagt steht die Möglichkeit im Hintergrund, daß die solcherart orientierungslosen Menschen zu den falschen Lösungen tendieren.

    Sie werden sicher einwenden, daß die bisherigen Glaubens- und Wissenssysteme in keiner Weise vor Unmenschlichkeit geschützt haben, weder Täter, noch Opfer. Sie haben Recht.
    Die zukünftigen Glaubens- und Wissenssysteme sollten dies aber tun. Grundlegend wäre dazu zu klären, ob es eine solche „Notwendigkeit zum Glauben“ überhaupt gibt.

    Da prüfe sich jeder selbst, spätestens bei der Ziehung der Lottozahlen. 🙂

  15. @BvG #16

    Die „Frage, wie man eine solche Notwendigkeit zum Glauben aufgeklärt behandeln soll“ stellt sich aber erst, nachdem man diese Notwendigkeit bewiesen hat. Das würde ich gerne abwarten.

    Auch bei der Betonung der historischen Rolle der Wissensvermittlung wüsste ich gern, um welches Wissen außerhalb der sozialen Regeln es da gehen soll und was genau davon in einem Staat mit Schulpflicht nicht abgedeckt sein soll.

    Zum Thema unwissende Ungläubige: Ich bin ein Ungläubiger aus einer gläubigen Familie und christlich sozialisiert. Was ist es da, das ich nicht kenne? Auch meine Kinder wachsen zwar ungläubig auf, aber ich mache keine Anstrengung, sie vom Christentum fernzuhalten. Mein Wissen über Religion allgemein wie auch das über das Christentum speziell sehe ich mindestens als mit dem eines normalen Christen vergleichbar an – bei meinen Kindern wird es – altersentsprechend – ähnlich sein. Was genau soll es sein, was wir nicht kennen?

    Und selbst wenn wir jetzt statistisch feststellten, dass auch Atheisten mehrheitlich abergläubisch wären und mystische Verhaltensweisen an den Tag legten: Warum wäre das ein Argument für organisierte Gläubigkeit, also den Erhalt von Religionen?

    Und richtig: Ich weise gern darauf hin, dass die Religionen bisher weder Täter noch Opfer vor der Unmenschlichkeit geschützt haben. Und wir sind uns einig, dass unsere Gesellschaft so werden sollte, dass sie diesen Schutz leistet.

    Nur, wenn die Religion es bisher nicht konnte, warum sollte sie es denn jetzt plötzlich können? Wird Gott wieder selbst eingreifen? Die letzten 2000 Jahre Geschichte geben wenig Anlass zu dieser Hoffnung.

    Und die Veränderungen in der Religion, die nach sehr langer Stagnation jetzt langsam in diese Richtung laufen (zusammengefasst: Menschenrechte), wurden alle von außen und gegen den z.T. erbitterten Widerstand der Kirchen in die Religion getragen. Welche Gründe sprechen dafür, an einem derartigen System, dessen Energie sich in der Selbsterhaltung der Kirchen erschöpft, festzuhalten?

    Und ganz praktisch: In den USA hat Religion einen Stellenwert, wie wie ihn sonst in der dritten Welt finden. Welchen persönlichen und sozialen Schutz beziehen die Menschen aus dieser Religiosität, den wir hier nicht haben?

  16. @maderholz, #13: Wie ich bereits an anderer Stelle schrieb, hält sich Götter- und Geisterglaube hartnäckig wie Schusterpech. Der „aufgeklärte Mensch“ ist in diesem Punkt sehr konservativ bis – das Thema – rückständig und sucht sich neue Inkarnationen irgendeines höheren Wesens zwecks Verehrung. Menschen machen Götter, Menschen machen sich Götter. Damit ist das Zeitalter der Religionen zwangsläufig noch lange nicht beendet, sondern schleppt sich weiter vorwärts.

    http://www.frblog.de/berichten-sie-religionskritisch/#comment-40492

    @DH, #6: Diesmal hatte ich „Frosch“ gesagt. Wohlgemerkt: Gesagt, nicht jemanden so genannt.

  17. @ 18 : Danke, EvaK, es war nützlich, das nochmal nachzulesen.
    Als „Religion“ verstehe ich immer noch die „Glaubenslehre“, die mir in der Schule beigebracht wurde. Soll heißen, dass Christen an die Auferstehung Jesus, Dreifaltigkeit, den jüngsten Tag u.v.a. glauben müssen. Katholiken darüber hinaus auch noch an Dogmen, wie sie z.B. erst 1950 noch mit der „Leiblichen Himmelfahrt Mariens“ hinzugefügt wurde.

    Wer das nicht mehr mitmachen kann und will, wendet sich doch bereits ab. Daraus folgen viele Stufen der Abkehr, bis hin zum Kirchenaustritt. Auch dann kann jeder Einzelne noch etwas „eigenen Glauben“ bewahren. Ich kann nachvollziehen, wenn sich vom Glauben abgefallene Menschen intensiver den Vorgängen in der Natur zuwenden, die Sonne als Lebensspender betrachten und erschrecken, wie dünn unsere schützende Lufthülle doch ist und wie zerbrechlich das ökonomische Gleichgewicht !
    Daraus muss nicht gleich wieder „religiöses Denken“ gemacht werden.
    Ich bleibe dabei, die Religionen, wie sie derzeit noch in Schulen gelehrt werden, haben langfristig keine Zukunft mehr in einer wissenschaftlich geprägten Gesellschaft.

  18. @maderholz #20
    Im Zusammenhang mit Religionen und den Kirchen, ihren Verkaufsorganisationen, ist das ökonomische Gleichgewicht aber auch nicht weit weg. Man könnte sogar versucht sein, statt der Ökonomie und der Ökologie die Onkologie zu bemühen. scnr

  19. Ich möchte hier keineswegs einer neuer Gläubigkeit, Religiösität oder religiösem Denken das Wort reden. Ich sage nur, daß das Bedürfnis nach solchem Denken eventuell in den Menschen vorhanden ist und sich Bahn brechen wird, wenn es keine Antworten findet. Da öffnen sich Tür und Tor für quasi-religiöse Inszenierungen. Es hilft nicht, es einfach zu ignorieren oder in Abrede zu stellen.

    Es hat viele leidvolle Versuche gegeben, den Menschen dieses religiöse Denken auszutreiben, weil es als das falsche Denken oder als fehlgeleitetes Denken gedeutet wurde, aus verschiedensten Gründen. Ebensoviele leidvolle Ausbeutungen dieses Denkens hat es gegeben.

    Wenn es aber eine solche eine Notwendigkeit zum Glauben gibt, dann ist es ein Menschenrecht, diese auch zu leben. Es hilft nicht, die „Ursache allen Übels“ in dieser oder jener Meinungsverschiedenheit zu suchen, um es dann dadurch zu bekämpfen, daß man die Verschiedenheiten aus der Welt schafft oder den Dialog über die Verschiedenheiten beendet.

    E muß möglich sein, gleich welchen Glaubens man ist, Teil der Gesellschaft zu bleiben und bleiben zu wollen.

  20. @BvG # 22

    Leider gehen Sie nicht auf meine Fragen ein, die ich zur Präzisierung ihrer Aussagen gestellt habe. Ich will trotzdem versuchen zu zeigen, wo meine Schwierigkeiten mit Ihrer Argumentation liegen:

    „Ich sage nur, daß das Bedürfnis nach solchem Denken eventuell in den Menschen vorhanden ist und sich Bahn brechen wird, wenn es keine Antworten findet.“ (BvG #22)

    Eine Wirkungen kommt von einer Tatsache, nicht von der Möglichkeit einer Tatsache, einer eventuellen Tatsache.

    Dieses Bedürfnis macht ihnen aber trotz seiner Eventualität offensichtlich viel zu schaffen:
    „Damit ist allerdings nicht das Problem gelöst, daß (die meisten?)Menschen “gesichertes Wissen” benötigen, um ihr Leben zu führen.
    Wie ich im anderen Thread schon schrieb, muß eine solche Lücke gefüllt werden und Wissen und Handeln müssen auf einen gemeinsamen Nenner gebracht werden.“ (BvG #14)
    „Offen bleibt nach wie vor die Frage, wie man eine solche Notwendigkeit zum Glauben aufgeklärt behandeln soll. Wie gesagt steht die Möglichkeit im Hintergrund, daß die solcherart orientierungslosen Menschen zu den falschen Lösungen tendieren.“ (BvG #16)

    Dabei wissen wir noch nicht, um welches Wissen es hier geht, aber wir haben bereits ihre Bestätigung, dass in der Vergangenheit auch die orientierungsvollen Gläubigen regelmäßig zu falschen Lösungen tendierten. (wobei allerdings auch die Frage noch im Raum steht, wie dieses richtig und falsch zu ermitteln ist). Gibt es außer den Verkaufsbehauptungen der Theologie irgendeinen Hinweis, dass Gottlose öfter oder zu falscheren Lösungen tendieren als Gottgläubige?

    In #16 haben Sie witzigerweise am Ende ihres Beitrages geschrieben: „Grundlegend wäre dazu zu klären, ob es eine solche “Notwendigkeit zum Glauben” überhaupt gibt.“. Gleichzeitig steht da am Anfang dieses Beitrags: „Ich postuliere ein Bedürfnis, eventuell sogar eine Notwendigkeit zum Glauben, die lange Zeit nur durch einfache, später komplexere Systeme beantwortet wurde.“

    Es ist etwas unüblich, eine Aussage gleichzeitig in Frage zu stellen und sie als Axiom zu benutzen, das letztere tun Sie nämlich die ganze Zeit.

    Womit wir bei der Glaubwürdigkeit dieser Aussage wären: Welche Gründe kann es geben, von einem derartigen Bedürfnis oder gar einer Notwenigkeit auszugehen?

    Weil Religion bisher der Bestandteil aller Kulturen war? Die Vorteile, die eine Religion mit der dazugehörigen Kirche durch ihre Funktion der organisierten Weitergabe von Regeln in der unverfassten Gesellschaft hat, sind offensichtlich und eine hinreichende Erklärung dafür, dass nur derartige Kulturen überlebensfähig waren. Da benötige ich das von ihnen postulierte individuelle Bedürfnis nicht und es ist dann in der Wissenschaft nach dem Sparsamkeitsprinzip (Ockhams Razor) üblich, darauf zu verzichten. Auf keinen Fall haben wir hier einen Beleg dafür.

    Wir haben im Gegenteil einen Beleg dafür, dass es dieses Bedürfnis nicht gibt, indem wir heute Menschen finden können, die ohne Religion aufgewachsen sind und denen offensichtlich nichts fehlt.

    Und wir haben sogar genügend dieser Menschen, um statistisch festzustellen, dass sie genauso glücklich sind wie religiöse und auch nicht nennenswert anders handeln, wenn wir vom religiösen Handeln absehen. (Die von den Kirchen regelmäßig gemachten Behauptungen, Untersuchungen hätten gezeigt, dass Gottlose unmoralischer wären usw. gehen regelmäßig auf sehr eigenwillige Definitionen, was denn Moral sei usw. zurück und werden außerhalb der Theologie nicht ernst genommen.)

    Vor diesem Hintergrund ist es dann auch nicht möglich, das Gefühl religiös sozialisierter Menschen als Grund für das ominöse Bedürfnis nach Glauben zu zählen. Ich habe also keine Ahnung, warum Sie von diesem Bedürfnis ausgehen.

    „Wenn es aber eine solche eine Notwendigkeit zum Glauben gibt, dann ist es ein Menschenrecht, diese auch zu leben. Es hilft nicht, die “Ursache allen Übels” in dieser oder jener Meinungsverschiedenheit zu suchen, um es dann dadurch zu bekämpfen, daß man die Verschiedenheiten aus der Welt schafft oder den Dialog über die Verschiedenheiten beendet.
    E muß möglich sein, gleich welchen Glaubens man ist, Teil der Gesellschaft zu bleiben und bleiben zu wollen“(BvG #22)

    Selbst wenn ich übersehe, dass Sie den Beweis für diese Notwendigkeit noch schuldig sind, ist hier ein ungeheuerlicher Strohmann versteckt: Es hat hier niemand vor, Religionen oder Kirchen zu verbieten. Es hat hier niemand vor, jemanden wegen seines Glaubens zu benachteiligen oder gar aus dieser Gesellschaft zu drängen, solange die Ausübung dieses Glaubens nicht andere in höherwertigen Rechten als dem der Religionsfreiheit verletzt.

    Wenn etwa maderholz hier bemerkt „..ich … hoffe aber, dass das Zeitalter der Religionen jetzt zu Ende geht. Der aufgeklärte Mensch braucht sie nicht mehr!“ (maderholz #13), drückt er (sie?) damit sein persönliches Verhältnis zur Religion aus aber entwirft kein Programm zur Unterdrückung religiöser Menschen. Oder wäre es eventuell bereits eine Unterdrückung des Islam bzw. muslimischer Menschen, wenn ich während des Ramadan mittags im Straßenlokal ein Steak zu mir nehme? Oder wäre es eventuell bereits eine Unterdrückung der Religion bzw. religiöser Menschen, wenn ich mich auch an Tagen, an denen irgendein Gott gefeiert wird, lustvollen Betätigungen wie dem Tanzen und Singen hingebe? Da werde ich nämlich zur Zeit durch Verbote gezwungen, Göttern zu huldigen, an die ich nicht glaube. Aber den Kampf dagegen werden Sie wohl kaum meinen.

    Zusammengefasst: Ich kann bei ihnen keine schlüssige Argumentation erkennen; was ich dagegen wahrnehme, ist eine diffuse Angst. Die ist bei der existentiellen Abhängigkeit des Gläubigen von seinem Gott allerdings normal, wenn ein aus Sicht der Kirche einigermaßen erfolgreich sozialisierter Mensch mit dem im eigentlichen Wortsinne unverschämten Unglauben konfrontiert wird.

  21. @Wohlgemuth

    Ich hatte gedacht, es wäre vielleicht eine interessante Frage, der man hier nachgehen kann, ob ein solches Bedürfnis nach Glauben besthet, immerhin gibt es ja ein paar Menschen, die auf ihrem Glauben bestehen und EvaK zum Beispiel hat auch explizit geäußert, daß man diesen nicht aus der Welt schaffen wird.
    Mit Angst belegt ist das für mich nicht. Ich will nur ein paar interessante Dinge besprechen. „Postulieren“ ist dabei nicht dasgleiche wie „Axiome aufstellen.“ Es hätte mir Spaß gemacht, diese Frage hier gemeinsam zu untersuchen und nachzusehen, ob das „Aufgeklärtsein“ denn schon so weit gediehen ist, wie es den Anschein hat. Auch ging es ja um die Frage, warum die Kirchen überhaupt noch bestehen und dazu ist gesagt worden, daß diese um so stärker um ihr Überleben kämpfen werden, wie sie als überflüssig darggestellt werden. Dies hätte ein Polarisierung zur Folge die eventuell in den von mir angeführten Fundamentalismus mündet. Andererseits ist eine Abhängigkeit von einer nur scheinbar freien Wissenschaft ebenso unaufgeklärt, was in die Überlegung münden müsste, daß der Mensch in der Lage sein muß, ohne gültige Wahrheiten zu leben. Da gäbe es ein paar Ausflüge in die Philosophie zu unternehmen.

    Leider habe ich jetzt nicht die Zeit, genauer darauf einzugehen oder die Textstellen zusammenzusuchen. Vielleicht später mehr.

    PS: Der Satz „Es muß möglich sein, gleich welchen Glaubens man ist, Teil der Gesellschaft zu bleiben und bleiben zu wollen“ ist durchaus alszweischneidig zu verstehen.

  22. @Wohlgemuth

    Persönlich nehme ich maderholz oder Ihnen die Distanz zur Religion oder die Freiheit von der Religion ab, das ist nicht das Problem.

    Das Problem ist, daß eine scheinbare Aufgeklärtheit keine wirksame Alternative ist. Sie hat keine Verbrechen verhindert, man sogar behaupten, daß im Namen der Vernunft ebensoviele Verbrechen begangen wurden, wie im Namen der Religion oder im Namen irgendwelcher „pickeligen Baumgeister“.

    Sie fassen in Ihrem Beitrag #23 die Probleme treffend zusammen, trotzdem bleibt eine Attitüde übrig, die religöses Denken als mehr dümmlich, unreligiöses Denken als mehr klüglich darstellt. Ich denke, das entbehrt jeder Grundlage.

    Das „aufgeklärte Denken“ präsentiert sich gern, als sei es eine Lösung, bleibt aber nur in Verweigerung der schlechteren Alternative der Gläubigkeit stecken. Der scheinbar rationale Satz „Ich halte mich an die Tatsachen“ ist letztlich doch nur ein Eingeständnis derselben Erkenntnisverweigerung, die in den Religionen „ewige Wahrheiten“ genannt wird.

  23. Naja, trifft ja alles auf wenig Interesse, auch der Moderator gibt kein Futter und die schon mehrfach verstorbene FR und ihre Redakteure sind in der Versenkung verschwunden.

    Machen wir also dicht und verabschieden den einzigen inhaltlich ernstzunehmenden Blog in der deutschen Medienlandschaft ins Nirwana. Selbst Mely Kiyak gibt auf, Rest in Peace, spaßvolle Meinung und gehaltvolle Ungebundenheit. Da geht sie nun unter, die FR, die der einzige Grund war, noch andere Meinungen und Zeitungen zu lesen.

    Die Verantwortlichen haben’s nicht verstanden. daß der FRBLOG die Zukunft der Medienlandschaft darstellte, sie haben einen Bronski verbraucht und ein Millionengeschäft versäumt. Rest in Peace FRBLOG, schön wars.

  24. @ BvG
    Warum so voreilig? Ich würde diese Diskussion gern weiterführen, aber mir fehlt das Futter von Ihnen. Sie haben, nicht in Blaue, sondern ganz präzise zu Ihren Ausführungen ein paar einfache Fragen von mir vorliegen, die noch nicht beantwortet sind, die aber beantwortet werden müssen, damit ich wirklich auf Ihre Position eingehen kann.

    Also bitte nicht auf den Deus ex machina warten, der die Handlung hier weiterbringt, Sie selbst sind immer noch am Zug.

  25. @Wohlgemuth

    Nun, voreilig würde ich das nicht nennen, ich bin schließlich schon seit 2007 dabei. Andere Flintenwerfer habe schneller aufgegeben.

    Wieso ich am Zuge sein sollte, sehe ich nicht. Aber gut, ich bringe die Diskussion gerne nochmals in Gang.

    Zusammengefasst ist die sogenannte aufgeklärte Haltung seit Kant nur ein Kontrapunkt zur sogenannten unaufgeklärten Haltung geblieben, sie bezieht ihren Inhalt und Sinn nur aus der Unbeweisbarkeit des Glaubens. An derselben Unbeweisbarkeit, weil begrenzten Erkenntnisfähigkeit, scheitert auch die Wissenschaft, die aus ihrer Vorläufigkeit keinerlei höheren Geltungsanspruch abzuleiten imstande ist, gleich den religiösen Vorläufigkeiten.

    Ein solcher höherer Geltungsanspruch wäre nur aus dem Konsens abzuleiten, der aus höherer Bildung aller und besserem Diskurs aller entsteht. Dem steht aber die bekannte interessengeleitete Beschränkung der Wissenschaft entgegen.

    Ich gebe zu, daß das alles sehr theoretisch ist.
    Ich wäre Ihnen dankbar, wenn sie ihre Fragen nochmals konkretisierten.

  26. @BvG

    „Sie fassen in Ihrem Beitrag #23 die Probleme treffend zusammen, trotzdem bleibt eine Attitüde übrig, die religöses Denken als mehr dümmlich, unreligiöses Denken als mehr klüglich darstellt. Ich denke, das entbehrt jeder Grundlage.“ (BvG #25)
    Mit dem 2. Satz habem Sie recht, mit dem ersten muss ich leben, aber gerade Sie könnten sich auch an einen Beitrag von mir erinnern, indem ich auf eine Aussage von Ihnen, die ich falsch verstanden hatte, Folgendes geantwortet habe:
    „Die Erwähnung von Monokausaltiät und Bildung in diesem Zusammenhang deutet an, dass Intelligenz und Wissen im Gegenstand um Glauben stünden, das dürfte aber sehr schwer zu belegen sein. Ich kenne Christen, die mir bildungsmäßig weit überlegen sind und intelligenzmäßig mindestens ebenbürtig, die in der Politeia und der Summa contra Gentiles genauso zu Hause sind wie in der Quantentheorie und trotzdem an einen Gott glauben. Nicht unbedingt an einen alten Mann mit weißem Bart, aber immerhin an einen persönlichen Gott.“ (http://www.frblog.de/berichten-sie-religionskritisch/#comment-40474 )

    „Ich wäre Ihnen dankbar, wenn sie ihre Fragen nochmals konkretisierten.“ (BvG #28)
    Es waren keine allgemeinen Fragen, sie bezogen sich alle direkt auf Aussagen von Ihnen, insofern geht es kaum konkreter. Ich habe hier deshalb der Einfachheit halber jeweils Ihre Formulierung und meine Frage dazu noch einmal aufgelistet:

    „Nur wenn die Gedanken und die Methoden der Auseinandersetzung mit dem “Übermenschlichen” in die allgemeine Diskussion Eingang finden, werden sie auch rationaler werden. (Damit meine ich natürlich nicht die Methoden der Macht!)“ (BvG #12) (Ich weiß, dass das aus einem anderen Thread ist, aber ich finde, dass es hier dazugehört)
    Frage:
    Was genau soll dieses „Übermenschliche“ eigentlich sein, für das Gedanken und Methoden der Auseinandersetzung Eingang in die allgemeine Diskussion finden sollen, das also scheinbar außer der Kirche niemand behandelt? Um welche Gedanken und Methoden geht es?

    Allgemeine Frage zu BvG #16
    Auch bei der Betonung der historischen Rolle der Wissensvermittlung wüsste ich gern, welches Wissen außerhalb der sozialen Regeln da vermittelt wurde und was genau davon in einem Staat mit Schulpflicht nicht abgedeckt sein soll.

    (Es gibt am Ende von Frank Wohlgemuth #17 noch konkretere Fragen, aber die können wir erstmal überspringen.)

    „Offen bleibt nach wie vor die Frage, wie man eine solche Notwendigkeit zum Glauben aufgeklärt behandeln soll. Wie gesagt steht die Möglichkeit im Hintergrund, daß die solcherart orientierungslosen Menschen zu den falschen Lösungen tendieren.“ (BvG #16)
    Frage:
    Gibt es außer den Verkaufsbehauptungen der Theologie irgendeinen Hinweis, dass Gottlose öfter zu falschen oder zu falscheren Lösungen tendieren als Gottgläubige?

    „Ich postuliere ein Bedürfnis, eventuell sogar eine Notwendigkeit zum Glauben, die lange Zeit nur durch einfache, später komplexere Systeme beantwortet wurde.“ (BvG #16)
    Frage:
    Welche Gründe kann es geben, von einem derartigen Bedürfnis oder gar einer Notwendigkeit auszugehen? (Ich bitte darum, meine Position dazu aus #17 in die Antwort mit einzubeziehen.)

  27. Ein menschliches Bedürfnis nach „religiösem Glauben“ gibt es zunächst nicht. Was es allerdings gibt, ist eine Art „Trieb“ des Menschen (er kann nicht anders), die Welt zu verstehen. Verstehen bedeutet, Muster zu erkennen, die die Welt verständlich und „berechenbar“ machen. Dieser „Trieb“ ist ganz wesentlich für den evolutionären Erfolg des Menschen auf der Erde.

    Wie das auch mit vielen klassischen Trieben nunmal so ist, schießt auch dieser leicht übers Ziel hinaus. D.h. er kann zu Verhalten führen, das eigentlich nicht mehr seinen eigentlichen Sinn erfüllt. Der eigentlich Sinn dieses „Triebes“ ist ja, durch Verständnis von Zusammenhängen im Beobachteten, die erkannt wurden, sich einen Vorteil im Kampf ums Überleben zu verschaffen… aus dem Verständnis heraus kann der Mensch Abläufe vorhersagen, oder gar Abläufe selber steuern, sich die Welt untertan machen. Über das Ziel hinaus schießt dieser „Trieb“, wenn Muster und Zusammenhänge völlig erfunden werden, reines Produkt der Fantasie sind… wie das in der zentralen Frage der Religionen, der Urheberschaft der Welt, ja klar der Fall ist. Der „Trieb“ der Mustererkennung drängte den Menschen dazu, Muster zu erfinden, d.h. Muster auf Zusammenhänge zu legen, wo durch Beobachtung allein beim besten Willen keine zu erkennen sind. Das Argument, daß diese Erfindungen nicht durch übliche Verfahren basierend auf Logik und Beobachtung widerlegbar sind, bedeutet noch lange nicht den Beweis, daß es sich NICHT um pure Erfindungen handelt.

    Die Naturwissenschaften sind hier im Erkenntniswert klar überlegen, denn sie schließen aus, daß pure Erfindungen die geistige Leistungsfähigkeit des Menschens längerfristig trüben können… ganz einfach dadurch, daß sich jede wissenschaftliche Theorie ihrer Beweisbarkeit stellen muß. Die naturwissenschaftlichen Theorien sind dabei auch oft genug nicht wahr im Sinne von 100%-ig zutreffend, sondern oft genug nur Näherungen. Näherungen sind aber immer noch den puren Erfindungen vorzuziehen.

    Zurück zur Frage der „Notwendigkeit“ des Glaubens. Wir alle wissen, was der Sinn z.B. der Sexualität ist, nämlich die Fortpflanzung zu ermöglichen. Dazu hat sich die Sexualität beim Menschen als angenehme Sache entwickelt. Weil sexuelle Betätigung so angenehm ist, wird sie auch oft angestrebt, ohne das es um Fortpflanzung geht, z.B. bei der Masturbation. Religiöser Glaube ist bzgl. des Erkenntnisstrebens des Menschens das, was Masturbation bzgl. seiner Sexualität ist… eine Verirrung, die nun mal mit dem Trieb zusammen kommen kann, die aber den eigentlichen Sinn des Triebes nicht erfüllt. Ich meine das aber nicht böse, denn Masturbation ist ja auch nicht dadurch, daß der eigentliche Sinn des sexuellen Triebes nicht erfüllt wird, schon schlecht. Die Frage, wie man das bewertet, daß einem Trieb Verhaltensweisen entwachsen, die dem Sinn des Triebes entgegenlaufen, müsste durch vollständige Analyse von Vor- und Nachteilen entschieden werden.

    Es wird (z.B. von BvG) als Schwäche der Naturwissenschaften gesehen, nicht zu allen Fragen eine Antwort zu haben. Ich halte es für ihre größe Stärke, denn das hält die pure Fantasie aus ihrer Welterklärung fern… und damit die völlige Beliebigkeit. Und so teilt sich dann die Menschheit in die Geduldigen und in die Ungeduldigen… in die, die sagen: „In der Frage der Urheberschaft der Welt wissen wir (noch) nichts, deswegen können wir dazu nichts sagen.“ und in die, die sagen: In der Frage der Urheberschaft der Welt nichts zu wissen, halte ich einfach nicht aus, ich muß es wissen, und zwar JETZT…“. Religiöser Glaube ist dann die Kombination des Mustererkennungstriebs mit der menschlichen Ungeduld (Katalysator: Die Indoktrinierbarkeit im sozialen Verband).

  28. @Wohlgemuth,Wedell

    Das „Übermenschliche“ ist das, was der Mensch nicht lenken kann.

    Es geht hier nicht um ein spezielles Wissen, das die Religion der Wissenschaft voraus hätte, sondern um eine begrenzte Erkenntnis, das „noch nicht wissen“, und das „noch nicht verstehen“, das der Mensch gleichzeitig mit dem Verlangen nach Sinn und dem Zwang zum Handeln bewältigen muß.

    Das Beispiel von Wedell, ergänzt um den Wunsch nach „musterhaftem Handeln“ trifft es ganz gut.

    Selbstverständlich kann man jedes Wissen und jedes Handeln völlig regellos und ohne Muster anwenden, man kann auch irgendein Wissen mit irgendeinem Impuls verbinden und das eine zur Ursache des anderen machen. Da erübrigt sich allerdings jede Diskussion und Reflexion, weil kein Sinn des Handelns mehr erwartet wird. Man verabschiedet sich von der Ursache-Wirkungs-Kette. (sowohl in der Wissenschaft, als auch in der Religion, wodurch beide unkritisierbar werden)

    Da wäre nun zu fragen, ob man Wissenschaft betreibt, um das „Übermenschliche“ zu erobern und das Lenkbare zu erweitern, also, ob man Sinn und Folgerichtigkeit entdecken und erzielen will.
    Dann nämlich ist der Fall, daß man das gesicherte Wissen zu einem bestimmbaren Zeitpunkt als für alle verbindlich bezeichnen muß, alles weitere als ungesichertes Wissen im Sinne von Wedells „Ungeduldigen oder Geduldigen“ ertragen muß. Entsprechend darf man das Handeln dann nur an dem verbindlichen Wissen ausrichten.
    Die Doktrin der Kirche müsste also durch eine Doktrin der Wissenschaft ersetzt werden. Da sträuben sich verständlicherweise viele Haare.
    Das Problem einer sinnvollen, nicht unterdrückenden und unabhängigen Doktrin müsste (muß) die Wissenschaft lösen und sie wird entweder bei einer kirchen- und religionssähnlichen Institution landen, oder aber bei dem, was man als eine neue Aufklärung verstehen könnte.

  29. Ergänzung
    „ob man Sinn und Folgerichtigkeit entdecken und erzielen will.“

    „ob man Sinn und Folgerichtigkeit und Handlungsfreiheit entdecken und erzielen will.“

  30. @wedell
    Es wird (z.B. von BvG) als Schwäche der Naturwissenschaften gesehen, nicht zu allen Fragen eine Antwort zu haben. “

    Nein, da mißverstehen sie mich. Ob Wissenschaft in dem Sinne als schwach angesehen wird, hängt von der Fähigkeit der Menschen ab, mit ungelösten Problemen zu leben.

    „Ich halte es für ihre größe Stärke, denn das hält die pure Fantasie aus ihrer Welterklärung fern“

    Leider gibt es keine Möglichkeit, Genialität von purer Phantasie zu unterscheiden. Jedenfalls nicht für Zeitgenossen.

  31. @BvG,

    wenn pure Fantasie völlig zufällig die Wahrheit trifft, dann ist das keine Genialität, sondern einfach nur Dussel.

    Nichts zeigt in meinen Augen so sehr das Scheitern z.B. des Christentums in Fragen der Welterklärung auf wie die Tatsache, daß das Weltbild hoher Beamter des Christentums, nämlich der Wissenschaftler der Vatikanischen Sternwarte, sich nicht unterscheidet von dem anderer Astronomen und Wissenschaftler, jedenfalls was das „Diesseits“ angeht. Das geozentrische Weltbild, die direkte Erschaffung des Menschen, die Idee der jungen Erde, all dies und mehr wurde gründlich widerlegt, und nachdem diese Behauptungen jahrhundertelang als reine Wahrheit gelten mussten, wird heute von religiöser Seite relativiert: es handelt sich ganz plötzlich nur noch um Allegorien, hintergründige Bedeutungen o.ä., und selbstverständlich nichts mehr, was man wortwörtlich nehmen müsste. (Der Hinweis von Frank Wohlgemuth, daß es große Unterschiede zwischen Christentum und Islam gibt, was Ausmaß und allgemeine Akzeptanz solcher notwendiger Relativierungen religiöser Urtexte angeht, ist sehr richtig).

    Hier stellt sich die Frage bzgl. religiöser Behauptungen übers Jenseits, das Übernatürliche: Sind die nur deshalb die „reine Wahrheit“, weil sie (bisher) nicht ähnlich widerlegt werden konnten wie die religiösen Behauptungen über die Welt im Diesseits?…

    Oder, anders gefragt: Wer so lange für einen Bereich manifesten Unfug redete, soll man dem wirklich glauben, wenn er für einen anderen Bereich eine „reine Wahrheit“ behauptet? Skepsis ist, wenn nicht schon geboten, so doch im höchsten Maße entschuldbar.

    Ein Vorteil reiner Phantasiesysteme gegenüber jenen, die sich in der Realität verhaften, ist nicht nur, daß sie überhaupt Antworten geben können auf Fragen, auf die mit den herkömmlichen Methoden, Erforschung, Beobachtung, Logik, Mathematik o.ä. (noch?) nicht geantwortet werden können, sondern daß die Antworten natürlich auch so gestaltet werden können, daß sie dem Menschen möglichst angenehm erscheinen. In der Frage des menschlichen Todes z.B. ist die naturwissenschaftliche Antwort ziemlich trist und deprimierend. Mit dem Tod löst sich das Ich auf und existiert dann nicht mehr. Punkt. Das ist ja grauenhaft. Das wollen die Menschen eigentlich doch nicht hören. Ich will nicht wissen, wieviele Hardcore-Naturwissenschaftler, die die Ideen der Religionen als „unseriös“ aus ganzem Herzen ablehnen, nicht doch im Innersten ein wenig Trost beim Gedanken finden, daß es in dieser Angelegenheit womöglich doch nicht so sein müsste wie naturwissenschaftlich behauptet. Vermutlich alle, die die gedankliche Beschäftigung mit dieser „Singularität“ im Menschenleben nicht völlig verdrängen. Man muß ja nicht gleich glauben, daß es so oder so weitergeht (z.B. auf einer Wolke mit Harfe in der Hand)… zu glauben, daß es „irgendwie“ weitergeht, reicht ja schon ein wenig.

    Die Angebote reiner Fantasiesysteme können jedenfalls so gestaltet werden, daß sich beim Menschen Zufriedenheit breitmacht, wo vorher Angst und Verunsicherung herrschte…. was in manchen Fällen z.B. die Verfügbarkeit von 8000 Sklaven und 72 Jungfrauen bedeutet.

    Hier verlassen wir aber die Bewertung der Religionen unter dem Gesichtspunkt ihrer Tauglichkeit für Welterklärung, und bewerten sie jetzt als psychotherapeutische Systeme. Hier liegt sicher eine ganz starke Seite der Religionen. Im Einzelfall muß hier aber analysiert werden, ob ihre Psychotherapien lediglich zu Gesundungen durch Bewältigung der de facto-Lieblosigkeit der Welt gegenüber dem Menschen führen oder nicht doch auch zu neuen Erkrankungen oder zumindest unerwünschten Nebenwirkungen.

    Die dritte Funktion der Religionen wäre dann die Steuerung der Gesellschaften. Die Religionsgründer behaupten ja in der Regel einen Willen Gottes, und der wird Direktive für die Art und Weise, wie der Mensch sein Leben leben soll. Man mag darauf hinweisen, daß in unserem Rechtssystem z.B. der Idee „Du sollst nicht töten“ ein ausreichend breiter Raum gegeben wurde, trotzdem ist es aber sicher nicht verkehrt, wenn es auch Menschen gibt, die diese Regeln nicht nur befolgen, weil sie mit der Polizei nichts zu tun haben wollen o.ä., sondern auch jene, die sie befolgen, weil sie als dem Willen Gottes entsprechend angesehen werden. Nicht zuletzt drängt sich die Frage auf, in welchem Umfang der im Christentum postulierte Wille Gottes überhaupt zur Entstehung dieser Gesetze beitrug. Diesen Beitrag ganz abzustreiten wäre jedenfalls falsch.

  32. Das Gebiet der Religionskritik kann man ab jetzt wohl verlassen.
    Die Frage ist, was kommt nach der Religion oder ob da überhaupt was kommen muß.

  33. Oh, nein, es muss noch lange nicht Schluss sein !
    Für mich ist noch völlig ungeklärt, um welchen „Glauben“ wir eigentlich hier reden. Wie ich in # 19 schon angedeutet hatte, gibt es viele Stufen von „Glauben“.
    Meinen wir hier nun z.B. den von Dogmen und Vorschriften überquellenden Glauben, wie er im Katholizismus oder Islamismus gelehrt wird, oder meinen wir den Glauben eines aufgeklärten Wissenschaftlers, der nahe dem Tode vielleicht doch nicht ganz sicher ist, „ob es nicht doch irgendwie weitergeht“, da ihm das Leben zu wertvoll erscheint, um einfach „ausgelöscht“ zu werden ?
    Ich hoffe, dass ich trotz einfacher Sätze verstanden werde, worauf ich hinaus will.

  34. Das ist m.E. nicht die Frage. Sondern die Frage ist, wie man den Religionen auf ihrem Weg in die Moderne voranhelfen kann.

    Exkulpabilisierung wie B. Morgenthaler sie unter Aufbietung höchster Einseitigkeit betreibt, und zwar ausgerechnet jener, die die größten Anpassungsleistungen werden aufwenden müssen, ist da eher kontraproduktiv. Ich kann mir direkt vorstellen, wie ein hiesiger Muslim mit eigener Migrationserfahrung, daher vielleicht mit einem Gepäck an traditionelleren, archaischeren Vorstellungen aus der dörflichen Heimat beladen, aber grundsätzlich nicht abgeneigt, Kompromisse zu schließen in Richtung auf einen aufgeklärten Euro-Islam hin (der im Lauf der Zeit ja noch entstehen muß), B. Morgenthaler liest und zurückzuckt. „Ach, ich brauch mich und meine traditionelleren Auffassungen ja nicht zu ändern, denn ich bin ja nicht das Problem, sondern die Deutschen sind das Hauptproblem, sie sagen es ja selber“.

    Und das nur, weil jemand stolz herzeigen will, wie bekannt ihm jüngere Vergangenheit und heutige einzelne Randphänomene im eigenen Land sind.

    Allerdings kann man auch berechtigt Zweifel an der geistigen Gesundheit von B. Morgenthaler haben, wenn sie behauptet, in christlichen Gemeinden hierzulande wären ja sicherlich ebenfalls 80-90% der Menschen der Meinung, man solle hiesige Christen, die den Glauben ablegen, exekutieren… ich würde ja schon dringend jemandem attestieren wollen, eine Schraube locker zu haben, der das für 1 Promille behauptet, geschweige denn 80-90%. Und wenn jemandem dazu, daß die Mehrheit der Muslime in Afghanistan oder Irak außergerichtliche Exekutionen von Frauen gutheißen, wenn diese durch Ehebruch oder voreheliche Beziehungen Schande über die Familie gebracht haben, nichts anderes einfällt als sich schuldbewußt auf die Brust zu schlagen und daran zu erinnern, daß ja vor wenigen Jahrzehnten noch der Mann hierzulande die Entscheidungsmacht über die Berufstätigkeit der Frau hatte, und man deshalb über die vorgenannten Vorstellungen sich zu empören ja eigentlich kein Recht hätte… tja, was soll man dazu denn dann eigentlich noch sagen?

  35. @maderholz
    Schön, daß Sie noch dabei sind.

    Wie ja schon gesagt, kann man den organisierten Glauben wohl nicht mehr ernstnehmen, da er sich zuvieler Widersprüche und Verbrechen schuldig gemacht hat. Das bedeutet nicht, daß alle Gläubigen als „schuldig“ anzusehen sind und man kann auch nachvollziehen, daß eine heutige Kirche in dem Konflikt steht, eine lange Tradition zu retten und dabei deren Beschmutzer gleich mit zu beschützen. Sehr im Wege steht natürlich auch das Beharren auf offensichtlichen Irrtümern, aber auch das ist zumindest nachvollziehbar, denn eine „Wahrheitsinstitution“ wie sie die Kirche sein wollte, kann und darf nicht für jede Mode der Wissenschaft sogleich ihr ganzes Gebäude umwerfen. Auch eine Wissenschaft muß ihre Irrtümer mit sich schleppen, weil sonst der Prozess der Erkenntnis verloren geht. Auch da gibt es tragische Geschichten, wie Entdecker auf beschämende Weise vernichtet wurden.

    Der zweite Ansatz, daß dem einzelnen Menschen sozusagen ein privater Rest von Gläubigkeit zugestanden wird, weil er für sich eine Bedeutung des Lebens über das Individuelle hinaus ersehnt, ist schon ernster zu nehmen, wenn er nicht in einen Personenkult mündet. Da hat sich ja so mancher eigene Denkmäler gesetzt, die über den Kirchturm herausragten.
    Da gibt es die unterschiedlichsten Antworten, wie: „Im Gedächtnis bleiben“, „Werke hinterlassen“, „in den Kindern, in der Familie fortleben“ oder auch das Bewußtsein, daß Erde wieder zu Erde und Staub wieder zu Staub wird und man diesem möglichst keine Jahrtausendlast in Form von Plutonium zugefügt hat.
    Viele finden deshalb Trost in der Tatsache, daß ihre Körper ursprünglich dem Sternenstaub der Supernovea entstammen und tatsächlich dem natürlichen Kreislauf wieder hinzugefügt werden. Eine eigentlich „unkirchliche Erkenntnis“ die sich mit der kirchlichen Formel trifft.

  36. @wedell

    Ich stimme Ihnen zu. Die Attitüde, wegen des eigenen Glaubens sterben zu wollen ist schon seltsam genug, andere wegen des eigenen Glaubens sterben zu lassen ist kriminell. Nicht nur entbehrt es jeder Selbstkritik, solches zu fordern, es ist auch selbstgefährdend, da ja auch jeder Andersgläubige solches fordern könnten. Selbst- oder Fremdgefährdung sind jedoch eindeutige Kriterien für psychiatrische Kriseninterventionen…

  37. @BvG

    „Die Frage ist, was kommt nach der Religion oder ob da überhaupt was kommen muß.“ (BvG #35)
    Ich hatte ja schon gesagt, dass für mich die Aufgaben der Religion schon von anderen Strukturen und besser übernommen ist – die Lücke, die sie hinterlässt, ist in meinen Augen die bessere Lösung.

    Um weiter mitreden zu können, wüsste ich aber wirklich gern von Ihnen, worin konkret das sichere Wissen bestand/besteht, das von Religion transportiert wurde/wird, und das weder die Schule transportieren kann, noch der Gesetzgeber in die Gesetzbücher schreiben.

  38. @BvG,

    fairerweise möchte ich noch ergänzen, daß es nicht nur 60% der Afghanen sind, die auf die Aussage: „Some people think that if a woman brings dishonor to her family it is justified for family members to end her life in order to protect the family’s honor“ antworteten, daß dies „Oft richtig“ oder „Manchmal richtig“ sei, sondern in etwa auch derselbe Anteil, der dies für Männer meinte. Die „Gleichberechtigung“ von Mann und Frau ist in dieser Sache in Afghanistan auf erstaunliche Weise realisiert. Hut ab! 😉

    zu #39,

    Leider muß ich die Begeisterung, höchstpersönlich selber einem „natürlichen Kreislauf“ wieder hinzugefügt zu werden (bei ökologisch denkenden Menschen ist sie ja gut nachvollziehbar), doch ein wenig dämpfen. Völlig richtig ist, daß die Elemente, aus denen wir bestehen, den Überresten von Supernovas entstammen. Vielleicht nur von einer, vielleicht aber auch die der linken Hand aus der einen, die der rechten aus einer anderen. Für sich gesehen aber jedenfalls schon ein erstaunlicher Gedanke.

    Zu den Kernverschmelzungsvorgängeb in den Sternen, bei denen aus leichteren Elementen schwerere entstehen (aus denen wir größtenteils bestehen), hat man bisher aber im Universum kein Gegenstück entdeckt, das aus schwereren Elementen wieder leichtere erzeugt. Wir (die Materie, aus denen Sie, Bronski, maderholz und ich bestehen) werden den gängigen Theorien nach mitsamt der Erde zwar zunächst von der Sonne verschluckt werden (die sich zwischenzeitlich mal bis über den Radius der Erdumlaufbahn ausdehnen wird… gegen diese Blähungen wird auch das probate Mittel aus der TV-Vorabendwerbung nichts ausrichten können). Nach deren „Ausbrennen“ nebst „Auskühlen“ werden wir aber dort in einem von den Astronomen so genannten „Schwarzen Zwerg“ enden… ich rede hier nicht von einem kleinwüchsigen CDU-Politiker, sondern einem hochverdichteten Klumpen bestehend aus Kohlenstoff und Sauerstoff in der Größe der Erde… dem Endprodukt der Sonne. Die wird also mangels Masse mitnichten in einer Supernova ihr Innerstes nach aussen kehren und uns wieder schön im Kosmos verteilen, auf daß dann daraus andere merkwürdige Wesen entstehen, die z.B. in Internetforen ihre Zeit verplempern können.

    Der Schwarze Zwerg, den man einst Sonne nannte, wird weitere unzählige Milliarden Jahre unspektakulären Dahintrudelns später vom schwarzen Loch im Zentrum der Milchstraße verschluckt werden. Personen, die behaupten, daß sie Ähnliches schon am Anfang ihres Lebens erlebten, nur halt umgekehrt, beweisen damit nur ihr unterirdisches humoristisches Niveau.

    Wie die Reise dann weitergeht, steht noch in keinem Reiseführer. Rücktritt von der Reisebuchung ist aber nicht möglich, Beschwerden bitte an… ja, großer Mist, an wen denn nun? Selbst Religionen geben da keine vernünftige Antwort, denn sie sehen Beschwerdemöglichkeiten an den Reiseveranstalter für gewöhnlich nicht vor, die werden als anmaßend empfunden, erlaubt sind allenfalls Dankbarkeitsbezeugungen. Die Geschäftsführung von TUI würde so ein System zum eignen Nutzen wohl liebend gerne einführen.

    Abzuschätzen, wie sich der Kosmos mit uns in einem seiner unzähligen schwarzen Löcher dann weiterentwickeln wird, dazu muß erst Licht ins Dunkel solcher ominösen Begriffe wie „Dunkle Materie“ und „Dunkle Energie“ gebracht werden. Alles in allem noch ein bisschen zu viel Dunkel, aber die Energiewende hat damit erstmal nichts zu tun.

    Ansonsten ist “Im Gedächtnis bleiben”, “Werke hinterlassen”, “in den Kindern, in der Familie fortleben” ein schwacher Trost, wenn Seele, Ich, o.ä. ansonsten ins Nichtsein entfleuchen. Das ist etwa so, wie brennend gern mal auf den Mond fliegen wollen, aber es immer nur bis in die Kiesgrube nebenan zu schaffen… irgendwie ernüchternd. Mit den üblichen Versprechungen wie Reinkarnation oder gar ewiges Paradies kann das alles doch nicht mithalten. Lediglich einem ewigen Leben in der Hölle ist das „Im Gedächtnis bleiben, evtl. noch ein paar Werke hinterlassen, aber ansonsten gründlich verschwinden“ eindeutig vorzuziehen. In Einzelfällen ist das gründliche Verschwinden schon zu Lebzeiten von Vorteil. Guttenberg und Wulff haben das nun auch endlich begriffen.

    @Frank Wohlgemuth,

    das erinnert mich an den bemerkenswerten Roman „Lobgesang auf Leibowitz“, der vor mehr als 50 Jahren entstand. In ihm wird die Welt durch einen Atomkrieg in ein neues Mittelalter zurückgeworfen. Wieder ist es die Rolle von Mönchen, altes Wissen auszugraben und zu bewahren. Sie verstehen zwar dieses Wissen nicht, behandeln die alten Fundstücke aber als heilige Reliquien und kopieren sie handschriftlich bis ins letzte Detail. Ich möchte einmal stellvertretend eine der wichtigsten dieser Fundstücke zitieren, dessen Urheberschaft auf den Seligen Leibowitz zurückgeführt wurde (der später nach langem Prüfen heiliggesprochen wurde):

    „500 gr. Pastramischinken, Dose Sauerkraut, 6 Bagel — für Emma mitbringen“

    Nun, vielleicht ist das allerdings doch ein wenig übertrieben…

  39. @Max Wedell
    Das mit dem Einkaufszettel finde ich tröstlich – das da noch etwas übrig bleibt, wenn Kinder und Enkel schon vergangen sind (eventuell existiert die Keimbahn noch).

    Und meine Einkaufszettel, die meine Frau mir schreibt, enthalten sogar ein echtes Gebot, ganz unten steht gewöhnlich der Hinweis „Auf Sonderangebote achten.“

    Wird das dann das sichere Wissen sein? Damit wäre meine Frau dann mit Sicherheit schneller heilig, weil die Exegese um so Vieles leichter fällt.

  40. Am besten lösen wir zuerst das Mysterium, daß die Kreide sich gleichmäßig verflüchtigt, wenn sie in unregelmäßigen Bahnen an der Tafel entlanggleitet, aber in viele ungleichmäßige Bröckchen zerfällt, wenn sie in leicht gekrümmter Flugbahn den Herren in der letzten Reihe an den Kopf prallt.

  41. Was von mir bleibt ? Ein Häufchen Asche ! Da ich zeitlebens ein bescheidener Mensch war, bin ich damit zufrieden.
    ( Was mit all den Gedanken sein wird, die ich leichtsinniger Weise Facebook u. ä. anvertraut habe – das beunruhigt mich dann doch…) ;-).

  42. @Frank Wohlgemuth,

    der eigentliche Scherz des genannten Buchs war, daß die Mönche ja (600 Jahre nach der Atomkatastrophe) gar nicht mehr wussten, was Sauerkraut, Dosen, Bagel waren und was gr. bedeutete usw. Daher vermuteten sie uraltes Geheimwissen hinter diesen Hieroglyphen und standen vor Ehrfucht erschaudernd über diesen Schrifttümern.

    Der natürliche Feind der Archäologen ist ja bekanntermaßen die Müllverbrennungsanlage. Die Archäologen der fernsten Zukunft werden aber dereinst sicher noch genug Überbleibsel von uns aus dem Dreck ziehen können, die Frage ist nur, wie die dann interpretiert werden. Team A, welches Fragmente einer Werbebeilage der FR ausgrub, stellt dann vielleicht fest: „Und Gott verkündete den Menschen: Ich bin doch nicht Blöd! Yippiejaja Yippie Yippie Yeah!“… Team B, welches ein halbes Regal Belletristik der ehemaligen Frankfurter Stadtbibliothek ausgrub, streitet das ab: „Damals grassierte ein finsterer Vampirkult.“… Team C, mit 5 halben Seiten aus ebensovielen Spiegelausgaben, widerspricht schließlich: „Nein, damals herrschte ein Frauenkult, es wurde eine Göttin angebetet, die liebevoll „Mutti“ genannt wurde“.

    Ob ein elftes Gebot: „Du sollst auf Sonderangebote achten“ jemals eine Chance haben wird, hängt wohl davon ab, ob die Story mit dem goldenen Kalb noch weiter in Vergessenheit geraten wird. Unabhängig davon unterstütze ich ausdrücklich die sofortige Heiligsprechung Ihrer Frau. Das können Sie ihr gerne ausrichten. Und die aller anderen Frauen übrigens auch. Ich denke, das würde ja auch ganz gut in die heutige Zeit passen.

    @BvG,

    jenes Mysterium könnte man wohl relativ schnell lösen, indem im größten Teilchenbeschleuniger der Welt, dem LHC in Genf, zur Abwechslung mal mit Kreide geschossen würde statt mit subatomaren Partikeln. In die Kollisionskammer sollte man allerdings nicht die Herren der letzten Reihe stellen, sondern die Herren der ersten Reihe… des Bundestags am Besten. Man wird dann vielleicht völlig neuen Quark entdecken, oder wie diese Teilchen da heißen.

    Es hieß übrigens lange Zeit, dort, bei CERN in Genf, suche man mithilfe des LHC das sogenannte „Gottes-Teilchen“. Der Physiker, dem man ursprünglich diese Behauptung in den Mund legte, hat aber schon lange dementiert: „Ich sagte damals, wir suchen das gottVERDAMMTE Teilchen, und wurde irgendwie mißverstanden“. Wenn es dann schließlich gefunden wird, sind wir der Gottesfrage also vermutlich kein Stück näher gekommen, nur die Wut der Physiker, daß dieses spezielle Teilchen sich so rar macht und einfach nicht zu finden ist, wird schlagartig abflauen. Na immerhin.

  43. Nun gut, schliessen wir das Thema also hiermit ab…
    (hat da jemand Gott sei Dank gesagt???)

  44. Eine Anmerkung zum halbherzigen Versuch von B. Morgenthaler, die Methodik der Studie in Frage zu stellen, muß noch gemacht werden.

    Die Studie basiert auf Zufallsstichproben, die weitestgehend nach dem Muster eines standardisierten Verfahrens durchgeführt wurden, das auch deutsche Meinungsforschungsinstitute ganz häufig anwenden (das „ADM-Design“ der Arbeitsgemeinschaft deutscher Marktforschungsinstitute). Die zu befragenden Personen werden in drei Stufen ermittelt: Zunächst werden proportional zur Bevölkerungsanzahl bestimmte Regionen ermittelt, dann von den Interviewteams in jeder Region nach Zufallsroutenverfahren Haushalte ausgewählt, und dann in jedem Haushalt nach Kish-Grid (dt. Schwedenschlüssel) die zu befragende Person. Vom Verfahren her war man hier also nicht schlechter aufgestellt als es die hiesigen Marktforschungsinstitute bei hiesigen Studien sind… die hiesigen Institute werden aber garantiert keine Verfahren anwenden, bei denen Zweifel bestehen, ob sie eine hohe Repräsentativität liefern können.

    Die Repräsentativität der Studie konnte aber auch beziffert werden. Die Studie bezifferte die Möglichkeit, daß der Umstand, daß nicht alle Muslime, sondern nur ein Teil der Muslime befragt wurde, zu Abweichungen größer als 3 – 6 % von den tatsächlichen Werten führten führten (je nach Land waren die Werte etwas unterschiedlich), mit 5%. D.h. in 95 Fällen von 100 Fällen derselben Untersuchung mit ganz anderen Befragten in gleicher Anzahl würden die Abweichungen nicht größer als jeweils 3 – 6 % sein, je nach Land.

    Ich denke, eine Ungenauigkeit dieser Größenordnung kann nicht dazu führen, die Resultate insgesamt ins Reich der Fantasie zu verweisen. Versuch gescheitert.

    Und was die „gerade mal 1000“ pro Land angeht… Die Forschungsgruppe Wahlen legte kürzlich das Politbarometer Mai 2013 vor, mit einem Befragtensample von 1244. Offenbar scheinen die Experten dort der Meinung zu sein, aufgrund der Befragung von 1244 Personen Aussagen zur Befindlichkeit von 62 Millionen Wahlberechtigten machen zu können (was auch nicht unberechtigt ist, wenn ansonsten die Verfahren zur Sicherstellung einer größtmöglichen Repräsentativität eingehalten werden, was sicher der Fall ist). Wenn PEW also z.B. 1798 Muslime in Ägypten befragt haben, um die Befindlichkeiten von ca. 55 Mio. dortiger Muslime über 18 Jahren zu bestimmen, oder gar 1509 Muslime in Afghanistan stellvertretend für lediglich 16 Mio. Muslimen im Alter 18+ insgesamt befragten, so waren sie von der Strichprobengröße bezogen auf die Gesamtmenge der Personen zahlenmäßig viel besser aufgestellt. Zusammen mit der oben erwähnten Methodologie ergibt das eine hohe Glaubhaftigkeit. B. Morgenthalers Kritik hingegen scheint sich aus einem Bauchgefühl zu speisen.

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