Die Reaktionen der FR-Leserinnen und -Leser sind recht eindeutig: Weg mit dem „Rasse“-Begriff im Grundgesetz! Dort heißt es im dritten Paragraphen, Absatz 3: „Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“ Auch die Integrations-Staatsministerin Widmann-Mauz (CDU) will „Rasse“ streichen.
Tatsächlich gibt es ein Problem mit diesem Paragraphen: Menschliche Rassen existieren nicht. Biologisch gesehen gibt es menschliche Phänotypen, die sich äußerlich und in ihren Gebräuchen, ihrer Kultur, zum Teil deutlich voneinander unterscheiden. Diese Unterschiede bestehen jedoch weniger hinsichtlich ihrer Biologie bzw. ihrer genetischen Ausstattung als vielmehr hinsichtlich ihrer kulturellen Zugehörigkeit, die Gruppen und Ethnien verbindet. Der Rasse-Begriff ist also hochproblematisch, da er biologisch gemeint ist. Rassisten machen sich darüber normalerweise keine Gedanken; ihnen genügt es, dass jemand anders ist. So kann Rassismus als umgangssprachlich angewendeter Begriff als Synonym für den Versuch von Ausgrenzung schlechthin verstanden werden – und so hat auch der Begriff „Rasse“ weiterhin Sinn im Grundgesetz. Allerdings werden diese Ausgrenzungskriterien bereits von den anderen im Gesetz genannten Punkten berücksichtigt: Abstammung, Sprache, Heimat, Herkunft, Glauben – all dies spielt in den „Rasse“-Begriff hinein. Das Problem besteht also vor allem darin, dass der „Rasse“-Begriff im Grundgesetz als Tatsachenbehauptung missverstanden wird: Weil da das Wort Rasse stehe, so diese Lesart, behaupte und zementiere das Grundgesetz die Existenz menschlicher Rassen.
Ich halte das für eine Fehldeutung und plädiere dafür, den „Rasse“-Begriff im Grundgesetz zu belassen, und zwar gegen die Bemühungen der Grünen, Linken und der SPD. „Rasse“ ist keine wissenschaftliche, aber sehr wohl eine historische Realität, die für sehr viele Menschen Gewissheit war. Der „Rasse“-Begriff war in der Nazizeit ein reales Herrschaftsinstrument. Getrieben von Ideologie und Hass auf Juden, Sinti & Roma sowie „Volksschädlinge“ generell, durchaus unterstützt von namhaften Wissenschaftlern, auch wenn sich deren „Erkenntnisse“ im Licht seriöser Wissenschaft nicht halten ließen, hat „Rasse“ also existiert. Darum hat der Begriff seine Berechtigung im Grundgesetz. Er steht da nicht, weil es Rassen gibt, sondern weil es sie als Folge ideologischer Verblendung gegeben hat. Wenn auch nur in der Einbildung. Aber mit katastrophalen Folgen und Millionen Todesopfern. Vor solchen Fehlentwicklungen will Paragraph 3 Schutz bieten. Das sollte man nicht ändern, denn es ist nicht auszuschließen, dass wir es wieder mit solchen Fehlentwicklungen zu tun bekommen. Der gegenwärtig grassierende Rassismus, die Fremdenfeindlichkeit, der anschwellende Antisemitismus sind Alarmzeichen, die wir nicht ignorieren sollten. Ich greife eine Passage aus dem Leserbrief von Knut G. Emmert – siehe unten – heraus. Er schreibt: „Die Mütter und Väter unseres Grundgesetzes waren nämlich weder rassistisch noch dumm.“
Wie klug und durchdacht das Grundgesetz in vielerlei Hinsicht ist, haben wir Deutschen in den Jahren nach 1968 erlebt, als dieses Gesetzeswerk nach und nach ernsthaft angewendet wurde. Das Grundgesetz ist die Basis der liberalen Realität unseres Landes. Seine Eltern haben aus der deutschen Geschichte gelernt. Dass das Wort „Rasse“ im Grundgesetz steht, ist ein Ergebnis dieses Lernprozesses.
Menschenfreundlicher Anstrich
Das Wort Rasse habe ich bisher niemals mit Menschen klassifiziert, sondern immer nur bezogen auf Tiere (Hunde, Hühner, Kaninchen, u.a.), die besondere äußere Merkmale aufweisen, die auf Menschen nicht zutreffen (z.B. Schwanzwedeln, stolzieren, Hakenschlagen – obwohl….).
Diejenigen die das Wort Rasse in den Mund nehmen und daraus eine Zusammenfassung wie Rassismus formulieren, sollten sich Gedanken machen, warum sie Rasse mit Menschen gleichsetzen. Ich würde niemals einen Zusammenhang zwischen Menschen und Rasse sehen, es sei denn, ich sehe mich selbst als Rasse und stufe körperliche Merkmale als rassistisch ein- Hautfarbe (Weiß, Schwarz, Braun, rötlich, gelblich – was ist mit Sonnenbraun/brand?), Struktur (groß, klein, dick, dünn – oder gemischt?), Empfindungen (schön, häßlich, alt, jung – tätowiert?), Geschlecht (weiblich, männlich, transgender – Bosse?). Natürlich kann man dies noch weiter ausschmücken. In der Beziehung fallen wir alle unter Rassisten und demonstrieren gegen oder für uns selbst.
Im Falle des amerikanischen Bürgers geht es nicht um Rassismus, sondern um Gewalt, die ein Mensch gegen einen anderen Menschen vollzogen hat. Diese Gewalt sehen wir in allen anderen Ländern und die Farbe der Haut oder die Herkunft spielen dabei keine Rolle.
Wenn also Demonstrationen, dann nicht einseitig zu seiner Befriedigung, sondern für all die Menschen, die durch Gewalt von Obrigkeiten Schaden, Schmerzen, Mißbrauch oder den Tod erleiden. Die USA allein ist dafür kein Vorbild, auch nicht die plötzliche Erinnerung an eine unrühmliche Kolonialzeit. Da müssten wir auch die Konfessionen hinzuziehen, den 30-jährigen Krieg, die Weltkriege und die vielen Schauplätze von heute auf allen Kontinenten.
Die Streichung des Wortes Rasse aus dem Grundgesetz ist nicht mehr als ein Alibi, sich einen einen menschenfreundlichen Anstrich zu geben. Schon allein, Rasse durch „rassistisch benachteiligt“ belässt die Anerkennung von menschlicher Rasse bestehen. Ehrlicher wäre, den Paragraphen 3 in seiner Gesamtheit zu streichen, dann käme man der Wahrheit näher. Wer glaubt heute noch, dass diese Gesetze im Wortlaut noch Gültigkeit haben.
Peter B. Sanden, Oldenburg
Ein fragwürdiger Begriff als Herrschaftsinstrument
Endlich nimmt sich eine Partei dieses Themas an. In Frankreich hat die Nationalversammlung 2018 den Begriff “ Rasse“ aus der Verfassung gestrichen. Zahlreiche Organisationen in Deutschland fordern schon lange, diesen Begriff für Menschen unterschiedlicher Herkunft und unterschiedlichen Aussehens nicht mehr zu verwenden. Schon seit Jahrhunderten ist dieser Begriff immer wieder verwendet worden, zur Abgrenzung ( gut und schlecht) oder zur biologischen Bestimmung ( ohne politische Bewertungen). Insbesondere aber seit Beginn des 20. Jahrhunderts hat sich der Bergriff “ Rasse“ bei Menschen immer stärker zum Instrument für Herrschende und Unterdrückte/ Minderwertige entwickelt. Ihren Höhepunkt fand die Anwendung des Begriffs in der Zeit der Nationalsozialisten ( s. Z.B. auch Veröffentlichungen vor der sog. Machtergreifung). Er gipfelte dann im Begriff der sog. “ Herrenrasse“ im Naziregime u.a. als Rechtfertigung für die Vernichtung von Juden, Sinti & Roma etc.
Zu akzeptieren sind Unterscheidungen der verschiedenen Menschen nur, wenn diese Herkunftsbezeichnungen selbst aus sich heraus ( also nicht von außen bestimmt) anwenden, wie z.B. wenn die Schwarzen sich selbst Schwarze nennen. Wer also heute selbst wohlmeinend den Begriff “ Rasse“ verwendet, also zum Beispiel in Antirassismus , der impliziert immer noch, dass es Rassen gibt. Dieser Sprachgebrauch muss sich ändern, so, wie wir gelernt haben, dass bestimmte Bezeichnungen diskriminierend sind ( Neger,Zigeuner etc ) und wir dafür heute selbstverständlich andere Herkunfts- oder Abstammungsbezeichnungen verwenden.
Ja, die Menschen sind unterschiedlich, es gibt Weiße und Schwarze, Indios,Asiaten, Inuits, etc.etc. Aber es sind keine Rassen ( wie man sie ggf. in der Welt der Tierzucht kennt) sondern eben nur unterschiedliche Menschen. Daher: Weg mit dem Begriff “ Rasse “.
Reinhard Matthies Pinneberg
Die Streichung von „Rasse“ wäre ein guter Anfang
Wissentschaftliche Untersuchungen haben bewiesen, daß es keine menschliche Rassen gibt. Also kann auch niemand durch das Grundgesetz , wegen seiner „Rasse“ geschützt werden. Solange es den Begriff „Rasse“ in unserem Grundgesetz und auch den Landesgestzen gibt, wird dieser Begriff auch in den Köpfen sein.
Es wäre ein guter Anfang, „Rasse“ zu streichen, vielleicht verschwindet diese Zuordnung auch mal in der Gesellschaft. Es wird ein langer Weg sein, aber wir müssen ihn gehen für eine gleichberechtigtes Miteinander. Da ist das Grundgesetz ein wichtiger Anfang.
Ute Hänsel, Neu-Isenburg
Unsere Verfassung könnte zur Bewusstseinsbildung beitragen
Als das Grundgesetz formuliert wurde, beschränkte sich die Vorstellung einer Aufteilung der Menschen in Rassen nicht nur auf die Nazis, die die Juden zu einer eigenen Rasse erklärt und ihnen unterstellt hatten, einen schädlichen Einfluss auf die arische Rasse zu haben, so dass sie letztlich vernichtet werden müssten. Auch Nazigegner stellten damals das Rassenkonzept an sich nicht in Frage. Niemand sollte die Menschen allerdings daran hindern, sich weiterzuentwickeln, klüger zu werden und insbesondere auch Konstrukte, die Kolonialismus und Sklavenhaltung rechtfertigten, zu erkennen und zurückzuweisen. Das Problem bei der Benennung von „Rasse“ in Artikel 3 des Grundgesetzes ist, dass dadurch weiterhin nahegelegt wird, es gebe verschiedene menschliche Rassen. Tatsächlich gehen heutzutage jedoch lediglich rassistische Theorien davon aus, es gebe diese unterschiedlichen menschlichen Rassen wirklich. Streng genommen bedeutet Rassismusbekämpfung bei Beibehalt des Rassenbegriffs somit, dass eine antirassistische Ausrichtung zugleich auch das rassistische Menschenbild unausgesprochen anerkennt. Würde der Begriff „Rasse“ jedoch aus dem Grundgesetz getilgt, leistete unsere Verfassung einen wichtigen Beitrag zur Anerkennung des aktuellen Erkenntnisstandes und würde dadurch im besten Sinne vorbildlich, zur Bewusstseinsbildung beitragend. Ein historisches Dokument anzupassen, ist keine Symbolpolitik oder hilflose Scheindebatte, wie Politiker der CDU glauben machen wollen.
Siegfried Kowallek, Neuwied
Verabschieden wir uns von diesem Begriff und seinem Inhalt
So viel Hochachtung und Wertschätzung ich dem Werk der Verfassungsmütter und -väter ich sonst gegenüber empfunden habe, so sehr hat mich schon immer dieser Begriff „Rasse“ gestört. Man schaue einmal in die schulischen Lehrwerke aus der Zeit zwischen 1933 und 1945, so wie ich noch eines von meinem Großvater besitze und es schaudert einen, was man jungen Menschen da an völkisch-rassisch-nationalistischem Denken vermittelt hat. Es braucht diesen Begriff nicht und er braucht auch nicht durch irgendetwas Verschwurbeltes wie „ethnische Herkunft“ ersetzt zu werden, was doch wieder nur Camouflage für das ist, was „Rasse“ meint.
Was ist so schwer daran, sich von diesem Begriff und seinem Inhalt ein für allemal zu verabschieden? Warum soll es „Symbolpolitik“ sein, wie vorgeblich christliche Politiker meinen, ihn abzuschaffen? Hätten sie ihr Christentum verstanden, wüssten sie, dass vor ihrem (und jedem anderen) Gott alle Menschen gleich sind. Und halten sich nicht gerade Politiker dieser Coleur sonst so gerne an Symbolen fest, an Fahnen, Orden, Hymnen? Bedeuten die dann auch nichts?
Der Begriff „Rasse“ ist schändlich, ihn verteidigen zu wollen, ob nun semantisch oder historisierend – über die Motive der Verfassungsschreiber spekulierend… – ist fragwürdig. Wer ihn verteidigt, muss sich fragen lassen, was seine wirklichen Motive sind. Da ist er eben doch, jener latente Rassismus in unserer Gesellschaft, den niemand wahrhaben will, am wenigsten an sich selbst.
Menschen sind Menschen, nichts anderes! Dass das auch in unserer freiheitlichen Verfassung festgehalten wird, das sollte sie uns wert sein!
Stephan Steinhoff, Bonn
Dehumanisierung und Verächtlichmachung
Niemand darf wegen seiner Herkunft benachteiligt oder bevorzugt (wenn du z.B. weiß bist!) werden. Punkt!
Der Begriff „Rasse“ muss meines Erachtens ersatzlos aus dem Grundgesetz gestrichen werden. Einer Rasse zugeordnet zu sein, impliziert geradezu eine Dehumanisierung und eine Verächtlichmachung des sogenannten Anderen!
Ich hatte das Glück (Jahrgang 41) in einem Elternhaus groß geworden zu sein , in dem Rassismus und Antisemitismus keinen Platz hatten. Das hat mich zu einem Menschen werden lassen, dem jegliche Form eines menschenverachtendem Verhaltens zuwider ist. Bis heute. Und deshalb sehe ich es als meine Pflicht an, mich an Demos gegen Rechts, implizit AfD, so oft ich kann zu beteiligen.
Danke lieber Michael Herl, mit Ihrer Kolumne am 16.6. haben Sie mir aus dem Herzen gesprochen. Hervorragend!
Ludmilla Vasata, Münster
Es wird keinen einzigen Rassisten weniger geben
Das Problem ist der Rassismus, nicht die Rasse. Streicht man den Begriff Rasse aus dem Grundgesetz, dann können rassistische Akte nur noch individuell auf dem Weg der privaten Zivilklage verfolgt werden. Rassisten aller Art werden jubilieren, bleiben sie doch dann meist noch ungestrafter als ohnehin schon.
Zudem ist die Behauptung, es gäbe keine Menschenrassen, ideologisches Blendwerk. Rassen im Sinne rassistischer Wahnvorstellungen gibt es tatsächlich nicht; dazu sind wir Menschen uns alle viel zu ähnlich. Aber natürlich lassen sich Chinesen, Aborigines, Nordeuropäer und Zentralafrikaner nicht nur mühelos unterscheiden; diese Unterschiede sind auch genetisch verankert, sonst sähen nicht Kinder wie ihre Eltern aus. Allerdings betrifft das nur eine Handvoll unserer 23000 Gene. „Colour is only skin-deep“ schrieb ein amerikanischer Evolutionsforscher – unter der Haut sind wir alle sehr viel ähnlicher als äußerlich.
Auch die selbsternannten Antirassisten haben nicht verstanden, daß eine Wort wie „Rasse“ unserer Alltagssprache entstammt, und daher kein wissenschaftlicher Begriff ist, sondern einen breiten Hof verwandter Bedeutungen hat – womit es für einen allgemeinen Text wie das Grundgesetz bestens geeignet ist. Die Mütter und Väter unseres Grundgesetzes waren nämlich weder rassistisch noch dumm. Wissenschaftlich ist es tatsächlich schwierig bis unmöglich, eine halbwegs brauchbare Definition für „Rasse“ zu finden – und das gilt sogar für unsere Haustiere.
Die Idee, durch das Verbieten eines Wortes die Probleme, die sein Mißbrauch durch bestimmte Bevölkerungsgruppen mit sich bringt, zu beseitigen, mißt dem Wort Zauberkräfte zu. Das ist Voodoo-Wahn. Worte haben keine esoterischen Wirkmächtigkeiten, Worte sind Worte, sonst nichts. Durch die Streichung des Wortes „Rasse“ wird es keinen einzigen Rassisten weniger geben. Das gilt ebenso wie für ein Wort wie „Neger“ – wenn der Rassist keinen Neger mehr hassen darf, dann haßt er eben Schwarze, wenn er die auch nicht mehr hassen darf, haßt er eben „people of colour“. Wenn der Gebrauch des Wortes „Neger“ ein Beweis für Rassismus wäre, dann wäre Martin Luther King der größte Rassist gewesen, hat er doch in seiner berühmten „I have a dream“-Rede ständig von „Negroes“ gesprochen.
Rassismus kann man nicht durch Sprachdiktatur in der Gefolgschaft des „Großen Bruders“ aus George Orwells „1984“ abschaffen. Man muß vielmehr schon bei kleinsten Kindern beginnen, sie erfahren zu lassen, daß Menschen, die anders aussehen als sie, genauso gute Spielkameraden sind; man muß in der Schule das Thema aktiv aufgreifen; man muß von Anfang an rassistische Stereotype, die aus den Elternhäusern kommen, aktiv angehen. Und wie wäre es, auf Klassenfahrt statt nach Amsterdam mal nach Arusha zu fahren ? Wie wäre es, schwarze Deutsche (von denen es viel mehr gibt, als Ahnungslose glauben) in die Klassenzimmer einzuladen, damit sie den Schülern von ihren täglichen Erfahrungen berichten ?
Und wann endlich bringt unsere Schule den Kindern und die Medien ihren Lesern bei, daß die Vorfahren aller Menschen schwarze Afrikaner waren ? Wir Weißen sind im Licht der Evolution nur eine genetisch verarmte Randgruppe …
Eine originelle These, Herr Bronski. Rasse als historische Realität. Ich frage mich, ob Sie damit sagen wollen, dass die, die jetzt die Streichung fordern, geschichtsvergessen sind.
Ich bin jedenfalls Ihrer Meinung, dass die Streichung nicht dafür sorgen wird, dass es weniger Rassisten gibt. Aber sie wäre doch wohl ein Signal gegen Rassismus. Dann müsste man abwägen, was wichtiger wäre: dass sich ein historischer Lernprozess in der Verfassung niedergeschlagen hat, der Konsequenzen aus der Geschichte zieht, oder dass wir ein Zeichen gegen den zurzeit grassierenden Rassismus setzen. Das ist keine unwichtige Debatte.
Menschliche Rassen gibt es nicht. Somit enthält das Grundgesetz einen Begriff, der nachweislich falsch ist. Er sollte gestrichen werden. Rassismus gibt es dennoch. Er hat seine Wurzeln in den irrigen Rassetheorien, die zur Rechtfertigung von Herrschaftsverhältnissen, Diskriminierung und Völkermord führten und führen. Der falsche Begriff „Rasse“ solte deshalb durch eine Formulierung ersetzt werden, die die rassistische Diskriminierung und ihre Folgen ächtet.
Derzeit wird viel diskutiert, ob der belastete Begriff der Rasse aus dem Artikel 3 des GG gestrichen werden soll. Im akademischen Kontext wird viel debattiert, ob Ethnie, POC (people of color) oder was auch immer besser passen würde.
Fest steht: es gibt Menschen unterschiedlicher Hautfarben, die sehr unterschiedliche Erfahrungen in einer von Rassismus bestimmten Gesellschaft machen. Je dunkler die Hautfarbe eines Menschen desto abweisender, verachtender oder aggressiver kann die Resonanz durch andere Menschen ausfallen, die leichter Sonnenbrand bekommen. Das erlebe ich laufend in meinem wechselvollen Alltag mit Menschen vieler Herkünfte.
Für diejenigen Menschen mit viel Melanin und ohne Uniabschluss bringt die aufgeregte Suche nach dem politisch korrektesten Begriff wenig. Sie treten auf die Strasse und sind den Blicken und Worten der Anderen ausgesetzt. Je dunkler ihre Hautfarbe desto blöder die Kommentare. Ein Kopftuch kann eine Frau ablegen, wenn sie sich den Anfeindungen nicht mehr gewachsen sieht (was übrigens heiß diskuttiert wird in den muslimischen Communities). Die Hautfarbe kann keine/r ablegen, die bleibt.
Was mich an der ganzen abgehobenen Debatte irritiert, ist der Umstand, dass der Begriff der Hautfarbe keine Erwähnung findet. Es macht in der Tat Sinn, das Wort Rasse als eine von vielen menschlichen Verirrungen zu beerdigen. Aber Hautfarbe ist Fakt, da kommt keine/r raus. Da ist Schutz gefragt und keine umständlichen Schwurbeleien wie „von Rassismus Betroffene*innen“ oder ähnliches.
Deshalb: Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Hautfarbe, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“
Wir sind Menschen unter Menschen. Basta!
Kurt Tucholsky hat gesagt: „Satire darf alles!“ Damals gab es in unseren Landen noch nicht den Artikel 1 des Grundgesetzes: „Die Würde des Menschen ist unantastbar!“ Die Zeit ist offensichtlich reif für die Erörterung der Frage, wo in unserer Gesellschaft sowohl die Menschenwürde als auch die Satire ihre Grenze hat. Eines steht schon fest: Wer immer den Mund aufmacht, um etwas zu sagen, und wer immer den Stift ansetzt,um etwas zu schreiben, und wer immer die Hand hebt, um etwas zu tun, trägt die persönliche Verantwortung für die Folgen. Er sollte zu dieser Verantwortung stehen, nicht versuchen, sich ihr zu entziehen und auch nicht klagen, wenn die Folgen schmerzlich werden.
Stephan Hebels Kommentar zur Initiative der Grünen, den Begriff „Rasse“ aus dem Grundgesetz zu tilgen, findet voll und ganz meine Unterstützung. Es ist in der Tat unredlich, wie die Strukturkonservativen von der CDU und CSU diese lobenswerte Initiative, die auch die Unterstützung von Bundesjustizministerin Christine Lambrecht von der SPD findet, madig zu machen versuchen. Längst überholt müsste die Tatsache sein, dass in der besten Verfassung, die wir jemals in Deutschland hatten, immer noch dieser rassistische Begriff enthalten ist. Es ist wirklich die Macht der Begriffe, auf die geachtet werden muss. Das Grundgesetz schützt Minderheiten, egal welcher Herkunft. Und anknüpfend an die Rede des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier, der davon sprach, dass Antirassismus gelebt werden muss, wäre es ein deutliches und positives Signal, wenn der zutiefst diskriminierende Begriff „Rasse“ aus dem Grundgesetz entfernt wird. Gerade was den Rassismus nicht zuletzt auch hierzulande betrifft, zeigt sich zwischen Verfassungsanspruch und Verfassungswirklichkeit, wenn es um die Würde des Menschen geht, eine tief klaffende Lücke. Der Begriff „Rasse“ jedenfalls gehört nicht ins Grundgesetz.
Könnten in dem schönen Artikel 3 des Grundgesetzes „Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden“ die Wörter „seiner Rasse“ nicht durch „sein Aussehen“ ersetzt werden ? Dadurch würde an die Stelle einer unzutreffenden Kategorisierung – nämlich Rasse – die dabei benutzten Anzeichen – das Aussehen – treten und selbst ohne Diskriminierung benannt werden.
Es gibt Hunderassen (Schäferhund, Dackel, usw.), Pferderassen (Haflinger, Holsteiner, usw.), aber keine Menschenrassen. Bekannt ist dies schon lange. spätestens seit Veröffentlichung der Jenaer Erklärung „Das Konzept der Rasse ist das Ergebnis von Rassismus und nicht dessen Voraussetzung“ (Fischer, Hoßfeld, Krause, Richter, 2019) aber kann es keine Ausreden mehr nach altbekanntem Muster „hab ich nicht gewusst“ geben.
Um so unverständlicher die langwierigen und teils abstrusen Diskussionen welche auf den Vorschlag, den Begriff „Rasse“ endlich aus dem Grundgesetz zu entfernen, folgten. U.a. „Symbolpolitik“ (CDU), „Rasse herausnehmen aber rassistisch belassen“ (Grüne).
GG, Artikel 3, Abs. 3: Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
Da es keine menschlichen Rassen gibt, würde Artikel 3, Abs. 3 trotz des Entfernens des Begriffs „Rasse“ auch weiterhin alle denkbaren Benachteiligungen die Menschen ihren Mitmenschen zufügen könnten ächten.
Das Entfernen des Begriffs „Rasse“ sollte ein erster, wichtiger Schritt sein, dem viele folgen müssen, um „Rassismus“ endgültig besiegen zu können.
In meinen Augen wird diese wichtige Debatte viel zu kurz gefasst, auch durch Betroffene. Es leuchtet mir nicht ein, warum Themen wie Rassismus, Antisemitismus etc separat betrachtet werden. Ist nicht jede Form von Diskriminierung oder Ausgrenzung gemeint? Diese Trennung schafft nur neue Grenzen und neue Ab- und Ausgrenzung. Schon die Tatsache, dass die verschiedenen Organisationen Schwierigkeiten haben, sich zu vernetzen und gegenseitig als gleichwertig anzuerkennen, spricht für einen halbherzigen Umgang mit dem Thema. Auch wenn verschiedene Erscheinungsformen von Ausgrenzung erlebt werden sollten diese nicht gegeneinander gewichtet oder gewertet werden. Mir scheint, da liegt noch ein langer Weg vor uns, bis wir einander als gleichwertig anerkennen.
@ Jürgen Bönig
Die Idee, das Wort „Rasse“ durch das Wort „Aussehen“ zu ersetzen, finde ich hervorragend.
Schon lange ärgert mich die Diskriminierung der sog. Dicken. Was man über keinen anderen Menschen sagen darf, ist bei “ Dicken“ erlaubt. Es herrscht ein regelrechter Kampf gegen sie, oft vom Mäntelchen „Gesundheit“ verdeckt.
Erhellend und wirklich notwendig war der Artikel „Abwerten, ausgrenzen“ in der FR vom 15.07.2020. Die aktuelle Diskussion über diese Problematik in allen Bereichen ist derart schwammig und kommt nicht über die Formulierung von unterschiedlich begründeten Maximen hinaus, daß eine fundierte Entscheidungsfindung kaum möglich ist. Die historische Analyse von H. D. Schlosser aber zeigt nachvollziehbar (!), daß es seit Jahrhunderten sowohl wohlgemeinte als auch absichtsvolle Bestrebungen gab, die Existenz von Rassen zu begründen. Die wohlgemeinten folgten dabei scheinbar wissenschaftlichen Begründungen angesichts offensichtlicher somatischer (körperlicher) Unterschiede der Menschen, während die absichtsvollen der „Begründung“ von diversen Herrschaftsbestrebungen dienten. Durch nichts ist zu beweisen, daß es unterschiedlichen Menschenrassen gäbe, sondern der Rassenbegriff wurde nur zweckdienlich (ja, auch in wissenschaftlicher Absicht) eingeführt. Besonders deutlich wird dies durch den Wechsel der Zuordnung der gleichen Menschen zu den verschiedenen „Rassen“ im Verlauf der Geschichte. Und gänzlich zum Scheitern verurteilt ist der Versuch, in heutiger Zeit eine Zugehörigkeit zu einer „Rasse“ zu definieren, da es längst eine globale Vermischung von Menschen unterschiedlicher Herkunft gibt.
Nach meiner Meinung sollte man den Begriff „Rasse“ mit Bezug auf Menschen komplett eliminieren, sowohl aus Gesetzestexten als auch aus dem allgemeinen Sprachgebrauch; wohl aber sollte man den Begriff des Rassismus beibehalten – als Brandmarkung des verfehlten Bezugs auf menschliche Rassen. Und das sollte gerade auch von Politikern aller Parteien und aller Ebenen öffentlich vertreten und betont werden.
In der Diskussion über ausgrenzende Sprache darf die gesellschaftlich tolerierte ausgrenzende Praxis nicht vergessen werden. Die Münchner Mathematiklehrerin Sabine Czerny erreichte durch genialen Unterricht in ihrer 4. Klasse bei den Vergleichsarbeiten einen Durchschnitt von 1,8, musste sich aber von der Kollegenschaft anhören, auch bei ihr müsse es die Noten 4 und 5 geben. Weil sie sich nicht daran halten wollte, wurde sie wegen Störung des Schulfriedens strafversetzt. Nun mag Bayern bei solcher schulischer Ausgrenzung in Deutschland Spitzenreiter sein, aber Deutschland gehört insgesamt beim Aussieben in der Schule international zur Spitze. Die Ausgrenzungsfunktion erscheint wichtiger als der Bildungsauftrag. Was wird aus den ausgegrenzten Verlierern? Im Südafrika der Apartheid kamen die heftigsten Rassisten aus der untersten Schicht der Weißen, in den USA ist das heute nicht viel anders, und in Deutschland strömen die vom sozialen Absturz Geängsteten zur AfD. Dass hier die demütigenden Ausgrenzungsmaßnahmen der neoliberalen Schröder-Agenda wirken, erscheint mir zu wenig beachtet. Gedemütigte, die sich zu schwach fühlen, sich nach oben zu wehren, versuchen, auf noch Schwächere nach unten zu trampeln.
Der Kampf gegen Ausgrenzung muss in unseren Schulen damit beginnen, dass Lerngruppen gebildet werden, in denen die schneller Lernenden zu Hilfslehrkräften für die Langsameren werden. In den 1960er Jahren kamen illegal ausgeschulte Kinder im Pfarrhaus des italienischen Dorfs Barbiana zusammen, um miteinander zu lernen und schließlich als Externe Schulabschlüsse zu machen. Es galt die Regel: Wer etwas mehr weiß als die anderen, lehrt dies. Eine solidarische Schule, die nicht konkurrenzhaft Verlierer produziert, ist möglich. Sie kann zu einer solidarischen Gesellschaft führen, in der fair geteilt wird, damit weniger Ausgegrenzte ihr Heil im Rassismus suchen.
Die Idee der Änderung des Art. 3 GG ist absurd vor dem Hintergrund des Art. 2 der AEMR! Es ergibt keinen Sinn, sich bestimmter Begriffe zu entledigen (um sich dann die anitrassistische Schulter zu klopfen?), wenn auf internationaler Ebene mit diesen Begriffen umgegangen wird. Der Begriff der „Rasse“, obwohl ein Hingespinst, wird zurecht zur Abwehr rassisitischer Diskriminierung verwendet, wie auch der Begriff des „Antisemitismus“ zur Abwehr anitsemitischer Diskriminierung zurecht verwendet wird.
Rassistische Diskriminierung findet in unserem Land statt und der Art. 3 GG macht für manche Leute etwas klar, was ohne den Begriff „Rasse“ für diese Leute zur „Privatsache“ würde.
In Manfred Niekischs Wochenendkolumne wurde leider die unbedingt notwendige und überfällige Diskussion über das Problem mit dem Begriff Rasse wieder mal gründlich gegen die Wand der political correctness gefahren. Und das ausgerechnet von einem Zoologen, der es doch viel besser hätte erklären können. Anschaulich beschreibt er die Aufsplittung der ursprünglichen Wolfsspezies in unterschiedlichste Hundespezies (und vergleichbar die Entstehung aller modernen Haus- und Nutztiere) durch selektive Zuchtauswahl des Menschen – vom Schäferhund über Mops, Dackel und Co. Ebenso hätte er dann im Folgenden beispielhaft darlegen können, wie sich auch die menschliche Art im Laufe der Evolution (nicht durch künstliche Zucht, sondern durch Anpassung an unterschiedlichste Lebensräume sowie zeitweise Isolation einzelner Gruppen in abgelegenen Biotopen) in sehr diversifizierte Phänotypen aufgesplittet hat – vom Massai über Mitteleuropäer, Asiate, Inuit und Co. Alles Variationen eines Ursprungsmodells – bei den Tieren durch menschliche, bei den Menschen durch klimatische Einflüsse entstanden. Und diese wunderbare bunte Verschiedenheit wird in modernen Zeiten durch das internationale Zusammenwachsen und immer stärkere Vermischen der unterschiedlichsten Variationen von Menschentypen sogar noch enorm gesteigert. Diese tolle Erfolgsgeschichte der menschlichen Entwicklung an dieser Stelle einmal ausdrücklich zu feiern, verbietet sich der Autor jedoch durch die ängstliche wie trotzige Formulierung vom „allergrößten Unsinn“ der Annahme, „es gäbe auch innerhalb der Menschheit verschiedene Rassen“ wie beim Hund. Das ist doch nichts als vorauseilender politisch korrekter Gehorsam und pure Wortklauberei aus lauter Angst vor dem durch die Nazis vergifteten Wort „Rasse“. Statt einmal deutlich klarzustellen, dass dieser Begriff ja schon bei den Hunden, Schweinen, Rindern, Hühnern, Kaninchen und Brieftauben falsch angewendet wird: Wenn sich zwei ähnliche Lebewesen miteinander fortpflanzen und wiederum fortpflanzungsfähige Nachkommen gebären können, dann gehören sie derselben Rasse, sprich Art an (kompatibel: Menschen mit Menschen, Hunde mit Hunden, Schweine mit Schweinen etc.), wenn nicht, dann nicht (nicht kompatibel: Menschen mit Affen, Hunde mit Katzen, Schweine mit Schafen etc.). Es gibt also strenggenommen gar keine Hunde-, Schweine- oder Kaninchenrassen, sondern nur Variationen innerhalb der Spezies Hund, Schwein, Kaninchen. Und ebenso natürlich auch keine Menschenrassen, sondern unendliche Kombinations- und Variationsmöglichkeiten innerhalb der Spezies Mensch. Aufgrund der falschen Wortwahl im Tierreich kommen wir, was deren Übertragbarkeit auf Menschen betrifft, darum ständig ins Schlingern und Stottern. Und ebenso wenig hilfreich ist es dann, wie in der Kolumne geschehen die Unterschiede auf „wenige äußere Merkmale wie Hautfarbe“ kleinzureden, denn selbstverständlich gibt es sehr viel mehr als ein paar äußerliche Unterscheidungsmerkmale. Na und? Die viel entscheidendere Frage als die der richtigen Begrifflichkeit ist doch die des richtigen Umgangs miteinander: Wird dabei aufgrund unserer Unterschiedlichkeit irgendeine Art von Wertung verbunden? Wenn ja, dann ist es arrogant, menschenfeindlich oder einfach unwissend und gehört aufgeklärt und/oder sanktioniert. Wenn nicht, dann sind wir auf dem richtigen Weg. Wir sind eben nicht alle gleich (auch wenn das unsinnigerweise die zentral plakatierte Reaktion auf den „rassistischen“ Mordanschlag in Hanau war). Und genau das ist unser evolutionäres Erfolgsrezept seit Millionen von Jahren und das ist auch gut so. Freuen wir uns also lieber über unsere gemeinsame bunte Vielfalt und werfen wir überholte Begrifflichkeiten überall dort, wo sie keinen Sinn machen, endlich über Bord. Dann aber gründlich: Wo es keine Rassen gibt, gibt es auch keinen Rassismus, sondern nur Dummheit.