Fröhlich lebende Protestanten

Die EKD-Synode hat sich eine neue Präses gewählt: Katrin Göring-Eckardt. Dazu Klaus Philipp Mertens aus Frankfurt: „Die grüne Politikerin ist eine erklärte Befürworterin der Agenda 2010 und der Hartz-Gesetze. Das lässt vermuten, dass all jene, denen in dieser Gesellschaft keine Gerechtigkeit widerfährt, von der Evangelischen Kirche künftig nichts Gutes zu erwarten haben – wenn man einmal von Alibi-Veranstaltungen wie Armenküchen und so weiter absieht. Mitten in der größten Krise des Kapitalismus rückt die Kirche nach rechts. 
Zwar beteuert Frau Göring-Eckardt, dass ihr die Gerechtigkeitsfrage und die Bewahrung der Schöpfung am Herzen lägen. Allein ihr Hinweis auf einen fröhlich zu lebenden Protestantismus lässt daran Zweifel aufkommen. Denn das klingt nach billiger Gnade, also der Gnade, welche wir, die Gläubigen und Ungläubigen, mit uns selbst haben und vor der Dietrich Bonhoeffer eindringlich warnte:
‚Billige Gnade ist der Todfeind unserer Kirche. Unser Kampf heute geht um die teure Gnade. Billige Gnade heißt Gnade als Schleuderware, verschleuderte Vergebung, verschleuderter Trost, verschleudertes Sakrament; Gnade als unerschöpfliche Vorratskammer der Kirche, aus der mit leichtfertigen Händen bedenkenlos und grenzenlos ausgeschüttet wird; Gnade ohne Preis, ohne Kosten …'“

Carl-August Neinens aus Hamburg meint:

„Zahlreiche evangelische Pastoren haben längst den Glauben gewechselt: vom Christentum zur Umweltreligion. Schon der derzeitige Ratsvorsitzende, Bischof Huber, erklärte die EKD zur Kirche der Atomkraftgegner, obwohl mehr als 60 Prozent der Gläubigen diese ablehnende Haltung nicht teilen und darin nicht die Erhaltung der Schöpfung, sondern vielmehr negative Folgen für den Klimaschutz sehen. (Siehe www.welt-klimawandel-CO2.de). Wenn nun auch eine grüne Politikerin wie Frau Göring-Eckardt die Synode anführt, so verlässt die EKD wohl endgültig das ‚Lutherschiff‘. Das ist keine Verkündigung des Evangeliums, sondern Parteipolitik.“

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Ein Kommentar zu “Fröhlich lebende Protestanten

  1. „Nicht der religiöse Akt macht den Christen, sondern das Teilnehmen am weltlichen Leben im Leiden Christi“ – sagt Bonhoeffer und dies ist das Motto meiner kleinen Darstellung zum „fröhlichen Christen in der Gnade“.

    „Nicht nur um individuelle Rechtfertigung und das privatistische „Rette deine Seele“ geht es, sondern zugleich um die soziale Gerechtigkeit: die soziale Dimension des Heils, die umfassende Sorge um die Mitmenschen und die Arbeit an der Veränderung der strukturellen Unfreiheiten und Zwänge der Gesellschaft. Es geht nicht nur um die Freiheit von Gesetz, Sünde und Tode, sondern um die ganzheitlich-umfassende Befreiung des Menschen. Wir können uns nicht spiritualistisch nur um das jenseitige Heil und den Frieden mit Gott kümmern, sondern haben uns ganzheitlich um das Gemeinwohl und Gesamtwohl der Menschheit zu kümmern in Nächsten- und Fernstenliebe..“ Dies wiederum sagte Hans Küng schon in den 60izger Jahren anlässlich seiner Auseinandersetzung mit Karl Barths Rechtfertigungslehre. Und diesen beiden Stimmen schließe ich mich hier an.

    Das Hauptkriterium, wenn ich so sagen soll, der Rechtfertigung aus meiner Sicht steht in Mt. 25, 31-46, dort besonders „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“. Dies steht im Zusammenhang mit dem Weltgericht, dem Richter Jesu, der von uns wohl genau diese Leistung erwartet – übrigens muss man dafür kaum Christ sein, schon gar nicht haben nur Christen den Anspruch auf Realisierung dieses Satzes. Hier ist von Höllenfeuer, von Schafen und Böcken die Rede – also keine Religion zum Wohlfühlen und schon gar keine, die nur im unverbindlichen Verteilen von Lutherbonbons besteht – „Gottes Wille ist eine universale Gerechtigkeit im Sinne der Konvivenz, also des Zusammenlebens, d.h., dass einer dem anderen die Möglichkeit gibt, mit ihm zusammenzuleben. Das heißt: Reich Gottes auf Erden, dafür sind auch Gemeinden und Kirchenvorsteher da.

    Ich lege Ihnen die Frage vor: Was ist der bessere Kitt für unsere Taten in der Nachfolge Jesu: seine unverfügbaren Gebote zu befolgen, direkt, ohne Ausrede und wirksam, ohne nach Religion zu fragen, oder eine irgendwie vermittelte Tat aus Gnadenerweise? Wir sollten uns klar zu den eindeutig ethischen und unmittelbaren Hinweisen Jesu – und zu den Folgen bei Nichteinhaltung – bekennen. Da ist dann nicht viel Platz für Fröhlichkeit dieser Art.

    Nein, hier haben wir keine Lehre und Ethik, die mit dem Kuschelkurs des Protestantismus sich vertragen würde. Hier braucht es handfeste Rationalisten, die gleichzeitig oder deswegen Gott die Ehre geben, in dem sie ihn bei der Verwirklichung seines Reiches schon hier für alle Menschen unterstützen und ihn nicht, wie in Auschwitz, im Stich lassen. Denn das gehört auch dazu: der Allmächtige ist nur so allmächtig, wie wir uns an seine Hinweise halten, denn er hat – wie man zeigen könnte – seine Allmacht noch einmal übertroffen durch die Zulassung der Willensfreiheit in göttlicher Liebe. Gegen seine Schöpfung und die Willensfreiheit wird er nicht allzu oft selbst vorgehen können. Ist das vielleicht der heimliche Grund für die Sekte der Rechtfertiger durch Glauben? Dass sie es letztlich nicht gewesen sein müssen. Der Protestantismus ist geschichtsfern, weil er seinen Glauben strikt von der historischen Wirklichkeit getrennt hat.

    Protestanten leben also in der Rechtfertigung. Nach dieser Lehre Luthers – die für Protestanten verbindlich zu sein scheint – ist die Existenz des Menschen in der Gnade und Liebe Gottes von vornherein (Prädestination) frei und gesichert. Gegenüber diesem Akt der Gnade gibt es keine Willensfreiheit. Protestantische Christen haben offenbar sowohl von Freiheit als auch von Ethik („gute Werke“) ein eigenartiges und schwer rational zu verstehendes Verhältnis; denn: “frei und gut zu handeln muss offenbar über einen Erfahrungsprozess gelernt werden, zu dem wesentlich die Aspekte des Unverdienten, Leistungsfreien, Schöpferisch-Zukommenden gehören.“ Dieser Freiheitsbegriff sei dialektisch und ohne Bezug zum Gottesglauben nicht zu erschließen. Ich fürchte, er erschließt sich in derartigen Einlassungen gar nicht. Es hat mit einer Verehrung von „Leistungsgesellschaft“ gar nichts zu tun, wenn man diese Leistungsfreiheit, dieses Unverdiente in Frage stellt, was hiermit massiv geschieht. Der Glaube muss sich also in der Geschichte vor dem leidenden Menschen bewähren. Deshalb ist es äußerst erstaunlich, dass etwa die Massenvernichtung an den Juden den christlichen Glauben so wenig erschüttert und zumindest zunächst so wenig Irritationen in der christlichen Theologie ausgelöst hat. Wie überhaupt offenkundig die Tendenz besteht, gegenüber vielen negativen Ereignissen der Gegenwart „verblüffungsresistent“ zu sein und so weiter machen zu wollen. Diese Gefahr sehe ich eben auch: wählen wir also die „teure Gnade“: keine Zustimmung zu Suppenküchen und Tafeln, sondern die klare Forderung nach einer Gerechtigkeit aus Anspruch – nach dem Tertius usus legis; sowohl also aus politischen als auch aus neutestamentarischen Gesetzen.

    Sehr lang. Aber es ist mir, einem protestantischen Kirchenvorsteher, ein Anliegen. Danke für die Geduld beim Lesen.

    Es grüßt herzlich
    Hans-Ulrich Hauschild

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