Herzlich willkommen zum
Postfach vom 1. Dezember 2016
Ich bringe hier Leserbriefe, für die ich im Print-Leserforum keinen Platz gefunden habe. Mehr über die Hintergründe? –> HIER. Anfangs wie immer ein kleiner Überblick.
- Wird ein US-Präsident Donald Trump die Welt verheeren? Nein, meinte DIW-Präsident Marcel Fratzscher in einem Gastbeitrag in der FR. „Mit dieser Einschätzung lässt Herr Fratzscher kurz eine, seine Weltsicht aufscheinen, die mir gespenstisch erscheint“, meint Reinhardt Luthmann aus Ingoldingen, „weil sie sich ethisch völlig unberührt von jenen sozialen und politischen Bedingungen zeigt, unter denen produziert und Handel getrieben wird. Es scheint für ihn nur die Devise zu gelten: Hauptsache ist, der Rubel rollt.“
- „Da hat es eine Schnapsidee aus Bayern erst in den Koalitionsvertrag, dann in den Bundestag und dann bis hinauf in die Chefetage der EU geschafft“, sagt Bertram Münzer zur Pkw-Maut.
- Hans Möller demaskiert eine Fehlinterpretation des Wahlerfolgs der Grünen von 2009: „Vielmehr handelte es sich in 2009 um einen Ausreißer nach oben“.
- Der Islamwissenschaftler Ecevit Polat hatte in der FR dafür plädiert, vom Feindbild Islam abzurücken. Das wurde auch –> HIER im FR-Blog diskutiert. Uwe Thoms aus Frankfurt meint zu Polats Text: „Er pauschaliert selbst mit „die Deutschen“ und beachtet dabei nicht, dass eine Vielzahl von Muslimen in Deutschland bereits intensive Islamkritik üben.“
- Ein Marathon soll eine Herausforderung sein? Es geht nur um die „egoistische Befriedigung der eigenen Eitelkeit“, findet Elisabeth Neubert-Rhinow.
- Und warum sich der Bayer-Konzern „ins Fäustchen lachen“ kann, nachdem die Fusion mit Monsanto wohl in trockenen Tüchern ist, diese Einschätzung erfahren Sie im Leserbrief von Robert Maxeiner.
Auf geht’s!
Gespenstische Weltsicht
Gastbeitrag nach der US-Wahl: „Kein Grund zur Panik“ von DIW-Präsident Marcel Fratzscher. Nicht auf FR-online verfügbar; der Klick –> HIER führt zu einem Screenshot
„Mit seinem Gastbeitrag gibt der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftförderung, Herr Marcel Fratzscher, dem Leser Gelegenheit zu erkennen, dass und inwieweit sich jene Wirtschaft, die er forschend vertritt, vom allgemeinen Politik-Diskurs abgehoben und entfernt hat. Durch die Wahl Trumps sieht Herr Fratzscher den transatlantischen Handel nicht wirklich gefährdet. Seine Prognose, an die Wirtschaft gerichtet, lautet vielmehr, dass „die Wahl Donald Trumps keine großen negativen Auswirkungen haben wird – auch wenn die politischen und sozialen Konsequenzen verheerend sein könnten“. Mit dieser Einschätzung lässt Herr Fratzscher kurz eine, seine Weltsicht aufscheinen, die mir gespenstisch erscheint, weil sie sich ethisch völlig unberührt von jenen sozialen und politischen Bedingungen zeigt, unter denen produziert und Handel getrieben wird. Es scheint für ihn nur die Devise zu gelten: Hauptsache ist, der Rubel rollt. Diese Haltung findet dann doch eine Bedingung, unter der sie außer Kraft gesetzt ist, sollte nämlich „Trumps Wahlerfolg den rechtsextremen Parteien Aufwind“ verleihen „und den Populismus auch bei etablierten und moderaten Parteien“ stärken. Eine mich völlig überraschende Wendung, die eingebettet ist in die Befürchtung, dass dann „wichtige soziale und wirtschaftliche Reformen zum Erliegen kommen und die Wirtschaftdynamik (…) weiter geschwächt werden“ könnten. Wird der Leser nun Zeuge eines Prozesses, dass sich hier im Schreiber des Gastbeitrages nun plötzlich doch unter dem Schreiben ein Gesinnungswandel vollzieht und sich die Einsicht darein zeigt, dass eine gute Rendite doch nur unter Berücksichtigung und Sicherstellung gewisser sozialer und politischen Standards zu haben ist, Standards, unter denen verlässlich gelebt, produziert und gehandelt werden kann? Nein, fürchte ich, denn Herr Fratzscher treibt ein Anliegen. Er möchte, dass „die Politik“ in Deutschland und Europa sich als Reaktion auf Trumps Wahl auf die „eigenen Reformen“ konzentriert und diese „endlich entschieden“ umsetzt. Und ich fürchte weiter, dass die Folgen der Umsetzung dieser von ihm „Reformen“ genannten Maßnahmen, die von Herrn Fratzscher nicht benannt werden, von denen ich jedoch ausgehe, denn wie sollte es auch anders sein, dass diese ausschließlich die Rendite-Interesse jener Wirtschaftskreise widerspiegeln, die sein Institut unterhalten, in ihren „sozialen Konsequenzen verheerend sein könnten“.“
Reinhardt Luthmann, Ingoldingen
Erhöht die Mineralölsteuer!
Zu: „So soll es mit der Maut weitergehen„, FR-online vom 4. November
„Da hat es eine Schnapsidee aus Bayern erst in den Koalitionsvertrag, dann in den Bundestag und dann bis hinauf in die Chefetage der EU geschafft. Und dort hat man genickt. Bravo?! Nein. Erstens ist der Hintergedanke ein ganz übler: Denen (jenseits der deutschen Grenzen) zeigen wir’s jetzt mal. Und zweitens kommt es, wie es kommen musste: alle Autofahrer werden (wieder mal) zur Kasse gebeten. Das Mäntelchen „Ökologie“ kann das auch nicht verbergen. Und ich wette, dass wir in Deutschland mal wieder ein Bürokratiemonster erfinden, das eine Unmenge Geld verschlingt und so die Erlöse aus der Maut mächtig schmälert. Wenn denn schon, warum nicht so: Erhöht die Mineralölsteuer! Dann braucht es keine neue Verwaltung und jeder zahlt, je nach Verbrauch. Eine Bedingung: die erzielten Erlöse fließen 1:1 in die Erhaltung und Erneuerung der Straßen und Autobahnen und deren Infrastruktur und zusätzlich zu einem guten Teil in Projekte, die diese Verkehrswege entlasten. Stichwort: Last nicht auf Laster, sondern auf die Schiene. Dann hätte eine Schnapsidee am Ende doch noch etwas Vernünftiges bewirkt.“
Bertram Münzer, Gütersloh
Ausreißer nach oben
Zu: „Simone Peter eckt an“, FR-Politik vom 1. November (online nicht verfügbar)
„Sehr geehrter Herr Decker, in Ihrem Artikel schreiben Sie den inzwischen ins medialen Standardrepertoire übernommen Satz: „2013 gingen die Grünen mit einem umfangreichen Steuererhöhungs-Katalog in den Wahlkampf – und scheiterten“! Dies allerorten übernommene Interpretation des 2013er Ergebnis der Bundestagswahl beruht auf einer schlichten Fehlinterpretation des Wahlerfolgs von 2009.
In 2009 legten alle „kleinen“ Parteien kräftig zu: die FDP um 1,6 Mio Wähler, die Linkspartei um 1,1 Mio und die GRÜNEN um 0,8 Mio. Diese gemeinsamen Erfolge, waren der ersten Großen Koalition geschuldet, die krachend abgewählt worden ist: CDU -1,6 Mio, SPD -6 Mio!
Andererseits kamen SPD und Grüne in 2009 zusammen auf 14,6 Mio Wähler, in 2013 auf 14,9 Mio, bei einem plus von 1,2 Mio für die SPD und dem Minus von 0,9 Mio für die Grünen.
Aus diesen Zahlen schließe ich, dass weder der „Erfolg“ in 2009, noch das „Scheitern“ in 2013 mit den jeweiligen Wahlprogrammen der Grünen maßgeblich zu tun hatten. Vielmehr handelte es sich in 2009 um einen Ausreißer nach oben, der im wesentlichen 2013 von den Wählerinnen und Wählern, die 2009 von der SPD zu den Grünen gewechselt hatten, wieder korrigiert worden ist.“
Hans Möller, Frankfurt
Intensive Islamkritik
Gastbeitrag: „Weg vom Feindbild Islam“, FR-Meinung vom 30. Oktober
„Es wäre durchaus nachvollziehbar, den Gastbeitrag des Islamforschers E. Polat als einen massiven Angriff auf unsere moderne, freiheitliche und aufgeklärte Gesellschaft einzustufen. In Deutschland haben es die Menschen in den letzten Dekaden erreicht, dass der Glaube an eine Religionslehre dem individuellen und privaten Bereich vorbehalten bleiben soll. Politik als Ausdruck menschlicher Lebensgestaltung gilt für alle Menschen, nicht nur für Menschen religiösen Glaubens. Religiöse Normen haben weltlichen Gesetzen grundsätzlich Vorrang zu gewähren, dies ist inzwischen common sense. Dies bedeutet aber nicht, dass Menschen mit und ohne religiösen Glauben nicht distanziert-harmonisch zusammenarbeiten könnten, wie Polat es ausdrückt. Werte der Menschlichkeit z.B. findet man in allen Religionsbüchern, auch im Koran und in atheistischen Schriften. Keine Religionslehre enthält jedoch ein so weitgefasstes Spektrum von möglichen Interpretationen und Auslegungen, dass nicht einmal die Islamwissenschaftler den Muslimen verständlich ausdrücken und vermitteln können, was mit den unzähligen Postulaten in den Koransuren jeweils gemeint ist. Folglich gibt es eine Vielzahl von Strömungen in der Welt des Islam. Von Terror über den fundamentalistischen, konservativen Islam bis hin zu inzwischen zur Mehrheit gewordenen integrationsbereiten Muslimen in Deutschland, die eine eigene, selbstbewusste Form des Glaubens praktiziert und sich wenig um die entmündigenden Forderungen des Korans und der Religionsführer kümmert. Schriftsteller aus dem Bereich des Islam wie u.a. Seyran Ates, Sineb El Masrar und Hamed Abdel Samad zeigen deutlich auf, wo ein vermeintliches Feindbild Islam seine Ursachen hat. Es sind die fundamentalistisch beherrschten Moscheegemeinden und die zahlreichen Islamverbände, die sich auf einen allseits vertretbaren Islam in Deutschland einfach nicht einigen können.
Sie bestätigen die Zerstrittenheit des Islam weltweit, die vielmals zu kriegerischen Auseinandersetzungen führt.
Polat rügt die Pauschalkritik gegen den Islam und die Muslime. Dieser Umstand ist schon lange auf eine Minderheit in Deutschland zu beschränken. Beschämend ist jedoch, wenn Polat behauptet, „die Deutschen“ würden durch die Kritik am Islam wieder „ihre alteingesessene Identität erlangen“. Dabei bedienten sie sich eines „eigenwilligen Demokratie- und Freiheitsverständnisses“. Diese Ungeheuerlichkeit müsste Polat eigentlich widerrufen, unsere „Meinungsfreiheit“ soll ihm Dispens gewähren. Was Polat vielleicht gar nicht gemerkt hat: Er pauschaliert selbst mit „die Deutschen“ und beachtet dabei nicht, dass eine Vielzahl von Muslimen in Deutschland bereits intensive Islamkritik üben. Gerade diese Menschen sind mit der Trennung von Staat und Religion sehr zufrieden.“
Uwe Thoms, Frankfurt
Egoistische Befriedigung der eigenen Eitelkeit
Marathon: „Spaß an der dreckigen Schinderei“, FR-Regional vom 31.10
Ist es in Zeiten von Kriegen, Flucht, Umweltkatastrophen, Erdbeben etc. nicht vermessen, seitens der Medien ständig von „Herausforderung“ zu sprechen, wenn es um die freiwillige Teilnahme an sportlichen Events wie Marathon-, Schlamm- oder ähnlichen Läufen geht? Wer oder was wird „herausgefordert“? Letztlich geht es hierbei um die egoistische Befriedigung der eigenen Eitelkeit. Herausforderungen bei der Bewältigung des realen Lebens sehen anders aus. Nur sind die nicht so spektakulär zu vermarkten.
Elisabeth Neubert-Rhinow, Oberursel
Achtlos konsumierende Verbraucher
Zu: „Wette auf den Hunger„, FR-online vom 14. September 2016
„Das Fatale an diesem globalisierten Giftdeal bedeutet nicht nur, wie Herr Wenzel in seinem Kommentar treffend klar stellt, dass die Bauern, die alles von Bayer beziehen, in massive Abhängigkeiten geraten, welche Kritiker als eine neue Form von Leibeigenschaft bezeichnen, sondern auch, dass wir als mündige Bürger verachtete und als achtlos konsumierende Verbraucher umworbene Masse mit jeder Pille, jeder Eintrittskarte zu einem Fussballspiel, mit dem Genuss von Brot und Fleisch indirekt an diesem verfluchten Deal beteiligt sind, und damit an der Reduzierung der Artenvielfalt, am Auslaugen von Böden und am Hunger in weiten Teilen der Welt. Der Bayer-Konzern kann sich ins Fäustchen lachen: Zuerst verdient er Unsummen daran, dass er uns mit vergifteten Lebensmitteln krank macht, hinterher beziehen wir die Pillen dieses Konzerns, um mit dem Chemieteufel den Glyphosatbeelzebub auszutreiben. Guten Appetit!“
ZU „Simone Peter eckt an“
Viele Grüne haben eingesehen, dass sie mit ihrer Forderung, den Spitzensteuersatz bereits ab einem Bruttojahreseinkommen von 60 000 € zu erhöhen, übertrieben haben. Damit haben sie einen Teil ihrer Stammwählerschaft vergrault: Mittlere Angestellte, Juristen im Staatsdienst, angestellte Ärzte, Lehrer.
Zu „Egoistische Befriedigung der eigenen Eitelkeit“
Sie haben meine volle Zustimmung, Frau Neubert-Rhinow!
„Egoistische Befriedigung der eigenen Eitelkeit“
Was ist damit gemeint?
Ich habe in meinem Leben mehrere Sportarten als Amateur ausgeübt: Fußball, Basketball, Floorball, Radsport und Marathonlaufen. Nur beim Laufen habe ich Aggressivität von Zuschauern erlebt: Bewerfen mit Cola-Dosen, übelste Beschimpfungen, Bestätigen der Scheibenwaschanlage, Erschrecken durch Hupen, Bespritzen mit Bier, Festhalten, Beinstellen, Rempeln, Zeitungsartikel über Sucht und sonstige gesundheitliche Gefahren.
Vielleicht können die, die so gut die Motive der Läufer kennen, mich auch über die Motive dieser Menschen aufklären.
@ Henning Flessner
Kann ich leider nicht. Ich selbst erlebe bei meinen (nicht so sportlichen) Spaziergängen durch die Frankfurter Niddawiesen lediglich, dass ich von oft Radfahrern bedrängt werde, aber das geschieht weniger aus Absicht als aus Rücksichtslosigkeit.
Vielleicht haben Sie die hier geübte Kritik missverstanden. Selbstverständlich lasse ich jedem Tierchen sein Pläsierchen. Ich kann nur nicht nachvollziehen, dass um solche Aktivitäten ein derartiges Brimborium gemacht wird und die Akteure wie Helden gefeiert werden, obwohl sie niemandem nützen als sich selbst.
@Brigitte Ernst, E. Neubert-Rhinow
Was hätten Sie denn gerne erreicht? Möchten Sie, dass
– die FR das Wort Herausforderung nicht mehr benutzt,
– die FR nicht mehr über diese Events berichtet,
– dass keine Läufe mehr veranstaltet werden.
Mich wundert, dass Sie den Sportteil lesen. Als aktiver Sportler lese ich den Sportteil nicht.
@ Henning Flessner
Den Sportteil lese ich nicht, aber Berichte über lokale Sportereignisse wie den Frankfurt- Marathon oder den Ironman überfluten nach den entsprechenden Wochenden ja auch den Lokalteil. Ich kann generell auf solche „Events“ verzichten, die doch nur zur Folöge haben, dass die Stadt einen Tag lang für Autos, Busse und Straßenbahnen gesperrt ist und man, wie es mir beim Ironman passierte, nicht weiß, wie man seinen Zug rechtzeitig erreichen kann.
Was ich erreichen möchte: eine Reflexion über die merkwürdige Werteverschiebung, die sich in unserer Gesllschaft vollzogen hat. Bei dem ersten Marathonläufer im alten Griechenland stand ja nicht die sportliche Leistung im Vordergrund, sondern er wurde deshalb als Held verehrt, weil er sein Leben für sein Land hingegeben hatte. Heute ist das Laufen (Schwimmen, Radfahren etc.) zum Selbszweck geworden. Dabei werden leider die wahren Helden unserer Gesellschaft vergessen, z.B. die Altenpflegerinnen, deren körperliche Leistung vergleichbar ist mit der eines Gewichthebers. Ich vermisse die am Straßenrand jubelnden Massen, wenn diese Frauen nach erbrachter körperlicher und psychischer Höchstleistung nach ihrer Schicht ihr häusliches Ziel erreichen.
Ich würde es begrüßen, wenn sich mancher aktive oder nur konsumierende Sportfan diese Diskrepanz ab und zu vor Augen führen würde.
An Frau Ernst
Dann will ich Sie mal mit Ihrer eigenen Diskrepanz bekanntmachen. Wie kommen Sie denn dazu, dass die Straßen Frankfurts Ihnen gehören? Zweimal pro Jahr müssen Sie Einschränkungen hinnehmen. Ja, das ist sicher eine schwerwiegende Einschränkung Ihrer Rechte. Es gibt den Frankfurt-Marathon und den Ironman. Das sind Sportereignisse, die an zwei Tagen im Jahr Tausende von Menschen anziehen. Ihre Klage ist kleinkariert im Vergleich zu dem riesigen Publikumsinteresse an diesen Veranstaltungen.
Die „merkwürdige Werteverschiebung“, die sie in unserer Gesellschaft wahrzunehmen meinen, kann schon deswegen nicht real sein, weil der Marathonläufer aus dem alten Griechenland kein Mitglied unserer Gesellschaft gewesen ist.
Sind Sie schon mal einen Marathon gelaufen? Ich glaube nicht. Ich habe es versucht. Hat nicht geklappt. Meine Hochachtung gilt denen, die das schaffen. Ehrgeiz ist eine der Triebfedern des Menschen. Junge Menschen treiben heutzutage viel zu wenig Sport. Wenn sie ein bisschen angespornt werden, ist das nur gut. Wir brauchen mehr von solchen Veranstaltungen, nicht weniger.
Zu: „Gespenstische Weltsicht“.
Aufgespießt.
Die Luxemburger Zeitung „Télécran“ (Nr. 48/2016) zitiert unter dem Titel „Trump und die Folgen für Luxemburg“ den in Luxemburg lebenden US-Wirtschaftsexperten Michael Weidokal:
„Eine gute Nachricht für Luxemburg sei der Umstand, dass eine republikanische US-Regierung voraussichtlich nicht so hart gegen vermeintliche Steueroasen und Offshore-Business-Zentren vorgehen wird wie die Obama-Administration.“
Da werden sich die vom „Establishment“ Vernachlässigten unter den Trump-Wählern aber freuen über die rosigen Aussichten für Kapitalanlagen in Luxemburg unter Führung des „Retters der Entrechteten“! Oder ob es vielleicht doch ein böses Erwachen geben wird, wenn man feststellen muss, dass man den Bock zum Gärtner gemacht hat?
Da muss ich, da ich das Streitgespräch gerade gelesen habe, doch Frau Ernst mal etwas Rückendeckung geben. Diese Mega-Events haben doch am allerwenigsten was mit Sport im eigentlichen Sinne zu tun. Sie spülen der Stadt, den Veranstaltern viel Geld in die Kassen. Und das mit dem Selbstzweck, da hat sie auch nicht ganz unrecht. Was Herr Briem so sagt, mit dem Publikumsinteresse, das er vor allen anderen Interessen des normalen Stadtlebens stellt, zeigt doch nur, dass es wirklich eine klare Werteverschiebung geht. Eine Stadt ist doch keine Rennstrecke, sondern ein Lebensraum der Bürger. Dass wir noch mehr dieser Prestigeveranstaltungen bräuchten, kommt mir äußerst flach daher. Da kann ich Frau Ernst schon besser folgen. Heute heißt es wohl nur: Anything goes. Hauptsache es ist was los.
@ Stefan Briem
Warum sollte ich anstreben, einen Marathon zu laufen? Ich halte das für eine unnötige Übertreibung. Ein vernünftiger Breitensport kann in bescheidenerem Rahmen betrieben werden, mit erheblich weniger Hype.
Und warum geht eigentlich keiner auf die bewundernswerten körperlichen Leistungen einer Altenpflegerin ein?
@Brigitte Ernst; Jürgen Malyssek
Marathonläufe in der Stadt mögen Sie nicht und wenn ich Sie richtig verstehe, würden Sie sie nicht gestatten.
Ich würde gern wissen, warum.
Würden Sie auch andere Sondernutzungen nicht gestatten wie Karnevalsumzüge, einen Autokorso, wenn Eintracht Frankfurt Deutscher Meister wird? Wie steht es mit den abendlichen Ausfahrten der Inline-Skater? Radrennen nur noch im Velodrom, aber nicht auf der Strasse? Oder liegt das Probem im Laufen?
An Henning Flessner: Das Problem liegt nicht im Laufen. Laufen ist ok. Flanieren in der Stadt kann eine interessante Sache sein, wenn man nicht auf Leistung und Tempo getrimmt ist. Der Marathonlauf kann auch eine spannende Disziplin sein. Aber in der Tat, ich mag diese Stadtläufe und auch Radrennen in der Stadt überhaupt nicht. Diese auf Event getrimmten Stadtattraktionen haben nichts mehr mit der möglichen Vielfalt und Unterschiedlichkeit eines urbanen Lebens zu tun. Die pausenlosen Großereignisse und Top-Veranstaltungen („World of Events“), die ständige Attraktivitätssteigerungen haben nichts mit einem eigentlichen sportlichen Wettkampf zu tun, sondern hier geht es ausschließlich um ökonomische Effekte, die die Gestaltung des Stadtlebens bestimmen. Ganz abgesehen davon, dass die Innenstädte ohne diese Events und nach Feierabend eigenschaftslos und uniform geworden sind – auch durch Shopping bis zum Umfallen. Wenn die Eintracht alle zehn Jahre Deutscher Meister wird, dann habe ich doch nichts gegen ein Autokorso. Und der Karnevalsumzug erinnert mich zumindest noch an eine Tradition, die auch nur ein Mal im Jahr stattfindet. Fürs Radrennen gibt es interessantere Wettbewerbe als durch die Straßen der Stadt zu fahren. Für die Inline-Skater muss man meines Wissens nicht ganze Verkehrssysteme außer Kraft setzen. Zum Thema Sondernutzungen könnte ich ganz andere Geschichten aus der Welt der Armutsbevölkerung in den Innenstädten erzählen. Aber das kann an anderer Stelle Platz haben. Statt Verbote würde ich lieber auf die Vernunft und das Nachdenken über unsere Unterhaltungskultur setzen. Im Übrigen: ich laufe gerne, aber das mache ich auf sportlichem Gelände. Ich denke, ich habe die Frage nach dem Warum beantworten können.
@ Henning Flessner
Wenn ich alles, was ich blöd finde, verbieten lassen wollte, käme da eine lange Liste zusammen.
Sie missverstehen mich. Ich wollte lediglich ein paar Denkanstöße geben zu der fragwürdigen Wertschätzung bestimmter Leistungen in unserer Gesellschaft. Vor sinnlosem Gerenne, Gerase (Formel I, Radrennen), Gekraxel (Stichwort Wichtigtuer Reinhold Messner) geht man anbetungsvoll in die Knie, während Menschen, die wirklich Sinnvolles für das Geweinwesen leisten, ignoriert werden. Allein darum ging es mir. Ist wohl nicht angekommen.
@Jürgen Malyssek
Sie mögen keine Marathonläufe und ich keine Karnevalsumzüge. So weit, so gut.
Mit einer Frage muss ich mich noch auseinandersetzen.
Warum bin ich noch nie auf die Idee gekommen einen Leserbrief zu schreiben, dass mir Karnevalsumzüge, die doch nur der «egoistischen Beseitigung der eigenen Nüchternheit» dienen, nicht gefallen. Seltsam, seltsam.
Es ist erlaubt, bestimmte Dinge wie Umzüge und Marathons nicht zu mögen. Aber trotzdem müssen Sie, Frau Ernst und Herr Malyssek, akzeptieren, dass es viele, viele Menschen gibt, die solche Veranstaltungen trotzdem mögen. Warum soll man sich denn auch nicht für Sportler begeistern dürfen? Der Vergleich mit einer Pflegekraft geht dabei völlig fehl. Es gibt zahllose „Helden der Arbeit“ in diesem Land, die täglich ihren Job machen und dafür schlecht bezahlt und nicht gewürdigt werden. Das lässt sich doch überhaupt nicht vergleichen mit einem Sport, bei dem es punktuell ums Abliefern von Leistung geht. Mit demselben Argument können Sie Popkonzerte oder Fußballspiele ablehnen, bei denen es ja auch regelmäßig zu Verkehrsbehinderungen kommt. Sie können damit Weihnachtsmärkte und das Museumsuferfest ablehnen, einfach alle attraktiven Veranstaltungen, die unzählige Menschen anziehen. Überlegen Sie doch mal, wohin das führt, wenn Sie Ihre Haltung zu Ende denken.
Ich komme aus einer Karnevalshochburg und bin früher vor dem Karneval geflohen. Das ist eine Lösung. Die andere ist mitmachen. Das ist viel einfacher, als Sie wohl glauben.
@ Henning Flessner
Na los, schreiben Sie doch einen solchen Text! Als Satire würde er sich gut eignen.
@ Stefan Briem
Warum sollte es mir nicht erlaubt sein, punktuell abzuliefernde Leistungen mit kontinuierlichen zu vergleichen? Ihr Hinweis auf die „Helden der Arbeit“ trifft doch genau meinen Punkt: Sie werden nicht beachtet und dazu noch schlecht bezahlt, während Leute, die nur für ihr eignenes Ego leben, hochgejubelt werden. Sie dürfen da gerne mitmachen, ich tue es nicht.
An Henning Flessner und Stefan Briem: Ich meine, dass ich mich so ausgedrückt habe, dass es mir weder um Verbote geht, noch dass ich etwas gegen Marathonläufe oder Radrennen habe, auch nicht gegen Karnevalsumzüge, nichts gegen Sportler. Nur dass ich es inzwischen total überzogen finde, diese als pausenlose Mega-Event in der Stadt zu präsentieren. Nur weil es so viele Menschen mögen (das ist wohl so) muss es ja nicht kritikunwürdig sein. Natürlich muss ich das akzeptieren, wenn solche Veranstaltungen heiß begehrt sind. Deshalb sind sie noch lange nicht gut. Unter dem urbanen lebendigen Leben würde ich mir gerne ganz was anderes wünschen als diese Dauerbeglückung und -beschallung. Verbieten kann ich diese Veranstaltungen natürlich nicht. Wie denn auch? Dass ich hiermit keine Mehrheitsmeinung vertrete ist mir beim Zustand unserer Konsumgesellschaft schon klar.
Außerdem habe ich auch nicht das Arbeitsleben mit dem Freizeit- und sportlichen Leben verglichen. Fußball und Fußballspiele lehne ich auch nicht ab (mal abgesehen davon, dass der große Fußballsport mit seinem Eventcharakter nicht meine Sache ist). ich spiele seit 60 Jahren Fußball, und weiß, welche Bedeutung der Sport für Körper, Geist und Seele hat. Aber es bleibt dabei: Die Stadt ist ein einziges Marketinggeschäft geworden. Das ist zu kritisieren.
Liebe Kritiker von verschiedenen Sportarten und deren entsprechenden Veranstaltungen,
das Argument egoistische Befriedigund der eigenen Eitelkeit kann ich nur schwer nachvollziehen. Als Mensch, der sein ganzes Leben sportlich aktiv war (Handball, später Langdistanzlauf), hatte ich nie das Gefuehl, eine evtl. vorhandene Eitelkeit befriedigen zu muessen. Beim Frankfurt Marathon, den ich mehrere Male bestritt, genoss ich im Gegenteil die Atmosphäre an der Strecke und beim Einlaufen in die Festhalle.
Wobei fängt es an, Menschen die sich mit Tätigkeiten etwas außer der Norm beschäftigen, solches zu unterstellen? Und warum eigentlich?
Meine Empfehlung, tiefer hängen und die Leute machen lassen…..
Liebe Grüße, Manfred Schmidt
@ Manfred Schmidt
„Beim Frankfurt Marathon genoss ich im Gegenteil die Atmosphäre an der Strecke und beim Einlaufen in die Festhalle.“
Genau davon spreche ich ja die ganze Zeit: Es dreht sich um persönlichen Genuss. Der sei natürlich jedem zugestanden. Öffentliche Aufmerksamkeit, Lob und Bewunderung gebührt allerdings eher denjenigen, die Leistungen für das Gemeinwohl erbringen und nicht nur zum persönlichen Genuss.
Lieber Herr Schmidt, ich bin mir nicht sicher, ob Sie mich als Kritiker dieser oder jener Sportart gelesen haben, weil Sie niemanden direkt ansprechen. Aber wenn es so wäre, dann hätten Sie meinen Kommentar nicht richtig gelesen. Ich war auch mein ganzes Leben sportlich aktiv und habe nichts gegen Sportarten. Aber ich habe klar zum Ausdruck gebracht, dass ich die Stadt als Event- und Sportraum (auch Marathon, oder Radrennen) kritisiere. Und die Leute nur machen lassen, naja … Mit dieser Gleichgültigkeit kann ich mich auch außerhalb von Spiel und Sport wirklich nicht anfreunden. Sollte ich mit Ihrem Einwurf nicht gemeint sein, dann hat es sich erledigt. Sollte doch, dann weiß ich nun wirklich nicht mehr, ob ich mich in Chinesisch ausdrücken sollte. Guten Abend!
Liebe Brigitte Ernst,
also der persönliche Genuss bei einer solchen Veranstaltung ist es, den Sie kritisieren. Und wahrscheinlich die Tatsache, dass „die Stadt“ für ebendiesen Ressourcen bereitstellen muss. Aber ist das nicht bei allen Veranstaltungen so? Der Besucher einer Oper finanziert durch den Kauf seiner Eintrrittskarte doch nicht den gesamten finanziellen Aufwand, der dafür zu leisten ist. Ein Teil (erforderliche Vorhaltekosten) davon wird subventioniert, also „vom Steuerzahler“ bestritten. Der Opernbesucher benötigt somit die Ressource öffentliches Geld für seinen persönlichen Genuss. Wer Oper nicht mag, geht nicht hin und zahlt dennoch. Der oder die, die aktiv oder passiv an z.B. einer Veranstaltung Marathonlauf teilnehmen wollen, beanspruchen die Ressource öffentlichen Raum für eine bestimmte Zeit. „Die Stadt“ stellt ihn zur Verfügung… Dabei müssen die, die’s nicht interessiert, auch nicht hingehen. Das ist Teil dessen, was „urbanes Leben“ ausmacht. Übrigens hab‘ ich nichts gegen Oper oder Konzert, ich genieße diese ebenso, teilweise so sehr, dass ich feuchte Augen vor der Leistung der Künstler bekomme. Und die dürfen und sollen am Ende auch die Bewunderung und Ehrfurcht ihrer Zuschauer genießen (was ich für meinen Marathonlauf nicht beanspruche).
Vielleicht könnte man eine solche Diskussion in einer Gesprächsrunde unkomplizierter und weniger konfrontativ führen, das Forum Blog ist m.E. immer etwas nachteilig. Und noch etwas, liebe Brigitte Ernst, der Teilnehmer eines Marathonlaufs kann doch durchaus auch Leistungen für das Gemeinwohl erbringen, auch solche, die im Bereich seines sportlichen Engagements liegen.
Ich denke an z.B. Trainertätigkeit im Bereich Jugendsport mit allem was dazugehört und weiß wovon ich rede (schreibe). Jemand, der so etwas macht, bringt seine Ressource persönliche Zeit und meist auch persönliches Geld mit ein. Und über die auf mehreren Ebenen nicht ausreichend gewürdigte Tätigkeit von z.B. Altenpflegern müssen wir nicht diskutieren, da bin ich mit Ihnen einig.
Lieber Herr Malyssek,
natürlich darf jeder das kritisieren das ihm nicht gefällt, Ihnen gefallen diese „Massenveranstaltungen“ nicht -und das ist Ihr gutes Recht-. Und dass Ihre Kritik degegen gerichtet ist, verstand ich schon. Wie Sie jedoch sehen, stoße ich mich nicht an so etwas und bewerte es eher unter „leben und leben lassen“. Wenn Sie das als Gleichgüligkeit bezeichnen, sehe wiederum ich mich veranlasst, das mit einem naja zu kommentieren.
Liebe Grüße zu nachtschlafener Zeit und für mich ideal, sowas zu erledigen?.
In den 23 Jahren, in denen ich Marathon gelaufen bin, habe ich viele Läufer kennengelernt und die Motivationen waren sicher sehr verschieden. Aber ich habe keinen getroffen, der lief, weil er bewundert werden wollte. Wenn mich wegen meiner Marathons jemand bewundert, so muss ich das notgedrungen hinnehmen. Aber sollte ich aufhören zu laufen, um die Bewunderung zu verhindern?
Wenn Herr Malyssek meint, dass die Strassen für die Autos gebaut wurden und nicht für Laufveranstaltungen oder Stadtfeste hat er sicher Recht.
Lieber Herr Schmidt, ok, sage ich. Wir können das gut so stehen lassen. Auch das mit der Gleichgültigkeit will ich jetzt nicht überstrapazieren. Ebenfalls liebe Grüße aus Wiesbaden.
Auch Ihren Kommentar, lieber Herr Flessner, habe ich gelesen und verstanden. Da müssen wir jetzt auch nicht weiter ausholen. Alles Gute.
Hach, Leute, macht’s doch nicht so kompliziert! Wer meine Beiträge aufmerksam gelesen hat, sollte eigentlich verstanden haben, worum es mir geht: Ich wollte den bewundernden Blick der Öffentlichkeit etwas von den üblicherweise hochgejubelten Akteuren bei solchen „Events“ abziehen und auf die wahren Helden unserer Gesellschaft umlenken, die ihre Leistungen abseits vom öffentlichen Interesse im Verborgenen vollbringen. Dazu gehören, lieber Herr Schmidt, natürlich auch diejenigen, die als Trainer im Jugendsport aktiv sind, aber eben aufgrund dieser Tätigkeit und weniger, weil sie tolle Läufer sind. Habe ich mich so unverständlich ausgedrückt oder will man mich nicht verstehen? Das war jetzt der letzte Versuch,dann geb ich’s auf.