Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass künstlich befruchtete Embryonen, deren Erbgut schadhaft ist, ausgesondert werden dürfen. Dazu notwendig: die Präimplantationsdiagnostik. Embryonen, die ein bestimmtes Zellteilungsstadium erreicht haben, werden dabei einzelne Zellen entnommen, die auf genetische Defekte untersucht werden. Da die Zellen zu diesem frühen Stadium der Embryonalentwicklung noch omnipotent sind – das heißt, sie sind noch fähig, sich zu jeder Gewebsform des späteren, ausdifferenzierten Embryos zu entwickeln -, schadet ihnen diese Entnahme nicht. Sie gleichen den Verlust wieder aus. Die haben es noch relativ einfach. Aber jetzt wird es kompliziert. FR-Korrespondentin Ursula Knapp kann den Fall besser schildern als ich:

„Ein Frauenarzt, der in Berlin künstliche Befruchtungen durchführt, hatte drei Paare mit schweren genetischen Belastungen in Behandlung. Es war hoch wahrscheinlich, dass ihre Kinder schwer krank sein oder sogar tot geboren würden. Auf Wunsch seiner Patienten nahm der Gynäkologe einige Tage nach der Reagenzglasbefruchtung jeweils eine Präimplantationsdiagnostik (PID) vor. Dabei fand er in den Zellen einiger Embryonen genetische Anomalien. Diese Enbryonen kultivierte er nicht weiter, so dass sie starben. Die unbelasteten Embryonen pflanzte er ein. Um die Rechtslage zu klären, zeigte sich der Arzt an. Der BGH sprach ihn jetzt frei.

Zentrale Begründung ist, dass das Embryonenschutzgesetz von 1990 die PID nicht verbietet, weder nach dem Wortlaut noch nach dem Willen des Gesetzgebers. Das Gesetz verbietet vielmehr, Embryonen zu erzeugen, um an ihnen zu forschen. Nur zum Zweck der Schwangerschaft ist die Reagenzglasbefruchtung in Deutschland erlaubt – und zu diesem Zweck untersuchte der Arzt die Embryonen ja.

Grundsatz des Strafrechts ist, dass jeder rechtsunterworfene Bürger erkennen können muss, was er darf und was nicht. Was nicht mit der erforderlichen Klarheit verboten ist, kann hinterher nicht bestraft werden. So verhält es sich nach Ansicht der Bundesrichter im Fall des Arztes.

Die Richter argumentieren auch: Das Sortieren von Samenzellen nach jenen Genen, die das Geschlecht des mit ihnen gezeugten Kindes bestimmen, ist verboten. Es dürfen nicht gezielt Mädchen oder Jungen künstlich gezeugt werden. Das Embryonenschutzgesetz erlaubt aber, wenn eine geschlechtsgebundene Erbkrankheit verhindert werden soll, ausdrücklich die Auswahl von Samenzellen. Auch deshalb kommen die Bundesrichter zur Überzeugung, dass der Gesetzgeber die PID auch dann nicht verboten hätte, wenn es sie bei Verabschiedung des Gesetzes in Deutschland gegeben hätte.

Drittes Argument des BGH: Die betroffenen Frauen könnten bei Einpflanzung erbgeschädigter Embryonen ohnehin später einen legalen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lassen. Die PID könne also helfen, diese schwerwiegende Gefahr zu verhindern. Tatsächlich wäre es wohl schwer zu vermitteln, dass sich ein Arzt strafbar macht, wenn er Embryonen auf Erbschäden untersucht und aussondert, aber Monate später den erbgeschädigten Fötus straflos abtreiben darf.“

Eberhard Schockenhoff, Professor für Moraltheologie in Freiburg und Mitglied des Deutschen Ethikrates, hält dieses Urteil im FR-Gastbeitrag für kritikwürdig: Das Urteil erleichtere eine Fehlentwicklung der modernen Fortpflanzungsmedizin, weil es eine Selektion unter den künstlich erzeugten Embryonen erlaube. „Die probeweise Erzeugung einer Überzahl von Embryonen, die anschließend einer Qualitätskontrolle unterworfen werden, widerspricht der Menschenwürde und dem Instrumentalisierungsverbot, das auch das vorgeburtliche menschliche Leben schützt. Die Verwerfung eines Embryos aufgrund eines auffälligen Chromosomen-Befundes verstößt aber nicht nur gegen das Achtungsgebot der Menschenwürde und das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, sondern auch gegen das Verbot der Benachteiligung wegen einer Behinderung aus Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes, das den voraussichtlich behinderten Embryo ebenso vor Diskriminierung schützt wie geborene Menschen mit Behinderung.“
Isabell Wilch aus Jugenheim meint dazu:

„Ich stimme Herrn Schockenhoff vollkommen zu. Das Urteil ist ein Schlag ins Gesicht aller behinderten Menschen, viele von ihnen werden sich fragen, ob ihr genetischer Defekt Grund genug gewesen wäre, sie auszusortieren. Das gleiche geht sicher in allen Menschen mit Handicap vor, wenn sie sich das bestehende Abtreibungsgesetzt vor Augen halten, das Spätabbrüche wegen medizinischer Indikation ohne Fristenregelung erlaubt. Dazu sei bemerkt, „dass es bei Abbrüchen wegen medizinischer Indikation ab der 22. SSW vorkommen kann, dass ein Kind überlebt. Um dies zu verhindern, wird deshalb bei möglicher Lebensfähigkeit des Fötus diesem oft Kaliumchlorid injiziert, welches einen Herzstillstand auslöst, oder die Blutzufuhr der Nabelschnur unterbunden.“ (Quelle: wikipedia). Mindestens 200 Kinder werden jährlich abgetrieben, die älter und reifer sind als viele Frühchen, für deren Leben die Ärzte alle medizinische Kunst einsetzen! (Quelle: tim-lebt.de). Und dabei geht es nicht unbedingt um Babys, die so schwer behindert sind, dass ihnen ein erfülltes Leben sicher unmöglich wäre, viele haben beispielsweise das Down-Syndrom, wie Carina Kühne (www.carinakuehne.de), die trotz Down-Syndrom die Hauptschule mit Note 2,3 abgeschlossen hat und im Arbeitsleben steht – daneben gibt sie Klavierkonzerte und schreibt für Ohrenkuss, eine Zeitschrift, die von Menschen mit Down-Syndrom gemacht wird. Frau Kühne ist nicht die ganz große Ausnahme, es gibt viele Beispiele von Menschen mit Behinderungen, die positive Beiträge für die Gesellschaft leisten. Ich verstehe natürlich, dass Eltern gesunde Kinder haben möchten. Die bestehende Praxis insbesondere des Abtreibungsrechts geht mir jedoch viel zu weit und erinnert an die Kinder“Euthanasie“ im Nationalsozialismus. Sollten Eltern ihre Kinder nicht mit allem annehmen, lieben und fördern, wie sie sind? Wenn Eltern sich außerstande sehen, ein behindertes Kind zur Welt zu bringen und großzuziehen und sich deshalb für das Aussortier
en von Embryonen oder eine Abtreibung wegen genetischer Defekte entschließen, sollten sie keine Kinder bekommen – schließlich können gesunde Babys bei der Geburt oder zu einem späteren Zeitpunkt dermaßen Schaden nehmen, dass sie von da an behindert sind.“

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41 Kommentare zu “Kinder-"Euthanasie"

  1. Es war aus meiner Sicht abzulehnen, dass es in Deutschland bei einer künstlichen Befruchtung verboten war, Embryonen genetisch zu untersuchen und im Fall eines Defektes auszusondern.

    Ungewollte Kinderlosigkeit ist für viele Paare eine schwere Belastung. Wenn sich diese dann für den Weg der künstlichen Befruchtung entscheiden, muss der Natur sowieso nachgeholfen werden. Das Aussondern defekter befruchteter Eizellen ist hierbei nur logisch, weil es auch die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass sich eine der ausgesuchten Eizellen einnisten kann.

    Die Angst, es würden vermehrt Kinder nach Maß erzeugt ist völlig daneben. Glücklicherweise werden die allermeisten Kinder immer noch von fruchtbaren Paaren bei Schummerlicht in der Besucherritze gezeugt.

  2. „Der Tag der Urteilsverkündung war ein schwarzer Tag in der Geschichte der deutschen Rechtsprechung, weil die Richter vor ihrer eigentlichen Aufgabe versagten, geltendes Recht anzuwenden. Stattdessen haben sie das vom Parlament mit großer Mehrheit beschlossene gesetzliche Recht durch ein neues Richterrecht verändert und eine vermeintliche Unklarheit des Embryonen-Schutzgesetzes dazu benutzt, eine neue Auslegung festzuschreiben.“

    In der Kritik der Präimplantationsdiagnostik kann man Schockenhoff allemal zustimmen. Seine Kritik am BGH ist deutlich verfehlt und für die öffentliche Diskussion über den Rechsstaat gefährlich. Die Festlegung der Regeln der Strafbarkeit ist ausschließlich Sache des Gesetgebers. Es ist nicht Sache der Justiz, Lücken zu schließen, die der Gesetzgeber gelassen hat. Wenn das Gericht eine Strafbarkeitslücke feststellt, dann hat es den Angeklagten freizusprechen – ob es das nun will oder nicht. Nicht mehr und nicht weniger ist hier geschehen.
    Das Parlament hat die Möglichkeit, diese Lücke dann zu schließen und man wird an seiner Reaktion sehen können, ob er denn diese Lücke wirklich nicht gewollt hat.
    Ein Gericht, das sich über diese von der Verfassung festgelegte Kompetenzverteilung hinwegsetzen würde, wie das leider zunehmend geschieht, wäre zu rügen – und nicht umgekehrt. Das sollte auch ein Moraltheloge wissen, denn es gehört eigentlich zum verfassungsrechtlichen Grundwissen eines Bürgers im verfassten Rechtsstaat.
    Michael Hofferbert
    Rechtsanwalt

  3. Die Ablehnung der Präimplantationsdiagnostik (PID) durch den katholischen Priester und Moraltheologen Professor Schockenhoff ist aus der Sicht seiner Kirche verständlich. Wer die befruchtete Eizelle bereits als Mensch betrachtet – und deshalb auch die Abtreibung grundsätzlich ablehnt – müsste allerdings jegliche extrakorporale Befruchtung ablehnen, bei der nicht alle befruchteten Eizellen eingepflanzt werden. Allerdings ist diese Sicht nicht die einzig mögliche; es gibt durchaus ethisch (auch religiös) wohl begründete Abwägungen, die zum anderen Ergebnis kommen. So betrachtet z.B. das Judentum die befruchtete Eizelle als schützenswertes werdendes Leben, nicht aber bereits als einen Menschen, dem die Menschenwürde zukommt. Da die Vermeidung von Leid ebenfalls ein ethischer Wert ist, kann bei schwerwiegenden erblichen Belastungen die Anwendung der PID geboten sein, zumal dann, wenn dadurch schlimmeres (wie eine Spätabtreibung oder das Trauma einer Fehlgeburt) vermieden werden kann. Ein säkularer Staat sollte ohnehin nicht sein Rechtsystem nach der religiösen Überzeugung eines Teiles der Gesellschaft ausrichten.
    Die Frage, nach welchen genetischen Defekten mit PID gesucht werden darf, bedarf einer sorgfältigen Abwägung und einer verantwortlichen Entscheidung, genauso wie bei einer Abtreibung. Wie die drei von dem Urteil betroffenen Fälle belegen, wäre es falsch den potentiellen Eltern zu unterstellen, sie streben nur nach einem „Designerbaby“ oder würden Behinderte stigmatisieren. Letzteres auch deshalb, weil nicht jede Behinderung genetisch bedingt ist und von einem verantwortungsvollen Arzt nicht nach jeder potenziellen Behinderung mit PDI gesucht wird. Mit gleichem Argument könnte man sonst jede genetische Beratung verbieten.
    Ich begrüße deshalb die BGH-Entscheidung.

  4. Ich kann leider nicht viel schreiben wegen Überarbeitung.
    Nur so viel. Eine Kinderwunschbehandlung ist psychisch und körperlich extrem belastend und teuer. Wer einen Gendefekt aufweist, hat sich diesen nicht ausgesucht. PID ermöglicht diesen Menschen weniger häufig belastende Hormontherapien und Operationen durchzuführen. Die Wahrscheinlichkeit schwanger zu werden erhöht sich dadurch generell ebenso die Chance, ein gesundes Kind auf die Welt zu bringen. Man vermeidet auf diese Weise auch Schwangerschaftsabbrüche zu einem späteren Zeitpunkt, die ethisch wesentlich bedenklicher sind als die Auswahl von soeben befruchteten Eizellen. Wer diesen Unterschied negiert, hat mit Moraltheologie nichts gemein. Außerdem muss bei einer künstlichen Befruchtung sowieso eine Auswahl getroffen werden. Wenn diese zufällig sein muss, ist das ethisch nichtweniger bedenklich, da man die belastenden Folgen für das betreffende Paar bzw. die Frau in Kauf nimmt.
    Abschließend möchte ich bemerken, dass PID einen sehr kleinen Teil der Bevölkerung nur unmittelbar betrifft.
    Kein Mensch, der nicht muss, setzt sich freiwillig der Tortur einer künstlichen Befruchtung aus. Das Dammbruchargument auszupacken im Hinblick auf die Missachtung behinderter Menschen finde ich fehl am Platz bzw. irreführend. Das eine hat mit dem anderen überhaupt nichts zu tun.
    PID wäre dann ein gravierendes ethisches Problem, wenn der Staat dies verordnen würde, in der Absicht bestimmte Merkmale in der Bevölkerung zu züchten oder zu unterbinden.

  5. Zur reichlich merkwürdigen Auffassung von Frau Wilch möchte ich anmerken, daß es für Eltern nicht nur darum gehen kann, ob sie persönlich für ihr behindertes Kind sorgen wollen, mit allen außergewöhnlichen Belastungen, die das bedeutet, sondern auch um die Frage, wer diese außergewöhnlichen Belastungen nach dem Tod der Eltern auf sich nimmt, wenn das behinderte Kind danach ebenfalls noch die zusätzlichen Zuwendungen benötigt. Wir in Deutschland haben eine überdurchschnittliche Infrastruktur im Pflegewesen, man braucht aber nur mal in gar nicht weit entfernte Länder wie z.B. Rumänien zu schauen, um zu sehen, daß Behinderte in staatlicher Betreuung auch viehisch behandelt werden können. Weiß ein Paar von 30, wie das hier in Deutschland in 50 Jahren aussehen wird mit der Pflege ihres dann erwachsenen behinderten Kindes, nach ihrem Tod? Ist es toll, wenn die sagen: Uns erstmal egal, irgendwer wird sich dann schon um ihn/sie sorgen, irgendwie? Die momentane außergewöhnliche Pflegeinfrastruktur in D (die übrigens ja auch schon vor dem Tod der Eltern in den meisten Fällen ausgiebig in Anspruch genommen wird, was die Entscheidung dann sowie eigentlich vom rein Privaten ins Gesellschaftliche hebt) für immer und ewig als gegeben anzusehen zeugt jedenfalls erstmal von sorglosem Optimismus an der Grenze der Verantwortungslosigkeit.

    „Tatsächlich wäre es wohl schwer zu vermitteln, dass sich ein Arzt strafbar macht, wenn er Embryonen auf Erbschäden untersucht und aussondert, aber Monate später den erbgeschädigten Fötus straflos abtreiben darf.“

    Soweit ich das verstanden habe, war das die gängige Praxis: Viele Paare trieben dann den vorher eingesetzten Embryo ab, wenn eine schwerere Behinderung feststand, die vor Einpflanzung hätte festgestellt werden können, aber nicht festgestellt werden durfte. Ein absurder Vorgang, das konnte doch nicht so bleiben.

  6. Zit. aus dem Einführungstext
    „…hatte drei Paare mit schweren genetischen Belastungen in Behandlung. Es war hoch wahrscheinlich, dass ihre Kinder schwer krank sein oder sogar tot geboren würden. Auf Wunsch seiner Patienten nahm der Gynäkologe einige Tage nach der Reagenzglasbefruchtung jeweils eine Präimplantationsdiagnostik (PID) vor.“

    Das ist wirklich unverständlich:
    Ist die Diagnostik, die vorher bei den Paaren gelaufen ist, nicht ethisch gesehen Teil der Präimplantationsdiagnostik und darf man wissentlich gefährdete Embryonen produzieren und sie danach wissentlich sterben lassen?

  7. @ BvG

    Dazu muss man ein bisschen was von Genetik verstehen. Verkürzt gesagt: Alle Gene liegen in Paaren vor, je zur Hälfte von beiden Eltern. Die DNA ist nämlich eine Doppelhelix, die aus den Gensträngen beider Eltern zusammengeknüpft wird. Die Keimzellen, also Ei und Spermien, enthalten Gensätze, die komplementär zueinander sind und im befruchteten Ei dann zusammengestrickt werden. Jedes Elternteil trägt also zwei Gene für ein Merkmal. Beispiel Augenfarbe: Mutter hat braune Augen, Vater hat braune Augen. Trotzdem kann das Kind blaue Augen haben, wenn beide Eltern auch das Gen „blaue Augen“ haben; das ist nämlich rezessiv, wird vom dominanten Gen „braune Augen“ überdeckt. Mutti und Vati produzieren also beide Keimzellen, die entweder „Augen braun“ oder „Augen blau“ als Genmerkmal enthalten. Das gibt im befruchteten Ei, wo die Gensätze wie gesagt zusammengestrickt werden, vier Kombinationsmöglichkeiten: braun/braun, braun/blau, blau/braun und blau/blau. Da Braun dominant ist, wird das Baby mit der Wahrscheinlichkeit von 3:1 braune Augen haben, aber es kann mit der Wahrscheinlichkeit 1:3 auch blaue Augen haben.

    Soll heißen: Auch wenn ein Elternteil oder beide Gendefekte haben, muss das nicht heißen, dass die aufs Kind vererbt werden, denn auch die Gendefekte liegen meistens jeweils nur auf einem der beiden Genstränge vor. Wenn man das Beispiel mit der Augenfarbe übersetzt und „blau“ für eine schwere Erbkrankheit setzt, dann besteht die Gefahr von 1:3, dass das Kind diese hat, aber ebenso besteht die Möglichkeit von 1:3, dass es genetisch völlig gesund ist, weil „braun/braun“. Mit der PID lässt sich das rausfinden.

  8. @Sigmar

    Ja, ok.

    Die Frage ist aber eine andere: Wenn diese Eltern die PID als Möglichkeit zur Verhinderung erblich geschädigter Nachkommen nutzen, müssen sie dann nicht von Anfang an diese Verhinderung erblich geschädigter Nachkommen in eigener Verantwortung tragen und auf Nachkommen verzichten?
    Ich sehe darin einen logischen Widerspruch: Wenn man nicht bereit ist, den zufälligen „Schaden“ (ich persönlich sehe eine behinderten Menschen nicht als Schaden an,deshalb in Anführungszeichen) zu akzeptieren, dann hat man nicht das Recht, sich gegen diesen „Schaden“ zu versichern.

    Letztlich ist man selbst verantwortlich für das eigene Erbgut, und das im ganz positiven Sinne, wo käme man sonst hin? Man käme dahin, diesen Eltern die Elternschaft zu verbieten, mit Blick auf die möglichen Folgen.

    Bitte sortieren Sie mich nicht in die „eugenische“ Schublade ein, es ist nicht so gemeint, es ist nur sehr schwer zu formulieren.

  9. Wie ist man denn selbst verantwortlich für das eigene Erbgut?

    Der Unterschied zwischen dem konventionell-biologischen Erzeugen eines Kindes und dem mittels künstlicher Befruchtung ist wohl offensichtlich, oder? Bei ersterer besteht die Möglichkeit eines Schwangerschaftsabbruchs, wenn sich z.B. durch Fruchtwasseruntersuchung herausstellt, dass das Kind schwer behindert zur Welt kommen würde. Dann haben die Eltern die Möglichkeit, sich uneingeschränkt zu dem Kind zu bekennen und es trotzdem zu bekommen oder es abtreiben zu lassen, wenn sie entscheiden, dass sie die Last nicht stemmen können. Eventuell spielt bei dieser Entscheidung auch die Schwere der Behinderung eine Rolle. Trisomie 21 (Down-Syndrom) ist ja eine vergleichsweise leichte Behinderung, verglichen mit schweren Erbkrankheiten, mit denen ein Kind voraussichtlich ohnehin nicht alt wird. Ein Kind mit Down-Sydrom kann ein erfülltes Leben führen und alt werden, eines mit Mukoviszidose oder multipler Sklerose oder noch schwerer Erkrankung wird vermutlich nicht alt, und diese Entwicklung wäre sehr leidvoll. Bei solchen Diagnosen sind Abtreibungen gesetzlich erlaubt.

    Bei der künstlichen Befruchtung ist die Lage eine andere. Hier war die Frage bisher nicht entschieden, ob es legal ist, Embryonen absterben zu lassen, die schwere Erbschäden haben. Wie gesagt, solche Embryonen könnten nach geltendem Gesetz bei einer normalen Schwangerschaft abgetrieben werden. Bei der künstlichen Befruchtung gab es hier eine Gesetzeslücke. Darum geht es in dem BGH-Urteil.

    Der „Schaden“ ist also nur dann zufällig, wenn man alle Möglichkeiten moderner Diagnostik nicht einsetzt, also wenn man beispielsweise Zeuge Jehovas ist und sowas ablehnt. Aber sobald man diese Diagnostik einsetzt, erhält man Aufschluss über die Zufälligkeit und den „Schaden“, und damit hat man die Sache in der Hand.

    Eltern zu verbieten, Kinder zu bekommen, das ist jedenfalls völlig ausgeschlossen. Schon vom Grundgesetz her.

  10. @Sigmar

    Etwas klarer und nicht mit der Absicht, Sie persönlich zu treffen, nur als deutliches Beispiel:

    Trisomie21 ist eine vergleichsweise leichte Behinderung, Sigmar zu sein auch!
    Späterhin, und aus meinem Blickwinkel schon heute, sind alle Behinderungen leicht.
    „Alt werden“ ist kein Kriterium für Lebensqualität, Behinderungen zu erleichtern ist ein Frage der Kreativität.

    Wenn man als Eltern (und als Staat) Kinder bekommen will, dann ist man verpflichtet, die „Last“ zu stemmen, unabhängig davon, wie die „Last“ sich ausprägt. Wenn man dazu nicht bereit ist, dann ist man (Eltern und Staat) nicht wert, Kinder zu bekommen.

    Wenn man das Ergebnis der Paarung nicht dem Zufall überlassen will(und das ist bei der PID der Fall) dann ist man verpflichtet, die Verantwortung für das eigene Erbgut zu übernehmen. Entweder, indem man es dem natürlichen Zufall überlässt und die Folgen vorbehaltlos akzeptiert, oder, indem man SICH SELBST als „vererbungs(un)würdig“ einstufen lässt.

    Sie ahnen, wo das hingeht.

    PID ist zeitlich nicht bestimmt. „Implantation“ ist schon der Zeugungsakt. Präimplantationsdiagnostik führt deshalb direkt zu einer präkoitalen Diagnostik, also zur Zuchtwahl.
    Diese menschenverachtende Praxis wird lediglich zeitlich auf die Wehrlosen verlagert.

    Fazit: Wer nicht akzeptieren will, was aus seinen Genen entsteht, der darf aus ihnen auch nichts entstehen lassen. Er verleugnet sich sonst selbst.

    Zur persönlichen Verortung: Ich halte es nicht für sinnvoll, behinderte Menschen zu „verhindern“.
    Erstens ist „Behinderung“ relativ, wie gesagt, zweitens ist Behinderung eine Herausforderung zur Menschlichkeit,drittens sind veränderte Nachkommen eine Stufe in der Evolution, deren Ergebnis wir nicht beurteilen können.

    Darüber hinaus:Besonders beschäftigt mich der Widerspruch, dass man Leben opfert, um Leben zu zeugen.

  11. Wer was wert ist, BvG, das entscheiden nicht Sie. Zum Glück, wir mir scheint.

    Bei einer künstlichen Befruchtung findet keine Paarung statt. Diese befruchteten Eizellen sind in einem anderen Sinn Ergebnis einer Liebes-Entscheidung, nämlich dem Wunsch, Kinder zu bekommen, was einem auf anderem Weg versagt ist.

    Und was die Opferung von Leben betrifft: Es handelt sich um Zellhaufen. Okay, das sind Zellhaufen mit menschlichem Erbgut. Andere Zellhaufen, solche mit offensichtlich minderwertigem Erbgut, töte ich tagtäglich, indem ich Chlor in meinen Pool kippe.

  12. @ BvG

    Bei dem hier diskutierten Thema handelt es sich um grundsätzliche Fragen der menschlichen Autonomie. Wenn der Wunsch, ein Kind zu haben, mit der Gefahr kollidiert, dadurch schweres Leid in Kauf nehmen zu müssen, entsteht ein Konflikt. Wenn die betroffenen Menschen nach einer ernsthaften Abwägung eine Entscheidung getroffen haben, verbietet sich in meinen Augen, als Ausenstehender darüber moralische Urteile zu fällen. Auch wenn Sie es wahrscheinlich nicht meinen, wirken auf mich Ihre Ausführungen mehr als überheblich.

  13. @ BvG

    Danke für die Klarstellung. Noch eine Anmerkung zu Ihrem Satz „Besonders beschäftigt mich der Widerspruch, dass man Leben opfert, um Leben zu zeugen.“

    Aber so ist grundsätzlich die menschliche Fortpflanzung angelegt, egal ob durch Evolution oder durch einen göttlichen Schöpfungsplan. Auch in der „Natur“ (also im weiblichen Körper) kommt es dazu, dass sich befruchtete Eizellen nicht einnisten und absterben. Offensichtlich ist eine Überproduktion nötig, damit es gelegentlich „klappt“. Genau das ahmt auch die Reproduktionsdmedizin nach, nur ein paar Zellteilungen später. Mit meinem (nichtkatholischen) Moralempfinden kann ich darin keinen großen Unterschied sehen.

  14. @maat 4:

    Mit Verlaub, dieser Beitrag:
    „Kein Mensch, der nicht muss, setzt sich freiwillig der Tortur einer künstlichen Befruchtung aus.“ ist kompletter Unsinn.
    Niemand MUSS sich künstlich befruchten lassen. Alle, die es tun, tun es freiwillig. Es gibt in Deutschland weder eine gesetzliche noch eine gesellschaftliche Verpflichtung, eigene Kinder in die Welt zu setzen.

  15. @sigmar
    „Wer was wert ist, BvG, das entscheiden nicht Sie. Zum Glück, wir mir scheint.“

    Wie meinen Sie das?
    Ich bin der Meinung, das jeder das Recht auf Nachkommen hat, sind Sie anderer Meinung? Wohl nicht, das Sie auf das Grundgesetz verwiesen haben.

  16. @ BvG

    In # 12 hatten Sie geschrieben:

    „Wenn man als Eltern (und als Staat) Kinder bekommen will, dann ist man verpflichtet, die “Last” zu stemmen, unabhängig davon, wie die “Last” sich ausprägt. Wenn man dazu nicht bereit ist, dann ist man (Eltern und Staat) nicht wert, Kinder zu bekommen.“

    Damit haben Sie entgegen Ihrer Aussage in # 18 gesagt, dass es Eltern gibt, die eben nicht das Recht auf Nachkommen haben, eben weil sie es nicht wert sind. Das ist ein schweres Verdikt. Wer bestimmt denn, wann wer was wert ist? Diese Debatte sollten wir erst gar nicht anfangen.

  17. @ # 17 FRettchen

    Ich beziehe maats Satz eindeutig auf Menschen, die einen (natürlich freiwilligen) Kinderwunsch haben. Diese unterziehen sich „der Tortur einer künstlichen Befruchtung“ nur, wenn es auf dem „natürlichen“ Weg nicht geht.

  18. @ Abraham,

    das Problem ist doch, daß man zur Frage „schweres Leid vermeiden“ ganz unterschiedliche Auffassungen haben kann. Es gibt ja eine Reihe Behinderungen, die erstmal kein schweres Leid im Sinne von körperlichen Schmerzen etc. bedeuten. So können geistig Behinderte nicht das Ausmaß an Autonomie eines nicht geistig Behinderten erreichen, weswegen es ohne Betreuung zur Verwahrlosung und damit zu Leid käme, aber mit entsprechender Betreuung, die diese Verwahrlosung verhindert, erfahren doch diese Menschen nicht unbedingt mehr, eher weniger Leid als andere. Also müsste ja, von der „Leidvermeidung“ her betrachtet, gar kein Grund bestehen, sich gegen ein Kind zu entscheiden, das geistig behindert ist.

    Es geht wohl ganz einfach pragmatisch um die Frage, ob die betroffenen Eltern UND die Gesellschaft, die BEIDE teils erhebliche Zusatzaufwendungen erbringen müssen, bereit sind, dies zu tun. Ist das der Fall, steht dem Leben nichts im Weg. Diejenigen, die hier lieber nach Idealismus und nach hehren Prinzipien vorgehen wollen, wird ein solcher Pragmatismus wohl erbosen, aber es ist nunmal so: Hat niemand, weder Gesellschaft noch Eltern, Lust zu diesen Zusatzaufwendungen, und aus dieser Tatsache entsteht dann wirkliches Leid, dann ist Abtreibung/Embryovernichtung die bessere Wahl. Schlimm finde ich Eltern, die in grandioser Selbstüberschätzung zunächst sagen: Das schultern wir, Abtreibung kommt nicht in Frage (und sich auch beim Applaus nicht unwohl fühlen, der für solche Entscheidungen in unserer Gesellschaft gern fällig wird), und dann am Ende die Pflege/Betreuung mehr oder weniger komplett auf die Gesellschaft/Institutionen abschieben, weil es dann doch nicht ganz so einfach wie gedacht war.

  19. @ # 21 Max Wedell

    Heftiger Widerspruch!

    1. Welches Leid potentielle Eltern ertragen wollen und ihren möglichen Kindern zumuten, ist eine Frage, die Sie nicht für andere zu entscheiden haben. Eigentlich kann man es nicht diskutieren, so lange man nicht selber vor einer solchen Entscheidung steht. Ich gebe zu, dass ich trotz meiner religiösen Verankerung nicht weiß, wie ich letztlich entscheiden würde.

    2. Wenn Sie beginnen, mit einer möglichen „Belastung der Gesellschaft“ zu argumentieren, stehen Sie schon auf der schiefen Ebene der Eugenistik des frühen 20. Jahrhunderts, die im Euthanasiemord der Nazis endete.

  20. @abraham
    Ich habe das Thema “Belastung der Gesellschaft“ vermieden, weil ich mich vorher so „verheddert“ hatte, aber ich will es nun nochmal aus meiner Richtung klarstellen:
    Ich bin der Meinung, dass diese möglicherweise behinderten/nichtbehinderten Kinder, die aus einer künstlichen Befruchtung stammen, keine Belastung, sondern eine Bereicherung der Gesellschaft darstellen und jeder Aufwand gerechtfertigt ist, die Kinder zu unterstützen.

    Ich will diese Dinge nicht auf dem Rücken der Betroffenen austragen, ich respektiere die privaten Entscheidung, aber ich würde die Problem gern weiter diskutieren.
    Wenn’s interessiert, konstruiere ich ein Beispiel.

  21. Man darf bei dieser Debatte nie vergessen, dass die Behinderung von Kindern eine pozenzielle „Last“ für die Eltern in dem Maße wird, in dem Familie selbst sich zunehmend auf die Gruppe aus den beiden Eltern und dem Kind reduziert, die klassische Familie hingegen praktisch verschwunden ist, die mehrere Geneartionen umfaßt und aus jeder Generation mehrere Nebenzweige, die allesamt ein soziales Netz bilden, das weit mehr als nur Versorgungsfunktionen übernimmt.
    Zurückblickend oder auch mit dem Blick auf andere Kulturen, bei denen solche Netze noch bestehen, stellt man erstaunt fest, dass die Behinderung dort anders getragen wurde und wird.
    Eltern heute, die nicht einmal mehr die Perspektive haben, dass diese Familie (statistisch gesehen) mehr als 7 – 10 Jahre bestehen wird, also kürzer als die Zeit bis zur (und sei es auch nur relativen) Selbständigkeit der Kinder, stehen unter einem ganz anderen Druck. Nur so kann man die Zwiespältigkeit, um nicht zu sagen: Zerrisssenheit der Diskussion verstehen, die zwischen Positionen hin und her pendelt, denen ihr ursprünglicher Bezugsrahmen, die Familie als „Stammzelle“ von Gesellachaft, eigentlich verloren gegangen ist.
    Das für sich betrachtet doch so einleuchtende Argument, Eltern müßten doch schließlich selbst enstcheiden, was sie sich (!) und ihren späteren Kindern „zumuten“ wollten, zielt ja nicht mehr auf Gesellschaft, sondern auf vereinzelte und tendenziell vereinsamte Individuen oder bestenfalls Keinstgruppen auf Zeit. Sobald jeder für sich ganz alleine sein Leben planen und sich in erster Linie gegen andere Einzelne durchsetzen muß, ständig gleichsam auf der Flucht vor Untergang ist, haben Kinder sehr schnell die Qualität einer Last. Um wieviel mehr, wenn sie dann noch doppelte Fürsorge brauchen!?
    Ethische, unbemerkt an dem alten Bild von Gesellschaft orientierte Kategorien verlieren dann plötzlich und schmerzlich an Überzeugungskraft.

  22. @ Abraham,

    mit Eugenik hat das erstmal nichts zu tun, ob eine Gesellschaft sich angemessen um Behinderte und Kranke kümmert oder ob diese zur Verwahrlosung in Abschiebeinstitutionen kommen, wo sie unter menschenunwürdigen Bedingungen leben müssen, wenn nicht gar Schlimmeres. Ist letzteres der Fall, hat man doch zur Leidvermeidung nur diese beiden Optionen: Umerziehung der Gesellschaft hin zu mehr Fürsorge (durch wen?), oder eben die Möglichkeiten der PID, oder allgemeiner vorgeburtliche Untersuchungen mit möglicher Abtreibung. Ich wollte eben nur darauf hinweisen, daß wir in D (durch bisherigen hohen Wohlstand, aber sicher auch aufgrund der besagten 12 Jahre) in der Hinsicht weltweit überdurchschnittliche Verhältnisse haben und daß das aber nicht immer so sein muss, insbesondere dann nicht mehr, wenn sich künftig auch durch „Leben um jeden Preis“-Denken die Aufwendungen erhöhen. Wir werden noch andere Zeiten erleben, wenn erstmal die Überalterung (einer Single-Gesellschaft!) in den Pflegesystemen zum Tragen kommt; mal sehen, wieviel Hochglanzidealismus gegenüber allen pflegebedürftigen Gruppen dann am Ende noch übrigbleibt bzw. wer da alles noch bereit ist, den schönen Worten auch Aufwendungen bzw. Geld folgen zu lassen und in welchem Umfang.

  23. Wie sich eine Gesellschaft um Kranke oder Behinderte kümmert oder kümmern sollte, ist eine andere Diskussion. Genauso, ob Familien zu leichtfertig diese Verantwortung auf die Gesellschaft abwälzen.

    Bei der Entscheidung für oder gegen ein Kind ist dies entschieden die falsche Debatte, die mit Eugenik viel zu tun hat Mit Ihren Argumenten könnte man PDI oder gar Abtreibung bei erkannter Behinderung zur Pflicht machen. Dem muss ich entschieden widersprechen.

  24. @abraham

    Ist das wirklich eine andere Diskussion?
    Im Eingangstext wird nicht gänzlich deutlich, wer die Entscheidung gegen die beeinträchtigeten Embryonen getroffen hat und warum? Wovor fürchtet man sich eigentlich, wenn man „Krankheit“ und „Behinderung“ verhindern will? Der „Leidbegriff“ ist sehr fragwürdig und viel zu relativ.

    Auch kranke und behinderte Menschen haben das Recht, Kinder zu bekommen und alle notwendigen Hilfen zu erhalten , die sie zum Gebären und Versorgen der Kinder brauchen. Auch kranke und behinderte Kinder haben ein Recht, zur Welt zu kommen.

    Wie nun, wenn ein Paar ein behindertes Kind möchte?

  25. @abraham

    In #16 führen Sie an, daß es auch im natürlichen Ablauf mehrfache Versuche und Scheitern der Einnistung von Embryonen gibt.

    Diese gibt es aber nur einmalig und auf eine Zeugung bezogen, niemals aber in Form mehrerer Reserven, auf die man zurückgreifen kann.

    Ich glaube, Vergleiche mit natürlichen Abläufen kann man hier ausblenden, da es hier um nicht natürliche Abläufe geht. (ausser um den natürlichen, berechtigten Kinderwunsch, den ich nicht kritisiere !)

  26. @ Abraham,

    ich dachte eigentlich eher an eine moralische Verpflichtung der Eltern, sich aller Konsequenzen bewußt zu sein und insbesondere nicht einfach nur die persönliche Last dabei zu betrachten, sondern auch die gesellschaftliche… aber wo sie eine gesetzliche Verpflichtung ansprechen, warum genau würden Sie die im Fall der PID z.B. nicht haben wollen?

  27. BvG

    Die Entscheidung, PID durchzuführen, hat meines Wissens der Arzt auf Wunsch der Wunsch-Eltern getroffen. Er hat dann zum Einpflanzen die „Embrionen“ ohne genetische Auffälligkeiten genommen.

    Die Motive

    Die

  28. Korrektur von # 30

    BvG

    Die Entscheidung, PID durchzuführen, hat meines Wissens der Arzt auf Wunsch der Wunsch-Eltern getroffen. Er hat dann zum Einpflanzen die “Embryonen” ohne genetische Auffälligkeiten genommen, also positive und keine negative Entscheidung gegen die beeinträchtigten Embryonen getroffen, da ohnehin nicht alle befruchteten Eizellen eingepflanzt werden.

    Eine Debatte, warum sich Eltern vor Krankheit oder Behinderung des Kindes fürchten, ist meiner Meinung nach müssig und kaum möglich. Für mich entscheidend ist, dass die getroffene Entscheidung ethisch begründbar ist. Unbestreitbar ist aber auch, dass man aus ethischen Gründen gegen die PID oder gegen das (nicht nur bei PID praktizierte) Vernichten überzähliger Embryonen sein kann. Der Staat sollte aber weltanschaulich neutral bleiben.

    @ Max Wedell

    Dass man bei eigener Entscheidung auch die Folgen für die Gesellschaft berücksichtigen sollte, ist sicher eine berechtigte Forderung. Vor einer wie auch immer gearteten staatlichen Normierung und Kontrolle moralischer Maßstäbe graut es mich allerdings. Wie sollte eine „Gewissensprüfung“ als Voraussetzung für PID verlaufen? Und warum dann auch nicht bei jeder künstlichen Befruchtung eine „Erlaubnis“ des Staates verlangen, wenn PID nach Ihren Vorstellungen gesetzlich geregelt werden sollte? Und sollte auch natürlich Zeugung staatlich reglementiert werden?

  29. @wedell, abraham

    Zur Verantwortung der Folgen für die Gesellschaft:

    Wie sollte man die Folgen denn abschätzen, mit der Glaskugel?
    Kein Mensch weiß, was aus einem Kind werden wird und was es zur Gesellschaft beitragen kann oder was es kosten wird.
    Objektiv beurteilbar sind nur die Kosten des Lebensunterhalts auf geringstem Niveau, alles andere ist nur Phantasterei.

    Manch ein schwerstbehinderter Mensch hat Hervorragendes geleistet oder andere zu hervorragenden Leistungen angespornt, mancher Versager ist zu einen Weltgefahr geworden und mancher Gefährliche hat im Kontakt zu Behinderten zur Menschlichkeit gefunden, mancher Erfolgreiche hat großen Schaden verursacht und: Viele Kranke, Gesunde und Behinderte waren einfach nichts Besonderes.
    Kriterien zur Nützlichkeit von Menschen sind schlichtweg nicht definierbar.

    Insofern will ich ein noch heisseres Eisen anfassen:

    Kann der Arzt überhaupt vermuten, die bessere Wahl zu treffen, wenn er ein Embryo bevorzugt?

    Ethisch gesehen glaube ich, es wäre besser, Menschen nicht vor eine solche Wahl zustellen.

  30. @ BvG

    Sie diskutieren zu theorethisch. In den vom BGH-Urteil betroffenen Fällen ging es nicht um Vermeidung einer Behinderung (wie Trisomie 21), sonder um Gendeffekte, die anhand der Vorbelastung der Eltern zu vermuten waren, die beim Auftreten aber sicher zu schwerwiegenden, qualvollen Erkrankungen und baldigem Tod des Kindes geführt hätten. Bei den zum Einpflanzen gewählten Embryonen war das Auftreten dieser Krankheiten ausgeschlossen. Insofern hat der Arzt „die bessere Wahl“ getroffen, weil er sich nur auf diesen Aspekt beschränkt hat. Eine „Garantie“ für gesunde Kinder, aus denen „gute“ Erwachsene werden, ist das natürlich nicht.

    Eine so praktizierte PID ist weit entfernt von einer „Zuchtwahl“, die tatsächlich ethisch nicht zu rechtfertigen ist.

    Für die Grenzziehung der PID erscheint mir als Kriterium ausreichend, dass nur auf solche Erkrankungen und Gendeffekte untersucht wird, die auch als Grund für eine Abtreibung ausreichend wären. Was in einem Fall (Abtreibung) geduldet wird, kann bei einem anderen (der PID) nicht aus ethischen Gründen verboten werden, auch wenn beide Situationen im Einzelfall ein ethisches Dilemma bedeuten.

    Könnte das der gemeinsamme Nenner sein?

  31. „…In den vom BGH-Urteil betroffenen Fällen ging es nicht um Vermeidung einer Behinderung (wie Trisomie 21), sonder um Gendeffekte, die anhand der Vorbelastung der Eltern zu vermuten waren, die beim Auftreten aber sicher zu schwerwiegenden, qualvollen Erkrankungen und baldigem Tod des Kindes geführt hätten…“

    Wenn ich mich recht erinnere, waren die Kriterien der PND früher auch mal auf solch schwere, tödliche Erkrankungen beschränkt. Nun ja: Jagdziel ist jetzt wohl eher die Trisomie 21 und auch wenn die Kassen in den meisten Fällen gar nicht zahlen: die Screening-Leistungen Nackenfaltenmessung, AFP-Werte etc., auch ohne entsprechendes persönliches Risiko, werden rege in Anspruch genommen.

    Also ist es schon gut, sich vorher Gedanken zu machen, wohin es führen kann. Und eine (scharfe) Grenze ist hier nicht zu ziehen, denn „Behinderung ist relativ“. Es wird immer die Beispiele geben FÜR, aber eben auch GEGEN PID.

    KC

  32. @ KC

    Unbestreitbar kann PID auch in ethisch fragwürdiger Weise genutzt werden. Reicht es aber als Begründung dafür, einen Verbot zu fordern (was Sie explizit nicht tun) und damit auch die ethisch vertretbare Nutzung zu verbieten? Kann man für PID (mit möglicher Folge des Verwerfens des Embryonen) und PND (mit möglicher Folge einer Abtreibung) unterschiedliche Rechtsmaßstäbe anwenden?

  33. Zitat:“Kann man für PID (mit möglicher Folge des Verwerfens des Embryonen) und PND (mit möglicher Folge einer Abtreibung) unterschiedliche Rechtsmaßstäbe anwenden?“

    Nein, kann man nicht. Und bei mir ist das auch das Einzige, was für die PID spricht. Nicht falsch verstehen: jeder Einzelfall ist verständlich, machen wir es zum Gesetz, kommt vielleicht (und in diesem Fall m.E. ziemlich sicher) etwas ganz anderes heraus.

    Die PND traf anfangs auch nur wenige Fälle und wird nun zum Screening genutzt. Die abgeschaffte embryopathische Indikation (<24Wochen) sollte behinderte Kinder schützen, herausgekommen ist die Abtreibung auch jenseits der 24.Woche nach medizinischer Indikation, auch bei so „schwerwiegender“ Behinderung wie Down-Syndrom, und das ganz ohne vorgeschalteter Beratung…

    Also „Gut gemeint“ ist nicht immer gut.

    Ich kann die Mutter verstehen, deren Sohn an Muskeldystrophie langsam verstarb, ich kann die Eltern verstehen, die einen Stammzellspender für ihr leukämiekrankes Kind brauchen, ich kann die werdende Mutter verstehen, die sich ausserstande sieht, eine Kind mit DS auszutragen (egal, ob nach PID oder PND) – aber ich möchte nicht per Gesetz und Arzt(!) suggeriert bekommen, all das ist ethisch einwandfrei, normal und frei von jeglicher Disskusionsgrundlage. Da sollten feine Grenzen sein – nicht auf Verbotsebene – siehe Abtreibung, die sollte allen möglich bleiben-, aber auf Akzeptanzebene.

    Denn wer (als Betroffener) kennt ihn nicht, diesen Satz: „…habt ihr es denn nicht vorher gewußt?!!“ oder: “ …wieso hat man das denn nicht vorher festgestellt/feststellen können?“ – mit all seinen mitschwingenden Botschaften. Dieser bewirkt, dass sich heute schon ganz normale Schwangere zu nicht nur teuren, sondern auch fragwürdigen „Vorsorge“massnahmen drängen lassen, trotz Selbstkosten, über die früher gar nicht nachgedacht wurde und die sie vielleicht bei wirklich freier Entscheidung aufgrund guter Aufklärung gar nicht machen würden. Es ist eben normal geworden…
    Die Haltung der Nichtbetroffenen, von „heuzutage muss man ja nicht mehr“ bis „wie ihr das alles schafft“ ist geprägt davon, was heute „normal“ ist, also wir alle vorleben. Und das ist z.B. 95%ige Abtreibung bei Diagnose DS nach PND, welches auch fieberhaft versucht wird zu finden – also alles andere als eine Zufallsdiagnose ist.

    Die PID wird nachziehen, nicht nur auf dem Feld der vererbbaren Krankheiten bei bereits bestehendem Risiko, sondern eben auch beim Screening nach sonst noch auffindbaren Krankheiten und Behinderungen, deren Zahl und Nachweisbarkeit sich vergrößern wird mit den Entwicklungen in der Medizintechnik, immer (preis)günstigeren und zerstörungsärmeren Tests.

    Ich wünsche mir – ja im Zauberland -, dass beides möglich ist: aber auf Grundlage einer umfassenden Information – keines Automatismus und einer Umwelt, die Anderssein akzeptiert und unterstützt.
    Aber ich fürchte, da bin ich ganz tief im Zauberland…

    KC

  34. Nur ein bisschen Schwanger?

    Ich selbst kenne eine betroffene Familie, welche über Generationen einen endefekt haben und nur durch die Geburt ihrer Tochter davon erfuhren (ein weiteres Kind hat in einer schwächeren Form den Gendefekt).

    Muß man als Familie nach einem langen Leidensweg erst ein bisschen Schwanger sein um dann in der 16. SSW vor der Entscheidung gestellt zu werden sich vom Ungeborenen zu trennen oder das besondere Kind zu bekommen mit all dem Leiden und aller Konsequenz.

    Wir selbst haben einen 13.jährigen Sohn mit einer Robertsonschen Translokation mit Down-Syndrom Neumuthation – kommt auf 1 Mio Geburten vor). Er hatte keinerlei Anzeichen, weder eine Nackenfalte, noch eine 4-Finger-Furche noch das klassische Gesicht, noch verkürzte Knochen sondern nur einen Herzfehler und eine Muskelschwäche
    Unser Glück war, keiner von uns Eltern war Träger des Gendefektes der Robertsonschen Translokation – die Zeit des Wartens auf das Ergebnis war die Hölle. Es geht nicht um das Down-Syndrom oder eine Trisomie 18!

    Dieselbigen Politiker die jetzt nach Verbot rufen, sind aber die Selbigen welche die Familien bei der Integration, den Hilfen etc. im Regens stehen lassen (Deutschland ist nicht umsonst eines der schlechtesten Länder, was Integration bedrifft).

    Die ganzen Jahre sind Ehepaare in andere europ. Länder gefahren und haben dort die PED machen lassen, wenn sie das Geld hatten.

    Diejenigen, welche jetzt rufen, sollen doch bitte mal ihr Verhalten in der Öffentlichkeit beobachten, wenn eine Familie mit einem schwerstgeschädigten Kind im Rollstuhl kommt oder eine Gruppe besonderer Kinder mit ihrer eigenen Kommunikation im Bus mitfahren.

    Wer kennt das Leid der Familien, wenn die Kinder sich aus dem Leben schleichen oder ein erwachsener Mensch bewusst immer mehr dem Ende zugeht und um jeden Atemzug und jeden Tag kämpfen muß.

    Es ist die Gesellschaft welche den Umgang formt mit unseren besonderen Mitbürger!

    LG Carola
    welche gerade erst die Ablehnung der Krankenkasse bekommen hat, es wird kein Bedarf gesehen für eine Mutter-Kind-Kur.

  35. @ KC
    Auch ich wünsche mir ein Traumland mit freien, von ethischen Grundsätzen getragenen Entscheidungen. Wie Sie fürchte ich, dass wir von diesem Traumland weit entfernt sind.

    Ich glaube, dass wir hinnehmen müssen, nicht eine Gesellschaft verantwortlicher, mündlicher Bürger zu sein. Was wir nicht hinnehmen dürfen, ist der von Carola geschilderten Umgang unserer Gesellschaft mit besonderen Mitbürgern, weil dieser durch politische Maßnahmen und vernünftige Verwendung oft weniger sinnvoll eingesetzten Steuergelder zu ändern wäre.

  36. Sorry, aber eben stieg beim Lesen dieser Beiträge ein etwas irrer Gedanke in mir auf :

    Wie würde die Diskussion sich wohl entwickeln, wenn weltweit plötzlich – durch Atomstrahlung oder Genmanipulierung verursacht –
    jede dritte oder gar jede zweite Geburt schwere Hirnschäden bei Neugeborenen aufweisen würde ?

    Nochmals „sorry“, dass ich jetzt noch mit solch eimem „Hammer“ komme.

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