Und willst du nicht mein Bruder sein …

Das „islamkritische“ Blog PI-News ist unter Druck geraten, nachdem die FR zusammen mit den anderen Dumont-Zeitungen Berliner Zeitung und Kölner Stadtanzeiger einige Interna enthüllte, die belegen, dass „Politically Incorrect“ Teil eines international agierenden Netzwerks von Islamfeinden und Volksverhetzern ist. Hier ist eine „Neue Rechte“ entstanden, direkt aus der bürgerlichen Mitte heraus, deren „Argumentationsmuster“ dem des Antisemitismus zu gleichen scheint. Jetzt werden Rufe laut, PI vom Verfassungsschutz beobachten zu lassen. Nicht nur Politiker fordern das, sondern auch der renommierte Antisemitismus-Forscher Wolfgang Benz. „Wenn eine Minderheit öffentlich diskriminiert wird, aufgrund ihrer Kultur, Religion oder sonstiger echter oder angedichteter Eigenschaften, ist das selbstverständlich Volksverhetzung und fällt in die Zuständigkeit des Verfassungsschutzes“, sagte er der FR.

Ich sehe das genauso. Auch ich habe die Agitation, die von PI ausgeht, mehrfach am eigenen Leib erfahren müssen: Fast immer, wenn Mely Kiyaks Kolumnentexte – etwa ihre kritische Würdigung Necla Keleks – auf PI-News auf- und angegriffen wurden, ging es bei mir rund. PI veröffentlichte in der Regel nämlich auch die Leserbrief-Mailadresse der FR, und das führte meist zu einer Flut von Zuschriften, die, ich will es mal vorsichtig sagen, meist absolut unterirdisch waren: aggressiv, bösartig, hetzerisch – und natürlich anonym. PI-User stehen selten mit ihrem Klarnamen für ihre Meinung ein. Sie wissen vermutlich selbst am besten, warum sie sich so verhalten.

Mely Kiyak ist dagegen direkten verbalen Angriffen ausgesetzt. Es geht nicht um inhaltliche Auseinandersetzung mit ihren Positionen, sondern um den Versuch, sie fertigzumachen. Sie hat diese Angriffe in ihrem Text „Vulgär, enthemmt, rassistisch“ dokumentiert – erschienen am 17. September. Hasserfüllte, feindselige Schimpfereien. Mely Kiyaks Texte werden auf FR-online daher nicht mehr zur Kommentierung freigegeben: Die Redaktion wurde der Hetze nicht mehr Herr. Zudem wollen wir unsere Autorin schützen.

Ich habe viele Zuschriften bekommen, die einerseits zeigen, dass viele Fans sich der Dimension dieser Anfeindungen nicht bewusst war, und die Mely Kiyak andererseits den Rück stärken. Beginnen wir mit der Zuschrift von Peter Zwilling aus Mörfelden-Walldorf:

„Diese dummdoofen Angriffe auf die FR und vor allem auf Mely Kiyak haben mich stark erschüttert. So etwas hielt ich in einem zivilisierten Land wie Deutschland (mein Vaterland) nicht für möglich. Obwohl: Unterschwellig hatte ich so etwas geahnt. Als ich vor Jahren einem Kollegen (Dipl.-Physiker) erzählte, dass mein ältester Sohn eine Amerikanerin schwarzer Hautfarbe heiratet, bekam ich eine ungläubige Frage „Sowas lasst ihr zu?“ zu hören. Ähnlich erging es mir, als ich einmal berichtete, dass ich Asylanten, die bei uns in Mönchbruch untergebracht waren, nach Rüsselsheim und umgekehrt mitgenommen hatte. Auch von anderen aus der sog. „gebildeten Schicht“ (ich selbst bin Dipl.-Ing. der E-Technik) habe ich ähnliche Reden gehört. Das war für mich unbegreiflich.
Glaubte ich noch vor kurzem, dass es so etwas in meinem Bekanntenkreis nicht gibt, wurde ich eines Schlechteren belehrt. Bei einer Diskussion mit einem Freund (seit fast 50 Jahren) über seine doch etwas sehr schrägen Ansichten zu Hartz IV-Empfängern und Sarrazin (der hätte recht) kamen unvermittelt seine kruden Ansichten zum Islam zum Ausbruch, die denen dieser PI ähnelten (war da noch kein Begriff für mich). Das hat mir fast mehrere schlaflose Nächte beschert und wird wahrscheinlich früher oder später zur Auflösung einer langen Freundschaft führen.
Ich schreibe diese Zeilen mit der Bitte an Mely um Entschuldigung für den verbalen Müll, mit dem sie von „meinen Landsleuten“ überschüttet wird , der unbeschreiblich ist. Den Glaubensanhängern der PI und ihren Rattenfängern, die alle so „gewaltfrei“ sind, kann ich nur sagen: Vor Leuten, die nach dem Motto handeln: „Und willst Du nicht mein Bruder sein, so schlag ich Dir den Schädel ein!“ sollte man sehr vorsichtig sein.

Michael Behrent aus Oberursel:

„Jeden Samstag stärke ich meinen Optimismus mit Hilfe Ihrer klugen, menschlichen, witzigen Kolumnen und freue mich still in mich rein. Mit Ihren Briefen an die tristen und verstörenden Seiten dieser Welt (zwar meistes in Berlin, aber ok) lassen Sie aufscheinen, wie eigentlich das gute Leben aussehen würde. Und jetzt muss ich zur Kenntnis nehmen, dass die Kommentarfunktion zu Ihren Kolumnen in der Onlineausgabe gesperrt wurde, weil Sie dort regelmäßig vom Mob heimgesucht wurden. Das geht ja gar nicht!
Also gut, ich habe sie nicht genutzt, die Funktion, ich habe mich nicht jeden Samstag persönlich bedankt (was ich nun unverzeihlich finde), aber Sie haben mich auch nicht über die Belästigungen informiert. Also sind wir auf der Beziehungsebene quitt, denke ich. Aber jetzt die Kommentarfunktion zu sperren, finde ich politisch unerträglich. Denn hätte ich gewusst, was sich dort abspielt, wäre ich brav zur Stelle gewesen, als Fan, als Prätorianer, und hätte geholfen, den Siff einzudämmen, der sich an Ihre Zeilen heften will.
Ihrer Chefredaktion sei gesagt: Sie wissen, was Sie an Mely Kiyak haben, sonst hätte sie ja nicht einen so guten Platz im Blatt. Haben Sie ein Einsehen, loben und ermutigen Sie sie und schalten Sie alsbald die Kommentarfunktion wieder frei. Ich (und sicher viele andere) werden zur Stelle sein, den Randalierern Einhalt zu gebieten. “

Bettina Kruse aus Barkelsby:

„Jetzt erst habe ich den Artikel, die Dokumentation der rassistischen und sexistischen Hetze gegen Mely Kiyak gelesen und bin sehr betroffen! Ich möchte gerne, dass Sie Frau Kiyak weiterleiten, wie sehr ich ihre Stärke bewundere, trotz solcher Bedrohungen weiter offen zu arbeiten! Ich lese ihre Kolumnen immer und sie sind für mich der bereicherndste Teil der Frankfurter Rundschau. Ich liebe ihren Stil, mit dem prägnant und ironisch auf den Schwachsinn unserer Zeit reagiert wird. Natürlich habe ich auch hin und wieder eine andere Meinung, aber bei den fiesen und wirklich verletzenden Kommentaren geht es ja nie um Inhalte, sondern nur darum, Frau Kiyak einzuschüchtern. Bitte machen Sie weiter! Es ist richtig, diese Art von sogenannten Kommentaren zu stoppen!“

Gabriele Stützer aus Wabern:

„Liebe FR-Macherinnen und -Macher, die Berichterstattung über „Politically Incorrect“ hatte ich bisher nur oberflächlich verfolgt. Dies hat sich mit Ihrer aktuellen Wochenendausgabe geändert. Über die Dokumentation der hemmungslosen, rassistischen (und, nebenbei bemerkt, in weiten Teilen auch frauenfeindlichen) Hetze auf Seite 4 und 5 bin ich zutiefst bestürzt, ja fassungslos. Meinungsfreiheit ist zweifellos ein hohes Gut, aber dennoch: Meine Hochachtung für Ihre Entscheidung, dass Frau Kiyaks Kolumnen nicht mehr online kommentiert werden können und Sie so die Möglichkeit unterbinden, anonym und feige dumpfe Meinungsmache zu verbreiten! Es ist diese Art von Redaktions-„Politik“, die wesentlich dazu beiträgt, dass ich mich schon mein halbes Leben lang mit der Rundschau identifiziere. Dafür danke ich Ihnen!
Ein herzliches Dankeschön auch an Mely Kiyak für ihre so oft brillanten Texte, ihre klaren Worte und ihre unerschrockene Haltung. Ich wünsche Ihnen, Frau Kiyak, dass dieser unerträglichen Schmutzkampagne ein schnelles Ende bereitet wird und dass Sie breiteste Unterstützung erfahren.“

Eberhard Drück aus Wachtberg:

„Sie wehren sich gegen die pöbelnden Zuschriften gegen Ihre Kolumnistin. Sehr in Ordnung. Mich stört an der Arbeit dieser Dame etwas anderes: nette, manchmal langweilige, fast immer überflüssige Beschreibungen irgendwelcher Alltagsereignisse. Weshalb hat sie das Privileg, ihre persönlichen Beobachtungen zu dem täglichen Kleinklein gedruckt zu sehen? Schreibt sie so brillant? Hat sie so originelle Ansichten? Hinzu kommt ihr häufig etwas anmaßender Ton: Was ich meine ist richtig und wahr. Es ist Zeit, auch mal wieder andere Federn zu engagieren. Und diese Erwartung hat – wie Sie mir glauben dürfen – überhaupt nichts damit zu tun, ob diese Autorin, Christin, Muslima, Jüdin oder Atheistin ist.“

Norbert Rüschen aus Mannheim:

„Was ich heute in der FR von und über Mely Kiyak gelesen habe, macht mir existenzielle Angst. Mir ist schon lange aufgefallen, dass ich mich in idiotischer Gesellschaft befinde, wenn ich einen Online-Kommentar abschicke, und habe es deshalb gelassen. Welch dummer Fehler! Für Mely Kiyak einzutreten wäre meine Pflicht gewesen, vielleicht hätte ich weitere Leser dazu bewegt, gegen die Hass-Schreiberlinge anzugehen.
Frau Kiyak soll wissen, dass sie weit mehr Zustimmung erfährt als hasserfüllte Ablehnung und Drohungen seitens gefühlsgeschädigter Schreiberlinge – der getroffene Hund bellt. Ich weiß natürlich auch nicht, wie man diesen Leuten das Maul stopft. Wenn es jemand weiß, ich bin dabei. Frau Mely soll den Kopf hoch halten, geschützt inmitten derer, die ihre Texte brauchen.“

Eine der PI-Mitstreiterinnen, die namentlich bekannt wurden, ist die Schweizer Pfarrerin Christine Dietrich, die offiziell schon vor Jahren als PI-Mitstreiterin ausgeschieden sein soll. Tatsächlich wird die antimuslimische Predigerin aus der Gemeinde Siselen, das belegen unzählige Mails, von Stefan Herre, dem PI-Macher, in alle relevanten Führungsentscheidungen eingebunden und ist nach wie vor als Autorin tätig. Dietrich, die unter dem Pseudonym „Thorin Eisenschild“ firmiert, hat direkten Zugriff auf den PI-Server der Firma Liquid. Dazu meint Ursula Schüpbach aus Biel/Bienne in der Schweiz:

„Vielen Dank für diesen ausgezeichneten Artikel! Ich wohne in der Nähe von Siselen, war schon mehrmals dort. Und finde es erschreckend, was für ein seltsames Doppelspiel Frau Dietrich da spielt. Sorgen muss man sich auch deshalb machen, weil sie in ihrer Arbeit auch mit Jugendlichen zu tun hat. Die Kirchenverantwortlichen müssen sich unbedingt um diese Geschichte kümmern, statt wegzusehen!“

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3 Kommentare zu “Und willst du nicht mein Bruder sein …

  1. http://www.fr-online.de/die-neue-rechte/-politically-incorrect–behoerden-nehmen-blog-ins-visier,10834438,10903494.html

    Na, bitte, geht doch. Haben sich „unsere“ Mühen, ausgehend vom 25. Juli 2011 unter http://www.frblog.de/breivik/ letztlich doch „gelohnt“: Stellt hetzerische, fremdenfeindliche Autoren unter Beobachtung! Das immer noch oder schon wieder erblindete rechte (deutsche) Auge scheint sich, wenn auch mühsam und qualvoll, zu öffnen. Jetzt aber nur nicht nachlassen, zumal es nicht nur bei PI hetzerisches und fremdenfeindliches Gesocks gibt. Näheres dazu unter: http://www.frblog.de/breivik/#comment-34415

    Übrigens, ein großes Lob an die FR, die durch ihre, in diesem Zusammenhang umfassende Berichterstattung, trotz aller Anfeindungen, entscheidend dazu beigetragen hat, dass die „Erblindung“ des rechten (deutschen) Auges zumindest etwas „geheilt“ werden konnte. DRAN BLEIBEN!!!!!

    mfg
    Jutta Rydzewski

  2. Schon die bisherigen Erkenntnisse unterstreichen doch, das die Nützlichkeit von PI die Nachteile überwiegt; wen es diese Seite nicht gäbe, müsste sie erfunden werden!

    Einer zwanghaften „aus den Augen, aus dem Sinn“ – Logik sollte dazu keinesfalls gefolgt werden. Ermöglicht ein solches virtuelles Sammelbecken doch einen guten Überblick über Szene und Aktivisten.

    Da erscheint es logisch, solche Plattformen auch zu Zwecken von Auflkärung und Prävention zu nutzen, zahlreiche Seiten mit ähnlicher Funktion werden ja regelmäßig abgegrast….

    Eigentlich schade, aber gerade die operative Arbeit der LfV und ähnlicher Einrichtungen wird sich dazu kaum öffentlich diskutieren lassen. Wäre auch befremdlich für einen Geheimdienst und besagter Arbeit eher hinderlich.

    MfG Karl Müller

  3. Die FR hat sich hier wirklich große Verdienste erworben!
    Da die Staatsräson jedoch „Ruhe als erste Bürgerpflicht“ als sehr viel zutunlicher ansieht, wird wohl auf längere Sicht das rechte Auge weiter gewaltsam zugehalten werden.

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