In Verantwortung für Menschenleben

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Pflegenotstand: „Wenn die Kraft zur Neige geht“, FR-Wirtschaft vom 16. November

Möglichst viele Eingriffe mit möglichst wenig Personal

Vieles ist sicher richtig, aber der Erklärungsversuch „möglichst viele Ärzte sollen möglichst viele Eingriffe vornehmen“ wirft Gräben zwischen Pflege und Ärzten auf, die jetzt wirklich nicht hilfreich sind.
Dem Autor Tim Szent- Ivanyi hätte eigentlich bei Schreiben schon auffallen können, dass das betriebswirtschaftlicher Unsinn ist und fernab jeglicher Realität. Die sieht, wie nicht anders zu erwarten, nämlich so aus, dass möglichst viele Eingriffe mit möglichst wenigen Ärzt:innen durchgeführt werden sollen.
Auch bei den Ärzt:innen gibt es Überlastug, Burnout und viele Kündigungen aus genau diesen Gründen.
Unser Berufsstand hat im Krankenhaus allerdings, im Gegensatz zur Pflege, eine schlechte Lobby. Noch nie habe ich erlebt, dass wegen dünner Personaldecke auf ärztlicher Seite weniger Patienten behandelt wurden, wegen geringer Besetzung auf Seiten der Pflege ist das aber die Regel.
Wem nützt denn bitteschön das Ausspielen der Arbeitnehmer gegeneinander?
Den Arbeitnehmern sicher nicht! Den Patienten auch nicht!

Dr. Wiltrud Brech, Neustadt

Kaum Zeit für ein schlichtes Gespräch

Zum Thema Pflege möchte ich nur zwei Aspekte besonders heraus stellen: Der erste befaßt sich mit der Zusammenlegung der Ausbildungsgänge für Kranken- und Altenpflege. Dies macht einen Sinn, wenn dadurch eine unterschiedliche Bezahlung entschärft wird und sich Professionelle in beiden Bereichen bewerben können. Zu befürchten ist jedoch, dass bei der Differenzierung von Berufsbildern und Anforderungsprofilen in der jeweiligen Fachrichtung Abstriche gemacht werden. Auf Grund von Notständen reduziert sich die Pflege oft nur auf die Anwendung von Technik. Für Einfühlungsvermögen, Beziehungsgestaltung oder ein schlichtes Gespräch bleibt kaum noch Zeit. Früher wurden diese Zustände zynisch als ,satt und sauber‘ bezeichnet, aber selbst dies trifft heutzutage häufig nicht mehr zu, wenn beim Essen Kein-r mehr helfen kann, und Menschen Stunden in ihren Exkrementen liegen, weil die Pfleger*innen noch woanders beschäftigt sind. Damit komme ich zum zweiten Aspekt: „Die Leistungen müssen den Menschen folgen, nicht umgekehrt“, mahnt der Pflegebeauftragte der Bundesregierung, Andreas Westerfellhaus. So erlebe ich bei der Pflege meines 98-jährigen Vaters, dass es jede Menge Angebote gibt, die er nicht braucht, und damit werden Finanzierungstöpfe nicht in Anspruch genommen, während seine Nachfrage nach festen, verlässlichen Zeiten für Pflege und Betreuung nicht erbracht werden kann, weshalb ich sie privat organisiere und finanziere.
Was nutzt eine hoch gelobte Bezugspflege, wenn auf Grund von Personalknappheit ständig andere Leute kommen, die sich somit nicht auf die individuelle Pflegesituation einstellen können. Dies ist nicht den ambulanten Pflegediensten anzulasten, sondern einem System, dass sich offenbar nicht Pflegeexperten, sondern Sparfüchse bei den Kassen ausgedacht haben. Dieses Unwesen ist nur schwer zu durchbrechen, weil unser ganzer Alltag von dem Prinzip ,Angebot und Nachfrage‘ durchdrungen ist. So fragen wir zum Beispiel ständig nach einer besseren Klimapolitik nach, müssen uns aber damit zufrieden geben, was Politik und Großkonzerne (nicht) im Angebot haben. Pflegebedürftige Menschen bekommen auch deshalb eine so schlechte Pflege, weil sie sich nicht mehr als Kunden, Konsumenten oder Verbraucher agieren können. Die Werbung hat jede Menge Angebote für Menschen, die alt werden und noch konsumieren können, sobald sie aber alt oder gar pflegebedürftig sind, wird ihre Situation mit einem Tabu belegt.

Robert Maxeiner, Frankfurt

Da klatschen alle Pflegenden

Ich bin staatlich examinierte Krankenschwester, seit 40 Jahren im Beruf, habe also einen direkten Blick und die Erfahrung, wenn auch nicht zu den absolut unwürdigen Zuständen die schon viel zu lange auf Intensivstationen herrschen.
Unwürdig sind die Zustände insgesamt. Gegenüber Pflegenden und Gepflegten. In sehr vielen Bereichen findet gerade noch die notwendigste Versorgung statt und dies unter hohem Zeitdruck. „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ (Grundgesetz Artikel 1)?
Erschreckend unreflektiert ist die Aussage des Tim Szent-Ivanyi, dass – ich zitiere: “…die Einkommen im Vergleich zu anderen Berufsgruppen gar nicht so schlecht sind“. Von welchen Berufen ist die Rede? Berufe mit einer ebenso hohen Verantwortung? Berufe, bei denen man theorethisch immer mit einem Bein vor Gericht steht?
Nur zur Info: bei einem der großen Discountketten wäre mein Einkommen in der Tat fast gleich. Auch da wird hart gearbeitet. Aber ohne die Verantwortung menschlichen Lebens gegenüber, ohne die psychische Belastung die der Beruf mit sich bringt – ach ja, wir haben oft mit Menschen die auf dem Weg sind zu sterben und es oft genug tun!
Ach ja, Pflege funktioniert auch Feiertags, Nachts und an Wochenenden, die diese Beschäftigten sicher auch lieber bei Ihren Familien verbringen würden.
Und alle paar Jahre kommt eine Bundestagspartei (zuletzt die CDU) auf die Idee, die Zuschläge auf diese Arbeitszeiten nun auch steuerpflichtig zu machen. Da klatschen alle Pflegenden!

Astrid Neumeyer, Frankfurt

 

In dem Artikel heißt es bezeichnenderweise “…. denn wegen der Alterung der Gesellschaft wächst auch die Zahl der Pflegebedürftigen immer weiter.“ Wieso eigentlich? Wieso wird diese schlimme Entwicklung einfach so hingenommen, als wäre sie unabwendbares Schicksal? Warum macht man sich nicht endlich mal Gedanken darüber, ob und wie Pflegebedürftigkeit verhindert werden kann? Ich vermute, dass das gar nicht gewollt ist, es hätte nämlich erhebliche Auswirkungen auf unser perverses Wirtschaftssystem. Dabei ist es ganz einfach, gesund alt zu werden, man muss allerdings seine Lebens- und vor allem Ernährungsweise ändern. Ich habe vor fast fünf Jahrzehnten damit begonnen und fühle mich heute mit 85 Jahren fit und gesund, habe ein perfektes körpereigenes Immunsystem, das mich in die Lage versetzt, auch der COVID-Infektion zu trotzen, aber das nur nebenbei. Ich habe die Hoffnung, dass die neue Regierung sich dazu aufraffen kann, aus dem bisherigen Krankheitsverwaltungsministerium ein wirkliches Gesundheitsministerium zu schaffen, um endlich den miserablen allgemeinen Gesundheitszustand der deutschen Bevölkerung zu verbessern. Wenn auch die FR-Redakteure bei der weiteren Erörterung des Pflegenotstands darauf mal ihr Augenmerk richten könnten, wäre m.E. etwas gewonnen. Ein bloßer Leserbrief (es ist allerdings nicht der erste) reicht da nicht aus. Na, mal sehen.

Dietrich Buroh, Frankfurt

Pflege braucht viel Idealismus

Niemand will krank werden, niemand will ins Krankenhaus. Was ich gut verstehen kann.
Die Realität war schon immer eine Andere,lange vor Corona.
Wenn ein Wagenpfleger bei einem angesehenen Autohaus mehr verdient,als ein Krankenpfleger in der Anästhesie,dann stimmt etwas nicht.
Der Wagenpfleger soll gut verdienen bei einer 5-Tage Woche.Das ist nicht mein Problem.
Die Krankenpflege braucht Menschen mit Hirn und Herz.Wenn dann der ohnehin schwere Beruf, der Umgang mit Sterbenden, Tumorkranken, chronisch Kranken etc. auch noch schlecht bezahlt wird,dafür aber zwei Wochenenden hintereinander gearbeitet  werden muss….dann braucht es schon viel Idealismus,um den Beruf zu ergreifen und im Beruf zu verbleiben.
Peinlich,wenn ein Pflegewissenschaftler der Charité feststellt:„Wir haben die Pflege nicht so sehr in den Blick genommen, wie wir es angesichts ihrer Bedeutung für unsere Gesellschaft hätten tun müssen.“

Gerhard Bayer , Ludwigshafen

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