Es gibt keinen Anspruch auf Spenderorgane

Sind Sie Organspender bzw. spenderin? Sind Sie also bereit, nach Ihrem Tod (Hirntod) Ihre Organe in einem anderen Menschen weiterleben zu lassen und diesem anderen Menschen dadurch zum Leben zu verhelfen? 80 Prozent der Deutschen, heißt es, seien dazu bereit, aber nur jeder Dritte hat einen Spenderausweis. Die Gesetzeslage ist in Deutschland schwieriger als in den meisten EU-Staaten; warum, das dröselt FR-Redakteurin Ursula Rüssmann in Ihrem Artikel „Wer darf wann und wie spenden?“ auf.

OrganIn Deutschland muss der Hirntod festgestellt werden, und zwar durch zwei unabhängige Ärzte, bevor Organe entnommen werden. Im Widerspruch zu dieser Regelung steht häufig die Patientenverfügung der Organspender, denn wenn darin festgelegt wird, dass lebensverlängernde Maßnahmen durch Maschinen, beispielsweise Beatmung, ausgeschlossen sind, order EU gilt überwiegend, sind Organentnahmen praktisch nicht möglich.

In Europa wird es überwiegend anders – und deutlich unbürokratischer – gehandhabt? „Danach gilt als Organspender, wer zu Lebzeiten nicht ausdrücklich Nein gesagt hat“, schreibt Rüssmann in ihrem Leitartikel „Die Mehrheit will spenden„: „Nicht die Mehrheit der Spendewilligen muss aktiv werden, sondern die Minderheit derer, die nicht wollen.“ Das wäre eine Lösung, meint sie. Drei Menschen sterben hierzulande pro Tag, weil immer weniger Spenderorgane zur Verfügung stehen. Das müsste nicht sein.

Balken 4Leserbriefe

Hans Reichert aus Frankfurt meint:

„Dem Beitrag von Frau Rüssmann kann ich inhaltlich nur zustimmen. Jedoch wird ein Aspekt nicht beleuchtet: Es geht die Fama, dass das Verhältnis von Spendern und Empfängern sich reziprok zum Versichertenstatus verhält. Sprich: 80% der Organspender sind Kassenpatienten und 20% Privatversicherte, während bei den Organempfängern 80% Privatversicherte und 20% Kassenpatienten sind. Wenn man die Vorgänge in manchen Arztpraxen und Krankenhäusern miterlebt, ist dieser Verdacht nicht unbedingt von der Hand zu weisen. In meinem persönlichen Umfeld gibt es einige Menscen, die genau aus diesem Grund keinen Organspendeausweis haben.
Die vorgeschlagene Widerspruchslösung würde diesen (vermuteten) Missstand lösen können, jedoch ist zu befürchten, dass die vereinte Lobby von Privatversicherungen und organisierter Ärzteschaft hier erfolgreich intervenieren wird.
So bleibt nur zu hoffen, dass es auch bei einer erwartbaren Minireform zu mehr Transparenz kommt, die auch diese Zahlen offenbart.“

María del Carmen González Gamarra aus Frankfurt:

„Unsere Gesellschaft und unser Denken werden durch politische Themen (in)direkt sowie individuelle bestimmt. Gesetze wohin man/frau nur schaut. Zu den meisten äußern sich die wenigsten von uns. Zu den wichtigsten lediglich eine Minderheit. Doch zu den relevanten, weil aufgezwungenen Themen sowie Gesetzen sollte ein Aufschrei durch die Republik gehen. Was nicht der Fall ist. Wie das Thema Organspende zeigt. Warum ist das nicht der Fall, wenn säuberlich, rational, aufdringlich aufgelistete Gründe für die Organspende vorgetragen werden? Frau Rüssmann hat scheinbar kein Problem eine rationelle Antwort auf ein angstbesetztes Gegenargument zu geben. Und dabei entscheidendes zu ignorieren. Es ist unwichtig, ob in Spanien ein anderes Organspendengesetz herrscht, dass bereits bei im Koma liegenden Patienten eine Organentnahme erlaubt, wenn der Patient zu Lebzeiten eingewilligt hat. Spanien ist super katholisch. Denn solange keine EU-Vorgabe zur Organspende vorliegt, regieren bei uns individuelle Entscheidungskriterien statt rationale Erklärungen für die Organspendenbereitschaft. Auch die Vorgehensweise in Israel wird in der BRD mit Sicherheit impraktikabel bleiben. Wer dort seine Organspendenbereitschaft für sich festgelegt hat, wird im eigenen Fall bevorzugt. Was bei uns einer Kampfansage gleicht kommt. Israel entscheidet nicht katholisch sondern existenzialistisch. Es unternimmt alles, um die Existenz des Volkes zu sichern.
Auch spielt die Reform des Transplantationsgesetzes von 2012 keine Rolle, wie wir aktuell eine Entscheidung pro/kontra treffen. Es liegen emotionale Gründe fast ausschließlich vor. Ob wir Organspender werden oder Organempfänger. Doch die geplante „logische und überflüssige politische Konsequenz“ von Politik um Druck auf BürgerInnen zu machen widerspricht sowohl der (letzten noch gelebten) Demokratieidee sowie erst recht dem zunehmenden reglementierten Freiheitsprinzip. Denn was bedeutet, wer zu Lebzeiten nicht ausdrücklich NEIN zur Organspende sagt, wird einem Organ entnommen? Einst galt, wer schweigt „stimmt zu“. Unabhängig davon, um was es geht, ob privat oder politisch. Mittlerweile wissen wir, das Schweigen kann viele Gründe besitzen. Jetzt soll sogar das Schweigen indirekt zum Gesetz erhoben werden. Viele Menschen schweigen, weil sie nichts zu sagen haben. Nichts sagen wollen. Nicht sagen möchten. Wir wollen uns nicht zu jeder „Idee“ im Kapitalismus sowie Reproduktion äußern. Wir haben das Recht auf das Schweigen. Ohne das es missbraucht wird. Doch das geplante Organspendengesetz hebelt somit nicht nur die noch am dünnen Faden hängende DEMOKRATIE aus, sondern setzt gleichzeitig den Freiheitsbegriff, sich aktiv entscheiden und wählen zu wollen, außer Kraft. Denn es zwingt Bürger und Bürgerinnen zur Wahl. Nun haben zahlreiche Staaten auf der Welt erschreckende Resultate bei erzwungen Wahlen aufgezeigt. Was immer wieder in unserer Demokratie hervorgehoben wird.
Und das zuletzt von Frau Rüssmann vorgetragene Argument, obwohl sie sich gegen theologisch-religiöse Gründe wehrt, dem Leben eine Chance zu geben, übt einen subtilen psychischen Druck aus. Wenn einer aus diesem Grund zum Organspender wird, sollte die Frage gestellt werden, hat er gelebt? Wer am „Ende“ zu diesem pietistischen Grund greifen würde, falls das jemals der Fall sein könnte, müsste der Spender im Sterben die Kraft aufbringen, die kaum vorliegt und gleichzeitig Angstfrei sein. Nun zeigt die rationale Argumentationsliste von Frau Rüssmann, hinter jedem Argument steckt Angst. Doch Angst kann nie mit rationalen Argumenten besiegt werden. Sondern mit emotionalen Begründungen. Diese fehlen Rüssmann auf der ganzen Linie. Vielleicht ist das der Grund, warum die Organspendenbereitschaft in der BRD zurückgeht. Frank-Walther Steinmeier hat nicht aus rationalen Gründen seiner Frau eine Niere gespendet, sondern aus Liebe. Diese scheint wohl zu fehlen. Zusätzlich: der Mensch ist sterblich (Sokrates) und –heute müssten wir hinzufügen -nicht ein Ersatzteillager.“

Gerhard Ostertag aus Bissingen-Teck:

„Wie allgemein bekannt ist, werden immer mehr Patientenverfügungen erlassen, die eine lebensverlängernde Apparatemedizin ausschließen. Eine solche wäre aber eine medizinisch notwendige Maßnahme und Voraussetzung für eine Organentnahme. Auch wenn es sich bei den Unterzeichnern solcher Verfügungen um einen eher älteren Personenkreis handelt, wird die Anzahl der Organspender damit reduziert. Einen Denkanstoß, den ich bisher noch nirgends gehört oder gelesen habe, möchte ich hiermit zur Diskussion stellen.
So wie zum Beispiel Blutspender immer wieder, zu Recht, namentlich in der Presse erwähnt werden, könnte ich mir so etwas auch für Organspender (mit oder ohne Ausweis) vorstellen.
Wenn nicht ausdrücklich widersprochen wird, könnte in jeder Todesanzeige in kleiner Schrift das Wort „Organspender“ eingefügt werden. Das Wort könnte auch durch ein Symbol ersetzt werden. Sicher wäre es der Bereitwilligkeit zur Organspende nicht abträglich.
Allerdings sprechen Fakten gegen die „Machbarkeit“ meines Vorschlags: Eine gesetzliche Regelung scheidet aus (Datenschutz). Auch sind Todesanzeigen ja nicht obligatorisch.
Von der Möglichkeit, Verstorbene diesbezüglich zu würdigen, sollten Inserenten von Todesanzeigen und Nachrufen viel öfter als bisher Gebrauch machen.“

Dieter Daub aus Karlsruhe:

„Frau Rüssmann wiederholt einen Satz, den man bei fast jedem Bericht über die Organspende liest, der aber trotzdem irreführend und faktisch falsch ist: Sie schreibt, dass in Deutschland jeden Tag drei Menschen sterben, weil kein Spenderorgan für sie zur Verfügung steht. Aber kein Mensch stirbt, weil es für ihn kein Spenderorgan gibt, sondern deshalb, weil er sterbenskrank ist. Unbestritten ist, dass einige Leben hätten verlängert werden können, wenn ein transplantierbares Organ zur Verfügung gestanden hätte. Aber dafür gibt es eben keine Gewähr und auch keinen Anspruch darauf. Darauf weist doch schon der Begriff Spenderorgan hin, nämlich dass es ein Geschenk ist, und ein solches kann von niemandem gefordert werden und ist nicht einklagbar. Offenbar dient die gewählte Formulierung vor allem dazu, den Bürgern ein schlechtes Gewissen zu machen.
Frau Rüssmann stellt sich außerdem die Organspende allzu einfach vor. Ein totes  Organ, abgesehen von der Hornhaut des Auges, nutzt keinem Empfänger. Deswegen muss für eine erfolgreiche Transplantation ein Organ noch funktionsfähig sein, also es muss noch leben. Um an verwertbare Spenderorgane gelangen zu können, muss der Tod des Spenders entsprechend umdefiniert werden (Hirntod), und das ist eben ein Prozess, der nicht durch ein Gesetz oder eine Verordnung umgesetzt werden kann. Für alle Beteiligten ist eine Explantation ein emotional und häufig auch religiös tief verstörender Eingriff, weil er in einer Grauzone zwischen Leben und Tod durchgeführt werden muss; und kein Arzt drängt sich danach, dabei aktiv zu werden. Dieses Dilemma ist kaum jemandem bewusst, wenn er seine Bereitschaft zur Organspende erklärt, und deshalb stimmt  die Mehrheit der Bevölkerung dieser prinzipiell zu. Für diejenigen, welche die Organe entnehmen müssen, und diejenigen, die als Angehörige die notwendige Prozedur über sich ergehen lassen müssen, mag der Satz „es sterben jeden Tag drei Menschen in Deutschland, weil kein Spenderorgan zu Verfügung steht“ fast wie ein Erpressungsversuch klingen.“

Walter Marhenke aus Partenheim:

Zum Thema Organspende sind in den letzten Tagen in der FR verschiedene Artikel erschienen. Nun habe Ich fast auf den Tag genau vor 8 Jahren einer mir nahe stehenden Person eine Niere gespendet. Seitdem befasse ich mich vermehrt mit dem Thema Organspenden und habe auch verschiedene Briefe dazu an Berliner Politiker geschickt. Die Antworten waren, wenn denn überhaupt welche kamen, in letzter Konsequenz nichtssagend.
Der ehemalige Patientenbeauftragte der Bundesregierung schrieb mir z.B. im Oktober 2010, dass „eine umfassende Aufklärung und Information der Bürgerinnen und Bürger von großer Bedeutung sei. Ergebnisse aus einer repräsentativen Befragung hätten ergeben, dass 74% der Befragten grundsätzlich zu einer Organspende bereits seien“. Er schrieb dann weiter „Die Einführung der von Ihnen angesprochenen Widerspruchsregelung halte ich vor diesem Hintergrund nicht für dringend erforderlich“.
Nun haben wir das Jahr 2018 und ca. 30% der Bevölkerung hat einen Spenderausweis. Da hat die Aufklärung doch super gewirkt. Nein, Nein, unsere Politiker verstecken sich lieber hinter Umfragen oder sonstigen ethischen oder moralischen Gesichtspunkten, die aber nur in Deutschland ihre Gültigkeit haben. Denn andere Länder sind dann wohl aus deutscher Sicht unmoralisch, verwerflich und ethisch völlig daneben!
Deshalb stelle ich folgendes fest:
1.    Die Deutschen sind Spitze im Moralisieren und Ankündigen. Kommt es aber auf die Umsetzung der konkreten Maßnahme an (hier: Ausfüllen eines Spenderauseises), ist es mit der Umsetzung des Wollens nicht mehr sehr weit her.
2.    Dazu passt auch, dass Vieles, was in anderen Ländern möglich ist (Israel bevorzugt Personen mit Spenderausweis, andere haben die Widerspruchsregelung und entnehmen Organe bereits bei Herztod) bei uns einfach abgetan wird.
Zu jedem dieser drei genannten Punkte gibt es aus deutscher Sicht immer eine Ausrede, warum ausgerechnet bei uns nichts von dem umzusetzen ist. Warum eigentlich? Warum geht bei uns nicht, was woanders die Regel ist.
In einer anderen Zeitung schrieb Jemand zu diesem Thema, dass die Organe ja nicht von einem Toten, sondern einem Sterbenden entnommen werden (erst nach dem Abhängen von den Instrumenten wäre der Spender „richtig“ tot). Dazu fällt mir allerdings nur noch ein, dass solchen Menschen, sollten sie jemals in die Situation kommen, ein fremdes Organ zu benötigen, keines bekommen dürfen. Denn – und da bin ich wieder bei Punkt 1 dieses Schreibens. Fast jeder würde im Bedarfsfall zwar ein fremdes Organ annehmen. Aber wenn es darum geht, wenigstens einen Spenderausweis auszufüllen, sind gerade einmal 30% dabei. Der Rest hat manchmal, jedenfalls aus meiner Sicht, die abstrusesten Gedanken, um nicht als Spender bereitzustehen.
Die Aussagen von Herrn Höfling, der dem deutschen Ethikrat angehört, passen da voll ins Bild. Sicherlich kann man darüber diskutieren (warum passiert das eigentlich nicht?), ob ein privater Verein oder eine staatliche Institution über die Vergabekriterien von Organen entscheidet. Aber je mehr Personen als Spender zur Verfügung stehen, desto weniger muss über Gerechtigkeit, Dringlichkeit oder Erfolgsaussichten bei einer Spende gesprochen werden.
Aber solange geredet wird, muss man ja nichts Konkretes anpacken. Schrecklich – vor allem für die, die dankbar wären, ein Organ zu erhalten.“

Margrit Seelig de Boll aus Kelsterbach:

„Je weiter man sich von Gott entfernt, je größer müsste doch eigentlich die Spendenbereitschaft sein. Man erkannte wohl doch, dass der Slogan: „Nach dem Tod Leben retten“ irreführend und falsch war, denn der neueste Slogan heißt ja:„Im Sterben Leben retten“. Und doch spricht die Reporterin Ursula Rüssmann in der Frankfurter Rundschau vom 26.01 2018 in ihrem Artikel: „Wer darf wann und wie spenden“. – „von Organentnahmen Verstorbener“.
Dann schreibt sie in einem zweiten Artikel: „Die Chance im Sterben“, achtzig Prozent aller Deutschen seien bereit, – wenn man ihren Recherchen Glauben schenken darf, – Organe zu spenden. Sie meint, es läge daran, viele hätten keinen Spenden Ausweis.
Der Staatsrechtler Wolfram Höfling spricht in einem ebenfalls erschienenen Artikel von einer historisch tiefsten Krise bei der Organspende. Es läge daran, man habe kein Vertrauen mehr ins Organ-Vergabe-System. Außerdem sei Deutschland jetzt im Eurotransplant- Verbund das Land mit den wenigstens Spender-Organen. Man braucht mehr Spenden aus dem Ausland als man abgibt. Daher fürchtet man den Rauswurf und sucht verzweifelt nach Erklärungen und Lösungen, um die Spendenbereitschaft wieder zu erhöhen.
Organtransplantationen hat es in den vergangenen Jahrhunderten – ja Jahrtausenden – noch nie gegeben und nun meinen 10000 kranke Menschen, einen Rechtsanspruch darauf zu haben, um von einem Sterbenden das nötige Organ zu erhalten, damit man sein körperliches Leben hier auf Erden noch etwas verlängern kann. Wie lange das danach noch sein wird, weiß niemand im Voraus zu sagen. Bekommt man das gewünschte menschliche Ersatzteil nicht sofort, spricht man von einem Todesurteil.
Im Grundgesetz heißt es: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“. Hier wird sie angetastet. Die Ärzte erklären zwar einen sterbenden Menschen für hirntot, das bedeutet, den unumkehrbaren Ausfall des gesamten Hirnstammes. Was jedoch im Unsichtbaren geschieht, – denn dort geschieht etwas, – kann der Mensch mit seinen fünf Sinnen nicht wahrnehmen. Also wird geglaubt, derjenige sei tot und man könne mit seinem Körper und mit Maschinen aufrechterhaltenen Funktion ihn ruhig aufschneiden und ausschlachten. Ist sich aber nicht bewusst, dass der Mensch, ein göttlich-geistig, unsterbliches Leben, Seele und bewusstes ewiges Sein ist, welches sich im Sterbeprozess von seinem kranken oder verletzten Körper ablöst und weiter geht. Für die Zurückgebliebenen meist sehr schmerzlich, einen geliebten Menschen zu verlieren.
Hat man vielleicht gedacht, man könne göttliches Leben, das einzige Leben, welches existiert, einfach ignorieren und für tot erklären? Das göttlich unsichtbare Leben zieht sich zurück, sowie es gerade in der Natur geschieht und der Ahornbaum dort draußen wie tot erscheint. Er erwacht jedoch zur gegebener Zeit zu neuem Leben. Jesus Christus hat es uns, als das höchste Bewusstsein, was je auf Erden gelebt hat, mit seinem Tod und seiner Auferstehung vorgelebt.
Es sollte jedoch jedem selbst überlassen sein, zu entscheiden, welchem Sterbeprozess er sich unterwirft und erleben möchte. Er kann sich für ein menschenwürdiges, friedliches Sterben, das ruhige Ablösen von seinem Körper und für ein bewusstes Weitergehen sich entscheiden und das erleben, was uns Nahtod-Erfahrene berichten. ODER man überlässt sich einem massiv gestörten Sterbevorgang und erlebt stattdessen als unendlich-unsterblich, bewusstes Sein, das Aufschneiden seines geliebten Körpers und aus ihm die Entnahme seiner Organe und Gewebe. Da bisher niemand weiß, wie Bewusstsein überhaupt entsteht, kann man über die Folgen, vielleicht von Angst, die in einer späteren Verwirklichung auftreten, nichts aussagen.“

 

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39 Kommentare zu “Es gibt keinen Anspruch auf Spenderorgane

  1. Den Ausführungen von Frau Gonzalez Gamarra möchte ich ausdrücklich zustimmen. Ich befürchte sowohl den weiteren Verlust demokratischer Entscheidungen, als auch, dass der Mensch in dieser schönen, neuen Welt, in der er vom Individuum zum Konsumenten gemacht wird, zum Erstatzteillager mutiert. Aus ähnlichen Gründen misstraue ich der gesetzlich legitimierten Sterbehilfe. Bei der misserabelen Pflegesituation sollte mehr und grundsätzlicher über bessere Lebenssituationen gestritten werden. Es geht um lebenswerte Lebensbedingungen, die unsere Organe möglichst schonen. Ich kann mir vorstellen, dass Menschen, die dringend ein Organ brauchen, eine solche Aussage als zynisch empfinden müssen. Aber ich will nicht durch Druck immer wieder gezwungen werden, kleinere Übel zu wählen (oder zuzulassen, und dass Themen immer wieder aus einem Gesamtzusammenhang heraus gerissen und abgespalten werden.

  2. Für mich hat jeder Mensch Anspruch auf Wertschätzung auch und vielleicht gerade im Moment des Todes.

    Ja, unser Körper ist wie alles lebende vergänglich, doch was macht den Menschen aus? Doch nicht nur der Körper.
    Wir haben ein Bewusstsein und vielleicht eine Seele, die mit dem Körper verbunden ist.
    Was wissen wir denn über den Moment des Todes?
    Wer kann sagen, dass im Moment des „Hirntodes“ auch der Mensch tot ist?
    Wer kann sagen, wie lange unser Fühlen, unsere Wahrnehmung von dem Körper in dem wir gelebt haben anhält?

    Ich kann mir sicher nur im Ansatz vorstellen, wie groß das Leid derer ist, die ein Spenderorgan benötigen. Gibt uns das aber das Recht, Leid bei Sterbenden zu verursachen? Gibt es nicht auch eine Ethik des Sterbens?

    Habe vor Jahren einen Bericht über diese Form der Organentnahme gesehen und über das Leid einer Ärztin oder Krankenpflegerin – weiss ich nicht mehr genau – die ihren Beruf aufgegeben hat. Sie war traumatisiert durch diesen Umgang mit Sterbenden.

    Der Mensch wird nicht geboren, um am Ende seines Lebens „ausgeschlachtet“ zu werden und kein Staat hat das Recht, jeden Körper als bereit dafür anzusehen.
    Für mich gilt hier die Unverauesserlichkeit der Würde eines Menschen und keinesfalls möchte ich erst nein sagen müssen.

  3. Wenn jemand Angst vor eine Organentnahme hat, ist das zu akzeptieren, aber der Rest, der hier geäussert wird, ist graue Theorie.
    Wenn Sie eine kleine Tochter mit Nierenversagen hätten und man Ihnen eine Transplantation anbieten würde, würden Sie dann ihrer Tochter sagen, dass Sie Transplantationen ablehnen und sie leider demnächst sterben würde?
    (Meine Nichte erhielt mit 14 Jahren eine neue Niere.)

  4. @Henning Flessner
    Soweit ich weiß, werden Nieren auch transplantiert, ohne dass dafür jemand im Sterben liegen muss.

    Für mich ist das ein großer Unterschied.

  5. Der Grundgedanke ist doch, dass ein Mensch, der stirbt, seine Organe nicht mehr braucht. Andere Menschen aber können sie brauchen, um zu leben. Das heißt, Organe zu spenden ist ein Akt der Mitmenschlichkeit. Es wird ja niemand dazu gezwungen, auch nicht nach der Regelung, die FGrau Rüssmann vorschlägt. Aber ich finde, man sollte diese Debatte nicht mit Glaubensinhalten („Seele“) vermischen.

  6. @Stefan Briem
    Sie könnten mit ihrem letzten Satz Recht haben und ja, ein Mensch der stirbt braucht seine Organe nicht mehr. Ich frage mich nur, ab wann ein Mensch wirklich tot ist. Wir wissen nicht, ob es keine Wahrnehmungen von dem gibt, was nach dem sogenannten Hirntod mit dem Körper geschieht. Durch die künstliche Beatmung und was da auch immer noch passiert, wird der Rest des Körpers am Leben erhalten, was wie ich verstanden habe, eine Notwendigkeit für die Entnahme der Organe ist.

    Ich empfinde die Vorstellung der quasi Ausweidung eines Menschen – ab wann ist er keiner mehr?- als schrecklich.

    Stimme ihnen zu, dass es ein Akt der Mitmenschlichkeit sein kann, bei dem wie habe ich Zweifel.

  7. @Ana Hartl
    «Wir wissen nicht, ob es keine Wahrnehmungen von dem gibt, was nach dem sogenannten Hirntod mit dem Körper geschieht.“
    Da wir durch die Vollnarkose bei einer Blinddarmentfernung nichts merken, ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir nach einem Hirntod noch etwas merken, in meinen Augen doch sehr gering.

  8. @ Henning Flessner: die Gleichsetzung von Vollnarkose und Hirntod halte ich für wissenschaftlich unzulässig, insofern haben Sie Ihre Argumentation selbst entkräftet.
    @ Stefan Briem: Ich bin der Meinung, dass ethische, philosophische und religiöse Argumente sehr wohl einen wichtigen Platz in der Diskussion haben, nicht umsonst gibt es eine Ethik-Kommission.
    Letzten Endes stelle ich mir die gleichen Fragen wie Anna Hartl:
    Sterben ist ein Prozess – ab wann ist der Mensch tot?
    Wenn Hirntote nichts mehr spüren, warum werden sie anästhetisiert vor der Organentnahme?
    Was dringt zu einem Lebewesen noch durch, selbst wenn das Gehirn nicht mehr arbeitet?

    Für mich selber habe ich eine relativ pragmatische Lösung: ich spende nicht – und ich werde niemals ein Spenderorgan in Anspruch nehmen. Für mich wäre die Transplantation eines Organs kannibalistisch, das ist eine rein subjektive Ansicht.
    Ich muss damit leben, dass ich vielleicht früher sterbe, wenn ich mich der Transplantation verweigere, aber das ist es mir wert.

  9. @Anne Rumpf
    „Ich muss damit leben, dass ich vielleicht früher sterbe, wenn ich mich der Transplantation verweigere, aber das ist es mir wert.“
    So ein Satz schreibt sich leicht, wenn man nicht in der konkreten Situation ist.
    Ich habe während meines Zivildienstes einen Mann kennengelernt, der das Krankenhaus verlassen hat, als man ihm erklärte, dass für seine Rettung eine Operation und eventuell eine Bluttransfusion notwendig sei (Zeuge Jehovas). Als die Beschwerden schlimmer wurden und er merkte, dass es wohl zu Ende geht, kam er wieder. Es war aber zu spät.
    Gilt die Aussage nur für Sie selbst oder würden Sie auch Ihr Kind sterben lassen, wenn es nur durch eine Transplantation weiterleben könnte?

  10. @Henning Flessner:
    Ich weiß, dass sich „so ein Satz“ leicht schreibt. Trotzdem muss ich für mich ja eine Entscheidung treffen, das habe ich getan.
    Das Kinder-Argument ist ein Totschlagargument. Gegenfrage: Würden Sie Ihr Kind zur Transplantation freigeben?

    Sollte ich lebensbedrohlich erkranken, kann es sein, dass ich Entscheidungen revidiere, die ich aktuell als gesunder Mensch getroffen habe.
    Niemand weiß, wie er oder sie entscheiden wird, wenn es „ans Eingemachte“ geht.
    Trotzdem muss ich mich zu einem Zeitpunkt meines Lebens, an dem ich bei klarem Verstand bin, entscheiden, wie in meinen letzten Stunden bzw. nach meinem Tod mit mir umgegangen werden soll. Über diese Entscheidung habe ich oben geschrieben, ich habe sie nach langem Überlegen (eigentlich wollte ich früher mal Organe spenden), nach bestem Wissen und Gewissen getroffen.

  11. Was mich vor allem an den Debatten über dieses Thema stört ist die offene bis unterschwellige Moralisierung der Frage, ob Menschen bereit sind ihre Organe zu spenden (löblich, gut!) oder nicht (egoistisch, gedankenlos). Das halte ich für falsch. Menschen haben sehr unterschiedliche Beweggründe ja oder nein zu sagen oder auch das Recht, sich nicht mit der Frage zu befassen. Z.B. hat eine Freundin von mir JA zur Organspende gesagt, aus Furcht, womöglich noch nicht ganz tot ins Grab oder ins Krematorium zu kommen. Ohne lebenswichtige Organe bin ich ganz sicher tot -sagte sie. später – als es um die Patientenverfügung ging, hat sie sich dann doch für ein Nein entschieden.
    Da mag viel Irrationalität im Spiel sein – aber das eigene Sterben ist eine extrem angstbesetzte Angelegenheit für viele.
    Ich finde die Entscheidung auch für mich stimmig: ich spende nicht – ich nehme aber auch nichts. In meinen Augen ist es unethisch, von anderen Menschen zu fordern, sich fselbstlos während des Sterbeprozesses ausschlachten zu lassen

  12. @ Barbara Eilers: Das Moralisieren stört mich auch massiv.

    @ Henning Flessner: Wenn Sie Ihr Kind zur Transplantation freigeben würden, würde das bedeuten, Sie verabschieden sich von einem Menschen, der „lebendig“ aussieht, der Brustkorb bewegt sich, die Haut ist durchblutet – wenn dieser hirntote Mensch mit einem Skalpell aufgeschnitten wird, um Organe zu entnehmen, beginnt er zu schwitzen und sein Blutdruck steigt, daher bekommt er vor der Organentnahme eine Narkose (außerdem bleiben dann die reflexhaften Bewegungen, die Hirntote ausführen, der sog. „Lazaruseffekt“ aus).
    Den Prozess des Sterbens, nämlich Atemstillstand, die Haut wird fahl, das Gesicht verändert sich und wird einem fremd, alles das würden Sie nicht begleiten können. Ihr Abschied von Ihrem Kind (oder Frau oder Vater oder…)würde durch eine Organentnahme komplett verändert und von außen bestimmt.
    Das stelle ich mir emotional äußerst belastend vor, Sie etwa nicht? (Diese Frage meine ich ernst, sie soll keine Provokation und auch keine rhetorische Frage sein!)

    Ich hab noch nicht viel mit Tod und Sterben zu tun gehabt, aber eines weiß ich: für mich ist der Prozess des Sterbens genauso essentiell wie der Prozess der Geburt, und ich möchte für mich selber diesen Weg unexplantiert (neues Wort ;-)) bis zum Ende gehen. Ich erwarte deshalb auch von niemand anderem, dass er oder sie mir ein Organ zur Verfügung stellt.

  13. @Barbara Eilers
    «Was mich vor allem an den Debatten über dieses Thema stört ist die offene bis unterschwellige Moralisierung der Frage,..“
    Dann nehme ich die Ausdrücke «ausschlachten», «ausweiden», «unethisch» und «kannibalistisch» mit dem Ausdruck des Bedauerns zurück.

  14. @Henning Flessner
    Stimmt, diese Worte sind nicht „schön“, drücken aber nur das Entsetzen über den Vorgang einer Organentnahme bei einem Sterbenden aus.

    Ich für meinen Teil spreche damit niemandem das Recht auf die Entscheidung für eine Organspende im Todesfall ab und weder bei Frau Rumpf noch bei Frau Eilers sehe ich darin die moralische Keule.

    Es drückt nur eine andere Einstellung dazu aus die genau wie Ihre eine Berechtigung hat.

  15. @Anne Rumpf
    Ich habe bereits mehrere Menschen, auch Jugendliche sterben sehen. Deshalb habe ich Zweifel, wenn Leute sagen, dass sie wüssten, wie sie sich im Angesicht des Todes verhalten würden.
    Spinnen wir Ihren Fall mal weiter.
    Vielleicht würde ich mich immer fragen, ob jetzt ein Kind weniger lebt, weil ich nicht eingewilligt habe. Das wäre auch eine emotionale Belastung für lange Zeit.
    Aber jeder Mensch ist anders, hat andere Erfahrungen, andere Moralvorstellungen etc.
    Eine Organspende ist eine ganz persönliche Sache, die jeder mit sich selbst abmachen muss.
    Es fällt mir gerade auf, dass im doch sehr männerlastigen FR-Blog sich beim Thema Organspende viele Frauen melden und alle ablehnend. Zufall oder?

  16. „Eine Organspende ist eine ganz persönliche Sache, die jeder mit sich selbst abmachen muss.“
    Stimmt nicht, Herr Flessner. Organspende ist aktuell ein gesellschaftliche breit diskutiertes Thema, es gibt eine Werbekampagne mit großen Plakaten, alle naselang wird in den Nachrichten darüber berichtet. Es gab Skandale, bei denen Chefärzte unredlich Geld verdient haben und Patienten auf Wartelisten verschoben wurden.

    Auf der anderen Seite stehen Menschen, die Angehörigen eine Niere spenden oder chronisch Kranke, denen durch eine Organspende noch ein paar Jahre mehr vergönnt sind – und der durchaus moralische Druck, den Berichte über diese Menschen transportieren.

    Zwischen diesen beiden Seiten gilt es abzuwägen, die Entscheidung, die daraus erwächst, ist eine persönliche, aber sie hat gesellschaftliche Relevanz.

    Ihre Beobachtung hinsichtlich der Frauen-/Männdermeinung finde ich interessant – aber wir machen jetzt hier keine neue Gender-Diskussion auf, gell? 😉

  17. Die Beobachtung Frauen-/Männermeinung fand ich auch interessant und habe im unter „Medizin Aspekte, Ausgabe Februar 2018“ folgendes gefunden. Frauen spenden häufiger, Männer erhalten häufiger.

    Was mir anlässlich der Mitteilung vom emeritierten Pabst Benedikt, dass er sich auf seinen Tod vorbereite, durch den Kopf ging, ist mein eigener Wunsch, dies auch so tun zu können.

    Eine Loslösung von diesem Leben, diesem Körper ohne Bilder oder eventuelle Ängste die eine Organspende mit sich bringen kann zu haben.

    Der Tod ist für mich schon angstbesetzt genug. Kein Geselle den man freudig erwartet.

  18. Einer der wichtigsten Gründe für die Ablehnung der Organspende ist die Auffassung, die Organentnahme erfolge nicht bei einem Toten. Eine solche Entscheidung ist legitim und es liegt mir fern, sie in Frage zu stellen. Für mich persönlich (ich weise mich bereits seit Jahrzehnten als Organspender aus) stellt sich die Fragestellung differenzierter dar, wobei ich mich auf meine jüdische Tradition stütze. Einer der wichtigsten ethischen Grundsätze des Judentums ist das Gebot der unbedingten Rettung des Lebens, für das fast alle anderen Gebote und Verbote missachtet werden dürfen. Das bedeutet, dass alle medizinischen Maßnahmen zur Lebensrettung – einschließlich des Einsatzes von Apparatemedizin und der Organtransplantation – nicht nur erlaubt, sondern geboten sind. Dieses Gebot der Rettung endet aber dann, wenn keine Rückkehr zum Leben mehr möglich ist. In der klassischen rabbinischen Literatur wird dafür als Kriterium die Fähigkeit zur eigenständigen Atmung angesehen. Die meisten Rabbinerinnen und Rabbiner der Gegenwart akzeptieren als Grenze des Lebens das vollständige Aussetzen der Hirntätigkeit (Hirntod), weil dann ohne Apparateeinsatz auch die Atmung aussetzen würde. Ab diesem Stadium handelt es sich nicht mehr um einen lebenden Menschen, sondern um einen sterbenden Körper, dessen Würde gewahrt werden muss, sofern dadurch nicht höherwertige Gebote verletzt werden. Ein solches Gebot ist die mögliche Rettung des Lebens eines anderen Menschen durch Organtransplantation. Daher ist es ethisch zulässig, einem Sterbenden, der nicht mehr zum Leben zurückkehren kann, Organe zu entnehmen, auch wenn dafür durch den Einsatz von Apparaten der Sterbeprozess verlängert werden muss.
    Diese Abwägungen der jüdischen Ethik stimmen mit meinem persönlichen empfinden, medizinische Maßnahmen der Erhaltung der körperlichen Funktionen nur zu akzeptieren, solange die Aussicht auf Rückkehr zum Leben besteht, wobei für mich Leben mehr als die Aufrechterhaltung der Vitalfunktionen des Lebens bedeutet. Entsprechend habe ich meine Patientenverfügung formuliert, allerdings mit der Einschränkung, dass ich die zur Organentnahme notwendigen Maßnahmen zulasse. Ich nehme hin, dass dadurch mein Sterbeprozess unterbrochen werden muss. Ohnehin haben die medizinischen Maßnahmen zur Lebensrettung, die ich akzeptiere, die Konsequenz, den Sterbensprozess zu stören, sobald sie erfolglos sind. Dass die Rückkehr zum Leben nicht mehr möglich ist, kann man meistens erst dann erkennen, wenn der Rettungsversuch misslungen ist.
    Auch ich weiß nicht, was Sterben bedeutet. Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass spätestens ab dem Zeitpunkt des Hirntods ohne den Einsatz von Apparaten, den ich nicht wünsche, der Sterbeprozess unumkehrbar ist. Das Sterben meines nicht mehr alleine lebensfähigen Körpers würde die Organentnahme nur verzögern, nicht verändern. Der „natürliche“ Sterbeprozess, bei dem der Körper erkaltet und bis zum endgültigen Tod all das geschieht, was wir nicht wissen, findet nach der Organentnahme genauso ungestört wie nach dem letzten erfolglosen Rettungsversuch statt. So ist jedenfalls meine Einschätzung, für die ich selbstverständlich keine Allgemeingültigkeit beanspruche.
    Noch zur Geschlechterfrage: Auch meine Ehefrau und meine drei Töchter befürworten die Organtransplantation und haben einen Organspenderausweis.

  19. @JaM
    Sehr eingängig dargelegt!
    Kann ich verstehen.
    Vielen Dank dafür.

    Ich gehöre wohl zu den von Ihnen in Ihrem Eingangssatz genannten.
    Auch an dem Punkt, an dem der Sterbeprozess unumkehrbar ist, frage ich mich, was ein Mensch dann fühlt! Was fühlt ein Mensch der Hirntod ist?
    Nichts?
    Da ich davon ausgehe, dass der Mensch eine Seele besitz, bzw. meine Seele in diesem Körper lebt ist auch das für mich ein wichtiger Punkt. Wann verlässt eine Seele ihren Körper? Ab wann ist dieser Körper „nur“ noch Materie aus der wir alle bestehen?
    Fragen über Fragen.

    In der Nacht als meine Schwester starb und ich hunderte von Kilometern entfernt war, habe ich von ihr geträumt und nach dem Aufwachen war mir klar, dass die Nachricht die kommen wird, nicht schön sein wird.
    Ich weiß nicht, wie ich es anders beschreiben soll, als Seelen die miteinander in Verbindung treten.
    Wir sind „mehr“ als unser Körper.

  20. @ Anna Hartl
    Was jenseits der Schwelle, von der es keine Rückkehr zum Leben mehr gibt, geschieht, wissen wir alle nicht. Wenn wir also über das „Fühlen“ eines Menschen zwischen Leben und Tod oder über die „Seele“ sprechen, benutzen wir – auch in unseren religiösen Traditionen – Metapher, nicht klar fassbare Begriffe. Trotzdem glaube ich, dass auch in diesem Bereich in gewissen Grenzen ein rationales Abwägen möglich ist.
    Meine Frage ist daher, ob mein Körper und meine Seele eine Narkose und Operation zu meiner (misslungenen) Lebensrettung anders „empfinden“ würden als eine (technisch ähnlich ablaufende) Organentnahme, die zur Lebensrettung eines anderen Menschen dient? Könnte es nicht sein, dass die Seele eines Sterbenden zur gleichen Empathie fähig ist wie die eines Lebenden, der Trost darin finde kann, mit dem Verlust seines Lebens einen anderen zu retten? Verlässt die Seele den Körper nach einer Organentnahme anders als nach einer (misslungenen) Operation zur Lebensrettung?

  21. @JaM
    Ähnliches wie in Ihrem letzten Absatz zog mir durch den Kopf.
    In dem Fall der „misslungenen“ Lebensrettung ist vielleicht kein großer Unterschied zur Organentnahme.
    Ich gehe aber nicht davon aus, dass wir alle auf die gleiche Art und Weise Sterben, heißt, dass am Ende des Lebens noch Rettungsmassnahmen vorgenommen werden, sodass die Situation nicht die gleiche ist.

    Das eine Seele im Sterben der gleichen Empathie fähig ist wie ein Lebender kann ich mir vorstellen.
    Kann mir aber auch vorstellen, dass eine Seele es einfach als Befreiung empfindet und nicht mehr nach unseren „Vorstellungen“ fühlt und agiert.
    Klingt das zu schräg?

  22. Nein, eigentlich befürchte ich durch die Organentnahme eine Verlängerung des Leidens bis zum endgültigen Tod.

    Was ich auch nicht loswerde ist das Gefühl der Nützlichkeit bis in das Sterben hinein.

  23. @ Anna Hartl
    Sicherlich sterben Menschen auf unterschiedliche Weise. Wenn ich mich nicht täusche, werden Organentnahmen aber fast ausschließlich nach „Rettungsmaßnahmen“ (Unfall, Notfallbehandlung oder nicht erfolgreiche OP) vorgenommen. Sonst ist es nicht möglich, für die notwendige ununterbrochene Aufrechterhaltung der körperlichen Funktionen zu sorgen.
    Warum sollten Ihre Vorstellungen über Seele „schräg“ sein? Es sind doch keine überprüfbaren Tatsachenbehauptungen, über die man also auch nicht urteilen kann.

  24. @ Anna Hartl

    Wenn Sie „eine Verlängerung des Leidens bis zum endgültigen Tod“ befürchten, lehnen Sie dann jeden medizinischen Eingriff zur Lebensrettung ab? Auch dieser ist mit der Gefahr verbunden, das mögliche „Leiden“ bis zum endgültigen Tod zu verlängern.
    Das meine Handlungen anderen nutzen, halte ich nicht für etwas negatives und sehe darin keinen Zwang zu einer (womöglich ökonomischen) „Nützlichkeit“.

    Wenn Sie es aber so sehen, haben Sie die für sich richtige Entscheidung getroffen. Ich habe mich eben aus den genannten Gründen anders entschieden.

  25. @Anna Hartl und JaM: Ich finde Ihren Austausch von Argumenten und die Art, wie das passiert, ziemlich beispielhaft – Sie sind sehr fair, respektieren die Argumente des/der anderen und bleiben bei der Sache (wollt ich nur mal so off-topic anmerken…)
    Festzuhalten bleibt: das Bedürfnis nach keiner Entscheidung hinsichtlich einer Spende müssen wir auch respektieren, genauso wie ein klares Ja oder Nein, so schwer das fällt.
    Insofern ist die gültige Regelung vielleicht wirklich die beste.

  26. @ Anne Rumpf
    Wenn ich eine künstliche Verlängerung meines Lebens ausschließen will, muss ich dem in einer Patientenverfügung widersprechen. Auch für die Organentnahme halte ich daher eine „Widerspruchslösung“ für vertretbar. Wer nicht entscheiden will, kann „nein“ ankreuzen und es später, wenn sie oder er zu einer (anderen) Entscheidung kommt, korrigieren.

  27. @Anne Rumpf
    Ich verstehe nicht ganz, was Sie meinen mit «das Bedürfnis nach keiner Entscheidung hinsichtlich einer Spende“.
    Es gibt doch nur zwei mögliche Antworten: „Ja“ oder „Nicht-Ja“. Ob man das „Nicht-Ja“ als „Nein“ oder „keine Entscheidung“ formuliert, ist mMn egal.

  28. @Henning Flessner; Ich bezog mich auf die Aussage von Frau Gonzales Gamarra in der ersten Zuschrieft: “ Wir haben das Recht auf das Schweigen. Ohne das es missbraucht wird.“
    War etwas missverstndlich, sorry!
    Ich halte das für ein sehr wichtiges Argument, denn zu Beginn dieser Diskussion war ich der geichen Meinung wie JaM: Ja oder Nein, das muss reichen, und alle sollten sich entscheiden müssen.
    Aber mittlerweile halte ich das Recht auf keine Entscheidung für wichtig.
    Für die Menschen, die auf ein Organ warten, ist es natürlich egal, ob jemand bewusst nein sagt oder lediglich keine Entscheidung treffen will.
    Aber für den Menschen, der die Entschediung treffen muss, was mit seinen Organen passiert, ist das sicher nicht egal.

  29. @Anna Rumpf
    Belügt man sich nicht selbst, wenn man sagt, dass nicht nein gesagt hat, sondern nur keine Entscheidung getroffen hat?
    Aber vielleicht leben einige damit eben doch besser.

  30. @Henning Flessner:
    Ich bin ganz Ihrer Meinung, aber es stimmt eben auch, was Frau Gonzales Gamarra schreibt und was auch Anna Hartl beschreibt: der Gedanke an den eigenen Tod ist oft kein angenehmer, und viele Menschen schieben das dann eben weg. Verdrängung ist ja auch eine Option, und jeder Mensch hat ein Recht darauf, unangenehme Dinge zu verdrängen.
    Wie gesagt: ich persönlich halte nichts davon, denn keine Entscheidung ist eben auch eine Entscheidung.
    Als Gesetzgeber bei diesem Thema einzugreifen, erfordert eine ganze Menge Sensibilität und Weisheit (passt also leider so gar nicht zur aktuellen politischen Großwetterlage).

  31. @JaM
    Nicht leicht zu beantwortende Frage.
    Nein, jeden medizinischen Eingriff lehne ich nicht ab, aber ich behalte mir das Recht vor, zu entscheiden welchem Eingriff ich zustimme.
    Eine künstliche Verlängerung meines Lebens möchte ich z.B. nicht.

    An dem Punkt, dass meine Handlungen im Falle einer Organtransplantation anderen nutzen, bin ich noch nicht.
    Ich empfinde dieses Leben an so vielen Ecken fremdbestimmt, dass es mir wirklich davor graut, dass dies auch noch mein Sterben betrifft.

    Ich lehne ab, was in den Niederlanden jetzt beschlossen wurde, jeder ist Organspender ab 18, sofern er nicht widerspricht. Ein Gesetz dieser Art hat kein Staat das Recht zu beschließen.
    Die Unantastbarkeit muss auch für meinen Körper als Grundvoraussetzung gelten.

  32. @ Anna Hartl

    Auch ich halte mir vor, selber zu entscheiden, welchen medizinischen Notfallmaßnahmen ich zustimme und wünsche keine künstliche Verlängerung meiner physischen Existenz, wenn keine Rückkehr zum Leben mehr zu erwarten ist. Da ich nicht sicher sein kann, diesen Wunsch auch im Notfall artikulieren zu können, habe ich ihn in meiner Patientenverfügung festgelegt. Allerdings mit dem Zusatz, dass ich die für eine Organentnehme nötigen Maßnahmen zulasse. Leider findet man diese Formulierung nicht in den diversen Mustertexten für Patientenverfügungen, was eine zusätzliche Hürde für Organspenden darstellt. Auch meine Zustimmung zur Organspende habe ich in einem Organspenderausweis dokumentiert, weil ich auch diese Entscheidung nicht anderen überlassen möchte. Fehlt nämlich ein Organspenderausweis mit Zustimmung oder Ablehnung, müssen die Angehörigen entscheiden. Aber nochmals: Ich will Sie nicht überzeugen, sondern nur meine eigene Position klarstellen.

    Zu Ihrem Einwand gegen eine „Widerspruchsregelung“ für Organspende: Für die Ablehnung eines staatlichen Eingriffs gibt es sicherlich wichtige Argumente, die in einer breiten gesellschaftlichen Diskussion abgewogen werden müssen. Dem Staat aber grundsätzlich das Recht abzusprechen, eine solche Regelung zu beschließen, geht mir zu weit. In Österreich gibt es die Widerspruchslösung schon lange, ohne dass sie von nationalen oder europäischen Gerichten als menschenrechts- oder grundrechtswidrig kassiert wurde.

  33. Wer also sein Recht auf Schweigen wahrnimmt, bürdet die Entscheidung seinen Angehörigen auf, die dann eventuell sogar einer Organspende zustimmen, wenn sich der Tote nie geäussert hat.
    Ich vermute, dass das nicht allen bewusst ist.

  34. @JaM
    Zunächst möchte ich Ihnen danken für die Art des Austausches. Auch ich möchte niemanden von meiner Position überzeugen und kann Ihre Argumente annehmen.

    Was die Widerspruchslösung betrifft, ich habe die Niederlande nur herangezogen, da es gerade jetzt entschieden wurde.
    Ob ich mich auf die nationalen oder europäischen Gerichte als Maßstab für menschenrechts oder grundrechtswidrige Einwände verlassen würde, weiß ich nicht.
    Für mich persönlich ist hier die rote Linie, für den Eingriff eines Staates, die Unantastbarkeit oder Unverauesserlichkeit auch meines Körpers in ein Vielleicht zu verkehren.

    Was ich Sie gerne noch fragen möchte, Sie haben in einem Ihrer Beiträge geschrieben, dass die meisten Rabbiner die Organentnahme befürworten.
    Welche Argumente haben die „Nichtbefürworter“?
    Ich nehme an, es sind religiöse Einwände!?

  35. @ Anna Hartl
    Ihre Frage kann ich nicht vollständig beantworten. Ich weiß, dass es Rabbiner gibt, die sich gegen Organspende aussprechen, kenne aber deren Responsa (religionsrechtliche Gutachten) nicht. Die Bedenken beziehen sich wohl auf den „Hirntod“. Nach der klassischen rabbinischen Literatur erreicht ein Mensch den Zustand des unwiderruflich Sterbenden (was religionsrechtlich eine eigene Kategorie ist, da dann keine Maßnahmen zur Lebensrettung unternommen werden müssen), wenn kein Herzschlag und vor allem keine Atmung mehr feststellbar sind. Die meisten Rabbiner folgen der medizinischen Erkenntnis, wonach die fehlende Hirntätigkeit ein ausreichender Beleg dafür ist, dass ohne den Einsatz der medizinischen Geräte die Atmung und die Herztätigkeit aufhören würden. Manche Rabbiner verlangen eine kurze Unterbrechung der künstlichen Beatmung, um das Aussetzen der Atmung nachprüfen zu können (ein solcher Test ist wohl ohne eine Schädigung der Organe möglich). Und es gibt wohl einige Rabbiner, denen ein solcher Test nicht ausreicht. Der zweite kritische Punkt ist die religionsrechtliche Vorschrift, dass ein Körper vollständig beerdigt werden muss. Diese Vorschrift darf aber, wenn es der Lebensrettung dient, missachtet werden, sind sich die meisten Rabbiner einig. Auch da wird es aber wohl Rabbiner geben, die zu anderem Ergebnis kommen, wie in fast allen religionsrechtlichen Fragen. Ob durch die Organentnahme die Seele beeinträchtigt werden könnte, spielt meines Wissens bei den Entscheidungen keine Rolle, denn der Glaube an Seele ist im Judentum keine religionsrechtliche Kategorie. Entsprechend der jüdischen Tradition schreibt uns die von Gott offenbarte Tora verbindlich vor, wie wir handeln müssen, nicht aber, was wir glauben sollen.

  36. @JaM
    Vielen Dank für Ihre Bemühungen, meine Frage zu beantworten.

    Auch auf die Gefahr hin, dass Lutz Buege sagt, ich weiche vom Thema ab, wenn ich Sie richtig verstanden habe, gibt es im Judentum unterschiedliche religionsrechtliche Kategorien, wozu der Glaube an die Seele nicht gehört, da die Tora „nur“ das Handeln vorgibt, nicht was sie glauben sollen.
    Gibt es im Judentum ausserhalb der religionsrechtlichen Kategorie das Thema Seele und was mich verwirrt, ist der Glaube an Gott nicht auch Glaube?

  37. @ Anna Hartl
    In der Tora (Dtn. 6.4-5) heißt es (in Übersetzung von Moses Mendelssohn): „Höre Israel, der Ewige ist Gott, der Ewige ist einzig. Darum sollst du den Ewigen, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft.“ Es heißt nicht „Glaube Israel“ oder „du sollst an den Ewigen glauben“. Hinzu kommt im Dekalog das Verbot, sich von Gott ein Bild zu machen. Bei Jesaja (55.8) steht außerdem: „Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, meine Wege sind nicht eure Wege, ist des Ewigen Spruch.“ Laut jüdischer Tradition umgibt Gott ein undurchdringliches Geheimnis; man kann sich Gott in der Mystik (von der ich nichts verstehe) nähern, aber kann über Gott keine überprüfbaren Aussagen machen. Hingegen sind uns Gottes Gebote (wie z.B. „Du sollst den Fremden lieben wie dich selbst“, Lev. 19:33) offenbart und sollen unser Handeln bestimmen.
    Was die Tora unter „Seele“ (Hebräisch Neschama) versteht, ist unklar. Vermutlich nur die „Essenz“, die einen Körper lebendig macht. Erst unter dem Einfluss der griechischen Philosophie wurde der Begriff der Seele erweitert, wobei vieles im Vagen (Unsterblichkeit der Seele, Seelenwanderung) bleibt. Einen Gegensatz zwischen (unreinem) Körper und (reiner) Seele, der wohl die christliche Lehre kennzeichnet, kennt das Judentum nicht.

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