Die Euro-Krise spielt in der öffentlichen Wahrnehmung zurzeit keine Rolle. Wenn es mal Meldungen gibt, haben sie eher entwarnenden Charakter, so etwa kürzlich bezüglich des Gewinns der Bundesbank: 4,6 Milliarden Euro konnte sie dem Bundesfinanzminister überweisen – unter anderem deswegen, weil sich die Euro-Schuldenkrise entspannt habe, wie Bundesbankpräsident Weidmann sagte: „Die notwendigen Anpassungsprozesse in den von der Krise besonders betroffenen Ländern sind erkennbar vorangekommen, das Vertrauen kehrt allmählich zurück.“ Diese „Anpassungsprozesse“ führen dazu, dass man derzeit besser nicht krank werden sollte, wenn man beispielsweise Grieche ist. Ein Gastbeitrag von FR-Leser Hans Oette aus Neuenstadt.
Noch kein Durchbruch in der Euro-Schuldenkrise
von Hans Oette
Es gibt Erfolge bei der Bewältigung der Euro-Krise, doch noch keinen Durchbruch. Vor allem aber: Wie stabil ist der Untergrund? Wirtschaftsforscher berechnen mit viel EDV- Power die künftigen Wachstumsprozente. Aber Krisen, die die ganze Ernte wieder verhageln, sagen ihre Programme nicht voraus. Selbst über die Entstehung einer Krise gehen die Meinungen auseinander. Ökonomen versicherten 2008 anlässlich der Immobilienkrise in den USA, auf Deutschland könne die Krise nicht übergreifen. Denn im Gegensatz zu den USA würden sich hier die Verbraucher kaum verschulden, sondern fleißig Ersparnisse bilden. Die Krise kam trotzdem auch zu uns: Weil die deutschen Arbeitsplätze stark vom Export abhängig sind. Viele Abnehmer unserer Exportüberschüsse hatten durch ihren Import unsere Konjunktur gestützt, sich dabei überschuldet und fielen nun weg.
In der Weltwirtschaft werden unzählige Türme immer höher gebaut. Diese Türme sind Schulden. Mit der Höhe der Türme wächst auch die Einsturzgefahr, wobei sie sich auch gegenseitig zum Einsturz bringen können. Daneben steht unvorstellbarer Reichtum, der sich teils auf Sachwerte, weitgehend aber auch auf Forderungen gegen Andere gründet, die sich verschuldet haben. Alle Staaten, auch der deutsche, haben sich über die Finanzmärkte an reiche Eliten hoch verschuldet und müssen von dort in großem Umfang ständig neue Kredite bekommen, weil alte Kredite fällig werden. Deutschland schafft es immerhin, dass momentan sein Schuldenturm nicht weiter steigt. Das bedeutet aber nur, dass Deutschland seine Abflüsse auf die Finanzmärkte durch seinen gewaltigen Exportüberschuss von jährlich etwa 150 Milliarden Euro ausgleichen kann. Aber wie sollen dann die Länder klarkommen, die keinen Exportüberschuss haben, und erst recht die, die den deutschen Exportüberschuss aufnehmen? Sie haben Abflüsse auf die Finanzmärkte durch Zinsen, durch Transfers von nicht investierten Überschüssen reicher Personen und dazu noch durch Importüberschuss. Hier wachsen Schuldentürme, die für Andere Reichtumstürme sind, ständig weiter.
Es gibt Erfolgsmeldungen für südeuropäische Staaten, dass sie ihr Defizit reduziert hätten, unter dem Rettungsschirm hervorkommen konnten und international wettbewerbsfähiger geworden sind. Aber das konnten sie nur auf Kosten von Sparmaßnahmen (Reformen genannt), die mit wachsender Arbeitslosigkeit, Hungerlöhnen und Armut einhergingen. Und die Verschuldung dieser Länder steigt weiter, nur etwas langsamer. Sie könnten den Trend nur umkehren, wenn sie in großem Umfang Exportüberschüsse erzielen würden. Vielleicht ist ja der Planet Mars die Lösung: Alle Länder würden Exportüberschüsse erwirtschaften, und er nähme sie auf. So könnten die irdischen Reichtumstürme weiter wachsen. Aber der Mars wäre in kurzer Zeit hoffnungslos überschuldet.
Die Staatspleite vieler EU-Länder wird nur abgewendet, weil die Europäische Zentralbank sich verpflichtet hat, die Staaten notfalls zu finanzieren. Die EZB wird also deren Schuldverschreibungen, die ja immer wieder neu aufgelegt werden müssen (weil alte fällig werden), aufkaufen, wenn sie unverkäuflich werden sollten. Die EZB tut das entgegen ihren Statuten. Sie garantiert damit jedem Kreditgeber dieser Staaten neben dem satten Zins auch die Rückzahlung. Der momentane Betrieb wird so durch einen Trick aufrecht erhalten, der nach Meinung vieler Experten gefährlich ist. Selbst die EZB bezeichnet ihre Maßnahmen als Notbehelf, bis die Politik eine echte Lösung der Probleme findet. Die Lösung geht in der Richtung einer sozialeren Politik, die die wachsenden Abflüsse auf die Finanzmärkte nicht durch Kredite, sondern durch Besteuerung des Reichtums zurückholt.
Aber die Praxis sieht anders aus. Die Wirtschaft vieler Länder droht durch Abflüsse von Geld in Form von Überschüssen reicher Personen und durch Importüberschuss erdrosselt zu werden. Nun kommt aber die gute Nachricht: Die Länder können Kredite von den Finanzmärkten erhalten. Und es können Investoren in dem Land Produktionsstätten bauen, was dem Land Geld und Arbeitsplätze bringt. Das führt zu einem Aufblühen wie z. B. in der Türkei. Doch es entstehen dabei Geldforderungen und Eigentumsansprüche gegen das Land. Wenn ein Objekt abgeschrieben ist, also ausgedient hat, möchte der Investor deutlich mehr Geld eingenommen haben, als er anfänglich ausgab. Zugegeben, es kann neue Kredite und neue Investitionen geben. Aber das entspricht wiederum dem Turm der Verschuldung, der nicht unbegrenzt wachsen kann. Die cleveren Investoren ziehen daher beizeiten ihr Geld wieder ab, mit reichlich Gewinn. Der Milliardär und Finanzmarktstratege George Soros sagte einmal: „Statt wie ein Pendel, haben die Finanzmärkte in letzter Zeit eher wie eine Abrissbirne funktioniert: Eine Wirtschaft nach der andern haben sie zusammenbrechen lassen.“
Damit der Prozess „Investoren rein, Wirtschaft blüht auf“ überhaupt in Gang kommt, muss den Politikern erst einmal klar sein, wie man die Finanzmärkte günstig stimmt. Die Spitzenpolitiker eines ganzen Kontinents schauten schon öfter mit Bangen und Herzklopfen darauf, wie die Finanzmärkte am nächsten Morgen auf ihre Beschlüsse reagieren würden. Auf Beschlüsse, die sie im Eilverfahren an den Parlamenten vorbei gefasst hatten. Dabei ging es um Garantien in Form von Rettungsschirmen in schwindelnden Höhen. Also um die Stützung von Schuldentürmen, die einzustürzen drohten. Es wurde zu Recht kritisiert, dass die Parlamente im Vergleich dazu nur noch für das Kleingeld zuständig seien.
Die Finanzmarkttauglichkeit eines Landes beinhaltet möglichst niedrige Steuern, Sozial- und Umweltstandards. Das führte zu dem unseligen Steuersenkungswettbewerb. Öffentliches Gut, z. B. Verkehrsbetriebe und Krankenhäuser, müssen aufkaufbar sein und nach dem Aufkauf reichlich Gewinne abwerfen. Zum Leidwesen der Fahrgäste, der Patienten und des Personals. Auf das Unwesen der „Heuschrecken“ sei hier nur kurz hingewiesen. Ebenso auf das Landgrabbing, bei dem internationale Fonds große Teile von armen Ländern aufkaufen, auf Vorrat, oder um sie durch Abholzung und Raubbau zu ruinieren, ohne Rücksicht auf dort lebende Menschen. Der Artikel im Deutschen Grundgesetz, dass das Kapital sozialpflichtig ist, ist schon lange unwirksam und in der europäischen Verfassung schon gar nicht vorhanden. Der Staat muss wie ein wirtschaftliches Unternehmen geführt werden, also Personal und Ausgaben abbauen, wo es nur geht. Die Menschen in den von der Troika kontrollierten südeuropäischen Ländern leiden daher unter schlimmen Lohnkürzungen und einer hohen Arbeitslosigkeit. Allerdings ist in Deutschland die Kluft zwischen Arm und Reich EU-weit am größten (FR 27.02.14 Seite 1), nur eben auf höherem Niveau. Und es wachsen hier die prekären Arbeitsverhältnisse. Nicht umsonst ist Deutschland der Liebling der Finanzmärkte, der seine Kredite fast zinslos erhält.
Von den Finanzmärkten werden weltweit Vermögen in der Größenordnung von 100 Billionen Euro verwaltet. Obwohl ein großer Teil der Menschheit in Not lebt, wird die traditionelle Verwertung des großen Geldes weiter betrieben. Die Macht ist auf seiner Seite. Je größer die Kapitalmengen bereits sind, desto schneller wachsen sie (in Form einer Exponentialfunktion). Durch die Globalisierung, die EU-Erweiterung u. a. können immer mehr Länder auf der Erde erschlossen werden. Doch die Türme dürfen nicht weiter wachsen. Der Trend muss gestoppt werden, bevor die Schätze aller Länder den Finanzmärkten gehören, unsere Lebensgrundlagen zerstört und 90 Prozent der Menschheit in der Armutsfalle sind. Das sollte geschehen durch Einsicht. Durch Zusammenarbeit der Länder im Kampf um sozialen Ausgleich statt Unterwerfung unter die Finanzmärkte. Durch mehr Demokratie statt durch Freihandelsabkommen hinter verschlossenen Türen, die einen weiteren Schritt in der Entmachtung der Politik zugunsten der Wirtschaft darstellen. Durch Brüderlichkeit statt des immer härteren Konkurrenzkampfes auf den Weltmärkten, durch Außenhandelsgleichgewicht statt Aussaugens der Schwächeren durch Exportüberschüsse. Es muss die Produktivitätssteigerung zur Verkürzung der Arbeitszeit genutzt werden, sodass die menschliche Arbeitskraft nicht zur Ramschware verkommt. Dafür brauchen wir einen breiten Konsens und vielleicht auch religiöse Impulse wie die von Papst Franziskus.
Hans Oette, Neuenstadt
Zu dem was Herr Oette da geschrieben hat muss man nicht viel hinzufügen. Bei der letzten Bundestagswahl hat die Mehrheit der Deutschen, schon im Wahlkampf, klar signalisiert das sie das alles aber nicht hören wollen geschweige denn diskutieren. Das Steuerprogram der SPD war meiner Meinung nach ein kleiner Baustein der die Probleme angehen wollte. Über dieses Program wollte aber kaum einer diskutieren. Ich bin mal gespannt was aus dem Thema Banken wird. Da war ja mal angedacht das Banken auch abgewickelt werden wenn sie überschuldet sind. Ich würde sagen ähnlich dem Modell Zypern. Um dieses Thema ist es auch sehr ruhig geworden, also warten wir ab die nächste Finanzkrise kommt bestimmt. Vielleicht will dann ja das Volk sich auch damit beschäftigen.
Guter Beitrag.
“ unsere Lebensgrundlagen zerstört und 90 Prozent der Menschheit in der Armutsfalle sind. Das sollte geschehen durch Einsicht. “
Soweit wird es nicht kommen , eher ist es die Frage , wieviel Chaos und auch Blutvergiessen der Umbruch kosten wird .
Das Grundübel der Krise ist nicht mal ansatzweise gelöst , die extrem ungleiche Verteilung führt nicht „nur“ zu direkter Armut , sondern auch zu einer extremen Konzentration der Macht und diese wiederum verhindert , daß die Politik den Lobbies genug entgegensetzt.
Das kann nur gebrochen werden mit dem Druck der Bevölkerung , diese wiederum aber neigt dazu , erst dann zu rebellieren , wenn die Folgen bei ihnen vor der Haustür ankommen.
Es wird wohl zu einem zweiten Crash kommen , vorher wird die Bevölkerung nicht in ausreichendem Umfang reagieren , und der zweite Crash wird wie nach 1929 der weitaus schlimmere und tatsächlich existenzielle sein .
Wenn wir Glück haben , verläuft dieser Zusammenbruch schleichend und die Zeit ist länger , darauf zu reagieren .
Unter dem Aufmacher „Luxusautos für die Ehrlichen Portugal will mit einer Lotterie die Schattenwirtschaft in den Griff bekommen.“
„Die Welt“ vom 18.2.2014, Seite1 unten.
In Zukunft sollen Kaufbelege, auf denen die Mehrwertsteuer + persönliche Steuernummer angegeben wird als kostenlose Lotterielose verwendet werden können. Auf diese Weise wird Druck auf Geschäftsinhaber, die keine Rechnungen ausstellen, ausgeübt, die Mehrwertsteuer ordnungsgemäß abzuführen.
Das ist in den Südstaaten offensichtlich noch immer nicht der Fall.
Ein Blick auf die Realitäten in Europa dürfte nicht schaden. Hier wurde was in aller Eile zusammengefügt, was nicht zusammenpasst. Die hausgemachten Probleme werden immer wieder unter den Tisch gekehrt.
Bevor man in Deutschland über Steuererhöhungen diskutiert, sollte man erst sicherstellen, dass unsere Partner in Europa die einfachsten Steueregeln beachten.
Ein Gleiches gilt neben Portugal auch für Griechenland.
Die Hauptprobleme der Zukunft werden sein – leider nur sehr selten angesprochen :
1. Die Übervölkerung der Erde.
2. Die unkontrollierte Ausbeutung der Bodenschätze.
3. Der Klimawandel und seine Folgen.
Meiner Meinung nach sind die „satten Industrieländer“ – zu denen auch Deutschland gehört – vorerst nicht durch „Volksaufstände“ gefährdet.
Unruhen kommen aus den sog. Entwicklungsländern. Was sich daraus ergibt ? Ich weiß es nicht…