Deutschland hat gewählt, und herausgekommen ist dabei unter dem Strich etwas Gutes: Wir haben jetzt Klarheit über den Zustand unseres Landes. Nicht wegen der AfD. Deren Wahlergebnis ist ein Symptom, mehr nicht. Sondern wegen der CDU. Aber schauen wir zunächst aufs Wahlergebnis:
Neben dem Absturz der SPD, der nach dem Hype um den Spitzenkandidaten Martin Schulz im Frühjahr 2017 gewiss einer Erklärung bedarf, ist es vor allem das desaströse Ergebnis der CDU/CSU, das hier ins Auge sticht. Angela Merkel galt als populäre Kanzlerin, doch in diesem Wahlergebnis drückt sich offenbar eine Menge Misstrauen aus. Es ist das schlechteste CDU-Ergebnis seit 1949. Auch die Konservativen drohen nun also das Prädikat „Volkspartei“ zu verspielen, so wie die SPD es bereits verspielt hat. Was nicht heißt, dass die Sozis es nicht zurückgewinnen könnten. Dazu müssten sie allerdings die richtigen Fragen stellen. Doch zurück zur CDU.
Stellt Angela Merkel die richtigen Fragen? Zunächst einmal stellt sie sich hin und sagt auf einer Pressekonferenz, dass sie nicht wisse, was sie eigentlich anders machen solle. Selten hat sie so klar zu erkennen gegeben, dass sie den Bezug zur Wirklichkeit in diesem Land verloren hat. Es war maßgeblich ihre Politik, die zur Verschärfung sozialer Gegensätze und damit der Zukunftsängste führte. In der abgelaufenen Legislaturperiode hat sie dem Juniorpartner in der Koalition, der SPD, zwar das eine oder andere Bonbon gegeben, etwa den Mindestlohn, aber da, wo es ans Eingemachte gegangen wäre, hat sie gemauert, zusammen mit Wolfgang Schäuble und Horst Seehofer. Siehe Erbschaftssteuer, Vermögenssteuer, Finanztransaktionssteuer. Zugleich hat Merkel sich gern aufs internationale Parkett begeben, denn das brachte sie in alle Nachrichtensendungen. Doch mir klingt ihr „Wir schaffen das!“ noch im Ohr. Was hat sie dafür getan, dass „wir“ es schaffen? Sie hat eine große nationale Aufgabe ausgerufen, ohne die Nation einzubinden. In Sachen Integration war sie völlig phantasielos. Dafür, dass diese Aufgabe bewältigt wird, hat sie wenig getan, abgesehen von einigen Gesetzesverschärfungen, die mit der eigentlichen Herausforderung, der Integration, kaum zu tun haben. Die Strahlkraft jenes großartigen humanitären Akts, als Deutschland zahllose Flüchtlinge aufnahm, verblasst vor diesem Hintergrund, durch Merkels Schuld.
Merkels Bilanz ist alles andere als strahlend. Alle wesentlichen Fortschritte der vergangenen Legislatur sind auf ihren Koalitionspartner SPD zurückzuführen. Merkels eigenes Konto, das der CDU, ist eigentümlich leer. Das könnte damit zu tun haben, dass es Merkels Strategie entsprach, sich stets die Positionen anderer anzueignen und sie wie ihre eigenen aussehen zu lassen. So konnte der Eindruck entstehen, die Merkel-CDU sei nach links gerutscht. Oder in die Mitte. Jedenfalls war sie zuletzt nicht mehr rechts genug, um das Erstarken der AfD zu verhindern, und auch das ist Merkels Schuld.
Nun steckt sie in der Bredouille. Von rechts rückt ihr Horst Seehofer von der CSU auf den Pelz und macht mehr Konservatismus zur Bedingung für eine künftige Koalition. Von der anderen Seite – links möchte man dazu nicht sagen – kommt die FDP als möglicher Koalitionspartner, die aber wegen ihrer Regierungsbeteiligung zwischen 2009 und 2013 ein gebranntes Kind ist. Sie hat ihre Erfahrungen mit Merkels Regierungsstil. Die geringsten Probleme hätte Merkel wohl mit den Grünen, dem vierten Partner in einer Jamaika-Koalition. Aber die werden sich die Erfahrungen früherer Merkel-Koalitionäre hoffentlich eine Lehre sein lassen und einer Regierungsbeteiligung nur mit deutlich erkennbarer grüner Handschrift zustimmen.
Jetzt rächt sich, dass Merkel einen schlechten Ruf wegen ihrer Themengrapscherei hat. Sie wird in den anstehenden Koalitionsverhandlungen so viele Zugeständnisse machen müssen, dass ihr eigenes Profil – und damit das der CDU – endgültig unkenntlich zu werden droht. Die Koalitionspartner werden ihr diese Zugeständnisse abringen (müssen), um ihr eigenes Profil zu behalten und zu schärfen. Für Merkel bleibt wahrscheinlich tatsächlich nur, nach rechts zu rücken, konservativer zu werden, sich auf frühere CDU-Standpunkte zu besinnen und auf diese Weise letztlich zu zeigen, dass unser heutiges Deutschland einen solchen Konservatismus von gestern nicht braucht. Den Anklang einer solchen Positionierung konnte man schon aus ihrem persönlichen Nein bei der Abstimmung über die Ehe für alle herauslesen, das nun beinahe wie ein Menetekel wirkt.
Eine CDU, die wieder konservativer wird, macht links fast zwangsläufig Platz frei. Darin liegt eine Chance für SPD und Linke. Die Frage bleibt, ob es an Merkel sein wird, eine solche konservativere CDU zu führen. Es könnte sein, dass ihre Tage als Kanzlerin gezählt sind. Sie galt schon in der vergangenen Legislaturperiode als amtsmüde, hat sich aber dennoch zur erneuten Kandidatur entschlossen und nun ein Ergebnis eingefahren, dass ihr eine persönliche Enttäuschung bereitet haben dürfte. Sie sollte jetzt aufhören. Je früher, desto besser.
Bedenkt man, dass das Beste an der Lebenswelt des Einzelnen nicht von Menschenhand geschaffen ist und deshalb bereits existiert, noch bevor ein Handeln erfolgen kann, erstaunt es über alle Maße hinweg, welch hohe Bedeutung die Öffentlichkeit insbesondere dem Amt des Bundeskanzlers beimisst, dem dadurch lediglich zusteht, sich demütig in die Gegebenheiten einzufügen. Fraglich bleibt somit allein, ob die nunmehr nach den Bundestagswahlen unter Führung von Frau Merkel zu bildende Regierung sich dessen bewusst ist und künftig ihre Politik daran orientiert. Schießt sie wiederholt über das Ziel hinaus, schlagen seit jeher ihre eigenen Praktiken auf sie selbst zurück und sie kann nicht für sich beanspruchen, einer der zentralen Garanten der kommenden Freiheit zu sein. Der Soziologe Wolfgang Sofsky trifft als seines Zeichens einer der Schüler von Hans Paul Bahrdt letztlich den Nagel gleichsam auf den Kopf, wenn er jüngst kritisiert, dass Politiker in der journalistischen Berichterstattung angesichts ihrer insofern nur sehr eng begrenzten Möglichkeiten weit überrepräsentiert sind.
Die Ergebnisse der Bundestagswahl haben ein politisches Erdbeben erster Klasse ausgelöst. Denn sowohl die SPD, wie die CDU und die CSU stehen ohne erkennbare Identität, quasi nackt, im Freien. Welche ausreichende politische Schnittflächen CDU, CSU,FDP und Grüne eigentlich haben könnten, ist völlig unklar. Am gravierendsten für die CDU dürfte es sein, daß sich der Markenkern „Konservatismus“ unter Angela Merkel völlig verflüssigt, eben fast sozialdemokratisiert, hat. Derweil hadert die SPD nicht nur damit, den Begriff „ soziale Gerechtigkeit“ nicht mit greifbarem Inhalt füllen zu können, sondern an der Partei-Spitze mit Martin Schulz eine Gestalt ohne jegliches Charisma zu haben. Der FR-Leitartikel von Daniela Vates spricht sich in konsequenter Gedankenführung dafür aus, daß es sowohl für Angela Merkel wie für Horst Seehofer Zeit ist, zu gehen. Martin Schulz hat insgeheim schon längst entschieden, daß er einem anderen Genossen oder einer Genossin an der Spitze der Partei den Vortritt lassen muß.
Nach der Wahl überbieten sich die Medien an Merkelschelte. Eine Schelte an der CSU, welche die Rechte angefüttert hat, vermisse ich.
Um es vorweg zu sagen, ich finde in der politischen Suppe, die uns die Kanzlerin über die Jahre gekocht hat, gewiss viele Haare, aber gerade in der Situation im Au-gust 2015 hat sie – wenn auch etwas spät – absolut das Richtige und Notwendige getan. Erinnern wir uns. Die EU-Außengrenzen im Südosten werden überrannt. Mehrere Hunderttausend Flüchtlinge aus den Bürgerkiegsgebieten im Nahen Osten befinden sich auf der Balkanroute in Richtung Nord-Europa, viele mit dem Ziel Deutschland.
Hier bei uns hat der rechte Mob die Straßen erobert und liefert sich blutige Schlach-ten mit den Ordnungskräften. Pegida, AfD und sonstige Gruppierungen im rechten Spektrum erhalten starken Zulauf. Massenhaft werden Asylbewerberheime in Brand gesteckt. Allein die angezeigten rechtsextremen Straftaten kletterten 2015 auf 13 846 darunter 921 Gewalttaten mit 691 verletzten Personen. Ausländerfeindliche Übergriffe und die Hasskriminalität erreichten neue Höhepunkte. Da war es wohl an der Zeit und in diesem Fall wirklich alternativlos Einhalt zu gebieten und ein politisches Signal zu setzen. Mit dem Zuversicht stiftenden Satz „ Wir schaffen das“ signalisierte die Kanzlerin, dass diese Situation zwar außergewöhnlich aber durchaus zu managen ist. Der Bundespräsident appellierte an die Mitbürger, dass sich der Umgang mit Flüchtlingen in Deutschland ändern, vor allem aber menschenwürdiger werden müsse. Gerade für Parteien, welche das „C“ im Namen führen, zählte auch der humanitäre Imperativ.
An noch etwas sei erinnert. Im Jahr 1990 haben wir 16 675 Millionen staatenlose „Asylsuchende“ aus der Ex-DDR übernommen – auch hier wurden wir von außen mit uns fremden Neuankömmlingen überflutet. Trotz wohlklingender Versprechungen des hochdekorierten Altbundeskanzlers und dem Gefasel von „Blühenden Landschaften“ ist eine Integration dieser Menschen nicht gelungen – die Deutschlandkarten mit den Wahlergebnissen zeigen das überdeutlich. Eventuell wäre eine Zweistaatenlösung doch die bessere Alternative gewesen. Aber spätestens jetzt wäre der Osten Deutschlands ins rechte Lager des ehemaligen Ostblocks gewechselt.
Mich entsetzt weniger das Abschneiden der AFD – das war absehbar und hat seine tieferen Ursachen weniger in der sogenannten Flüchtlingskrise als in einer extrem ungleichen Verteilung des Reichtums in diesem Land sowohl was materiellen Wohlstand betrifft als auch der fehlenden Chancengleichheit. Das wird auch von kaum einer der etablierten Parteien bestritten – aber bis auf die Linken will da auch niemand ernsthaft ran. Viel bedenklicher finde ich das Frau Merkel in der „Elefantenrunde“ die einzige war die die vorübergehende Öffnung der Grenzen 2015 verteidigte (auch wenn ihre heutige Flüchtlingspolitik eine völlig andere nämlich die der Abschottung ist). Alle laufen der AFD hinterher, wollen die „rechte Flanke“ schließen (CSU) oder sehen grundlegende Fehler (Frau Wagenknecht und auch die SPD) die angeblich 2015 gemacht wurden. Inzwischen starben allein in diesem Jahr weit über 2.000 Menschen im Mittelmeer und die deutsche (und europäische) Flüchtlingspolitik besteht darin die Grenzen vor diesem (auch durch die Politik der sogenannten entwickelten Staaten verursachten) Elend zu schließen und Bündnisse mit den schlimmsten Diktaturen zu schließen um „uns“ zu schützen. Sieht so die Bekämpfung der Fluchtursachen aus? Und wen wollen sie noch reinlassen in unser gelobtes Land? – nur Menschen die „unserer“ Wirtschaft nützlich sind – das nenne ich Schmarotzertum. Ist eines der reichsten Länder der Erde nicht in der Lage seine benötigten Fachkräfte selbst auszubilden? Müssen dazu die Qualifizierten der 3. Welt abgeworben werden , was die Fluchtursachen nicht bekämpft sonder eher befördert? Warum setzen wir nicht alles daran die Geflüchteten z.B. durch eine gute Ausbildung zu integrieren und zudem eine faire Weltwirtschaft zu befördern die nicht nur an den Rohstoffen der 3. Welt interessiert ist oder diese mit „unseren“ Produkten überschwemmt wodurch die regionale Wirtschaft mangels Wettbewerbsfähigkeit weiter zugrunde gerichtet wird? Die Klimakatastrophe die in den kommenden Jahren weitere Millionen in die Flucht treiben wird ist doch in 1. Linie verursacht worden durch die „entwickelten“ Länder – auch das wäre ein Ansatzpunkt zur Ursachenbekämpfung. Doch dieses Thema spielte im Wahlkampf keine Rolle.
Wie zahlreiche andere Menschen arbeite ich seit über 2 1/2 Jahren ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe – wenn jetzt als „Lehre“ aus dem Wahlergebnis die „offenen“ Grenzen von 2015 und damit ein humanitärer Ansatz als grundlegender Fehler erkannt werden, dann ist das für mich das wirklich Erschreckende an dieser Wahl und der wahre Sieg der rassistischen AFD.
Mit besorgten Grüßen
Jochim Maack
Jamaica, oder Berliner Weiße mit Waldmeister Geschmack – ich freue mich darauf.
Konservatismus mit einem sozial-ökologischen Ansatz,
das Wahlergebnis könnte nicht besser ausgefallen sein.
Ein grüner Außenminister ist möglich, wie einst Joschka Fischer – Fischer war im Politiker Ranking fast durchgehend der beliebteste Politiker der rot grünen Bundesregierung.
Erneut ein grüner Außenminister, warum nicht ?
Eine angeschlagene CSU ist ebenfalls gut, für das Gleichgewicht der möglichen Jamaica Koalition.
Aber möglicherweise fehlt der Mut in der deutschen Politik, progressive Elemente aus dem sozialen und ökologischen Bereich in Verantwortung mit aufzunehmen.
Ich wünsche mir den Mut in der deutschen Politik, diese Koalition zu sondieren und zu ermöglichen.
Man kann den Grünen nur zurufen : Opposition ist Mist
Die Grünen befürchten den Verlust von Stammwählern, sollten sie die Oppositionsrolle aufgeben und in eine Regierung eintreten.
Die Grünen sollten sich Franz Münteferings Ausspruch entsinnen.
Fundamentale Opposition ist auch tatsächlich Mist, wie es die USA gezeigt haben, während der Obama Jahre.
Blockierte parlamentarische Arbeit, das ist eben Fundamentalopposition.
Damit vertreten sind aber bereits zwei Parteien im neuen Bundestag, mit der Linke und der AfD.
Ich würde es sehr bedauern, würden die Grünen Sondierung und Koalition ausschlagen, um keine Stammwähler zu verlieren.
Dabei sind die Werte der Grünen seit der ersten Koalition 1998 stabil geblieben.
1998 waren es 8,6 %
2017 sind es 8,9 %,
die Stammwählerschaft der Grünen ist seit Jahren stabil zwischen acht und neun Prozent.
Liebe Grüne : Opposition ist Mist !
@ Stefan Vollmershausen
Keine Angst! Die Grünen wollen an die Macht und die werden in die Regierung eintreten.
Mit der CDU kommen sie blendend zurecht.
Die Linken sind keine Fundamental-Oppositionellen. Aber ein paar Prinzipien haben sie schon noch.
Auf die altväterlichen Sprüche von Müntefering kann verzichtet werden. Der hat schon viel Mist von sich gegeben, falls man sich daran noch erinnern möchte.
Wer in demokratischen Staaten wirklich die Verantwortung trägt, sind, das sollte man nicht vergessen, der Wähler und die Wählerin. Ohne sie kommt kein Politiker an die Macht bzw. behält seine Machtposition. Dieser Souverän hat immer noch mehrheitlich Merkel gewählt. Das Thema soziale Gerechtigkeit hat offenbar zu wenige interessiert, die meisten setzen offenbar weiter auf Neoliberalismus – was das Wiedererstarken der FDP sehr deutlich zeigt. Dann muss es halt so weitergehen wie bisher.
@ Bronski:
Zunächst volle Zustimmung zu Deinem Eingangsstatement.
(1) „In Sachen Integration war sie völlig phantasielos. Dafür, dass diese Aufgabe bewältigt wird, hat sie wenig getan.“
Das ist sicher völlig richtig. Doch scheint mir das keine Beobachtung zu sein, die alleine Merkels Regierungsstil kennzeichnet. Ich erlebe das genauso hier in Frankreich. Wir haben fast 2 Jahre als Flüchtlingshelfer mit der örtlichen staatlichen Flüchtlingshilfe zusammengearbeitet. Nun sind wir an dem Punkt angekommen, dass wir die (vor allem menschliche) Inkompetenz, die auf Ausnutzung privaten Engagements bei gleichzeitiger bürokratischer Destruktion statt „Hilfe“ hinausläuft, nicht mehr zu ertragen bereit sind. Wir sind dabei, unsere eigene, von diesen Strukturen unabhängige, „association“ zu gründen.
(2) „Merkels Bilanz ist alles andere als strahlend. Alle wesentlichen Fortschritte der vergangenen Legislatur sind auf ihren Koalitionspartner SPD zurückzuführen. Merkels eigenes Konto, das der CDU, ist eigentümlich leer.“
Mir erscheint die Situation von Merkel (und mehr noch von Seehofer) noch um einiges ungemütlicher als die der SPD. Die hat zumindest die Konsequenzen erkannt und eine klare Entscheidung getroffen (die ich voll unterstütze).
Dagegen zeigt insbesondere Seehofer mit seinem Gelavere vom „Schließen der rechten Flanke“, dass er nicht in Ansätzen begriffen hat, was hier eigentlich vor sich geht – hat doch gerade seine Anbiederung an AfD-Positionen zu dem für ihn desaströsen Ergebnis geführt.
Das Desaster der CDU interpretiere ich wie folgt:
Angela Merkel hat sich so sehr an ihre „Erfolgsstrategie“ gewöhnt, einerseits mit nichtssagenden Floskeln jegliche Kritik an sich abplatzenzu lassen, andererseits schonungslos sich alle Erfolge von anderen zusammenzuklauen. Wurde ihr dies doch von „dem Wähler“ auch immer honoriert. Zu verlockend, zu meinen, dass dies ewig so weiter gehen müsse, um das Fanal zu erkennen.
Für „Jamaika“ verheißt das nichts Gutes, und ich bezweifle, dass sie es noch eine Legislaturperiode durchstehen wird.
(3) Für die Analyse bedeutet dies Folgendes:
Es wäre angemessen, nüchtern den Híntergünden der Merkelschen „Erfolgsstrategie“ nachzugehen, die offensichtlich mit einer Verwirrung breiter Wählerschichten einhergeht, welche nicht zwischen Schein und Inhalt, zwischen Autoren zukunftsweisender Ansätze und deren Plagiatoren unterscheiden können.
Nun wird aber „der Wähler“ als ein ominöses, jeglicher Kritik enthobenes Wesen angesehen und eine solche Überlegung als „Wählerbeschimpfung“ abgetan. Mit der Folge, dass mancher (auch „Linker“) in gerade masochistischer Weise oft allen Mist auf „der“ SPD auszukippen oder sich genüsslich in allgemeiner Politikerschelte zu ergehen pflegt.
Was dann nicht nur Wasser auf die Mühlen der AfD ist, die von eben solchem „Frust“ lebt. Das sagt auch wenig oder nichts über die Beschimpften (hier: die SPD) aus, umso mehr über die Verdrängungsmechanismen derjenigen, die so höhnen.
Dieser Mechanismus erscheint mit dem Nimbus der „unangefochten Thronenden“ angekratzt. Und befreit von der Rolle des Juniorpartners, auf den alles Negative projiziert werden kann, bietet sich für die SPD mithin die Chance, auch hier Klartext zu sprechen.
(4) „… aber da, wo es ans Eingemachte gegangen wäre, hat sie gemauert. (…) Siehe Erbschaftssteuer, Vermögenssteuer, Finanztransaktionssteuer.“
Verständlich. Schließlich geht es bei diesem „Eingemachten“ um die entscheidende ökonomische Basis der Union, ohne die – und das weiß Frau Merkel – ihr Stern längst verblasst wäre. (Ein Grund übrigens, warum ich die Spekulation auf Rot-Rot-Grün in der letzten Legislaturperiode für Traumtänzerei halte. Denn eine solche Koalition wäre in Teufels Küche gekommen.)
Auch hier ein Punkt, wo sich Möglichkeiten ergeben, die Nebenwirkungen des Narkotikums „Uns geht es gut“ unverblümt aufzuzeigen.
Meine Wählerschelte – die ich auch für völlig berechtigt halte! – geht in die Richtung, dass allzu viele allzu sehr aus dem Bauch heraus handeln: 1. Sympathie für die angeblich so verlässliche Frau Merkel: ihr „Weiter so“ und „keine Ahnung, was ich anders machen sollte“ ist die Beruhigungspille für viele – nach wie vor allzu viele mit über 30 %. 2. das Bedürfnis, nicht allzu viel nachdenken zu müssen bzw. komplexe Zusammenhänge erkennen zu können oder wollen. Gerade in der Wirtschafts- und Finanzpolitik, der Handelspolitik sowie den Hintergründen für die Einwanderungs- und Flüchtlingsbewegungen und deren Zusammenhängen überfordern viele Menschen. Die gräßlichen Laberrunden namens Talkshows dienen ebenfalls keineswegs der Klärung solcher Zusammenhänge. Wo sollen die Leute das finden? Lernen sie das etwa noch in der Schule? Können die Landeszentralen für politische Bildung da noch was ausrichten? Liest wer noch Zeitungen außer den Blödblättern? Schon – aber auch da vermisse ich oft Zusammenhänge und höre, sehe, lese oft sehr kurzatmige Berichte/Kommentare. Komplexität ist mühsam. Aktuelles Zeitgeschehen im großen Zusammenhang darzustellen und zu begreifen kostet Zeit und Mühe und vor allem das Interesse daran.