Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) tritt noch einmal an — zuerst für den CDU-Parteivorsitz und dann als Spitzenkandidatin der CDU bei der Bundestagswahl in zehn Monaten. Man muss diesen Vorgang nicht unbedingt „erschreckend alternativlos“ finden wie mein FR-Kollege Stephan Hebel in seinem Kommentar, denn es hätte durchaus Alternativen gegeben — doch die wollten offenbar nicht. Ursula von der Leyen, Thomas de Maizière oder Wolfgang Schäuble sind als Parteigrößen nach drei Legislaturperioden Merkels noch übrig von einem ursprünglich sehr viel breiter aufgestellten Spitzenpersonal. Einer wie Wolfgang Schäuble wäre als Protagonist des konservativen Flügels sicher auch viel besser geeignet als Merkel, um die AfD am rechten Rand klein zu halten. Aber die CDU ist ja heutzutage eine Partei der Mitte und keine konservative Partei mehr. Merkel hat sie dorthin gerückt, in die Mitte. Und weil die CDU schon immer ein Kanzlerwahlverein war, in dem man sich in entscheidenden Situationen hinter der Führung versammelt, gibt es auch von den Teilen der CDU, die man vielleicht noch als konservativen Flügel bezeichnen könnte, keine offene Kritik an Merkels Entscheidung.
Schlaftabletten-Regierungsstil
Es war anscheinend eine ziemlich einsame Entscheidung, in der viele Faktoren zusammenkamen, auch die Wahl in den USA und der Besuch von US-Präsident Barack Obama. Vielleicht glaubt Merkel selbst wirklich, dass sie jetzt so etwas wie die letzte Stütze des Westens gegen den Populismus ist. Für die politische Kultur in Deutschland wäre eine vierte Legislaturperiode Merkels dennoch fatal. Erinnern wir uns an die letzte Legislaturperiode von Helmut Kohl, die bleierne Zeit — so etwas soll nun wieder auf uns zukommen?
Merkel war zwölf Jahre Kanzlerin, wenn im September 2017 gewählt wird. Die Deutschen kennen sie und ihren Schlaftabletten-Regierungsstil. Merkel steht für „Weiter so“, nicht für frischen Wind. In Deutschland nicht und auch nicht in Europa. Deutschland aber braucht Erneuerung. Wir brauchen Politiker, die für Ideen streiten, wir brauchen einen Wettbewerb um Ideen.
Es könnte durchaus sein, dass der kommende Wahlkampf ein solcher Wettbewerb wird, denn das Wahlergebnis ist offener denn je. Selbst die Volkspartei CDU kann sich nicht mehr darauf verlassen, dass ihr Stimmenanteil ausreicht, um anschließend mit einem einzigen Koalitionspartner eine Regierung zu bilden. Von absoluter Mehrheit ganz zu schweigen. Nur mit der SPD wäre eine solche Zwei-Parteien-Regierung noch möglich, aber die hat hoffentlicht gelernt, dass es ihr unter einer Kanzlerin Merkel niemals gelingen wird, sich zu profilieren und die eigenen Verdienste herauszustellen. Opposition mag Mist sein, wie einst Franz Müntefering pointiert formulierte, aber Juniorpartner in einer großen Koalition ist größerer Mist, weil man angesichts einer alles überstrahlenden Kanzlerin schlicht untergeht. Und zwar auch dann, wenn man für verschiedene sozial benachteiligte Gruppen etwas erreicht hat.
In den derzeit aktuellen Umfragen (Emnid: CDU: 33; SPD: 24; Grüne 12; FDP 5; Linke 9; AfD 13. INSA: CDU: 31,5; SPD: 22; Grüne: 10,5; FDP: 5,5; Linke: 10,5; AfD: 15 Prozent, zitiert nach Wahlrecht.de) hätte selbst eine große Koalition nur noch 55 Prozent der abgegebenen Wählerstimmen. Weder CDU mit Grünen noch SPD mit Grünen und Linken hätte eine Mehrheit. Beim derzeitigen Stand kommt die AfD wohl sicher in den Bundestag. Wie sich die Mandate dann verteilen, hinge bei gegenwärtiger Lage davon ab, ob die FDP den Einzug schafft. Am Ende könnte es gerade diese Partei sein, die mal wieder, wie sie das schon oft getan hat, das Zünglein an der Waage spielt.
Diese Zahlen sind nur ein Stimmungsbild, aber sie zeigen, dass eine Kanzlerin Merkel keineswegs als gesetzt gilt. Diese Situation wird Merkel dazu zwingen, mit klaren Positionen in den Wahlkampf zu gehen. Einen Wischi-Waschi-Wohlfühlkampf wie 2013 wird sie schon deswegen nicht führen können, weil ihr die Populisten von rechts mit scharfen Parolen im Nacken sitzen. Es dürfte spannend werden zu erleben, wie eine Kandidatin Merkel, deren Markenzeichen so etwas wie präsidiale Inhaltslosigkeit ist, plötzlich mit Inhalten versucht, die Populisten zu stellen. Das dürfte eigentlich nicht allzu schwer sein, wenn man sich das Wahlprogamm der AfD ansieht, aber dazu müsste Merkel nach rechts rücken. In der Mitte, also da, wo sie jetzt ist, gibt es für sie nichts mehr zu holen, dort hat sie alle Stimmen eingesackt. Die CDU bröckelt am rechten Rand, da, wo sie ihre Bindungskraft als konservative Volkspartei verloren hat. Doch wenn sie nach rechts rückt, macht sie wiederum in der Mitte Platz, was die SPD nutzen könnte …
Anmerkung für die folgende Diskussion
Hier im FR-Blog richtet sich der Fokus der Diskutierenden traditionell meist ganz schnell auf die SPD. Ich möchte ausdrücklich darum bitten, diesmal schwerpunktmäßig die Situation der CDU zu diskutieren, die Situation Merkels. Vielen Dank!
Leserbriefe
Bernd Bremen aus Aachen kommentiert Merkels Kandidatur:
„55 Prozent der Deutschen wünschen sich eine erneute Merkel-Kandidatur: Offensichtlich greifen sie in Zeiten der (gefühlten) Not gerne zur Schlaftablette; ohne natürlich zu bedenken, dass die Probleme beim Erwachen nicht verschwunden, sondern womöglich noch drängender geworden sind.“
Wolfgang Walther aus Hanau:
„Mit der Erklärung der Bundeskanzlerin am Sonntag, 2017 erneut für dieses Amt zu kandidieren, hat Angela Merkel den Bundestagswahlkampf eröffnet. So die einhellige Meinung der Kommentatoren in der Tagesschau am Abend. Und nur zwei Stunden später hat die ARD mit Anne Will der CDU-Spitzenkandidatin eine 60-minütige Wahlsendung ermöglicht. Ein Schelm, der Böses dabei denkt! Die ARD muss sich allerdings fragen lassen, ob sie dem zukünftigen Kandidaten oder der Kandidatin der SPD ebenfalls einen einstündigen Wahlkampfauftritt zur besten Sendezeit einräumt.“
Dieter Hooge aus Frankfurt:
„Dankenswerterweise weist die FR am 21.11.2016 in ihrem Beitrag „‚Verläßliche Partnerin‘ der Unternehmen“ daraufhin, dass Merkel in erster Linie auch eine Kanzlerin der Bosse ist. Möglicherweise noch intensiver als Ex-Kanzler Schröder. Deswegen kann das Unternehmerlager auch nicht seine unbändige Freude kaum verbergen, das Merkel es noch mal wissen will.
Sie hat in den vergangenen Jahren konsequent nichts, aber auch gar nichts am neoliberal durchsetzten Kapitalismus bunderepublikanischer Prägung auszusetzen gehabt. Sie steht fest an der Seite der Unternehmen und ihrer Lobbyverbände. Das wird immer wieder bei ihren „leidenschaftlichen“ Grußworten bei den Tagungen des Bundesverbandes der deutschen Industrie und der Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände mehr als deutlich. Da ist sie ganz Unternehmer-Versteherin.
Zu dem ökonomischen und gesellschftlichen Skandal, dass die Schere bei uns zwischen Arm und Reich immer mehr auseinander geht, fiel ihr bisher nichts ein. Vermögenssteuer: nicht ihre auf ihrer Agenda. Unternehmergewinne in astromischer Höhe: völlig o. k.. Soziale Gerechtigkeit, deregulierte Arbeitswelt – ihr Thema ist das nicht. Massenhafte Kinderarmut im Zusammenhang mit Hartz IV auch nicht. Dafür aber ist sie eine glühende Anhängerin einer beinharten Austeritätspolitik nicht nur bei uns, sondern auch bei den EU-Staaten, zuvörderst in Griechenland. Das alles wird sichtbar, wenn man ihre routinierte, freundlich perfekte Fassade beiseite schiebt.
Daran wird sich nichts ändern, wenn sie im nächsten Jahr bei der Bundestagswahl erneut obsiegt. Leider, denn ein Politikwechsel ist in unserem Land dringender denn je.
Und dann wird da noch in dem FR Artikel der DGB-Vorsitzende Hofmann zietiert, die SPD solle nun schnell auch einen Kanzlerkandidaten bennennen. Wie sagte einst Tucholsky: ‚Meine Sorgen möchte ich haben!'“
Jürg Walter Meyer aus Leimen:
„Sie liebt mich, sie liebt mich nicht … Was für Jungverliebte vielleicht heute noch möglich ist, geht für eine deutsche Bundeskanzlerin in keiner Weise. Herr Röttgen ist vorgeprellt und wurde prompt zurückgepfiffen – ganz Deutschland schaut gebannt nach der Bundeskanzlei, wann dort der weiße Rauch aufsteigt.
Das ist ein unhaltbarer Zustand. Präsident Barack Obama zeigt auf, wie dieser Missstand behoben werden kann: Amtszeitbeschränkung für den Bundeskanzler, die Bundesminister (w./m.). O-Ton Obamas: „Ich denke, es ist eine sehr gesunde Einstellung, wenn es in einem so großen und vielseitigen Land wie dem unsrigen eine Abwechslung gibt, so dass man – um einen Begriff aus dem Basketball zu verwenden – frischere Spieler, frischere Beine hat und nun den Staffelstab wirklich an den Nächsten übergibt.“ (April 2016 anlässlich der Messe-Eröffnung in Hannover). Zu einem Journalisten sagte er, dass er Angela Merkel nicht darum beneidet, dass es keine Mandatsbeschränkung gibt.
Es steht Deutschland gut an, wenn es seine Demokratie noch weiter ausbaut. Eine Amtszeitbeschränkung hat zur Folge, dass allen Strippenziehern klar ist, dass sie in spätesten 8 Jahren (2 Amtszeiten) neue Kräfte bereitstellen müssen. Ein Bundeskanzler, eine Bundeskanzlerin kann dann nicht mehr das ganze Feld von KonkurrentInnen, d.h. möglichen NachfolgerInnen abräumen: er/sie ist gezwungen an die Zeit nach ihm/ihr zu denken. Zurzeit sieht es leider eher danach aus, dass die Bundeskanzlerin denkt: ‚Nach mir die Sintflut‘.“
Robert Maxeiner aus Frankfurt:
„Weitere Demokratieentleerung müsste dringend verhindert, der Rechtsstaat besser geschützt werden, eine alternative Flüchtlings-, Sozial-, Finanz- und Wirtschaftspolitik tun not, und Angela Merkel kündigt an, weitere vier Jahre so weiter machen zu wollen. Sie meint sogar, sich leisten zu können, unsere Erwartungen zu dämpfen. Dies mögen wir Bürger ihr bei der nächsten Bundestagswahl bestätigen, als handelte es sich um eine Übung in Gleichmut und Ignoranz, eine Art Stillhalteabkommen mit Wählerinnen und Wählern, oder als sollten wir ausserhalb unserer Arbeit in ein künstliches Koma oder einen Konsumrausch, falls wir ihn uns leisten können, versetzt werden. Welche Partei neben der CDU/CSU regiert, ist nur von marginaler Bedeutung. Die SPD in der großen Koalition macht es uns vor, wie man in einem Obrigkeitsstaat als Erfolg zu verkaufen versucht, wenn man den Konzernen etwas mehr als ein paar Almosen entlockt, deren Sponsoring und gut für Werbezwecke. In diesem Klima des Weiter-so-Halbschlafs gedeihen demokratiefeindliche Blüten wie die AfD besonders gut, aber wie Herr Hebel in seinem Kommentar vermutet, kann es der Kanzlerin recht sein, indem sie von deren Einzug in den Bundestag profitiert. Um so leichter lässt sich diese stinkreaktionäre Konzernokratiepolitik, assistiert vom rassistisch-nationalistischen Geschwafel der CSU als Politik der Mitte verkaufen.“
Sigurd Schmidt aus Bad Homburg:
„Seit 1949 ist die CDU ein Kanzler-Wahlverein – zusammen mit der ständig maulenden CSU. Das sieht man auch jetzt: Angela Merkel hat sich zur Verfügung gestellt für einen erneuten Bundestagswahlkampf mit der Aussicht auf eine vierte Kanzlerschaft. In ihrer Ansprache an die deutsche Bevölkerung hat Angela Merkel deutlich gemacht, dass ihr der Entschluss nicht unbedingt leicht gefallen ist. Dieser Eindruck war von ihr – nach dem Ermessen des Zuhörers – nicht gespielt, sondern eher aufrichtig. Nur: Kanzlerwahlverein bleib Kanzlerwahlverein. Die Union – sowohl CDU wie CSU – sind interessiert, die Bundestagssitze zu behalten oder gar auszubauen. Eine in irgendeiner Weise inhaltliche Entscheidung haben heute die seitens der CDU beteiligten Zuhörer bei der zunächst CDU-internen Zusammenkunft mit der Kanzlerin gerade nicht getroffen. Diese Hörigkeit gegenüber dem jeweiligen Kanzler(in) beeinträchtigt die Glaubwürdigkeit der CDU als Partei. Daran ändert auch nichts die Tatsache, dass sich angeblich eine Mehrheit der Bundesdeutschen für eine weitere Kanzlerschaft von Angela Merkel ausgesprochen haben. Demokratie verträgt aber keine Bequemlichkeit!“
Dennis Riehle aus Konstanz:
„Die Klatsche war deutlich. Ministerpräsident Kretschmann hatte sich mit Leidenschaft gegen die Forderung nach einer Wiedereinführung der Vermögenssteuer ausgesprochen – auch wenn sie nur für „Superreiche“ gelten möge. Er argumentierte mit Erfahrungen aus seinem Bundesland, die ihm verdeutlichten, dass eine derartig zusätzliche Abgabe nicht nur der Wirtschaft schaden könne, sondern auch dem Standort Deutschland, als angenehmer Alterswohnsitz für Millionäre. Die Anhäufung von immer mehr Profiten ohne Besteuerung, das wollte die grüne Mehrheit nicht, die Delegierten votierten für Trittin und seine Mitstreiter. Und auch bei der Sanktionierung von „Hartz IV“-Empfängern gab es eine klare Linie gegen den „Realo-Flügel“.
Dass die Entscheidungen sinnvoll gewesen sind, zeigten die gleichzeitig bekannt gewordenen Pläne des Bundesfinanzministers, der wieder einmal deutlich machte, warum Donald Trump zum Präsidenten der USA gewählt worden war. Oberflächlich scheint es auch in Deutschland keine Wechselstimmung zu geben, Angela Merkel gilt als unumstößlicher Fels. Doch hier wie dort brodelt es in der Tiefe des Wutbürgers. Aktuelle Studien zeigen: Eine von Politikern gefühlt noch so vernünftige Programmatik erreicht die Menschen nicht mehr. Offenbar wird vielen Parteien überhaupt nicht klar, dass sie die Bevölkerung abhängen, wenn sie in der Finanzkrise den Steuerzahler für Fehler der Ökonomie heranziehen und – anscheinend daraus überhaupt nichts gelernt – nun Autobahnen teilprivatisieren wollen, um Banken und Versicherern noch mehr Geld aus Taschen der Allgemeinheit in den Rachen zu stecken.
Die CSU hat es angekündigt: Das Ziel des kommenden Wahlkampfes ist die Verhinderung einer „linken“ Mehrheit. Es steht ein klassischer Lagerwahlkampf bevor. Das scheint angesichts der trügerischen Stille unter einer Kanzlerin, die müde in ihrer Führung wirkt, tatsächlich notwendig. Die „Grünen“ haben einen klaren Akzent gesetzt und offenbar einen feinfühligeren Riecher gezeigt als ihr Parteikollege aus Stuttgart, dem wohl endgültig ein Wechsel zu den Christdemokraten nahegelegt werden muss.“
Obgleich schon länger Klarheit darüber bestand, dass Merkel keinen Gegenkandidaten haben würde – dieser wäre mit Sicherheit wieder weggelobt worden – hat ein Großteil der Medien, als wäre ein neues Weltwunder geschehen, tagelang jede Nachricht mit der Meldung über die Kandidatur von Merkel berichtet.
Wie ein Großteil der vorstehenden Leserbriefe zutreffend betont, und wie bereits vor der letzten Bundestagswahl durch – bestellte oder auch manipulierte – Meinungsumfragen ist sie hochgejubelt und natürlich vom Unternehmerlager als dessen Kandidatin begrüßt worden.
Die Verpflichtung nach Art. 1 Abs. 3 GG, nach der die Grundrechte, so auch das Sozialstaatsgebot, insbesondere die vollziehende Gewalt als unmittelbar geltendes Recht binden, ist entweder in Vergessenheit geraten, dann sollten der Vertreter eiligst nicht nur von den Abgeordneten der Linken, daran erinnert werden, oder aber, was noch schlimmer wäre, wird sie absichtlich missachtet; in diesem Fall sollte das Recht zum Widerstand nach Art. 20 Abs. 4 wachgerufen werden!
Nach drei Wahlperioden Merkel müssten die Bürger doch endlich gemerkt haben, was sie von dieser Kanzlerin zu erwarten haben: Nichts. Denn alle unsozialen Projekte wie Austerität, Steuerhinterziehung o.ä. gingen von Schäuble aus, irrsinnige Maßnahmen wie PKW-Maut, Betreuungsgeld,Zahlung der Mütterrente aus der gesetzlichen Rentenkasse, Zulassung von Glyphosat und Rückendeckung für Klimaverschlechterung gingen von der CSU aus, während die positiven Leistungen der letzten Legislaturperiode von der SPD ausgingen, die sich jedoch leider im Gegensatz zur CSU bei ihren Projekten wie Mindestlohn o.ä. nie konsequent durchsetzen konnte.
Und wenn nunmehr Merkels Stellvertreter Bouffier und Strobl für eine schwarz-grüne Koalition werben, die bekanntlich auch von maßgeblichen Grünen wie Kretschmann oder Göring-Eckardt favorisiert wird, sollte den Sozialdemokraten endlich ein Licht aufgehen, dass sie sich mit dem häufigen Nachgeben in der Regierungskoalition und zuletzt mit der Installierung von Steinmeier zum Kandidaten für das Grüß-August-Amt ihr Grab als Regierungspartei geschaufelt hat. Denn als Juniorpartner der Union hat sie sich kein Profil schaffen können (Kurt Tucholsky sagte bereits: Die Sozialdemokraten glauben, sie sind an der Macht, dabei sitzen sie nur in der Regierung) und mit der Zustimmung der Union für Steinmeier als Präsident hat sie die Chancen für rot-rot-grün endgültig verspielt.
Somit verliert sie einen Außenminister, der wenigstens den Kontakt zu seinem russischen Amtskollegen Lawrow aufrecht erhalten und damit zur Beilegung internationaler Krisen gesorgt hat, was anschließend in den Sternen steht.
Und bei Merkel ist bereits seit der letzten Wahl festzustellen, dass sie verbraucht ist. Weder auf nationaler noch auf internationaler Ebene ergreift sie brauchbare Initiativen. Ein mit Raute dahergelispeltes „Wir schaffen das“ bewirkt keinerlei Verbesserungen für die Asylsuchenden und auch nicht für die Eingesessenen, hierzu bedarf es auch konstruktiver Maßnahmen, so z.B. auch die Wahrnehmung ihrer Richtlinienkompetenz gegenüber der Schwarzen Null, um die Situation zu entspannen oder von Restriktionen gegenüber der Koalition der Unwilligen, und vor allem ist ihre Unterwerfungsstrategie gegenüber Erdogan völlig gescheitert.
Nun ja, Jürg Walter Meyer, der Vorteil der Begrenzung bei der Wiederwahl von Präsidenten in den USA hat dazu geführt, dass dort ab Januar ein Donald Trump regieren wird. Ob das die begrüßenswerte Alternative ist?
Auch der sehr widersprüchlichen Kritik an der Kanzlerin kann ich nicht ganz folgen. Einerseits bedauern einige Leserbriefschreiber (und Bronski scheint diese Ansicht zu teilen) dass die Merkel-CDU weiter in die Mitte gerückt ist und deshalb konservativen Wählern keine Heimat mehr bietet, andererseits wird ihr dann wieder eine zu konservative Politik (einseitige Unterstützung der Wirtschaftsführung, Desinteresse an der Armut im Land) vorgeworfen.
Ich habe nie in meinem Leben CDU gewählt, aber kann man es nicht auch mal schaffen, Frau Merkels Verdienste z.B. beim Umgang mit den Flüchtlingen und als Vermittlerin in der Ukrainekrise anzuerkennen? Wer soll denn in Zukunft noch das demokratische Europa vertreten? Der blasse, unbeliebte Hollande, die gerade im Ausstieg begriffene Frau May oder der wankelmütige Ceta-Gabriel? Die Kanzlerin hat es doch immerhin als einzige geschafft, eine Mahnung gegenüber dem designierten Präsidenten Trump anzubringen, indem sie ihm ihre Zusammenarbeit (nur) auf dem Boden von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit anbot.
Im Übrigen sind es die Wählerinnen und Wähler, die entscheiden, wie die Politik in Zukunft weitergeht. Wenn sich keine Mehrheit für eine wirklich linke Politik findet, dann hat die Bevölkerung, der Souverän, das so entschieden und trägt die Verantwortung für die Konsequenzen.
FR-Blog,Merkels freundlich-perfekte Fassade,23.11.16
Ich schließe mich der Argumentatio von Brigitte Ernst an, auch als einer, der nie bei „Merkel“ sein Kreuz gemacht hat und machen wird.
Ich halte Bronskis Argumentation gegen eine 4. Amtsperiode Merkels für bedenklich. Insbesondere, da jegliche Überlegung zu Alternativen fehlt. Und könnte eine zu erwartende Destabilisierung der CDU denn wirklich für die SPD z.B. von Interesse sein? Eine solche würde nicht an den Grenzen der Union halt machen, sondern noch wesentlich mehr erfassen. In welcher Richtung, ist wohl klar.
Ähnliches gilt für die Spekulation, eine nach rechts rückende Union könne der SPD mehr Platz verschaffen. Verlockend, aber gefährlich, zumindest solange eine linke Mehrheitsbildung zumindest unwahrscheinlich erscheint. Was kein Appell im Sinne des CDU-Slogans der 50er Jahre sein soll. Doch dieser frei werdende Platz könnte auch wieder von ganz anderen eingenommen werden.
Die AfD ist schlagbar , aber warum müßte die CDU dafür nach rechts rücken?
Das ist ein weit verbreiteter Irrtum , daß eine Partei in die eine oder andere Richtung gehen müsse , um Gefahren abzuwehren.
Volksparteien funktionieren anders – es ist sehr wohl möglich , mit linker Politik eine rechte Gefahr kleinzukriegen , und es ist möglich , mit konservativer Politik eine Gefahr von links abzuwehren (aus der jeweiligen Sicht gesehen).
Ein konkretes Beispiel , das aktuell sehr wesentlich ist:
Hartz 4 sorgt für ein hohes Erpressungspotenzial durch die Arbeitgeber. Das sorgt dafür , daß die Löhne zu niedrig sind , was wiederum die Möglichkeiten im Mittelstand dezimiert und für eine weitere Verteilung nach oben hin führt.
Das wiederum sorgt für ein Abschmelzen des Mittelstands und für die Abstiegsängste desselben , der wiederum ein großer Antriebsfaktor für die Rechten ist.
Mit einer linken Alternative zu Hartz 4 könnte man den Rechten einen erheblichen Teil ihrer Kraft nehmen.
Nach rechts zu rücken ist hochgefährlich für die Union , das führt nur zu einer weiteren Stärkung der AfD und zu französischen Verhältnissen , wo der FN dabei ist , zur stärksten Kraft im rechten Lager zu werden.
Die Union braucht eine eigene konservative Politik. Bei Flüchtlingen würde das heißen , Geld in die Hand zu nehmen und gleichzeitig fragwürdige Deals zu unterlassen , also klassischer konservativer Pragmatismus.
Und exakt kontrollieren , wer ins Land kommt , auch das klassischer konservativer Pragmatismus.
Schon das würde der AfD ein Stück Wind aus den Segeln nehmen.
@Bronski:
Warum sollte Wolfgang Schäuble geeignet sein, die AfD „klein zu halten“? Er ist ja der Inbegriff der unsäglichen deutschen Euro-und Griechenland-„Rettungs“-Politik und damit einer der Auslöser für die Gründung der AfD.
Und nichts bewegt sich.
Ich bin auch der Meinung von Herrn Meyer, dass es an der Zeit ist, darüber nachzudenken, „ewige“ Amtszeiten von Mandatsträgern (Abgeordnete/Minister/Kanzler in Bund und Land)auf 2. Wahlperioden zu begrenzen. Das hätte mindestens vier Vorteile: 1. Spätestens nach zwei Legislaturperioden wird es eine Veränderung geben – personell oder sogar in der politischen Ausrichtung. Dass es dabei Risiken gibt, wie Frau Ernst anmerkt, stimmt. Aber Wandel birgt immer ein gewisses Risiko, aber eben auch die Chance, dass sich etwas wandelt. Und die Schlussfolgerung sollte nicht sein, alles beim Alten zu belassen. Wir sehen ja, dass der, der sich nicht bewegt, bewegt wird. Und diese Bewegung – zumindest aktuell – geht in eine Richtung, die mir zutiefst suspekt ist. 2. Mehr politisches Personal hätte die Chance in Parlamente und Ämter zu gelangen. Und vielleicht wird sogar der oder die eine oder andere die Courage haben, sich politisch zu engagieren. Das könnte ja auch belebend wirken. 3. Die, die nicht mehr kandidieren dürfen, lernen, wie es sich ohne Privilegien lebt. Auch das kann ja nicht schaden. Und 4: Der Wähler müsste sich auch bewegen, sich mit Neuen und Neuem beschäftigen. Und nicht – wie so oft – nur schlicht dagegen sein. Denn dann hätte er – öfter als jetzt – Alternativen und damit eine echte Wahl. Und alle vier Punkte wirken schließlich dem Gefühl entgegen, dass die dort oben, die dort unten nicht mehr kennen. Sie würden sie ja wieder kennenlernen.