Alle Briefe von Leserinnen und Lesern dieser Woche im Überblick nach ihren Erscheinungstagen und: Offene Diskussion! Lesen Sie in Ruhe oder suchen Sie Ihre Zuschrift gezielt mit der Tastenkombination STRG und F sowie dem Namen als Suchbegriff. Sie finden hier:
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Forum vom 29. März
Seite eins
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Künftig droht uns ein schlechteres Leben
Klimapolitik: „Ein Gesetz von unten“, FR-Wissen vom 24. März
Der „Club of Rome“ hat bereits Anfang der siebziger Jahre gemahnt, dass die Ressourcen der Erde endlich sind. Danach wurde – und wird bis heute – von Jahr zu Jahr progressiv steigend der Raubbau und das Zerstören unserer Erde immer stärker vorangetrieben.
Ein Ziel der Weltklimakonferenzen, ist, dass der jährliche Temperaturanstieg nicht mehr als 1,5 Grad betragen soll. Für mich ist das noch viel zu viel. Ziel müsste es sein, einen jährlichen Temperaturabstieg zu erreichen. Bei einem Tempera-turanstieg von 1,5 Grad verlangsamt man doch nur die Katastrophe, sie kommt halt etwas später, aber sie kommt unvermeidlich.
Die Weltklimakonferenz der UNO wollte die Erde vor der Umweltzerstörung zu retten und den unaufhaltsamen Temperaturanstieg verhindern. Dieser führt zum Abschmelzen aller Glet-scher in Grönland, in der Arktis, der Antarktis, in Sibirien (der Permafrostboden schmilzt, zerstört Häuser, Städte und Straßen und setzt damit enorm viel CO 2 in die Atmosphäre frei), im Norden von Kanada und in den hohen Gebirgen. Fast alle Forscher waren total über-rascht, wie schnell die Temperatur vor allem im Meer in die Höhe gegangen ist und der dadurch verursachte Anstieg des Wasserspiegels. Die Verschmutzung der Meere durch Plas-tikmüll, das Abholzen der Regenwälder, das Aussterben von tausenden Tierarten, das Zu-nehmen von Hurrikans, Wirbelstürmen, Starkregens, Taifuns, sich immer weiter ausbreitende Dürren sorgen für eine Erde, die für die Mehrheit der Menschen ein wesentlich schlechteres Leben zukünftig bedeutet. Wanderbewegungen zu vermeintlich besseren Lebensverhältnissen werden gewaltig zunehmen. Was wir bis jetzt erleben, ist nur ein kleiner Anfang.
Das führt in fast allen Ländern zur Ausbreitung rechter, faschistischer Tendenzen und Partei-en. Die fordern „Deutschland den Deutschen“ oder „Amerika First“ oder, oder……..und damit einfache, nachvollziehbare Schlagworte. Und sie fordern Machbares und unkompliziertes. Max Frisch hat das in seinem Theaterstück „Der Biedermann und die Brandstifter“ vor Jahrzehn-ten schon dargestellt. Bert Brecht schrieb nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges ein Ge-dicht in dem der Satz vorkommt: „Der Schoss ist fruchtbar noch aus dem das kroch“.
Wenn der Klimawandel und die Erderwärmung überhaupt noch rückgängig gemacht werden könnte, müssten noch viel Radikaleres gefordert werden: Ein Klimaziel von minus 1,5 Grad.
Wolfgang Seelig, Dietzenbach
Windige Argumente wie der Landschaftsschutz
Windkraft: „Kompromisse sind möglich“, FR-Wissen vom 13. März
Zu recht sagt Frau Bruns im Interview „Kompromisse bei der Windkraft sind möglich“, dass der Naturschutz nicht das Haupthemmnis für die Windkraft ist. Diesen Eindruck mag durch die von den Naturschutzverbänden angestrengten Prozessen entstanden sein. Die Verbände verfügen jedoch nicht unbegrenzt über finanziellen Mittel.
Daher wird auch nur dann geklagt, wenn die Verstöße gegen das Naturschutzrecht so eindeutig sind, dass die Erfolgswahrscheinlichkeit entsprechend hoch ist. Die von Frau Bruns angesprochenen Kriterien für die Ausweisung von Konzentrationszonen spielen in der Praxis leider eine untergeordnete Rolle. Da die Kommunen für die Ausweisung verantwortlich sind, ist die Akzeptanz der eigenen Wähler der wichtigste Aspekt. Die Mehrheit der Bevölkerung mag für die Ausbau der regenerativen Energien sein, aber nur solange sie nicht vor der eigenen Haustür stattfindet. Um das zu gewährleisten müssen dann „windige“ Argumente, wie der Schutz des Landschaftsbildes, herhalten. Windig insofern, weil sie bei der Ausweisung von Bau-, Gewerbegebieten und dergleichen nie bemüht werden.
Das hat im ländlichen Bereich zur Folge, dass die Konzentrationszonen und damit die Windanlagen möglichst weit von den eigenen Ortsteilen ausgewiesen werden. Das sind dann womöglich die Gebiete, in denen daher die Natur noch am reichhaltigsten ist und naturschutzfachliche Probleme am ehesten entstehen. Jedenfalls ist es in meiner Gegend leicht zu erkennen wo die kommunalen Grenzen verlaufen. Man/frau braucht nur zu gucken wo die Windanlagen stehen.
Geert Runhaar, Euskirchen
Ungeeignete Taktik
Zukunft der Verbrenner: „Verschärfungen gefordert“, FR-Wirtschaft vom 23. März
Ehe die „Branche“ und ihre Vertreter über Kriegserklärungen der Politik gegenüber Verbrennern schwadroniert, sollte sie sich verdeutlichen, dass sie bereits seit Jahrzehnten die eigentlichen „Kriegsverbrecher“ sind: Bis zu den Zähnen bewaffnete, tonnenschwere SUV-Panzer als Speerspitzen der jeweiligen Flotten sind wahrlich die ungeeignetste (respektive dümmste) Taktik, um an der CO2-Einsparungsfront zu reüssieren. Jeder Schüler nach dem zweiten Halbjahr Physikunterricht weiß das und hätte vermutlich die eine oder andere Idee zu probaten Abrüstungsmaßnahmen, hin zu spielender Einhaltung der Euro 7-Norm.
Vielmehr sollten die Lobbyisten der „Branche“ der Politik (deren Vertreter überwiegend übermotorisiertes Gerät bevorzugen) für die langjährigen flankierenden Maßnahmen dankbar salutieren.
Im Übrigen bitte ich um Nachsicht und Entschuldigung ob meines militanten Jargons.
Ernst Hettche, Frankfurt
Forum vom 30. März
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Nur ein paar dürre Zeilen
Zu: „34 Millionen Menschen stehen vor dem Hungertod, FR-Wirtschaft vom 24. März
Das Welternährungsprogramm WFP warnt, dass in mehr als 20 Ländern weltweit 34 Millionen Menschen unmittelbar vor dem Hungertod stehen und nur noch eine großangelegte internationale Hilfe zwischen März und Juli 2021 dies verhindern könne.
Das WFP prophezeit den nahenden Hungertod von 34 Millionen Menschen, die Aufmerksamkeitökonomie reicht gerade für 22 dürre Zeilen im Wirtschaftsteil(?!), fast könnte man es überlesen und sich den ungleich ausufernden Sportberichten zuwenden. Wären diese 34 Millionen Menschen die Einwohner von Bayern, Nordrheinwestfalen und des Saarlandes, ja dann hätte diese Meldung Relevanz und würde sich an prominenter Stelle im Hauptteil wiederfinden. Die Zahl ist monströs, unsere Verdrängung funktioniert, mich verfolgt diese kurze Meldung bereits seit Tagen und erzeugt ein Gefühl von Wut und Hilflosigkeit – 22 dürre Zeilen.
Henrik Geidt, Lebach
Bis heute unüberhörbar
Zu: „Aus Gedichten Lieder geschaffen“, FR-Feuilleton vom 19. März
Mit der Aufnahme des Nachlasses von Friedrich Silcher in das Literaturarchiv Marbach wird einer der großen Unbekannten der deutschen Musik geehrt, und es ist gut, dass dies der FR einen Bericht wert ist. Dem möchte ich zwei kleine Ergänzungen hinzufügen.
Zwei Lieder Silchers sind bis heute unüberhörbar, selbst für Menschen, denen der fröhliche Volksgesang ansonsten fremd ist. Auch Nichtchristen beschwören „Alle Jahre wieder“ das von Friedrich Silcher in Noten gefasste Christuskind und Soldaten der Bundeswehr müssen sich erheben und salutieren, wenn „Der gute Kamerad“ ertönt, den Silcher nach einem Gedicht von Ludwig Uhland vertont hat. Zu besonderen Anlässen ist selbst im Bundestag die Zeile zu hören: „Ich hatt‘ einen Kameraden“.
Friedrich Silchers erfolgreichstes Lied wird schon 1858 von Henry William Dulcken in den USA bekannt gemacht, versehen mit der wahrhaft hölzernen Titelzeile „Must I then? Must I, then? From the town must I, then?“. Der große internationale Erfolg dieses Liedes stellt sich jedoch erst 1960 ein. Die Schallplattenfirma RCA Telefunken-Decca veröffentlicht das Lied „Wooden Heart“, das Elvis Presley am 28. April des Jahres in Frankfurt am Main aufgenommen hat. Als Urheber sind auf der Single die Namen „Wise“, „Weisman“ und „Twomey“ angegeben. In Großbritannien kommt noch Bert Kaempfert als Autor hinzu. Silchers Rechte als Urheber sind zu dieser Zeit schon seit Jahrzehnten abgelaufen. So kann es kommen, wenn man einer der unbekanntesten Bekannten ist.
Lothar Pollähne, Hannover
Forum vom 31. März
An diesem Tag ist kein Forum erschienen.
Forum vom 1. April
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Steilvorlage für Diktatoren
Fußball-WM in Katar: „Erhellende Zwischentöne“, FR-Sport vom 24. März
Frau Schenk will also differenzieren, und die Rundschau findet das in der Überschrift „erhellend“. Habe ich die subtile Ironie übersehen?
Differenziert wird vor allem bei den Menschenrechten: Was sind denn „Menschenrechtsverletzungen nach Standards des Westens“? Was heißt es denn, dass Katar „nach europäischen Maßstäben“ immer noch ein rückständiges Land sein mag? Der Rückstand dürfte kaum für die Wirtschaftskraft des Landes gelten, sondern im Zusammenhang des Artikels für die Menschenrechte. Eine Steilvorlage für alle Diktatoren dieser Welt, die ja (vor allem in Asien) die Menschenrechte sowieso für eine Erfindung des Westens halten.
Zum Differenzieren gehört auch, dass die Hintergründe für die 6500 toten Arbeitsmigranten seriös eingeordnet werden müssen – vielleicht sind sie ja an Altersschwäche oder Heimweh gestorben? Herr Beckenbauer hat ja auch keine Arbeitssklaven gesehen. Unglaublich zynisch ist der Hinweis auf den „Stolz der Arbeiter auf die fertigen Stadien“. Das ist ja praktisch – dann muss man z.B. auch Pflegekräften keine anständigen Gehälter zahlen, weil die vielleicht doch irgendwie stolz auf ihre Arbeit sind.
Leider ist es immer so: Differenzierung wird dann verlangt, wenn es den eigenen Interessen dient. Frau Schenk will den Sport. Das ehrlichste Wort des ganzen Artikels steht daher schon in der Überschrift: Soll man die Fußball-WM in Katar boykottieren? „Natürlich nicht“.
Michael Hamke, Bad Soden
Ungeeignet als Vorbild
Zu: „Militärische Ehre für toten ‚Landshut’-Piloten“, FR-Politik vom 27. März
Der Luftwaffenführung gebührt Anerkennung für die Änderung des Namens für die Appener Kaserne. Man kann sich nur wünschen, dass sich die Marineführung dies zum Vorbild nimmt und endlich Abstand nimmt von Admiral Rolf Johannesson, der noch am 21. April 1945 Todesurteile für fünf Männer unterschrieb, die Helgoland vor der weiteren Zerstörung bewahren wollten. Ist er durch dieses Verhalten schon ungeeignet als Vorbild für Offiziersanwärter, so gilt dies insbesondere für sein Nachkriegsverhalten: Er forderte Mut, Zivilcourage, um die ganze Wahrheit ans Licht zu bringen – und beschwieg lebenslang die o.a. Todesurteile. Aber noch immer ist ein Preis für Lehrgangsbeste nach ihm benannt, noch immer steht seine Büste unzureichend beschriftet in der Aula der Marineschule Mürwik.
Dieter Hartwig, Fregattenkapitän a.D., Kiel
Forum vom 3. April
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Ächtung der Soldaten
Myanmar: „Krieg der Superlative“, FR-Meinung vom 29. März
Ihr Korrespondent Peter Rutkowski (FR 29.3.2021 S. 11) hat wahrlich den richtigen Ton gefunden, um dieses fast beispiellose brutale Vorgehen der Soldaten in Myanmar darzustellen. Aber er hat leider übersehen zu erwähnen, dass schon im August 1988 diese Soldaten ein großes Blutbad auf dem Rathausplatz in Yangon verübt hatten. Noch Monate später war das Blut auf dem Platz zu sehen, weil der Monsun noch nicht eingesetzt hatte, um die Beweise weg zu spülen. Ich setze noch einen drauf: die Bürger von Yangon wurden nicht ‚getötet‘, sie wurden ermordet und zwar auf Befehl von oben, wo die alten Männer sitzen. Schon 1988 wurde von Soldaten berichtet, die mit Alkohol abgefüllt wurden, um diese Taten begehen zu können. Schon damals wurden Soldaten von ihren Familien für ihr Vorgehen geächtet.
Die internationale Reaktion ist wie Herr Rutkowski schreibt: jämmerlich. Unterstützt wird diese Art von Unterdrückung mit tödlichen Waffen natürlich auch von anderen alten Männern wie Herrn Xi Jinping (dem Generalsekretär der Chinesischen Kommunistischen Partei). Jedoch wir sollten nicht so weit blicken. 1988, zum Beispiel, wurden die Waffen, mit denen die Soldaten die Bürger getötet haben vom Unternehmen Fritz Werner geliefert, Besitzer der Firma war bis 1988 mehrheitlich die Bundesrepublik Deutschland. Weiterhin hat diese Firma die Militärjunta unterstützt und aufgebaut. Die ‚Kralle‘ von Herrn Xi Jinping sich sicherlich viel gefährlicher als unser (Deutscher) Beitrag, aber man sollte es nicht beschönigen und schon gar nicht unerwähnt lassen.
In ihrer Gesamtheit sind die Menschen in Myanmar einer der höflichsten der Welt. Ich hoffe für sie, dass die Ächtung der Soldaten durch ihre Familien wirkt!! Von uns können sie keine ‚friedensfördernde Maßnahmen‘ erwarten.
Heimo Posamentier, Soden
Export, unser goldenes Kalb
Exportismus: „Wir lassen den anderen nichts übrig“, FR-Wirtschaft vom 13. März
Vielen Dank für das Interview mit Herrn Nölke, in dem er einige gravierende wirtschaftliche Fehlentwicklungen aufzeigt. Allerdings stellt sich sofort die Frage, warum dies ein Politologe macht und nicht ein Wirtschaftswissenschaftler. Ich möchte die Aussagen von Herrn Nölke ein wenig ergänzen. Er weist zu recht auf den Zusammenhang zwischen Exporten Deutschlands und Importen anderer Länder hin und deren Verschuldung. Was mich immer wieder irritiert, ist, dass die simple Erkenntnis, dass das Welthandelsvolumen immer Null ist, an entscheidender Stelle anscheinend nicht vorhanden ist. Unsere Exporte sind anderer Länder Importe. Auf Deibel komm raus zu exportieren, verstärkt die Ungleichheit, was Nölke ja auch kritisiert. Wenn wir, wie er ausführt, den anderen nichts überlassen, verhalten wir uns denen gegenüber aggressiv (und auch gegenüber bestimmten Gruppen von Berufstätigen im Lande), womit man dann solche Reaktionen, wie die von Donald Trump (Zölle etc.), provoziert. Während meines Studiums der Wirtschaftswissenschaften Ende der 70er Jahre lernte ich, dass zu viel Export fragwürdig sei, da man Ware gegen Geld (=Papier) tauschen würde. Papiergeld kann man relativ schnell entwerten, z. B. durch eine Abwertung der Währung. Ich fand das Argument einleuchtend. Hat sich daran etwas geändert, was ich nicht mitbekommen habe? Die wirtschaftliche Konstellation hat aber eine weitere psychologische Komponente, die m. E. in der allgemeinen Diskussion viel zu wenig beachtet wird. Sie „beginnt“ 1897 mit der Aussage von Bülows, dass Deutschland seinen Platz an der Sonne beanspruche, womit Kolonien gemeint waren. Das damals noch junge Deutsche Reich suchte seinen Platz im Konzert der anderen Großmächte, wollte auf Augenhöhe sein. Die verspätete Nation (Plessner), die m. E. insgesamt über wenig Selbstbewusstsein verfügte, versuchte dies durch Großmannssucht, Protzerei, wirtschaftliche und militärische Leistung zu erreichen bzw. zu kompensieren. Nachdem durch zwei verlorene Weltkriege die militärische Lösung dieses Problems nicht mehr zur Verfügung stand, „besann“ bzw. fixierte man sich nach 1945 auf den wirtschaftlichen (Leistungs-)aspekt. Das sind das Wirtschaftswunder, das „Wir-sind-wieder-wer“ oder eben „Wir-sind-Exportweltmeister“. Aber es begann auch der Tanz um das goldene Kalb „Export“, die neue Sonne, die das Selbstbewusstsein stabilisiert. Erinnert sei in diesem Zusammenhang an die nationale „Identitätskrise“, die auftrat, als Deutschland erstmalig nicht Exportweltmeister wurde. Solange diese (massen-)psychologische Problematik nicht gelöst ist bzw. wird, wird sich nichts ändern, woran aber bestimmte Kreise, die Nölke benennt, kein Interesse haben dürften.
Rüdiger Erdmann, Pattensen
Es gibt keinen Welfenprinz
Zu: „‚Herr Hannover‘ erhält Bewährung, FR.-Panorama vom 24.3.
Der Verfasser des oben genannten Artikels weist völlig zutreffend darauf hin, dass der Adelsstand in der österreichischen Verfassung des Jahres 1919 abgeschafft worden ist. Konsequenterweise sind die Adelstitel mit abgeschafft worden. Daher die Anrede Herr Hannover oder beispielsweise Herr Habsburg.
Irritierenderweise unterschlägt der Verfasser des Artikels die Tatsache, dass die Rechtslage in Deutschland genau die selbe ist. Auch hier, nämlich in der Weimarer Verfassung, wurde der Adel abgeschafft. Die Verleihung von Adelstiteln wurde verboten. Allerdings hat es hier der abgeschaffte Adel fertiggebracht, dass er seine sogenannten Adelsprädikate als bürgerlichen Nachnamen weiterführen konnte. Seitdem wird ein munterer Etikettenschwindel betrieben, der bis zum heutigen Tage von den Medien im Großen und Ganzen brav mitgemacht wird.
So auch im vorliegenden Artikel, indem Herr Hannover mehrfach als Welfenprinz oder als Prinz bezeichnet wird. Dies ist er nicht. Es gibt keine deutschen Prinzen. Er heißt lediglich so. Daran ändert auch nichts, dass im öffentlich rechtlichen deutschen Fernsehen diese seltsame Beflissenheit von Adelsunterwürfigkeit nach wie vor mitgemacht wird.
Betr.: Seite 2/3 vom 29.3., Genitalverstümmelung
Ein wichtiger und nötiger Artikel zu einem nach wie vor zu wenig beachteten Thema.
Aber: Warum nur fällt niemandem der Sprachprofis (nicht nur) in Ihrer Redaktion auf, dass der Begriff „weibliche Genitalverstümmelung“ ein grammatisches Unding ist? Es handelt sich um einen klassischen misslungenen Anglizismus – „female genitale mutilation“ wird eins zu eins übersetzt, ohne zu merken, dass sich im Deutschen das „weibliche“ auf die „Verstümmelung“ bezieht. Es geht aber nicht um eine weibliche Verstümmelung, sondern um die Verstümmelung weiblicher Genitalien!
Mir ist bewusst, dass es sich mittlerweile um einen quasi offiziellen Fachausdruck handelt. Das macht es aber nicht besser, und ich finde, dass ein so wichtiges Thema auch eine sprachlich sorgfältige Behandlung verdient.
Mit besten Grüßen, Barbara Helfer