Soziale Gerechtigkeit in Deutschland, mangelndes Vertrauen in die Demokratie – heute geht’s im FR-Leserforum wieder an die ganz großen Themen. Wir schreiben den 26. Juni 2019. Unter folgenden Links sind pdf-Dokumente der Zeitungsseiten zu finden: Seite 1, Seite 2. Hier nun die vollständigen Zuschriften in ihren ungekürzten Versionen. Achtung: Die Leserbriefe zum Mordfall Lübcke wurden im Thread Lübcke veröffentlicht, der anders als die Leserforum-Threads monothematisch ist. Der Leserbrief „Im grünen Bereich“ zum Thema Ausbau der Windkraft ist eine Erwiderung auf den Leserbrief „Der verstellte Horizont“ und wurde als Kommentar zum Thread „Leserforum vom 24.6.“ veröffentlicht. Alle in diesen Leserbriefen angesprochenen Themen können in diesem Thread diskutiert werden. Bitte nennen Sie zu Beginn Ihres Kommentars das Thema, zu dem Sie sich äußern.
Dumpinglöhne gibt es ohne Bedürftigkeitsprüfung
Die Groko einigt sich wieder nicht auf eine Respekt-Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung. Für mich völlig unverständlich und unlogisch. Warum? Den Dumpinglohn und den gesetzlichen Mindestlohn gibt es auch ohne Bedürftigkeitsprüfung. Wer also ein Leben lang gearbeitet hat – in seinem Beruf Voll- oder nur Teilzeit, weil es damals halt noch keine Ganztags- und Übermittagbetreuung für die Kinder unter und über drei Jahren in Westdeutschland gab – dem steht folglich natürlich eine Respekt- und Grundrente für seine Lebensleistung auch ohne Bedürftigkeitsprüfung zu. Das ist mehr als gerecht. Basta!
Wenn Beamte die Grundpension ohne Bedürftigkeitsprüfung bekommen, warum dann nicht auch Arbeiter und Angestellte ihre Grundrente ohne Bedürftigkeitprüfung? Oder gibt es etwa in Deutschland Arbeiter erster und zweiter Klasse: Beamte und Lohnsklaven? Deshalb kotzt mich diese verfluchte Groko mittlerweile so an. Wenn die Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung nicht langsam kommt, sind CDU, CSU und SPD für mich unwählbar geworden und gestorben. Wenn die Groko über eine Diätenerhöhung beim Koalitionsgipfel zu entscheiden hätte, dann wären sich mit Sicherheit alle einig. Übrigens, für eine vierjährige Legislaturperiode bekommen Mitglieder des Bundestags bereits eine Grundpension in Höhe von Euro 954,20 – natürlich ohne Bedürftigkeitsprüfung. Das schaffen Dumping- und Mindestlöhner in ihrem gesamten Arbeitsleben nicht. Das ist soziale Gerechtigkeit in Deutschland. Schon pervers, oder?
Roland Klose, Bad Fredeburg
Fehlendes Vertrauen
Görlitz: „Blaue Normalität“, FR-Politik vom 16. Juni:
Die Verweigerung jeglicher Kommunikation mit der AfD hat sich nicht ausgezahlt. Nun müssen sich die Parteien auf eine AfD als stärkste Fraktion in Brandenburg und Sachsen einstellen. Ich bin wahrlich kein Sympathisant der AfD – aber wenn die etablierten Parteien sich dazu hinreißen lassen sollten, der AfD den Auftrag zur Regierungsbildung streitig zu machen und das unwürdige Spiel um den Posten eines Bundestags-Vizepräsidenten noch einmal aufführen, dann ist das nicht nur undemokratisch, sondern zeigt auch deutlich das fehlende Vertrauen in unsere Demokratie. Die Rechnung kann man in den aktuellen Umfragen zur Sachsen-Wahl schon einsehen.
Henning Kaufmann, Frankfurt
Elend der „Nutztiere“
Zum Interview „Kein Podium für die AfD“, FR-Politik vom 19. Juni
In einem bemerkenswerten Interview anlässlich des Evangelischen Kirchentages in Dortmund hat dessen Präsident Hans Leyendecker darauf hingewiesen, „dass Christen sich um die Schwachen und Erniedrigten kümmern oder die Schöpfung bewahren sollen“. Mit mir vermissen wohl viele Leser den ausdrücklichen Hinweis auf das vielfältige Leid, das aus der industriellen Massentierhaltung erwächst. Während der Kirchentagspräsident große Worte gelassen aussprach, wurden Millionen „Nutztiere“ gequält und geschunden. Der Umgang mit ihnen ist ein Schandfleck unserer Gesellschaft. Die führenden Repräsentanten der Kirchen tun zu wenig, wenn es gilt, das Martyrium der „Nutztiere“ anzuprangern und Abhilfe zu fordern. „Tu Deinen Mund auf für die Stummen und für die Sache aller, die verlassen sind.“ Das gilt auch für die „Nutztiere“.
Gerhard Schuler, Kelkheim
Keine große Kunst
Zu: „Briten gehen voran“, FR-Wirtschaft vom 14. Juni
Ich schätze Joachim Wille ganz außerordentlich. Die FR informiert dank seines Engagements so umfassend und zutreffend über Umweltthemen wie keine andere Zeitung. Aber sein Artikel „Die Briten gehen voran“ hat mich doch verblüfft.
Er lobt Großbritannien, Finnland und Schweden dafür, dass sie jeweils 2050, bzw. 2035 und 2030 kein Kohlendioxid mehr ausstoßen wollen. Er erwähnt aber mit keinem Wort den Atomkraftanteil an der Stromerzeugung in diesen Ländern: je etwa 21, 33 und 40 Prozent (Zahlen von 2018 bzw. 2017). In Großbritannien und Finnland sind weitere Atomkraftwerke geplant oder im Bau. Dann ist es natürlich keine so große Kunst mehr, „CO2-Neutralität“ zu versprechen. Auch Macrons Frankreich kann wohl große Klima-Initiativen starten: mit einem Atomanteil am Strom von 72 Prozent!
Aber wir wollen doch nicht den Teufel mit dem Beelzebub austreiben. Deutschlands Aufgabe ist wesentlich schwerer. Dass die Regierung Merkel diese Aufgabe, die Klimakatastrophe zu verhindern, nun endlich ernst nehmen muss – mit dieser Kritik und Mahnung hat Joachim Wille allerdings mehr als recht!