Der Fluglärm ist in Frankfurt und der Rhein-Main-Region ein Dauerthema. Kaum zehn Kilometer Luftlinie von der Frankfurter City entfernt liegt er mitten in einem der am dichtesten besiedelten Gebiete Deutschlands und ist zugleich mit rund 463.000 Flugbewegungen der verkehrsreichste Flughafen Deutschlands. Da ist Streit programmiert, zumal der Flughafenbetreiber, die Fraport AG, den Airport weiterentwickeln möchte. Als langfristiges Wachstumsziel sind 701.000 Flugbewegungen angestrebt. Doch die Region ächzt schon jetzt. Der Konflikt zwischen den Interessen der Bevölkerung und der Fraport AG, dem größten Arbeitgeber Hessens, schwelt seit langem, und manchmal kracht es auch.
Jetzt hat die hessische Landesregierung, federführend der grüne Verkehrsminister Tarek al-Wazir, mit dem Flughafen Frankfurt und den Airlines ein Kompromisspapier für den Schutz vor Fluglärm erarbeitet. An den Verhandlungen waren auch die Fluglärmkommission und das Forum Flughafen und Region beteiligt. Neben dieser freiwilligen Vereinbarung will das Ministerium die Begrenzung der Lärmbelastung im Landesentwicklungsplan verankern. Ziel ist es, den Fluglärm zu deckeln: Es soll nicht noch lauter werden im Rhein-Main-Gebiet. Auch nicht, wenn die Zahl der Flugbewegungen den Vorstellungen des Flughafenbetreibers folgend steigt. Der Minister ist zufrieden: Es sei gelungen, etwas ganz Großes zu schaffen. Angesichts der Zahl der Stimmen ist der Kompromiss tatsächlich bemerkenswert. Aber es gibt dennoch sofort Kritik, unter anderem weil die Lärmobergrenze freiwillig sei und weil keine Sanktionsmöglichkeiten vorgesehen sind. SPD-Landeschef Thorsten Schäfer-Gümbel nannte die Vereinbarung „eine der größten Verdummungsaktionen in der hessischen Landespolitik“, die Fraktionschefin der Linken im Wiesbadener Landtag sagte, die Maßnahmen würden die aktuelle Lärmbelastung nicht verringern. „Schlimmer noch: Mit dieser Grenze kann es zukünftig noch deutlich lauter werden.“
Denn Fraport holt jetzt die Billigflieger auf den Flughafen, um die Auslastung zu verbessern. Die Zahl der Flugbewegungen ist nämlich seit 2011 rückläufig: 2016 waren es rund 24000 weniger als 2011. Trotzdem treibt Fraport den Ausbau des Flughafens voran. Die Arbeiten am neuen Terminal 3 haben bereits begonnen. Fraport hat sich den Ruf eingehandelt, druckvoll Fakten zu schaffen, auch gegen die Interessen von Hunderttausenden Menschen, die unter dem Fluglärm leiden. Dementsprechend groß ist der Frust bei den Bürgerinitiativen. „Eintracht gegen Fluglärm“ betrachtet die beschlossene Fluglärmobergrenze als einen ersten Schritt in die richtige Richtung.
Leserbriefe
Hans Schinke aus Offenbach meint:
„Die Meldung der FR vom 10. November, dass das Land Hessen seine Fraport-Dividende an 21 besonders stark von Fluglärm betroffene Kommunen verteilen will, bedarf der richtigstellenden Ergänzung. Die Fraport AG weist in 2016 ein Konzernergebnis von 375,4 Mio. Euro nach und schüttet davon 138,7 Mio. Euro (36,9%) an Dividende aus. Entsprechend seinem Aktienanteil von 31,32% erhält das Land Hessen davon dann 43,5 Mio. Euro, macht in fünf Jahren 217,5 Mio. Euro. Davon gibt das Land aber nur 10% an die 21 Kommunen weiter und behält die restlichen 90%. Aus dem Topf von jährlich 4,5 Mio. Euro wird Offenbach als eine der in der Rhein-Main-Region am stärksten durch Fluglärm belastete Kommune mit gerade mal 393.000 Euro, das sind 8,7%, abgespeist. Da kann bei der Stadt wahrlich keine Freude aufkommen. Noch weniger aber bei uns Bürgern, die wir ja gar nichts erhalten, obwohl wir die durch Fluglärm eigentlich Geschädigten sind. Müsste die Fraport AG für die tägliche Körperverletzung, für den Verlust an Lebensqualität und für die Ruinierung der Naherholungsgebiete den Menschen in der Region eine angemessene Entschädigung zahlen, bliebe für eine Dividendenausschüttung gar nichts mehr übrig. Folglich bleibt unter dem Strich bei der Fraport AG nur deshalb etwas hängen, weil der Flughafenbetreiber für die Schäden, die er mit seinem Betrieb anrichtet, gar nichts bezahlt. So einfach ist das. Übrigens reicht die Stadt Frankfurt von den eigenen 27,7 Mio. Euro Dividende aus 2016 keinen einzigen Cent an ihre Bürger weiter, noch nicht einmal an die durch Fluglärm Höchstbelasteten im Frankfurter Süden.“
Ernst-H. Scheuermann aus Frankfurt:
„Fluglärm ist ein Umweltgift, das die Gesundheit der damit belasteten Menschen gefährdet. Dies trifft insbesondere für Kinder und Heranwachsende zu. Und diese unumstößliche Tatsache muss bei der Betrachtung der geforderten Grenzen für Fluglärm an erster Stelle stehen und nicht das Bestreben der Luftverkehrsbranche nach Gewinnmaximierung. Die gesundheitlichen Risiken des Fluglärms waren schon während des Planfeststellungsverfahrens bekannt, sie wurden von den von Fraport finanzierten Experten klein geredet. Erst wenige Monate vor der Inbetriebnahme der neuen Landebahn sollten die Risiken des Fluglärms evaluiert werden, die NORAH-Studie wurde initiiert. Mit ihr heuchelten die Initiatoren eine Fürsorge um die Gesundheit der zukünftig vom Fluglärm neu belasteten Bevölkerung vor, offensichtlich angedacht als eine Art Tranquilizer. Die Ergebnisse sollten Grundlage für Schutzmaßnahmen der Menschen vor den Folgen des Fluglärms sein. Um die Ergebnisse der Studie im Hinblick auf Kinder kurz zu umreißen: die Lesefähigkeit war beeinträchtigt, ein Alarmsignal: wie sieht es mit übrigen kognitiven Fähigkeiten aus? Was bedeutet die sogenannte Mediationsnacht von 6 Stunden für die Gedächtnisfunktion der Heranwachsenden? Fluglärmbelastete Kinder wiesen einen höheren Medikamentenverbrauch auf als unbelastete. Was sind die Ursachen? All das scheint jetzt, keine Rolle mehr zuspielen. Dabei weist eine Fülle von wissenschaftlichen Belegen auf das Risiko nachhaltiger gesundheitlicher Schäden der durch Fluglärm belasteten Kinder und Jugendlichen mit möglichen lebenslangen Folgen. Verantwortungsbewusste Politiker müssten alles unternehmen, unseren Kindern ihren verfassungsgemäßen Schutz zu gewähren (Grundgesetz, Artikel 20A „Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürliche Lebensgrundlagen…“) . Aber Das Gegenteil ist der Fall, das Kompromisspapier zur Lärmobergrenze erlaubt eine Zunahme der Fluglärmbelastung. Ich neige aus ärztlicher Sicht dazu, dieses Papier als menschenverachtend zu klassifizieren. Übrigens, Im Kompromisspapier ist von einer Zunahme der verlärmten Fläche die Rede, ehrlicher gegenüber uns Bürgern wäre es, stattdessen die Zahl der zusätzlich gefährdeten Menschen anzugeben.“
Elisabeth Schneider aus Rodenbach:
„Aha, nun soll es also um den Frankfurter Flughafen eine Lärmobergrenze geben – eine freiwillige. Na, da bin ich aber gespannt. Wie ist es im Straßenverkehr? Wie sähe es aus, wenn Geschwindigkeitsbegrenzungen freiwillig einzuhalten wären und Sanktionen bei Verstößen dagegen erst zwei Jahre später als noch zu klärende Maßnahmen ins Auge gefasst würden, so wie es dieser „Lärmkompromiss“ vorschlägt? Mir scheint, bei diesen Verhandlungen wird die Obergrenze für die Verdummungsmöglichkeit der Bevölkerung gesucht.“
Klaus-Peter Güttler aus Idstein:
„In der bisherigen öffentlichen Diskussion zur freiwilligen Vereinbarung der Lärmobergrenze am Flughafen Frankfurt Main ist nur unzureichend der Frage nachgegangen worden, weshalb die Fraport, die Deutsche Lufthansa, Condor und der Airline – Verband BARIG als Vertreter der Luftverkehrswirtschaft das „Bündnispapier Lärmobergrenze zugestimmt haben. Dafür sind m.E. folgende Gründe maßgeblich :
1. Die Lärmobergrenze wird durch zwei Flächenkriterien in Hektar definiert. Beide Flächeninhalte werden dadurch bestimmt, dass die nach der Planfeststellung berechneten Tag-Schutzgebiete 1 und 2 um 1,8 dB verkleinert werden. In der Planfestellung wurde auf der Grundlage einer Verkehrsprognose für 2020 ein Bewegungsaufkommen von 701.000 Bewegungen prognostiziert. Für diese Bewegungen wurde ein Musterflugplan erarbeitet, der den Einsatz von Flugzeugen vorsah, die zum Zeitpunkt der Erstellung (2004/2005) wahrscheinlich zum Einsatz kommen. Gleichzeitig wurde die damals bekannte Flugführung zu Grunde gelegt. Aus diesem Input ergab sich ein bestimmtes Lärmaufkommen.
Gegenüber diesen Annahmen in der Planfeststellung haben sich in den letzten 10 Jahren grundlegende Veränderungen ergeben. Die wichtigste Änderung ist der Einsatz von modernen Flugzeugen, die gegenüber den Annahmen 2004/2005 deutlich lärmärmer sind. Die in der Lärmobergrenze vorgenommene Absenkung um 1,8 dB ist mit dem Flugbetrieb 2017 in der Berechnung bereits unterschritten.
Unter der Annahme, dass die Luftverkehrsunternehmen weiterhin in modernes Fluggerät investieren, wird die Lärmobergrenze die Entwicklung des Bewegungsaufkommens am Flughafen Frankfurt auf Dauer nicht beeinflussen. Die Luftverkehrsunternehmen müssen auch in Zukunft in moderne, lärmärmere Flugzeuge investieren, weil nur so die wirtschaftlichen Grundlagen für ein Wachstum bestehen. Lärmärmeres Fluggerät bedeutet gleichzeitig Flugzeuge, die im Betrieb effizienter und kostengünstiger sind. Daher ist die Aussage von Herrn Al-Wazir richtig, dass die Lärmobergrenze auf Dauer eingehalten wird.
2. Die Lärmobergrenze wird nur auf freiwilliger Grundlage eingeführt, eine rechtsverbindliche Verankerung in der Betriebsgenehmigung erfolgt nicht. Auch wenn die Luftverkehrswirtschaft mit der Aufnahme der Absenkung des Lärmvolumens um 1,8 dB in die Betriebsgenehmigung leben kann, befürchtet sie offensichtlich, dass eine Verankerung in der Genehmigung dazu führen könnte, dass weitere Absenkungen von der Genehmigungsbehörde verfügt werden ( z.B. Absenkung um 2 -2,5 dB ) . Z.Zt. ist der Planfeststellungsbeschluß aus dem Jahr 2007 noch nicht bestandskräftig und noch nicht vollständig vollzogen, d.h. die Risiken für eine gerichtliche Aufhebung einer geänderten Betriebsgenehmigung sind geringer als bei einem bestandskräftigen und vollzogenen Planfeststellungsbeschluß. Das es geht, zeigt eine Genehmigungsänderung aus dem Jahr 2001. Durch Bescheid vom 24.09.2001 wurde ein Lärmkontingent festgelegt. Für die Flugplanperioden Sommer 2002 bis Winter 2005/2006 wurden Lärmkontingente in Gestalt von Lärmpunktekonten festgesetzt. Der Bescheid wurde gerichtlich überprüft und bestätigt. Geklagt hatte damals jedoch nicht die Fraport. Mit Fraport konnte vereinbart werden, dass von Fraport keine Klage erhoben wird.
3. Im Bündnispapier Lärmobergrenze erklärt das HMWEVL – vorbehaltlich der Entscheidungen durch die Hessische Landesregierung und den Hessischen Landtag -, “ dass die Einhaltung der beschriebenen Lärmobergrenze und das Vorgehen zur Entwicklung von Lärmminderungsmaßnahmen zugleich die abschließende Umsetzung der landesplanerischen Vorgaben darstellen „. Damit ist das Risiko, über Vorgaben des Landesentwicklungsplanes zu einer Veränderung der freiwillig vereinbarten Lärmobergrenze zu gelangen, ausgeschlossen. Es sei daran erinnert, dass über eine Änderung im LEP 2007 zum Schutz der Nachtruhe die Gerichte die Regelungen im Planfeststellungsbeschluß zum Nachtflug in der Zeit von 23.00 – 5.00 Uhr aufgehoben haben.
Fazit : Es wurde das gemacht, was die Luftverkehrswirtschaft vertreten konnte.Die Koalitionsvereinbarung zwischen CDU und Grüne wird in diesem Punkt formal umgesetzt. Es heißt dort : „Entsprechend der Empfehlungen der Mediation wird vereinbart, eine Lärmobergrenze für den Flughafen Frankfurt einzuführen. Ziel ist es, eine deutliche Lärmreduzierung gegenüber den im Planfeststellungsbeschluß zu erreichen“. Für diejenigen, die mehr erwartet hatten, ist die vereinbarte Lärmobergrenze eine große Enttäuschung.“
Von den 375,4 Mio. Euro hat Fraport sicherlich einen gehörigen Anteil aus den gemäß Weisung der Troika privatisierten Flughäfen in Griechenland geschöpft, während andererseits der griechische Staat die Kosten für entlassene MitarbeiterInnen, Instandsetzungsmaßnahmen u.ä. tragen musste.
Sowohl die dem Land verloren gegangenen Gelder von den Erträgen dieser Flughäfen wie auch die oben erwähnten Kosten fehlen wiederum dem griechischen Staat, um die Not der Bevölkerung zu lindern.
Insofern wäre Fraport moralisch verpflichtet, die Gewinne aus den griechischen Flughäfen zur Versorgung der griechischen Bevölkerung (z.B. im medizinischen Bereich, Arbeitslosenunterstützung, Versorgung der Flüchtlinge etc.) zu zahlen, nachdem Fraport diese Gelder dem Land entzogen hat.