Zu Donald Trump sind im Lauf der Zeit viele Leserbriefe hereingekommen. Ich habe anlässlich der aktuellen Entscheidung Trumps, Jerusalem offiziell als israelische Hauptstadt anzuerkennen, drei davon ausgewählt, obwohl sie sich nicht mit Israel und der aktuellen Entscheidung auseinandersetzen, wohl aber mit Trump, seiner Art, seiner Denkweise und mit dem, was er anrichten könnte.
Die Jerusalem-Entscheidung dürfte weitreichende Folgen haben, denn sie wischt die einzige realistische Friedensoption vom Tisch, die nach Jahrzehnten des Nahost-Konflikts überhaupt erreichbar schien: die Zwei-Staaten-Lösung. Auch die USA haben diese Lösung unterstützt und immer wieder versucht, konstruktive Gespräche darüber zwischen den Israelis und den Palästinensern anzuschieben. Auf israelischer Seite war zuletzt jedoch keine Bereitschaft zu Verhandlungen mehr gegeben. Durch seine rechts-nationalistische Siedlungspolitik schuf Premierminister Benjamin Netanjahu Fakten, die in eine ganz andere Richtung zielen, nämlich auf die De-facto-Annexion großer Teile des Westjordanlandes, also palästinensischen Gebietes. Diese Politik war auch ein Grund für die Verstimmung, die während der Obama-Präsidentschaft zwischen Washington und Jerusalem herrschte.
Donald Trump hat nun alle Umsicht fahren lassen. Jerusalem als Hauptstadt Israels, das bedeutet für die Palästinenser, dass sie sich Ost-Jerusalem als Hauptstadt eines wie auch immer gearteten eigenen Staates abschminken können. Trump nimmt ihnen damit jede Perspektive auf eine würdige Lösung des Konflikts und heizt diesen Konflikt noch an. Er hat damit die islamische Welt gegen sich aufgebracht. Selbst die mit den USA verbündeten Staaten Saudi-Arabien und Ägypten kritisierten seine Entscheidung. Diese Kritik wird allerdings nichts an deren grundsätzlicher Haltung ändern. Sie dind weit davon entfernt, echte Solidarität mit den Palästinensern zu üben. Insbesondere Saudi-Arabien sieht Israel gar als Verbündeten im Streit mit dem Iran um die Vormacht in der Region.
Doch es ist nicht zu erwarten, dass die Palästinenser sich die Provokation gefallen lassen. Nach dem heutigen Freitagsgebet wird sich zeigen, wie sie reagieren. Bereits gestern gab es Unruhen im Westjordanland und im Gazastreifen. Der Chef der islamistischen Hamas, Ismail Hanija, rief zur Intifada auf. Während der zweiten Intifada (2000 bis 2005) wurden mehr als 20.000 Anschläge verübt, mehr als 1000 Israelis wurden getötet und mehr als 3500 Palästinenser, darunter jeweils viele Zivilisten. Auslöser der Intifada war der Besuch des israelischen Premierministers Ariel Scharon auf dem Tempelberg, mit dem er ein politisches Zeichen setzen wollte, dass Jerusalem nicht geteilt werden würde.
Trumps Entscheidung könnte die ganze Region jetzt erneut in große Unruhe stürzen, die viele Opfer fordern wird. Ohne Not und Verstand, wenn auch sicher mit Hintergedanken. Der Präsident schafft Fakten, weil er sie schaffen kann. Er ist ein gefährlicher Mann.
Leserbriefe
Otfried Schrot aus Ronnenberg meint:
Er lässt sich in den Sumpf in der Tiefe der sozialen Netzwerke hinab und balgt sich in einer unsäglichen Schlammschlacht so heftig mit anderen Diskussionsteilnehmern, dass die Spritzer dieser Schlammschlacht Downing Street # 10 erreichen und die britische Premierministerin Theresa May verärgern. Menschenwürde, Du bist nicht in den USA erfunden worden! Donald Trump ist streitsüchtig von morgens bis abends. Er verbreitet auf dieser Welt keinen Frieden. Hat er nichts Wichtigeres zu tun als im Internet Krieg zu führen? Er könnte sich zum Beispiel, einem anerkennenswerten russischen Vorschlag folgend, auf seinen Hosenboden setzen und einen Sprechzettel für ein den Weltfrieden sicherndes Gespräch mit Kim Yong Un anfertigen, um sich anschließend alsbald persönlich mit ihm zu treffen. Nun fordert er Deutschland auf, seinen Botschafter aus Nordkorea abzuberufen. Deutschland sollte nein sagen, denn wenn alle Staaten ihre Gesprächsfäden zu Nordkorea abreißen lassen, bleibt ja nur noch der Austausch von Interkontinentalraketen mit Atombomben. Die Wahl Donald Trumps zum US – Präsidenten war eine der größten Katastrophen in der Geschichte der Demokratie. Hat ein 325 – Millionen – Volk nichts Besseres für die Leitung seiner Nation aufzubieten als diese „Katastrophe eines politischen Führers“? Eine demokratische Wahl allein scheint noch nicht sicherzustellen, dass „der Beste und Fähigste“ an die Spitze gelangt. Vielleicht wäre es besser, wenn die Demokratien vor ihren Wahlkämpfen die Kandidaten durch ein verantwortungsbewusstes, überparteiliches Gremium klarer Köpfe, die frei von Zorn und Eifer sind, „vorsortieren ließen“, bevor man sie einer von Emotionen erfüllten Bevölkerung zur Wahl anbietet. Den Vorsitz sollte Aschenputtel einnehmen, die den Angehörigen des Gremiums die Weisung erteilt: „Die Guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen!“Unter Anwendung dieser Methode wäre Donald Trump im Kröpfchen einer Taube verschwunden, was besser für die Welt gewesen wäre, bevor Wähler ihre Stimme für ihn abgeben konnten. Die Menschheit kann von Glück sagen, wenn sie die Ära Trump ohne Schaden überlebt.“
Alfred Kastner aus Weiden:
„Es besteht die ernstzunehmende Gefahr, das die Welt derzeit vor einem großen Krieg steht. Der „showdown“ hat längst begonnen. Nordkoreas Diktator Kim Jong-un dreht unbeeindruckt von Sanktionen und Drohungen die Eskalationsschraube immer weiter. Die USA könnten schon bald vor der einzigen Wahl stehen, einen Erstschlag gegen Nordkorea durchzuführen, mit hieraus resultierenden unabsehbaren Konsequenzen, oder den unberechenbaren Machthaber weiter gewähren zu lassen, mit, angesichts der rasanten Entwicklung Nordkoreas bei seiner Raketentechnik, ebenso unkalkulierbaren Folgen. Unterschätzen bzw. gar belächeln wird Kim Jong-un mittlerweile sicherlich niemand mehr. Angeblich kann er mit seinen Nuklearsprengköpfen inzwischen sogar nahezu jeden Punkt Europas erreichen.
Es ist verständlich und liegt in der menschlichen Natur, dass wir angesichts des Ausmaßes der Verheerung, die ein Nuklearkrieg mit sich bringen würde, die Möglichkeit aus unseren Gedanken löschen und uns über kleinere Risiken und alltägliche Probleme sorgen.
Die besorgniserregende Weltlage sollte eigentlich ein Anlass sein, zu Beginn der bevorstehenden Weihnachtszeit inne zu halten und uns auf den ursprünglichen Charakter dieses Festes zurück zu besinnen: Ein Fest für die Familie und der Liebe. Wir sollten es als keine Selbstverständlichkeit betrachten, dass wir auch in diesem Jahr die Menschen, die uns besonders nahe stehen, gesund und wohlbehalten um uns versammeln können.
Dass Heiligabend dieses Jahr auf einen Sonntag fällt, sollten wir als ein Geschenk annehmen. Ein Zeitgeschenk, um zur Ruhe zu kommen. Denn eine zunehmende Arbeitsverdichtung und ein Anspruchsdenken, nur um mit anderen mithalten zu können, lassen das persönliche Hamsterrad immer schneller drehen. Stattdessen aber scheint für so manchen die größte Sorge zu sein, dass an Heiligabend die Geschäfte (bzw. Konsumtempel) geschlossen bleiben.
Weihnachten ist leider zu einem Fest des Konsums verkommen. Süßer die Kassen nie klingeln. Ein gutes Weihnachten bemisst sich heutzutage in erster Linie an der Höhe des Umsatzes. Das Weihnachtsfest hat in dieser Form seinen eigentlichen Sinn leider längst verloren. Und für viele ist Weihnachten einfach nur ein trauriges Fest, weil sie keinen (mehr) zum Feiern haben.“
Jürg Walter Meyer aus Leimen:
„Trump hat die seit dem ersten Weltkrieg glimmende Lunte so stark angefacht wie seit dem ersten Golfkrieg (1980 – 1988) nicht mehr. Damals griff der irakische Diktator Saddam Hussein den Iran direkt an – offen von Saudi-Arabien und Kuwait finanziert und „von den USA und der Sowjetunion taktisch unterstützt“ (Bundeszentrale für politische Bildung Deutschland) – aber kein Wort über die deutschen Firmen, die dem Irak seit Anfang der achtziger Jahre Anlagen und Zubehör geliefert haben, mit denen chemische Kampfstoffe („Giftgas“) produziert wurden. Zwischen 1982 und 1988 hat Deutschland dem Irak Waffen im Wert von 625 Millionen Dollar geliefert. Der Iran dagegen war international vergleichsweise isoliert; zu seinen größeren Verbündeten zählten Syrien und Libyen. Diesen „ersten“ Golfkrieg gestalteten die USA als Stellvertreterkrieg, in dem der von Hussein geführte Irak den Iran zur Räson bringen sollte.
1979 hatten die Präsidenten der USA und Frankreich, der britische Premierminister und der deutsche Bundeskanzler beschlossen (Januar) den Schah nicht mehr zu unterstützen und das Gespräch mit Ajatollah Chomeini zu suchen, der am 1. Februar aus dem französischem Exil zurückkehrte. Die dadurch ausgelöste, vom Westen nicht vorausgesehene und nicht erwünschte Revolution führte unter anderem zur Besetzung der US-Botschaft in Teheran (November) durch iranische „Studenten“.
Alles vergangen, alles Geschichte! Leider weit gefehlt: Geschichte wiederholt sich nicht, aber die Abläufe sind ähnlich und angesichts einer völlig anderen Gemengelage – Russland hat das Sagen in Nahost; China strebt Weltgeltung an – haben sie eine weitaus gefährlichere Dimension.
Trump hat auf seiner ersten(!) Auslandreise im Mai Israel und Saudi-Arabien besucht. Kaum war er wieder aus dem Land haben unter Führung Saudi-Arabiens weitere arabische Staaten und Ägypten Katar in die Zange genommen. Trump will das Atomabkommen mit dem Iran kündigen, aber die anderen Vertragspartner, die UN-Vetomächte, so auch Russland und China, und zusätzlich Deutschland sind dagegen – Trump spricht mit dem saudi-arabischen Kronprinzen Mohammed bin Salman und ein arabisches sunnitisches Bruderland, Katar, das Verbindungen zum schiitischen Iran hat wird bedroht, ja isoliert – honi soit qui mal y pense.
Dabei hält der Iran gemäß dem Bericht der IAEA das Abkommen ein, und die westlichen Sanktionen sind nach wie vor in Kraft: Das UN-Verbot zur Ein- und Ausfuhr von Waffen wird um bis zu fünf Jahre verlängert. Auch Lieferungen, die dem ballistischen Raketenprogramm des Irans dienen könnten, bleiben für acht Jahre verboten. Die Wirtschaftssanktionen werden erst dann schrittweise aufgehoben, wenn die IAEA bestätigt, dass der Iran seinen Pflichten zur Reduzierung des Atomprogramms nachgekommen ist.
Der Hasardeur Trump hat im Saudi Mohammed bin Salman einen Gleichgesinnten gefunden. Trump schimpft gegen die Medien und den Kongress, Mohammad lässt die Opposition gleich verhaften, das Vermögen beschlagnahmen. Die Titel deutschsprachiger Zeitungen reichen von „Saudische Prinzen und Minister festgenommen“ bis zu „Reinemachen in Saudiarabien“. Zu diesem „Reinemachen“ gehört auch der Tod des ehemaligen Kronprinzen Prinz Mansour bin Muqrin, der bei einem Hubschrauberabsturz an der Grenze zum Jemen umgekommen sein soll (Nov. 2017). Heute, Mittwoch, 8.11. erklärt Mohammad der erstaunten Welt, dass der Libanon dem Königreich Saudi-Arabien den Krieg erkläre. Der amtierende libanesische Ministerpräsident hat in einem Video stockend seinen Rücktritt „erklärt, das von Al-Arabija ausgestrahlt wurde – einem Sender im Besitz der Saudis. In angeblicher Lebensgefahr „floh“ er aus dem Libanon nach Saudi-Arabien. In seiner durch Hariris „Todesangst“ (Hariri hat die libanesische und die saudische Staatsbürgerschaft) legitimierten Gegenwehr muss der saudische Kronprinz Mohammad mit seinen Panzerverbänden durch Syrien vorstoßen – auch gut, da trifft er auf die Russen. Mohammad verfügt ja dank Bundeskanzlerin Merkel über gute deutsche Waffen. Merkel: „Der Export von Waffen ist ein mögliches Instrument zur „Friedenssicherung“». Unklar ist die Zahl der Leopard-Panzer, die geliefert wurden bzw. geliefert werden sollen, die Zahl variiert von über 600 vor drei Jahren bis zu 270 in den letzten Tagen. In der noch amtierenden Großen Koalition ist nur die SPD strikt dagegen.“
Ja,die Menschheit kann die Ära Trump überstehen, wenn wir aufhören auf das irrationale Verhalten dieses gestörten Egomanen zu reagieren wie bisher und Amerika als das sehen, was es ist. Ein Land wie jedes andere. Welche Vorstellungen mit diesem Land auch immer verbunden waren, seit Trump ist vieles am Wackeln.
Warum nicht endlich mit Besonnenheit, sich seines eigenen Standpunktes sicher, auf seine Irrationalität mit Ruhe zu antworten. Er ist dabei sein eigenes Land in der Welt zu isolieren und nichts anderes tut er auch mit seiner Entscheidung bezüglich Jerusalem. Habe noch nicht gelesen, dass ein anderes Land Jerusalem als israelische Hauptstadt anerkannt hat.
Wenn Netanjahu Größe hätte, würde er darauf hinweisen, dass diese Stadt zumindest auch den Palästinensern „gehört“. Hat er aber nicht und was eine völlig einseitige Anerkennung der Amerikaner bedeutet wird sich zeigen.
Für seine Aufforderung an Deutschland den Botschafter aus Nordkorea abzuziehen gibt es ein klares nein. Der Rest der Welt und auch wir nicht sind die Vasallen von Amerika.
Wie Mr. Trump sich verhält haben wir nicht in der Hand, unsere Reaktionen darauf sehr wohl!
Es kann doch nicht angehen, dass ein Möchtegern Präsident der erwiesenermaßen zumindest gestört ist, die Geschicke der Welt lenkt und uns in einen neuen Krieg – im wahrsten Sinne des Wortes – quatscht!
Noch einmal: Besonnenheit und sich auf die eigenen Stärken besinnen und Mr. Trump ganz klar die Kante zeigen ohne die Hysterie die immer sehr schnell aufkommt, wenn er Schrott labert, finde ich einen gangbaren Weg.
@ Bronski
Es liegt mir fern, die irrationale Außenpolitik Trumps oder gar die Siedlungspolitik Netanjahus zu verteidigen. Die allgemeine Empörung über die „Anerkennung“ Jerusalems als Israels Hauptstadt, die ein Verstoß gegen den völkerrechtlichen Status Jerusalems sei, erscheint mir aber wenig faktenbasiert. Den im UN-Teilungsbeschluss vorgesehene Sonderstatus der Stadt mit internationalen Verwaltung der Heiligen Stätten fegte die von britischen Offizieren geführte Arabische Legion von der politischen Bühne, die in dem der Ausrufung des Staates Israel folgendem Krieg 1948, die den Ostteil und die Altstadt besetzte, jüdische Bewohner vertrieb und das jüdische Viertel sowie den alten jüdischen Friedhof am Ölberg zerstörte. Anschließend annektierte Jordanien die Altstadt, Juden wurde – entgegen der einschlägigen UN-Resolution und ohne nennenswerte Gegenreaktionen der Weltgemeinschaft – der Zugang zu ihren Heiligen Städten (Westmauer des Tempels) verwehrt. Dieses Trauma erklärt, warum 1967 nach dem siegreichen Sechs-Tage-Krieg die Wiedervereinigung Jerusalems die jüdischen Israelis und viele Juden in der Diaspora so stark emotional bewegt hatte.
Dass Israel den Westteil Jerusalems, den der junges Staat 1948 nur mit knapper Not und mit hohen Verlusten verteidigen konnte, zu seiner Hauptstadt und dem Sitz des Präsidenten, des Parlaments und der Regierung machte, ist eine längst akzeptierte Realität. Jeder neue Botschafter überreicht in Jerusalem seine Beglaubigungspapiere dem Staatspräsidenten und verhandelt dort mit der Regierung. Die Wahl der Hauptstadt ist übrigens eine souveräne Entscheidung jeden Staates, die keiner völkerrechtlichen Anerkennung bedarf.
Völkerrechtlich problematisch ist allerdings Israels einseitige Erklärung ganz Jerusalems zur „ewigen und unteilbaren“ Hauptstadt (wobei den meisten Israelis dabei der arabischen Ostteil gleichgültig ist). Dieser Begriff kommt in dem von Trump unterschriebenen Dekret nicht vor; soweit haben sich seine außenpolitischen Berater durchgesetzt. Die angekündigte Verlegung der US-Botschaft bleibt daher eine rein symbolische Handlung, die an den Realitäten nichts ändert, auch wenn sie – wovon viele Trump gewarnt haben – zu gewaltigen und gewalttätigen Aufwallung der Emotionen führt und den ohnehin kaum vorhandenen Friedensprozess erschwert. Die Schlussfolgerung, dies „bedeutet für die Palästinenser, dass sie sich Ost-Jerusalem als Hauptstadt eines wie auch immer gearteten eigenen Staates abschminken können“, ist meiner Meinung nach trotzdem voreilig. Sollte es zu echten Friedensverhandlungen kommen – was derzeit leider als wenig realistisch erscheint – könnte am Ende eine Lösung so aussehen, wie sie schon im (gescheiterten) Taba-Abkommen 2001 (fast) vereinbart wurde.
Um zu einer Einigung zu kommen, müssten sich aber beide Seiten von einigen Lebenslügen und ideologischen Denkfiguren verabschieden. So hat das Mantra der „ewigen unteilbaren Hauptstadt“ des national-religiösen Lagers in Israel wenig mit der Realität Jerusalems zu tun, das eine zwischen dem jüdischen Westteil und dem (bei kommunalen Investitionen und Dienstleistungen benachteiligten) arabischen Ostteil gespaltenen Stadt bleibt, in der sich die Bevölkerungsgruppen immer fremder werden (wogegen immer noch, von deutschen Medien fast unbeachtet, zahlreiche jüdisch-arabische bürgerschaftliche Initiativen ankämpfen). Genauso lassen sich die Verdächtigungen, „die Juden“ wollen den Muslimen ihre Heiligen Städten wegnehmen, mit der realen Regierungspolitik Israels nicht begründen, die unabhängig vom ideologischem Getöse die eigenständige Verwaltung der muslimischen Heiligtümer auf dem Tempelberg durch die jordanische Waqf-Behörde uneingeschränkt respektiert. Zur Beruhigung trägt auch nicht die von Teilen der muslimischen Geistlichkeit mit Unterstützung der Autonomiebehörde betriebene Umdeutung der Geschichte, die die historischen Ansprüche der Juden auf Jerusalem leugnet oder marginalisiert – bis zu der absurden Behauptung, der jüdische Tempel hätte nicht existiert.
@ JaM
Es hilft im Moment wenig, die schwierigen „Besitzverhältnisse“ der Hauptstadt Jerusalem politisch und historisch zu interpretieren, so differenziert sie auch sind.
Die heilige Stadt ist und bleibt ein hochemotionales Symbol.
Tatsache ist: Trump hat mit seiner Entscheidung total versagt. Und hat es fertig gebracht, wieder Hass und Gewalt in den Nahen Osten zu bringen.
„Die angekündigte Verlegung der US-Botschaft bleibt daher eine rein symbolische Handlung, die an den Realitäten nichts ändert, auch wenn …“
Das sehe ich jetzt dramatischer: Es droht die 3. Intifada, wenn die aufgeheizte Stimmung politisch nicht aufgefangen wird.
@ Jürgen Malyssek
Ich schätze die Gefahr verheerender Folgen der törichten Entscheidung von Trump ähnlich wie Sie ein, wenn auch nicht ganz so dramatisch. Die gewalttätigen Proteste der palästinensischen Bevölkerung, die zu erwarten waren, folgen allerdings nicht politischen Realitäten, sondern nationalen und religiösen Emotionen, die von Politikern gezielt geschürt werden. Man kann nur hoffen (und der Verlauf des Wochenendes spricht eher dafür), dass sich der Protest nicht zu einer dritten Intifada entwickelt.
@ JaM
Gerade weil, wie Sie sagen, die gewalttätigen Proteste der Palästinenser nicht – ich betone – nur (!) politischen Realitäten folgen, ist das, was Trump getan hat, so verheerend.
Weil gerade religiöse Symbole so hochemotional sind und im Heiligen Land nochmal ganz besonders.
Entweder ist Trump so verrückt und minderbegabt, das nicht zu erkennen, oder er macht es, weil er den Nahost-Konflikt und den erneuten Brandherd so haben will, aus welchem politischen Kalkül auch immer?
Ich neige zu ersterem, kann mir aber auch inzwischen die andere vorstellen, weil Trump schlicht und einfach eine amerikanische Katastrophe ist.
@ JaM
Ergänzung zu oben Gesagtem:
ich habe inzwischen das Interview mit Tom Segev gelesen (FR 9./10.12.).
Sie bestätigen im Wesentlichen das, was Segev zur neuerlichen Situation, den Reaktionen und den politischen Realitäten, sagt.
Segev sieht die Situation in Jerusalem als Hauptgrund für das Unlösbare des Konflikts zwischen den Israelis und Palästinensern.
So sehe ich das, seitdem ich das Land durch Reisen kennen gelernt habe.
Da ich dem Historiker und Kenner Tom Segev schlecht widersprechen kann und will, sind mir noch diese Punkte aufgefallen:
– Trumps Motive für seinen jetzigen „Coup“ ist bestimmt seine innenpoltisch schwächer werdende Position. Da will Mr. President doch noch vor Weihnachten Geschenke machen an seine gläubigen Wähler und Netanjahu wieder auf den Sattel helfen, von dem er gerade gefallen ist.
– Es gibt, bei genauer Betrachtung, keinen wirklichen Friedensprozess. Und: alle US-Präsidenten sind als Vermittler im Nahostkonflikt gescheitert. Und das Osloer Friedensabkommen ist irgendwo auf der Strecke geblieben. Der Mord an Rabin und der Tod Arafats gaben dem Ganzen den Rest.
– Ohne massiven Druck (Segev) von Amerika, sich die Situation nur verschlechtern kann.
– Trump schädigt auch das funktionierende Verhältnis zwischen Israel und Jordanien.
Ich habe einmal für eine politische Einstaaten-Lösung plädiert. Segev hat recht: Es ist nicht möglich (zwei verschiedene Völker und Kulturen). Das war von mir zu idealistisch gedacht.
Die Menschheit mag die Ära Trump überstehen, Israel-Palästina wird größeren Schaden tragen.