Die AfD befindet sich nach dem Rauswurf des brandenburgischen Fraktionsvorsitzenden Andreas Kalbitz in einer Zerreißprobe. Die beiden wichtigsten Strömungen in der Partei – die Nationalkonservativen um Jörg Meuthen, einen der beiden Parteivorsitzenden, und der inzwischen formale aufgelöste rechtsextreme „Flügel“ um den thüringischen Landesvorsitzenden Björn „Bernd“ Höcke sowie eben Andreas Kalbitz – ringen schon seit langem um Einfluss auf die Gesamtpartei. Den „Flügel“-Leuten fiel es dabei stets leichter als den „Gemäßigten“, sich Gehör zu verschaffen, da sie laut und provozierend und damit öffentlichkeitswirksam auftraten. Sie nahmen sich erst zurück, als das Damoklesschwert der Beobachtung durch den Verfassungsschutz über ihnen zu schweben begann. Auch das war Kalkül: Die AfD will sich das Wählerpotenzial der bürgerlichen Mitte erschließen, das jedoch vom Extremismusverdacht – und nichts anderes bedeutet die Beobachtung durch den Verfassungsschutz – eher abgeschreckt werden dürfte. Prominente Verbündete bzw. Fürsprecher des „Flügel“ sind der AfD-Ehrenvorsitzende Alexander Gauland und die Co-Vorsitzende der AfD-Fraktion im Bundestag, Alice Weidel.
Trotz dieser vermeintlichen Dominanz des „Flügel“ ist es Jörg Meuthen nun gelungen, im Parteivorstand eine Mehrheit für den Parteiausschluss des Rechtsextremen Kalbitz zu organisieren. Das ist ein bemerkenswerter Vorgang: Die Abstimmung ging sieben zu fünf bei einer Enthaltung aus. Das ist kein deutliches Ergebnis, widerspricht aber doch der öffentlichen Wahrnehmung der Verhältnisse in der AfD. Kalbitz soll seine Mitgliedschaft in der rechtsextremen „Heimattreuen Deutschen Jugend“ (HDJ) und bei den Republikanern verschwiegen haben, als er seinen Antrag auf Mitgliedschaft in der AfD stellte. Beide Gruppierungen stehen bei der AfD auf einer „Unvereinbarkeitsliste“, mit deren Hilfe sich die AfD vom Rechtsextremismus abzugrenzen versucht. Wie man sieht, hilft diese Liste auch bei der internen Abgrenzung. Kalbitz bestreitet indes, Mitglied der HDJ gewesen zu sein, und hat rechtliche Schritte gegen den Parteiausschluss eingeleitet. Die AfD-Fraktion im brandenburgischen Landtag hat derweil entschieden, dass Kalbitz in der Fraktion bleiben darf. Er sitzt dort als gewählter Abgeordneter natürlich weiterhin im Parlament, trotz Parteiausschluss.
Björn Höcke hat sich eindeutig auf Kalbitz‘ Seite geschlagen, ebenso Alexander Gauland, der Meuthens Zukunft in der Partei infrage stellt. Doch während Meuthens innerparteiliche Gegner ihn schon auf dem Weg der Luckes und Petrys sehen, seiner Vorgänger/in an der Spitze der Partei, wähnt Meuthen selbst die Partei hinter sich. Jetzt wird über einen Sonderparteitag geredet, um die Krise zu bewältigen, aber tatsächlich hat es den Anschein, als seien die Gräben zwischen den Parteiströmungen bereits zu tief. Der Partei droht die Spaltung. Das ist die Folge der Verschleppung einer internen Klärung: Die AfD hat zwar ihre „Unvereinbarkeitsliste“. Sie hat aber nichts dagegen unternommen, dass die Protagonisten des „Flügel“ unverkennbar Positionen von Gruppierungen aufgegriffen hat, die auf dieser Liste stehen. Das Gedankengut dieser Gruppen war immer schon auch Gedankengut der „Flügel“-Leute. Die AfD war daher in ihren Abgrenzungsbemühungen gegen den Rechtsextremismus bisher unglaubwürdig, trotz „Unvereinbarkeitsliste“. Die Klärung, die Meuthen im internen Machtkampf nun offenbar anstrebt, kommt möglicherweise zu spät für die Partei.
Die Spitze des rechten Eisbergs
Thüringens sozialdemokratischer Innenminister Georg Maier hat vollkommen recht, wenn er erklärt, dass der Rauswurf von Andreas Kalbitz aus der AfD nicht reicht; denn was wir schon seit geraumer Zeit erleben und wissen, ist die Tatsache, dass die kruden und rechtsradikalen Positionen der Flügel-Anhänger und ihrer Sympathisanten in der AfD nur die Spitze des rechtsnationalen Eisbergs in der AfD sind. Möglicherweise ist das, was in den vergangenen Wochen immer wieder aus der AfD an die Öffentlichkeit gedrungen ist, nur eine Show zur Beruhigung der Parteimitglieder und einer bestimmten Wählerklientel, die womöglich aus Angst, vom Verfassungsschutz beobachtet zu werden, lieber zumindest nach außen moderate Töne statt rechtsextreme hören möchten. Deshalb reicht auch der Rauswurf des Brandenburgischen AfD-Landesvorsizenden Andreas Kalbitz bei Weitem nicht, um der AfD auch nur ein Stückchen Glaubwürdigkeit zu geben. Tatsache ist, dass die AfD und ihre Wähler in ihrer weitaus überwiegenden Mehrheit Rechtsradikale und Rechtsextreme sind und Leute wie Björn Höcke, Andreas Kalbitz oder Alexander Gauland, der den Flügel-Leuten die Stange hält, bevorzugen. Die AfD ist zu einer Selbstreinigung in der Tat nicht in der Lage und es ist jetzt schon so weit, dass diese Partei so weit radikalisiert ist, dass sie insgesamt vom Verfassungsschutz auf allen Ebenen beobachtet werden müsste. Die AfD muss sobald wie möglich aus dem politischen Spektrum der Bundesrepublik Deutschland verschwinden. Jeder Tag, an dem sich die AfD noch an der Hetze gegen unseren Verfassungsstaat beteiligen kann, ist einer zu viel. Die Gefährlichkeit der AfD macht sich ja gerade in diesen Tagen wieder bemerkbar, wenn die AfD gemeinsam mit Verschwörungstheoretikern, die sich leider zum Teil auch als „links“ verstehen, gegen diese Republik agiert.
Manfred Kirsch, Neuwied
Die Partei frisst ihre Vorsitzenden
Nach dem braven Vor-Vorgänger Bernd Lucke und der alerten Frauke Petry, hat nun auch AfD-Co Chef Jörg Meuthen versucht, den rechtsradikalen Umtrieben in „seiner“ (?) Partei den Garaus zu machen. Man muss kein Prophet sein, um festzustellen, dass er damit ebenso kläglich scheitern wird wie Lucke und Petry. Denn wer glaubt, dass der Faschist Björn Höcke und dessen Gefolgsleute auch nur einen Millimeter von ihren abstrusen Einstellungen abweichen, der glaubt auch an den Mann mit dem weißen Bart, der zu Weihnachtenn artig Geschenke verteilt.
Nein, und daran dürfte nur wenig Zweifel bestehen: Meuthens Versuch, mit Andreas Kalbitz den wichtigsten Getreuen von Höcke „ante portas“ zu verweisen, wird bald eines Besseren belehrt werden. Denn schon lange zeigt der Osten in der AfD an, welche Musik von wem gespielt wird. Hier, auf den märkischen und sächsischen Feldern, haben sich die Ewiggestrigen bis zum Hals im fruchtbaren Boden eingegraben und verteidigen, gern in Verbindung mit Gewalt, ihr rechtes, bestehendes Gedankengut. Ja, „der Osten steht“ hinter Höcke, hat er doch mit Jörg Urban einen weiteren, stramm rechts verorteten Mann an seiner Seite. Wäre der geschasste Andre Poggenburg noch dabei, sähe es noch dunkler aus. Und vom harmlosen Tino Chrupalla, der mehr Frühstückspräsident denn Co-Vorsitzender ist, kann er sich jeglicher Rückendeckung gewiss sein.
Doch bei aller Kritik muss man Höcke eines lassen: Er hat (in negativer Hinsicht) ganze Arbeit geleistet. Denn Höcke erkannte früh das riesige Potenzial der Unzufriedenen, das sich vor allem bei den Verlierern der Wende in Deutschlands Osten angesammelt hatte und bot den Pöblern und Schreihälsen, bei denen sich in kürzester Zeit die äußere mit der inneren Hässlichkeit vermählt hatte, eine Plattform, um sich bemerkbar machen zu können. Es entstand ein Schmelztiegel, der gegen alles zu Felde zog, was nicht den eigenen Ansichten entsprach. Ob etablierte Politiker, Wessis, die Lügenpresse, Linke oder Flüchtlinge, Asylanten und Einwanderer: unbelehrbar, starrsinnig und hasserfüllt konnte man (damals noch vom Verfassungsschutz größtenteils unbehelligt) nach Herzenslust der eigenen Unzufriedenheit, gepaart mit eigenem Unvermögen, hemmungslos freien Lauf lassen.
So hat sich in den neuen Bundesländern die braune Brut prächtig entwickelt und lässt sich vom großen, ungeliebten Bruder aus dem Westen so gar nichts sagen. Und der Bruder hat überhaupt nicht verstanden, wie der Hase läuft. Hat man ernsthaft geglaubt, mit der Auflösung des „Flügels“ Höcke und Konsorten ihrer rechten Gesinnung zu entmannen? Eher hatte die Anhänger des „Flügels“ Schlafprobleme, weil sie ob des dilettantischen Vorgehens vor Lachen nicht in den Selbigen fielen. Zudem präsentiert sich die West-AFD weit weniger geschlossen als jenseits im Osten, bietet politisch ein eher schwammiges Bild und trottet der Höcke-AFD brav nach.
Es stellt sich die Frage, ob Meuthen diese Entwicklung nicht verstanden oder gesehen hat? Dass sich Alexander Gauland auf seine alten Tage und die sich aus Karrieregründen wie ein Fähnlein drehende Alice Weidel bereits in Stellung gebracht haben, um Höckes Positionen im Westen hoffähig zu machen. Was schert es dabei die ebenso intelligente wie hochgradig arrogante Weidel, sich früher stramm gegen Höcke positioniert zu haben? Nichts! Nur der eigene Erfolg zählt. Aber ein Höcke vergisst nichts – mal sehen, wann Weidel dies zu spüren bekommt. Abschließend stellt sich nicht die Frage, ob, sondern wie lange noch Meuthen in seinem Sessel sitzt. Schenkt man den Rachegelüsten Kalbitz‘ Glauben, dürfte es die längste Zeit gewesen sein; denn der Rückendeckung von Höcke und dem gesamten Osten darf er versichert sein. So wird sich Meuthen also über kurz oder lang neben Lucke und Petry in die Reihe derer einreihen, die von der eigenen Partei gefressen wurden.
Ich denke die AFD hat gute Chancen die Coronaverlierer auch noch in ihren Reihen begrüßen zu dürfen. Die Entwicklung ist noch lange nicht abgeschlossen.