Das Thema „Integrierte Gesamtschule“ bewegt gerade halb Frankfurt. Die neue IGS Süd in Sachsenhausen begeistert die Kinder und die Pädagogen: „Selbst sind die Schüler„, berichtete die FR. Auch im östlich von Sachsenhausen gelegenen Stadtteil Niederrad sollte es eine solche IGS geben, doch Bildungsdezernentin Sylvia Weber ist in der Römer-Koalition (CDU, SPD, Grüne) mit ihren Plänen gescheitert. Die CDU hat sich durchgesetzt. Sie will in Niederrad eine Kooperative Gesamtschule (KGS) haben, die im Kern das alt hergebrachte mehrzügige Schulsystem beibehält. Die KGS soll sechszügig sein (eine Hauptschul-, zwei Realschul- und drei Gymnasialklassen pro Jahrgang), aber es hatten sich insgesamt nur drei Kinder für die Gymnasialklassen angemeldet. Akzeptanz sieht anders aus. Allerdings stellt das Konzept der IGS vor allem die Eltern ebenfalls vor gewisse Probleme. — Zu diesem Thema habe ich am 23. November eine gekürzte Fassung des unten folgenden Textes von Wolfgang Geier aus Rödermark im Print-Leserforum der FR veröffentlicht.
An Schülern orientierte Pädagogik
von Wolfgang Geier
„Zunächst einmal ein Rückblick: Zu Beginn der Amtsübernahme von Jutta Ebeling als Bildungsdezernentin der Stadt Frankfurt am Main war die Eröffnung einer Integrierten Gesamtschule (IGS) in Sachsenhausen ein Thema, eines, das ebenso schnell verschwand, wie es entstand. Das Ziel, in allen Stadtteilen IGSn zu errichten, wurde nicht erreicht. Viele Jahre gingen ins Land, bis nunmehr, 2016, der „weiße Fleck“ in der modernen pädagogischen Schullandschaft für Sachsenhausen beseitigt wurde.
So haben beispielsweise die IGS Kassel-Waldau, die Helene-Lange-Schule in Wiesbaden oder aber die IGS Nordend in Frankfurt sowie alle anderen in ihrer Lernstruktur schülerorientiert arbeitenden Schulen längst bewiesen, wie fortschrittlicher Unterricht erfolgreich und somit im Interesse der Klientel, in diesem Fall der Schülerinnen und Schülern, praktiziert werden kann.
Seit Jahrzehnten erkannte die pädagogische Forschung den Nutzen des schülerorientierten Curriculums, sprach sich gegen ausschließlich flächenzentriertes Lernen aus, das in der Regel darüber hinaus durch häufigen und damit überfordernden Frontalunterricht gekennzeichnet war.
Ungern erinnere ich mich an meine Schulzeit in den sechziger Jahren. Frontalunterricht pur, sitzen in, wie ich es nenne, „Eisenbahn-Sitzordnung“, gemeint sind drei Sitzreihen mit Zweiertischen, hintereinander angeordnet.
Schülereigenintitiative war kaum erwünscht, vielleicht sogar pädagogisch noch nicht erkannt. Wenn ich aber heute eine Schule aufsuche, so würde ich mir wünschen, dass von diesen alten Strukturen wenig übrig geblieben ist. Leider ist jedoch an manchen Schulen die Zeit stehen geblieben. Wer eine solche Schule heute als Gast besucht, wird lediglich seine eigene Schulzeit eventuell wiedererkennen können.
Aber auch für die Pädagogik gilt das Gleiche wie, na sagen wir mal, die Autoindustrie. Wer möchte schon mit einem Fahrzeug aus den sechziger / siebziger Jahren unterwegs sein, wenn er sich ein modern konstruiertes Auto wünscht.
Die IGS Süd geht den richtigen Weg, den die anderen, oben genannten Schulen schon erfolgreich praktizieren. Sie wird es deshalb ebenso erfolgreich schaffen, pädagogische Inhalte an den Schülerinnen und Schülern fest zu machen und stellt damit die wichtigen Rahmenbedingungen für eine Schule her, die es ihrem Klientel gestattet, mit besseren pädagogischen Inhalten und Konzepten, wie es der FR – Artikel vom 11.11. 2016 beschreibt, die Lernmotivation der Schülerinnen und Schüler hoch zu halten und damit die Freude und die Lust am Lernen nicht nur aufrecht zu erhalten, sondern auch zu steigern.
Selbst für herkömmliche am ehemals „dreigliedrigen“ Schulsystem orientierten Schulen können solche Konzepte Anregungen beinhalten. Es erfordert Mut und Engagement der Lehrerinnen und Lehrer, auch in diesen konservativen Rahmenbedingungen bei Realschulen und Gymnasiedurch Konzeptänderungen pädagogische Weiterentwicklungen anzustreben, die den Schülerinnen und Schülern zugute kommt.
Auch an diesen Schulen kann das Fachlehrerprinzip in Teilen aufgelöst und dem Klassenlehrer die Möglichkeit gegeben werden, mehrere Fächer in der Klasse zu unterrichten, damit häufiger in der Klasse präsent zu sein und somit beispielsweise Wochenplanarbeit oder gruppenorientiertes Lernen zu installieren. Und ein Blick auf die Arbeit der IGSn schadet hier auf keinen Fall und könnte sie zur Nachahmung ermuntern.
Nur ein Beispiel: Zur Zeit wird das Elisabethen-Gymnasium renoviert, das sich das Schulgelände mit der Fürstenberger Realschule teilt. Hier wäre die Chance zur Auflösung dieser beiden Schulformen durchaus gegeben, um in Zukunft zusammengelegt und somit eine weitere Integrierte Gesamtschule hervorzubringen . Das Schulgelände und die zur Verfügung stehenden Gebäuden eigenen sich sehr für ein solches Vorhaben. Die IGS Süd und die IGS Nordend gehen als motivierendes Beispiel erfolgreich voran. Also: Im Interesse der Schülerinnen und Schüler wünsche ich den Lehrerinnen und Lehrer den Mut, bisherige Lernkonzepte zu hinterfragen und besser geeignete anzugehen und die Eltern davon zu überzeugen.
Und dazu brauchen sie noch nicht einmal eine/n Schulleiter/in als Vordenker, denn das würde ja das modernere Konzept schon wieder auf den Kopf stellen.
Für mich ist die IGS die einzige erstrebenswerte Schulform für die Zukunft. Meine Kinder haben eine IGS (auch mangels anderer Alternativen) besucht. Gemeinsames Lernen von schwachen starken und behinderten Schülern finde ich richtig. Es wird viel von Inklusion geredet, die einzige Schulform die dazu in der Lage ist, ist die IGS. Aber warum wird dieser Weg nicht beschritten? Kann es sein, dass unsere „Elite“ kein Interesse daran hat dabei zuzusehen wie ihr Nachwuchs hinter den Leistungen z.B. eines Schülers mit Harz 4 beziehenden Eltern zurück bleibt? Kastendenken gibt es wohl nicht nur in Indien!