Das „Ferkel-Buch“ kommt nicht auf den Index. Das hat die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien nun entschieden: Das Buch sei nicht als antisemitisch einzustufen. Zwar werde darin Religionskritik geübt und der Inhalt verletze möglicherweise das religiöse Empfinden der Gläubigen der drei dargestellten Religionen. Das aber stelle „keinen Tatbestand der Jugendgefährdung“ dar.
Die Rezension des Kinderbuchs in der FR hat Leserreaktionen bekommen. So meint Michael Reisener aus Zwickau:
„Offensichtlich zählt Christian Schlüter zu den wenigen Kritikern, die das Buch auch gelesen haben. Mich ärgert maßlos – der Indizierungsversuch setzt dem nur die Krone auf –, wie unverfroren Politiker, die unserer Verfassung verpflichtet sind, zur Verteidigung ihrer religiösen Werte in den Schützengraben springen. Dass christlich-religiöse Eiferei mehr und mehr zum Markenzeichen unserer Familienministerin von der Leyen wird, deren Ressort für alle unsere Kinder verantwortlich ist, egal ob jüdisch, muslimisch oder atheistisch, muss alle denkenden Menschen wachrütteln.
Unter dem Motto: ‚Was Du nicht willst, was man Dir tu‘, das mut‘ auch keinem andern zu‘ sollten wir alle vereint eine strikte Trennung von Kirche, der Eltern ihre Kinder freiwillig anvertrauen können, und Staat, dem wir alle unsere Kinder in Kitas und Schulen anvertrauen müssen, im Sinne einer weltanschaulich offenen, aber wertfreien Bildung und Erziehung einfordern. Damit auch morgen das kleine Ferkel noch fragen darf: ‚Wo bitte geht’s zu Gott?'“
Lutz Lemhöfer, Frankfurt
„Gegen Religionskritik ist nichts zu sagen. Sie findet sich schon in der Bibel als scharfer Protest gegen veräußerlichten Kult. Um so bedauerlicher, wenn sie so platt und besserwisserisch daherkommt wie im Kinderbuch des atheistischen Missionars Schmidt-Salomon. Eine Aneinanderreihung antireligiöser Klischees macht noch keine Kritik. Den Maßstab dafür könnte der Autor bei einem klügeren Atheisten finden, nämlich bei Kurt Tucholsky. In seinen „Briefen an eine Katholikin“ notiert der selbsternannte ‚Originalheide‘: ‚Ich schmähe die Kirche nicht. Beschränkt ihr euch auf das geistige Gebiet, so sei Diskussion zwischen uns (…). In dem Augenblick allerdings, wo die Kirche sich erdreistet, uns anderen ihre Sittenanschauungen aufzudrängen, (…) halte ich jede politische Waffe für erlaubt.‘ Fern von hämischen Überlegenheitsgesten erinnert er die Gläubigen an ihre eigenen Maßstäbe: ‚Wir anderen – auch wir suchen. Und lachen nur über die, die versuchen, die Lehre eines großen Revolutionärs und reinen Menschen mit den Bedürfnissen spießiger Kleinbürger in Einklang zu bringen.‘ Wenn man sich an diesem Niveau orientiert, muss man sagen: Mit dem kleinen Ferkel ist die Religionskritik auf den Hund gekommen.“
Eine Leserin aus Friedberg schreibt:
„Christian Schlüter schreibt, das Buch ‚Wo bitte geht’s zu Gott‘ sei etwas zu sehr bemüht aufgeklärt und nicht so richtig lustig. Mein erster Eindruck war ähnlich. Ich war deshalb überrascht, als meine beiden Kinder (8 und 6 Jahre) richtig Spaß damit hatten – besonders mit dem Schluss, in dem die Religionsvertreter zusammen mit anderen Leuten als „nackte Affen“ ziemlich verschämt dastehen. Gleichzeitig haben meine Kinder aber auch erkannt, dass dieses Buch einen Tabubruch darstellt. Hier in Bayern sind die Grundschulen per Verfassung als „christliche Gemeinschaftsschulen“ konzipiert. Offene Gespräche über Gott und Religion sind nicht erwünscht – nicht einmal im Ethik-Unterricht. ‚Leider Gottes‘ ist eines meiner Kinder an der Schule auch schon von muslimischen Schülern verbal schwer angegriffen worden, weil es gewagt hat, die Existenz Gottes/Allahs/etc. in Frage zu stellen. Auch darum habe ich mir das „Ferkel-Buch“ für meine Kinder zugelegt habe: als Mutmacher. Aufklärung scheint in Deutschland Privatsache der Eltern zu sein. Wenn es aber um den Glauben geht, machen die öffentlichen Erziehungseinrichtungen stets kritiklos mit. Hoch lebe der liberale Gottes-Staat?“
Vorab: Ja, ich las das Buch mit Vergnügen. Da wagt tatsächlich jemand, die ganze Hysterie um die Religionen spaßig auf die Schippe zu nehmen. Recht so. Es existieren bereits viel zu viele Kinder- und Bilderbücher, die den Glauben an Gott (sei es als Kinderbibel oder andere Exponate) als wahr und gegeben herausstellen. Die Zeit für dieses Buch war überfällig !
Ich warne allerdings bereits jetzt den Verlag, es in englischer Sprache zu publizieren. Die fundamentalen Christen in den USA könnten nicht nur die Buchhandlungen mit Boycottaufrufen an den Rand des Ruins bringen, nein auch das Leben des Autors und Illustrators könnte in Gefahr geraten. Öffentliche Büchereien hätten keine Chancen es zur Ausleihe zu erwerben. Mit diesen Themen kennt man dort Null – Toleranz. (Soviel auch zum Leserbrief von Lemhöfer in dem er ausführt:“In dem Augenblick allerdings, wo die Kirche sich erdreistet, uns anderen ihre Sittenanschauungen aufzudrängen, (…) halte ich jede politische Waffe für erlaubt.“).
Was mich an dieser Sache nachdenklich macht, ist dass keine Zeitung die Art und Weise dieses Indizierungsversuches zum Thema gemacht hat:
Jeder, der sich das Buch angesehen hat, und der ehrlich versucht hat, den Antisemitismusvorwurf zu begründen, muss eigentlich auch gesehen haben, dass dieser Vorwurf konstruiert war.
Das zweite, was mir aufgefallen ist – wenn keine organisierte Strategie dahinter steckt – dass offensichtlich viele hochdotierte Journalisten nicht fähig waren, die Bilder aus diesem Buch ohne Anleitung des Zeichners von den Bildern aus dem Stürmer zu unterscheiden. Die meisten Beschreibungen des Rabbis, die ich in Zeitungen gelesen habe, sagten mehr über das Unbewusste und die Ängste des jeweiligen Redakteurs als über die Bilder. Ich fand das peinlich.
Meine Kinder (7 und 9) finden das Buch übrigens sehr lustig.
@ Bronski
Ein bisschen mehr Genauigkeit sollte man doch von Ihnen erwarten dürfen: Dass das Ferkel-Buch erscheinen darf, hat doch niemand in Frage gestellt (es ist erschienen und wurde, so weit ich weiß, inzwischen auch über 17.000 mal verkauft). Die Frage war nur, ob es frei zugänglich auch für Kinder und Jugendliche verkauft werden darf. Nur dies beeinflusst die Indizierung als „jugendgefährdend“.
Die Kritik an organisierter Religiosität und auch am wahnhaften religiösen Weltbild, dass den Menschen ohne autoritäre Schöpferfigur sich nicht vorstellen kann, ist ganz gewiß nötig. Ich frage mich aber, ob sie su plump und agressiv daherkommen muss, wie dieses Buch. Bischöfe und Rabbiner als dämliche Affen darzustellen, mag den Autoren und einigen Lesern vielleicht den wohligen Schauer des Tabubruchs verschaffen (ehemalige Messdiener?), wirklich aufklärerisch ist das nicht. Es hätten wirklich schwierige Fragen behandelt werden können, etwa warum Menschen es nötig haben, an einen Gott zu glauben und zu welchen Formen der Intoleranz das führen kann, etc.
Nach meiner Lektüre (man tut sich viel an aus „wissenschaftlichen“ Gründen!) wird in dem Buch aber weniger Gläubigkeit als solche in Frage gestellt, sondern lediglich der Gott der Bibel als fieser Baby-Ertränker, Blutspritzer und Kannibale gezeigt. Seine Vertreter auf Erden wollen sogar kleine Schweinchen rösten, tststs.
Was ein billiger Schmarrn! Religions-Bashing für Leute, die sich unheimlich tabulos vorkommen, wenn sie mal „Scheisse“ sagen oder in der Kirche pupsen.
Einen guten Kommentar zu dem Ferkel-Buch findet man bei HaGalil: http://www.hagalil.com/archiv/2008/03/ferkel.htm