Endlich hat die Bundesrepublik ein Zuwanderungsgesetz! Es hat Jahrzehnte gedauert, bis … Stopp, das ist der falsche Film. Was da im kommenden Jahr in Kraft tritt, ist lediglich ein Fachkräfte-Zuwanderungsgesetz. Es ist an den Bedürfnissen der deutschen Wirtschaft ausgerichtet und soll unter anderem der leichteren Anerkennung von Ausbildungsabschlüssen dienen, die in anderen Ländern erworben wurden. Dieses Gesetz orientiert sich nicht an humanitären Gesichtspunkten, sondern an der Quialifikation von Menschen für den deutschen Arbeitsmarkt.
Die Wirtschaft ächzt seit etlichen Jahren wegen des Fachkräftemangels. Das Problem ist teilweise hausgemacht. Einer der Gründe dafür ist natürlich, dass nach und nach geburtenschwächere Jahrgänge von Deutschen in den Arbeitsmarkt eintreten, so dass viele Stellen schon in der Ausbildung unbesetzt bleiben. Dafür kann die Wirtschaft wenig bis nichts. Sie hat es gleichwohl in der Hand, Arbeit attraktiv für Arbeitnehmer zu gestalten, etwa durch passende Entlohnung, und Arbeitnehmer durch Fortbildungen weiter zu qualifizieren. Aber das Problem ist komplex, und es wäre zu einfach, die Verantwortung für den Fachkräftemangel allein bei der Wirtschaft zu suchen. Es hat auch mit der Bildungspolitik Deutschlands zu tun, mit einer steigenden Zahl von Schulabbrechern, mit der Undurchlässigkeit der sozialen Schichten.
Mit dem neuen Gesetz will die Bundesrepublik Arbeitskräfte abgreifen, die in anderen Ländern, wo allerdings weniger attraktive Lebensbedingungen herrschen, mindestens genauso dringend benötigt werden wie hierzulande. Damit unterläuft die deutsche Politik alle Bemühungen, die Herausbildung guter Lebensbedingungen in anderen Ländern zu fördern. Doch es bleibt abzuwarten, ob dieses Gesetz überhaupt den gewünschten Zweck erzielt. Noch immer sind die Anforderungen recht hoch, und da wäre auch noch die deutsche Sprache, die ein Einwanderungshemmnis darstellt – jedenfalls dann, wenn die Anerkennung dieser Fachkräfte, die da bitte sehr so gern kommen sollen, an Deutschkenntnisse geknüpft wird. Deutschland ist nur mäßig attraktiv. Wer will schon nach Deutschland?
Dieses Arbeitgeberlobbygesetz ist zutiefst unfair
Dieses Zuwanderungsgesetz verdient seinen Namen nicht, sollte besser Arbeitgeberlobbygesetz heißen. Der Fachkräftemangel ist zu großen Teilen von Betrieben selbst verschuldet, indem zu wenig oder gar nicht ausgebildet, schlecht bezahlt wurde, oder die Arbeitsbedingungen miserabel sind. Eine besonderes Beispiel für diese Missstände zeigen sich in der Pflege, wo zudem noch Krankenhäuser aus Kostengründen darauf verzichten, auszubilden. Dieses Gesetz ist zudem unfair, indem es Ausbildungskosten im Inland einspart, um stattdessen Fachkräfte aus ärmeren Ländern abzuwerben. Der Status von Flüchtlingen ist per Gesetz ein anderer wie der von Migranten. Trotzdem gibt es einen sozialen Zusammenhang. Ich halte es für doppelbödig, wenn die wirtschaftlichen Interessen einen Vorrang vor den humanen genießen und anschließend gefordert wird, es sollten faire Bedingungen herrschen. Tatsächlich ist es doch so, dass unausgebildete, möglicherweise durch Kriegserfahrungen traumatisierte Flüchtlinge auf dem Arbeitsmarkt nicht gewollt werden. Stattdessen werden ausgebildete Migranten bevorzugt, die sich zudem noch aus Anpassungs- und Abhägigkeitsmotiven nicht gewerkschaftlich engagieren und mit geringen Löhnen zufrieden sind. So schlägt man gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe. Da ist es doch von Arbeitgeberseite wirksam, wie in anderen Fällen die Neiddebatte, hier mal das Bürokratiemonster aus der Kiste zu holen. Die Politik hält sich brav zurück, möchte es sich weder mit den Arbeitgeberverbänden verderben, noch die durch wenig weitsichtige Politik entstandenen Missstände verantworten. Flüchtlinge, Migranten, Arbeitslose und Pflegebedürftige, die sich mit mangelnden Sprachkenntnissen auseinander setzen müssen haben das Nachsehen.
Robert Maxeiner, Frankfurt
Wir stehlen heutzutage nicht mehr nur Rohstoffe
Ich kann den Duktus und die Haltung der FR nicht akzeptieren. Der „Fachkräftemangel“ ist hausgemacht. Die Unternehmen hätten über bessere Entlohnungen, insbesondere aber durch bezahlte Fortbildung in den Betrieben selbst diesen „Mangel“ beseitigen können. Als Dozent in der Gewerkschaft ver.di befasse ich mich vor Ort mit dieser „Falschaussage.
1. Wir haben kein Recht, einen etwaigen Mangel an Fachkräften durch Menschen aus ärmeren Ländern, insbesondere der „dritten Welt“ auszugleichen.
2. Wir sind also bereit, Doktoranden etc. aus Indien zu „billigen Preisen“ zu importieren, damit „unsere“ Wirtschaft funktioniert.
3. Wir stehlen heute nicht mehr nur Rohstoffe, sondern auch die „Gehirne“ unseren wirtschaftlichen Interessen entsprechend. Das kann nicht sein. Wissen die Autoren, wieviel Geld eine Familie in Indien für die Ausbildung eines Kindes bezahlen muss? Privatschule etc.?
4. In der Fachsprache heißt es: „Brain drain“. Also „Entwicklungshilfe“ zur Ausbildung von Spezialisten für uns, dann holen wir sie hierher. Ein billigeres „Einkaufen“ gibt es nicht.
5. Wenn sich Regierungen in den Entwicklungsländern“ dagegen wehren, dann werden Regierungen, wie z.B. Evo Morales in Bolivien gestürzt.
Es ist eine moralische Pflicht, sich dem „Klau“ der Gehirne aus anderen Ländern zu widersetzen! Das gilt auch und insbesondere für Gewerkschafter.
Ronald Koch, Frankfurt
Eine neue Generation von Gastarbeitern
Dass Deutschland für Fachkräfte aus dem Ausland nicht unbedingt attraktiv erscheint liegt nicht nur an der ausufernden Bürokratie, die in speziellen Berufen, die Anerkennung ausländischer Abschlüsse schier unmöglich macht, wie beispielsweise dem Lehrerberuf. Vielmehr wirkt – wie im Bericht auch herausgearbeitet -die vielerorts mangelnde Aufnahmebereitschaft bzw. das Gefühl, nicht als gleichwertig anerkannt und willkommen geheißen zu werden. Hinzu kommt die fehlende Sicherheit durch befristete und unsichere Aufenthaltstitel. Die Regierung möchte Fachkräfte anwerben, ohne den Familiennachzug besonders zu berücksichtigen und den Zugewanderten einen dauerhaften sicheren Existenzaufbau zu ermöglichen. Was soll das werden, eine neue Generation von „GastarbeiterInnen“ – mit dem Unterschied, dass diesmal Sprachkenntnisse erwünscht und verlangt werden? Wie man es besser machen kann zeigen Kanada, Australien oder auch die Schweiz, wie die Schaubilder im Artikel veranschaulichen.
Zur weiteren Abschreckung dürften die jüngsten rassistischen und antisemitischen Gewalttaten in Halle, die Morde bzw. Mordversuche in Kassel oder Wächtersbach beitragen. Diese haben vielleicht international wenig Aufsehen erregt, doch wer sich für die Migration in ein völlig unbekanntes Land entscheidet, wird sich vorher genauer über die Bedingungen dort informieren. Das Aufdecken rechtsradikaler Strukturen in Polizei, Verfassungsschutz oder anderen Organen staatlicher Gewalt tragen nicht gerade zu „vertrauensbildenden“ Maßnahmen bei. Wenn die Menschenwürde von staatlicher Seite verletzt wird, wie Seda Bascha-Yildiz im Vorwort zu „Extreme Sicherheit“ schreibt „tangiert das die Rechtssicherheit in diesem Land“.
Letztlich sollte das bereits vorhandene Potential, das z. B. Geflüchtete mitbringen genutzt und ausgebaut werden, durch erleichterten Zugang zu Sprach- oder Berufsförderkursen etc. Statt dies durch kostspielige Abschiebeaktionen – pro Flug fallen bis zu 400.000 € an – zu Nichte zu machen. Erstaunlich, dass in dieser Angelegenheit nicht in erster Linie marktwirtschaftliche Kriterien, die ansonsten so gut wie alle Lebensbereiche durchdringen zum Zuge kommen, sondern es offenbar mehr darum geht nationalistische oder rassistische Elemente zu befriedigen. Vielmehr ist die zaghafte Öffnung für Fachkräfte von der Befürchtung getragen, nur nicht zu viele „anzulocken“ obwohl sie objektiv und rational betrachtet dringend gebraucht werden.
Ich kann manche Aussagen hier leider nicht nachvollziehen. Bekanntermaßen herrscht in Deutschland wirklich ein Fachkräftemangel,
der ( für die Stabilität des Landes / der Wirtschaft ) ausgeglichen werden muss. Nun
kann man anführen, dass die sinkende Geburtenrate auf der einen Seite dazu führte, dass weniger
( Ausbildungs – ) Berufe besetzt werden.
Hier gibt es aber leider keine wirksamen Mittel ( Einführung der 3 Kind Politik ?? ). Natürlich können / könnten die Unternehmen hier gegensteuern, indem sie Arbeitsplätze attraktiver machen. Ein Mittel hierbei ist auch( für mein Verständnis ), Arbeitsplätze für Fachkräfte aus dem Ausland interessanter zu gestalten, wie z. B. durch die leichtere Anerkennung von Schulabschlüssen, Ausbildungen usw. !
@Robert Maxeiner :
Ich mag diese Menschen, die gegen alles sind, aber keine Lösung parat haben. Wie stellen Sie sich denn vor soll der Fachkräftemangel in der Pflege anders
ausgeglichen werden ? Dass die Jobs viel besser bezahlt werden und nicht mehr Ausbeutung von Arbeitskraft ( in der Pflege ) betrieben wird, selbst aktuell in Deutschland ?
Ich gebe Ihnen aber völlig Recht, dass in Punkto Gehalt ALLE die gleiche Entlohnung erhalten sollten und nicht zwischen Deutscher / Einwanderer
unterschieden werden sollte, wie sie es suggerieren.
„Tatsächlich ist es doch so, dass unausgebildete, möglicherweise durch Kriegserfahrungen traumatisierte Flüchtlinge auf dem Arbeitsmarkt nicht gewollt werden“
Natürlich, weil sie nicht ausgebildet sind und keine Erfahrung im Beruf haben. Abhängig vom Job würde ich diese Menschen auch nicht einstellen
bzw. Ihnen erst eine Ausbildung anbieten.
@Robert Koch
Ich kann Ihren Beitrag und Ihre Haltung zu der Thematik nicht akzeptieren, aber als Verdi Dozent
( Prrussst ) haben Sie sicher die Wahrheit gepachtet :
1. Sie verhalten sich gerade, als wäre Deutschland
das einzige Verbrecherland, dass diese
„Ausbeutung“ betreibt. Wir haben keine
explizites „Recht“ darauf, aber auch keine
„Verbot“, so zu handeln, wie übrigens ganz
viele andere Länder auf der Welt.
2. Ja das sind wir und das ist auch gut und richtig
so. Der Mensch hat seine individuellen
( Menschen-)Rechte und dazu gehört ebenfalls,
dass er sich seinen Lebensmittelpunkt und
Arbeitsplatz aussuchen kann. Was maßen Sie
sich an, zu bestimmen, dass die Menschen
gefälligst in Ihrem eigenen Land bleiben sollen.
Sind Sie vielleicht leicht rechts veranlagt ?
Außerdem ist jedes Land selbst dafür ver-
antwortlich, die Lebenssituation und Arbeits-
plätze attraktiver zu machen. Dafür sind NICHT
andere Länder zuständig ( Natürlich könnten
solche Länder Hilfen anfordern, um diese
Lage zu erreichen, aber was mit dem Großteil
aller Spenden passiert, sollte jedem eigentlich
klar sein ).
3. Sie stehlen mir mit IHREM Nonsens eher die
Zeit. Ich habe mittlerweile 2 Arbeitskollegen
aus Indien zu Besuch gehabt und stellen Sie sich
vor : Direkt nach der 1. Woche haben Sie mich
gefragt, wie es möglich wäre nach Deutschland
einzuwandern und welche Bedingungen es dafür
geben. Ich erspare Ihnen jetzt die Angabe zum
Gehalt in Indien, aber ich war schlichtweg
geschockt. Wie gesagt ist jedes Land für seine
Attraktivität selbst verantwortlich. Doch
sollten wir Arbeitswilligen auch nicht die
Einreise unnötig erschweren.
@Birgit Knoll
Ich gebe Ihnen Recht, dass die Willkommens-bereitschaft, sei es auch nur die gefühlte, noch wirklich zu Wünschen übrig lässt. Die Arbeits-leistung und Zufriedenheit hängt nicht als Letztes davon ab, ob der ( migrierte ) Arbeitnehmer sich wohl fühlt und das Gefühl hat, wertgeschätzt zu werden.
Viele Grüße
Carlos Santos