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Leserforum 2 20190916Forum vom 4. Juli 2023

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Rauchen bedeutet Rollstuhl

Kolumne: „Rauchzeichen der Verweigerung“, FR-Meinung vom 27.6.

Harter Tobak, was der offensichtlich benebelte Michael Herl da in seiner Kolumne in der Frankfurter Rundschau ausschwitzt. „Die jungen Erwachsenen rauchen wieder mehr. Hurra!“
Hurra? Hurra zu was? „Die Kritik wird weniger von Ärztinnen und Ärzten kommen“, sinniert Herl. Hier ist sie:
Rauchen macht sehr schnell abhängig. Bereits drei hintereinander gerauchte Zigaretten können den Sucht(Dopamin-)Rezeptor dauerhaft umstrukturieren und süchtig machen. Nikotin macht so schnell und heftig süchtig wie Heroin. „Sie hören sicherlich auch auf zu rauchen“, behauptet Herl fälschlicherweise. Sicherlich tun sie das nicht. Jeder zweite Raucher stirbt schließlich an einer tabakbedingten Krankheit. Im Schnitt zehn Jahre früher als Nichtraucher. Und vorher leben sie mit schlechterer Gesundheit, ärmer und mit kaputtem Geruchs- und damit Geschmackssinn. Und wofür das alles? Michael Herl sieht im Rauchen einen „Ausdruck der Verweigerung“. Raucher:innen sind die Unabhängigen, Unangepassten, Hippen, Schönen, Neugierigen, Modernen? Die sind toll, nur weil sie ’ne Fluppe im Mund haben, schlechte und stinkige Luft inhalieren und Suizid auf Raten begehen? Wie bescheuert muss man sein, um so etwas zu tun?
Rauchen befreit nicht, rauchen engt ein. Rauchen ist Rollstuhl. Nicht reden können. Keine Luft haben. Schmerzen. Das Gegenteil von Genuss. Rauchen ist unfair. Rauchen macht die Tabakkonzerne reich. Rauchen ist nicht mal ausprobieren und jederzeit wieder aufhören können, eigene Enscheidung. Rauchen ist Leiden und Tod! Unnötiges Leiden und unnötig früher Tod.
Verhalte dich so, dass die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne. Bediene dich deines eigenen Verstandes, sapere audere, wage es, weise zu sein. Das ist unangepasst, unabhängig, stark! Nicht die Fluppe macht den Mann zum Mann und die Frau zur Frau.

Ralf-Michael Lübbers, Arzt, Marienhafe

Die Server brummen, und alles wird gut

Rechenzentren: „Abwärme ins Netz einspeisen“, FR-Region vom 30. Juni

Kein Tag vergeht, an dem nicht Experten die unerschöpfliche Energiequelle „Rechenzentrum“ preisen. Da gibt es Wärme, kostenlos, im Überfluss, und mit ein bisschen Technik drumrum können wir alle ganz toll damit Heizen. Gasheizung war gestern! Die Energiewende ist kein Problem mehr, nur genügend TikTok daddeln und süße Katzenbilder hin- und herschicken, und die Welt ist gerettet. Die Server brummen, und alles wir gut. Schön, dass in Frankfurt so viele Datacenter gebaut werden.
Ach, die brauchen Strom? Na, so was! Was schreibt der DLF? „Alle Rechenzentren der Welt haben im Jahr 2021 zusammen 500 bis 650 Terawattstunden Strom verbraucht. Das ist in etwa so viel wie ganz Deutschland benötigt – inklusive aller Privathaushalte, Gewerbe, Industrie und öffentliche Einrichtungen. Zählt man alle Smartphones, Computer, Smart-TVs, Notebooks und Tablets dazu, kommt nochmal eine ganze Menge Energie oben drauf. Der tatsächliche Stromverbrauch dafür ist kaum zu ermitteln, aber er dürfte nochmal deutlich höher liegen. Anders formuliert: Die weltweite IT ist für einen relevanten Anteil am Energieverbrauch verantwortlich und somit auch am CO2-Ausstoß“
Vielleicht sollten wir die Lobeshymnen auf „Green IT“ doch mal überdenken?

Harald Klausmann, Groß Gerau

Scholz fehlen die Visionen

Zu: „Wachstum ist positiv, wenn man nur mit einem Auge schaut“, FR v. 23.6.

Die Analyse des Umweltexperten Reinhard Loske führt noch nicht weit genug. Zum einen hat die Renaissance des alten Bruttoinlandsproduktes (BIP) als angeblich wahrem Wohlstandsindikator auch sehr viel mit dem Siegeszug des postmodernen Neoliberalismus seit den ausgehenden 1990er Jahren als die im öffentlichen und akademischen Diskurs vorherrschende ökonomische Denkart zu tun, wo materielle Werte plötzlich über alles andere gestellt wurden und es zum Beispiel an den Universitäten bezüglich der Begründung der kurzzeitig ebenso von einigen SPD-Länderregierungen wieder eingeführten Studiengebühren schlicht hieß: „Was nichts kostet, ist nichts wert.“ Zum anderen besteht die entscheidende Achillesferse von Olaf Scholz in genereller Hinsicht in den fehlenden Visionen für eine bessere und zukunftsfähigere Gesellschaft, was man schon zu seinen Zeiten als Erster Bürgermeister in Hamburg gesehen hat, wo eine echte Mobilitätswende eher ausgebremst wurde und urbane Megatrends beim Thema Nachhaltigkeit wie etwa „Urban Greening“ bei der Stadtplanung komplett verschlafen wurden, obwohl sich hierfür gerade in einem neu entstehenden Quartier wie der HafenCity sehr viele kreative und innovative Möglichkeiten angeboten hätten. Deshalb benötigt die SPD in jedem Fall bei dem von Willy Brandt geprägten Begriff der Lebensqualität eine deutlich stärkere Programmatik, da man nur so glaubhaft als eine echte Fortschrittspartei auftreten kann!

Rasmus Ph. Helt, Hamburg

Freundlicher Empfang

Überfall auf Sowjetunion: „Barbarischer Feldzug“, FR-Feuilleton v. 22.6.

Vor über 30 Jahren habe ich Manuskripte für einen pensionierten Richter geschrieben. Er gehörte zu den Offizieren, die am 22.6.1941 die Sowjeunion überfielen. Es gab einen „Kommissar-Befehl“ der besagte, dass ohne Kampfhandlungen beim Einmarsch jeder Russe sofort zu erschießen sei. Dies widersprach der Offiziersehre.
Sie konnten ohne großen Widerstand in die Sowjetunion einmarschieren. Im Gegenteil, die Bevölkerung war freundlich zu ihnen. Ja es gab tausende Russen, die sich der deutschen Armee anschließen wollten. Sie fühlten sich in der Sowjetunion unterdrückt, durften ihre Religion nicht ausüben. Die Kirchen waren geschlossen.
Diese Erlebnisse schilderte der Autor auch vor Soldaten der Bundeswehr. Es bedrückte ihn sehr. Sein Credo war: „Wenn Ihr wieder Kirchen baut“.
Wenn er die heutige Situation noch erleben würde, wie die orthodoxe Kirche Putin unterstützt, er würde sich im Grab umdrehen.

Renate Paul, Frankfurt

Leserforum 2 20190916Forum vom 5. Juli 2023

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Die Bahn vergrault ihre Kunden

Deutsche Bahn: „Die Auslastung liegt bei 125 Prozent“, FR-Wirtschaft vom 20. Juni

Die Bahn vergrault systematisch ihre Kunden Dies sind meine Erfahrungen mit der Deutschen Bahn: ich hatte über das Christi Himmelfahrt Wochenende mit Freunden eine Radtour unternommen und wir wollten mit Regionalbahnen von Hameln über Kassel nach Frankfurt am Main fahren. Laut Fahrplan wäre das alles mit zweimal Umsteigen in etwa fünf Stunden möglich gewesen. So starteten wir um 12:44 mit einer S-Bahn zum Umsteigebahnhof Altenbeken.
Dann fingen die Probleme an: unser geplanter RE nach Kassel hatte 75 Minuten Verspätung (irgendwann gab es dann gar keine Bahnsteig-Ansagen mehr) und war proppenvoll, so dass keine Fahrgäste mit Gepäck und schon gar keine mit Fahrrädern aufgenommen wurden. Auch der nächste Zug (wir hatten bereits mehr als zwei Stunden gewartet) war überfüllt. Wir sind dann erst mal in die Gegenrichtung nach Paderborn gefahren und sind noch etwas Essen und Trinken gegangen (in Altenbeken steht man da auf verlorenen Posten). Andere Züge, die von Altenbeken losfahren sollten, fielen gleich ganz aus.
Schließlich schafften wir es in einen RE nach Warburg – und was ich nur aus Satire-Sendungen kannte, wurde Realität: Der Zug war restlos überfüllt, wir standen wie die Ölsardinen gedrängt zwischen Gepäckstücken und Fahrrädern – und die Klimaanlage war ausgeschaltet (bei Fenster-Oberlichtern, die nicht gekippt werden konnten)! Es war mittlerweile schwülwarm und die Atmosphäre im Zug glich einer Dampfsauna!
Von Warburg ging es dann weiter in einem überfüllten Zug nach Kassel – hier waren die Zugtoiletten defekt bzw. gesperrt, aber man konnte die Flüssigkeit ja „rausschwitzen“.
Um 20:30 fanden wir noch einen Platz in dem RE von Kassel nach Frankfurt, in dem uns gleich ein Aushang begrüßte, dass die Lautsprecheranlage nicht funktioniere und es keine Service-Ansagen gäbe.
Dieser Zug hätte nach Fahrplan um etwa 22:30 in Frankfurt sein müssen und fuhr aber langsam eine einstündige, sprich 50-prozentige, Verspätung heraus, so dass wir nach fast elf Stunden um 23:40 am Frankfurter Hauptbahnhof ankamen.
Während der ganzen Zeit sind wir sowohl am Bahnsteig wie im Zug keinem Service-Mitarbeiter und auch keiner Fahrkartenkontrolle begegnet – Kundenorientierung ist gleich Null, ich habe mich wie in einer buchstäblichen „Service-Wüste“ gefühlt.
Also: Was will die Bahn?
Ich bin ein langjähriger Bahnkunde, der – auch aus ökologischen Gründen – gerne mit dem Zug fährt, und ich habe Verständnis, wenn es an einem langen Wochenende Verspätungen gibt und die Züge voll sind – aber so ein Chaos? Mein Eindruck ist, dass es politisch gewollt ist, potenzielle Bahnkunden so gründlich zu verärgern, dass diese mit der Haltung „Nie wieder Deutsche Bahn“ endlich wieder aufs Auto umsteigen.
Auto- und Mineralölkonzerne wissen, was sie an unserem Bundesverkehrsminister haben!

Martin Gülzow, Langen

Opulente Investitionen

Zu: „Schaut auf Darfur!“, FR-Titel vom 22. Juni

„Schaut auf Darfur!“ titelt die Rundschau am 22. Juni auf der ersten Seite. Johannes Dieterich berichtet über die Kriegshandlungen dort im Sudan, schildert das Leid und Sterben der Bevölkerung. Millionen sind auf der Flucht und Abermillionen brauchen elementare Hilfe. Ein paar Seiten weiter erfahre ich, dass Abermilliarden für den Wiederaufbau der Ukraine bereitgestellt werden sollen. Ganz selbstverständlich und ohne lange Debatten.
Gleichzeitig ebnet man auf der Konferenz in London den Weg für Investitionen in der Nachkriegsukraine. Von derart opulenten Bemühungen und Investments habe ich noch nie gehört, wenn es um bitterarme Menschen und Länder aus dem Süden dieser Welt geht. Hier setzen die EU und auch Deutschland eher auf Abschottung und Wegsehen. Und singen doch immer und immer wieder das hehre Lied der Werte.
Ich will die Hilfe für das Nachbarland im Osten nicht in Frage stellen, obwohl ich längst fällige Debatten darüber vermisse, wie der Krieg dort mit diplomatisch-unblutigen Mitteln und das Sterben und die Zerstörung beendet werden können. Mein Unwille richtet sich aber auf die krasse Ungleichbehandlung, die hier zum Ausdruck kommt. Sie zeigt mir, dass in Wahrheit, was auch immer die Politiker reden, nicht Werte, sondern handfeste politische und natürlich wirtschaftliche Interessen das Handeln bestimmen. Es bleibt die Erkenntnis: Alle Menschen sind gleich. Aber einige sind eben gleicher.

Bertram Münzer, Gütersloh

Gefoltert und verschleppt

Erwiderung auf „Grauenhafte Nicht-Neuigkeiten“, FR-Forum v. 22.6.

Werte Frau Plank, hoffen wir beide gemeinsam, dass diejenigen, die einen Krieg anzetteln, am Ende Gebietsverluste erleiden. Im Falle von Russland reicht da schon die Freigabe der zuvor zu Unrecht besetzten Gebiete. Aber was ihre Zahlen aus dem Donbass betrifft, hege ich doch arge Zweifel. Woher stammen die Zahlen? Wissen Sie denn auch so genau, wie viele dort Lebende nach der russischen Einmischung dort sterben mussten, gefoltert und verschleppt wurden, weil sie pro-ukrainisch waren? Und wissen Sie auch so genau, wie viele von dort geflüchtet sind vor dem Terror der Russen und der von denen bewaffneten sogenannten Separatisten? Und wie viele Russen sich mittlerweile dort befinden und das Land in Beschlag nehmen? Wer soll denn das Selbstbestimmungsrecht Ihrer Meinung nach dort ausüben? Selbstbestimmung könnte nur dann geschehen, wenn die Russen das Land verlassen, den Bombenterror einstellen, freie Informationen wieder verfügbar sind und die Bevölkerung zurückkehren kann. Aber selbst dann: Kann ein Staat zulassen, dass sich Teile lossagen? Die Schotten von GB?

Heike Langfeld, Langgöns

Leserforum 2 20190916Forum vom 6. Juli 2023

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Fragwürdig oder schlicht rechtswidrig?

Zu: „41 Cent mehr pro Stunde“, FR vom 27.6.

Zum 1.1.2015 wurde in der Bundesrepublik Deutschland erstmalig ein Mindestlohn eingeführt und zunächst auf 8,15 Euro pro Stunde festgelegt. Dieser Mindestlohn war durch die sogenannte Mindestlohnkommission alle zwei Jahre, erstmals zum 1.1.2017, anzupassen und die Bundesregierung setzt diese Anpassung anschließend durch Rechtsverordnung um. Bei der Festsetzung des Mindestlohns orientiert sich die Mindestlohnkommission „nachlaufend an der Tarifentwicklung“. Die letzte Anpassung nach diesen Regelungen erfolgte zum 1.7.2022 auf 10,45 Euro pro Stunde. Zum 1.10.2022 erfolgte, nicht durch eine solche Anpassung, sondern ausnahmsweise durch Änderung des Gesetzes eine Anhebung auf 12 Euro, über die künftigen Anpassungen sollte die Kommission erstmals zum 1.1.2024 und anschließend wieder alle zwei Jahre beschließen.

Am Montag dieser Woche hat die Mindestlohnkommission mit den Stimmen der Arbeitgeberseite und dem Stichentscheid der Vorsitzenden die Anpassung des Mindestlohns zum 1.1.2024 auf lediglich 12,41 Euro und zum 1.1.2025 auf 12,82 Euro beschlossen. Bundesarbeitsminister Heil hat sogleich erklärt, diesen Vorschlag umzusetzen. Er habe keine andere Wahl als dem Vorschlag zu folgen oder den Mindestlohn nicht zu erhöhen. Dies ist rechtlich fragwürdig.

Die FR berichtet, gegen die Stimmen der Gewerkschaften habe die Kommission den zuletzt von ihr festgelegen Wert von 10,45 Euro als Ausgangspunkt für die Tarifentwicklung genommen. Dies ist nicht nur, wie DGB-Vorstandsmitglied Körzell sagte, eine „Missachtung des Gesetzgebers“, sondern schlicht rechtswidrig. Aufgrund der gesetzlichen Neufestsetzung des Mindestlohns zum 1.10.2022 auf 12,00 Euro hatte die letzte Anpassung auf 10,45 Euro jede rechtliche Wirkung verloren und konnte folglich nicht Anknüpfungspunkt für die jetzige Anpassung sein. Grundlage für die Anpassung zum 1.1.2024 durfte daher nur der Mindestlohn von 12 Euro und die Tarifentwicklung seit dem 1.10.2022 sein. Hieraus hätte sich mit Sicherheit ein höherer Mindestlohn ab dem kommenden Jahr ergeben.

Ob Bundesarbeitsminister Heil bei seiner Äußerung bedacht hat, ob die zu erlassende Rechtsverordnung auf einem rechtswidrig zustande gekommenen Beschluss der Mindestlohnkommission beruhen darf, ist uns nicht bekannt.

Susanne Weßler-Hoth und Jens-Peter Hoth, Frankfurt

Auch der Bär soll wieder her

Zu: „Wölfe schießen leichter gemacht“, FR-Panorama vom 1. Juli

Für die Naturschützer ist es einer der größten Erfolge, dass seit 150 Jahren wieder Wölfe in Deutschland leben (1). Auch der Bär soll wieder her, wenn es nach dem NABU geht (2). Da gab es jetzt aber einen Dämpfer, nachdem in Italien ein Mensch durch einen Bär ums Leben kam und der Tierfilmer Kieling um ein Haar von einem Bären zerfleischt wurde.

2020 haben die Wölfe in Deutschland ca. 4000 Schafe gerissen, ein fürchterlicher Tod für die Schafe (3). Unsachgemäß aufgebaute Zäune waren die Hauptursache hierfür, so der NABU (4). Wölfe überspringen Zäune bis zu 1,9 m und untergraben diese bis zu 60 cm. (5, 6). Der Bau eines wolfsicheren Zaunes ist mit dem Verdienst eines Schäfers nicht realisierbar. Die meisten Schafweiden befinden sich auf einem unebenen steinigen wurzeldurchwachsenen Gelände. Der Schäfer erhält zwar Zuschüsse für den für Zaunbau, ob diese immer kostendeckend sind, kann bezweifelt werden. Herdenschutzhunde verursachen weitere Kosten.

Wo sind eigentlich die Tierschützer, die auf ihre Fahnen geschrieben haben, den Tieren jegliches Leid zu ersparen? Wahrscheinlich befinden sie sich in Rumänien, Straßenhunde fangen. Die zerfleischten Schafe interessieren sie jedenfalls nicht.

Der NABU mag über die Wiederansiedlung der Wölfe entzückt sein, manchen Schäfer wird der Wolf allerdings die Existenz rauben. Die Fördergelder für Wiederansiedlung des Wolfes – Zaunbau, Herdenschutzhunde, Genanalysen und Entschädigung für gerissene Schafe- kann man mit Sicherheit sinnvoller anderweitig einsetzen.

Karl Hahn, Bad Salzungen

Ziviler Ungehorsam

Zu: „Polizei Hessen stellt Klimaaktivisten Einsatzkosten in Rechnung“ FR 30.6.

Da gibt es in Wiesbaden also ein paar Männer, noch dazu „christlich“ sich wähnende (allen voran Innenminister Beuth), die empfinden die jungen Klimaschützer als Gefahr für Ruhe und Ordnung, schicken ihnen unverschämte Rechnungen, weil die Polizei bei den Klebeaktionen auf Straßen zur Sicherung des Verkehrs kommen muss. In diesem unserem Lande gilt (noch) der Rechtsgrundsatz der „Verhältnismäßigkeit“. Und daher:

Weshalb wagen sich diese Beamten nicht an die größten Verursacher der Klima- und Umweltprobleme, also die gigantischen Umweltverschmutzer heran, z.B. an Energie- und Autokonzerne, und lassen diese bezahlen (gemäß „Verursacherprinzip“)? Denn es geht ja um die zerstörerischen Folgen ihrer Fabriken und Produkte? Zugleich wird mit diesen Zahlungsforderungen unsere – mit Demonstrationen und Protesten erkämpfte! – Demokratie, speziell das Demonstrationsrecht untergraben!

Viele westliche Errungenschaften, die in Sonntagreden solcher Herren gelobt werden, wurden durchweg durch Aktionen zivilen Ungehorsams erkämpft, weil die damaligen Herren mit den geltenden Verhältnissen gut und bequem leben konnten.

Ich bin gespannt, wie unsere Kinder und Enkel über diese Wiesbadener Herren urteilen werden. Nein: Die Bestrafung der KlimaschützerInnen muss umgehend beendet werden, und die Verursacher der schon spürbaren, eskalierenden Klimakatastrophen müssen endlich und angemessen zur Verantwortung und zur Kasse gebeten werden.

Edgar Göll, Langgöns

Engagierter Protest

Zu: „Zeit für einen neuen Weg“, FR-Meinung vom 30. Juni

Zwei führende grüne Politiker fordern Naturschutz und Renaturierung, nachdem in Hessen unter grüner Mitregierung der Dannenröder Forst und der Fechenheimer Wald abgeholzt wurde und demnächst die Autobahnen um weitere Spuren erweitert werden sollen – alles gegen engagierten Protest von BewohnerInnen. Und jetzt wollen sie die abgeholzten Flächen renaturieren?

Die Grünen haben der Ausgabe von Milliarden von Euros für Rüstung (u.a. für atomwaffentragfähige Kampfflugzeuge) zugestimmt – dieses Geld fehlt nicht nur für viel wichtigere andere Aufgaben, sondern Rüstung, Manöver und Krieg beschleunigen Naturvernichtung und Klimaschäden. Wie glaubhaft ist diese grüne Politik?            

Annette Müller, Frankfurt

Leserforum 2 20190916Forum vom 7. Juli 2023

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Politische Unruhe stört das Wohlgefühl

„Letzte Generation“: „‚Verstörende‘ Aktion“, FR-Politik vom 26. Juni

Ich fühle mich von Ihrem Aufruf angesprochen, bezeichne ich mich heute immer noch als bekennender 1968er. Dem zufolge ist meine Haltung zur „Letzte(n) Generation“ eine andere als die der Scharfmacher, die mit Kriminalisierung der Protestaktionen die selben Fehler machen wie ihre geistigen Väter und Großväter von damals.

Ungeduld war und ist das Vorrecht der Jugend, egal ob sie zum Erfolg führt! Auch wir waren ungeduldig… und wollten die Welt ändern. Wir haben an einem Tag in Darmstadt durch Besetzen der Straßenbahnkreuzung am Luisenplatz den gesamten Straßenbahnbetrieb lahmgelegt. Uns ist nichts passiert! Wir haben aber auch unsere damaligen Ziele nicht erreicht.

Die auffälligen Aktionen von „Letzte Generation“ dienen doch allein dazu, in die Schlagzeilen zu kommen. Es wurden weder Kunstgegenstände zerstört noch Personen bedroht. Allein die Diskussion um das behinderte Hilfsfahrzeug in Berlin zeigt, dass die Risikobewertung durch „Letzte Generation“ nicht genügt hat. Es entstanden Risiken, die nicht bedacht wurden – wir können froh sein, dass „Letzte Generation“ nicht verantwortlich war für den Tod der Radfahrerin.

Ob nun die Protestaktionen der Sache dienlich waren, möchte ich bezweifeln. So sehr hat sich die Mehrheit unserer Bürger seit 1968 nicht geändert. Gestern wie heute stört politische Unruhe das allgemeine Wohlgefühl. Ich habe mittlerweile gelernt, da werden doch viel mehr Ansichten von Generation zu Generation weiter gegeben als gedacht. Auch das empfindet ein Alt-1968er als Leid. Zur Entspannung der Lage, da bin ich mir mit Freunden eins, reicht eine Absicherung des Tatorts. … und sonst kleben lassen.

Carsten Dietrich Brink, Gauting

Für eine Differenzierung der Großkirchen

Zu: „Kirche erlebt dramatische Austrittswelle – Institution verliert mehr als 500 000 Mitglieder“, FR-Politik vom 29. Juni

In der FR wird immer wieder über Missstände in der Römisch-Katholischen Kirche und auch in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) oder deren Landeskirchen berichtet. Was mir auffällt: Meist bezeichnen Sie die Katholische Kirche einfach als „Kirche“, so, als wäre sie die einzige Großkirche. Dies missfällt mir, denn dann färben die Skandale in der Katholischen Kirche (Verhalten von Kardinal Woelki, Verweigerung des Priesteramts/Bischofsamts für Frauen, zahlreiche verdeckt schwule Priester und v.a. der verbreitete Missbrauch von Kindern u.a.) indirekt auf die EKD ab.

Neues Beispiel: Der Beitrag in der FR vom 29.06.23 „Kirche erlebt dramatische Austrittswelle – Institution verliert mehr als 500 000 Mitglieder“. Durch Angabe der Anzahl zeigen Sie: Sie meinen die Katholische Kirche. Im letzten Viertel des Artikels kommt dann auch die EKD zu Wort mit einer m.E. fast ebenso dramatischen Austrittszahl von 380 000 Mitgliedern.

Mein Vorschlag: Differenzieren Sie doch in Zukunft deutlich zwischen den beiden Großkirchen. Brillant machte dies Matthias Dobrinski, Chefredakteur der christlichen Zeitschrift PUBLIK-FORUM im April in Koblenz. Dort hielt er einen Vortrag mit dem Titel „Zwischen großem Skandal und großem Egal – Die Kirchen im Säkularisierungsprozess“. Und die FR machte dies auch mit ihrem Kommentar-Artikel – ebenfalls vom 29.06.23 – mit der eleganten Überschrift „KATHOLIKEN – Kardinalfehler der Kirche“.

Klaus Karow, Koblenz

Giftiges Potenzial

Zu: „‚Demokratie ist kein Erbgut‘“, FR-Politik vom 3. Juli

Ich habe mit Interesse das Interview mit dem Präsidenten der Bundeszentrale für politische Bildung Thomas Krüger gelesen. Krüger trifft den Nagel auf den Kopf, wenn er davor warnt, die Wahl der AfD noch als Protest zu begreifen. Denn das ist in der Tat eine Verharmlosung des giftigen rechtsextremen Potenzials, das von diesem Sammelbecken alter und neuer Nazis ausgeht. Nach all dem, was man an Aussagen dieser braunen Gruppierung weiß, müsste eigentlich auch dem Letzten sonnenklar sein, dass es sich bei der AfD um eine hetzende antidemokratische Vereinigung handelt, die entschlossen ist, aus der Bundesrepublik ein nach dem Führerprinzip aufgebautes Regime zu machen, durchdrungen von Antisemitismus, Minderheitenfeindlichkeit und Rassismus.

Es ist richtig, dass es wichtig wäre, wenn Demokratinnen und Demokraten wieder den Weg in die demokratischen Parteien finden würden und sich aktiv an der Gestaltung unseres Gemeinwesens beteiligten. Der Bundeszentrale für politische Bildung kommt hierbei die wichtige Aufgabe zu, bei der Vermittlung demokratischer Inhalte durch die Schulen und die Einrichtungen der Bildung und Weiterbildung hilfreich zur Seite zu stehen. Wir müssen erreichen, dass es gerade auch bei jungen Menschen eine rationale und emotionale Bindung an den demokratischen Rechtsstaat gibt.

Wenn man sich die Wahlergebnisse der AfD betrachtet, sieht man, wie gefährdet unser Staatswesen von rechts ist. Deshalb darf der Gang zum Bundesverfassungsgericht mit dem Ziel des Verbotes dieser nachweislich rechtsextremistischen Gruppierung kein Tabu sein. Es geht um nicht mehr und nicht weniger als den Erhalt unserer liberalen Demokratie.

Manfred Kirsch, Neuwied

Ein Vorbild seiner Zunft

Zu: „Russlands Afrika“, FR-Meinung vom 1. Juli

Ich wollte Ihnen schon lange schreiben, wie hervorragend ich Ihren Afrika-Korrespondenten Johannes Dieterich finde. Seine Berichte sind engagiert und kritisch, wie es nicht besser sein könnte. Er bringt die Dinge auf den Punkt, er analysiert die Hintergründe, berichtet die wahren Gründe und nimmt kein Blatt vor den Mund. Er ist schonungslos, er fällt sein Urteil über die korrupten Herrscher des Kontinents, die rücksichtlose Ausbeutungspolitik der Großmächte, und er ist so unverblümt ehrlich, dass er auch seine Hoffungslosigkeit ausdrückt.
So ein Korrespondent informiert uns wirklich und gibt uns kein falsches, unrealistisches Bild von einem Teil der Welt, den nicht jeder durch persönliches Erfahren kennenlernen kann. Johannes Dieterich ist sicherlich ein Vorbild und gehört zu den Besten seiner Zunft!

Manfred Bonson, Lüdinghausen

Leserforum 2 20190916Forum vom 8. Juli 2023

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Die Aufklärung kommt gerade noch rechtzeitig

Künstliche Intelligenz: „Ohne Kunst ist alles nichts“ und „Gehemmtes digitales Wachstum“, FR-Feuilleton vom 13. Juni und -Wirtschaft vom 6. Juli

Zwei Artikel, erschienen am 13. und 14. Juni, habe ich äußerst penibel gelesen und wahrgenommen. Besonders die Darlegung des Herrn Franzobel, die Schilderung der rasanten Entwicklung in der Arbeitswelt, in der gesamten Technik bis hin zum Internet, kann ich aufgrund meiner eigenen Erfahrungen nur bestätigen. Aber im Vergleich zu dem, was uns durch KI genommen wird, war und ist die Vergangenheit ein „Klacks“. Ich hätte diesem Artikel gern eine andere Überschrift gegeben, denn wer sich nicht sonderlich für Kunst interessiert, hat ihn nicht gelesen. Hier versucht jemand, vielleicht gerade noch rechtzeitig, aufzuklären und auch zu warnen. Und die Presse hilft dabei in großen Lettern, zweiseitig ! Danke hierfür.
Auch in dem Aufruf von Jana Ballweber (‚Zahnloser Papiertiger‘ vom 14. Juni) ist ausreichend Potenzial, um das Ganze kritisch zu betrachten. Wer glaubt, Künstliche Intelligenz regulieren zu können, der irrt für meine Begriffe. Und ausgerechnet das EU-Parlament soll es richten ? Inzwischen gibt es viel zu viele Technik –Gläubige und Fortschritts-Wahnsinnige. Und die beschäftigen sich damit, in welchen Bereichen Menschen ersetzbar werden.
Was dabei ‚unter den Tisch fällt‘ sind Gefühle, das eigene Denkvermögen, die Menschlichkeit und vieles Mehr, was nicht mehr gefragt, nicht mehr gefordert wird und ausstirbt.
Der heute erschienene einspaltige, in Kurzform gefasste Artikel über dieses angeblich strenge KI-Gesetz macht deutlich, wohin die Reise geht, wahrscheinlich mit Soll-Kann- und Möchte-Regeln. Und dafür braucht man in den Gremien viel Zeit. Nun wird in den kommenden Monaten erst einmal verhandelt, viel geredet, vieles geändert und in der Zwischenzeit machen wir weiter wie bisher !

Ingrid Kellermann, Guxhagen

Auf dem Weg in eine freiwillige Sklaverei

Die hundert Jahre der Frankfurter Schule haben eine Epoche der Denkschule von Philosophen hervorgebracht, einer „Kritischen Theorie“ – mit dem Segen der menschlichen Vernunft, mit dem technologischen Fortschritt das Leid der Menschheit zu überwinden, so in das soziale „Paradies“ zu gelangen. Die heutige Zeit befindet sich in wechselhaften Krisen-Erscheinungen, vom tödlichen Virus Corona bis zum Krieg in Europa – der Klimakatastrophen, Dürren und Überschwemmungen. Diese politische und gesellschaftliche Realität haben schon Marx und Engels in ihrer Zeit gekannt, durch eigene Beobachtung von Hunger, Pest und Cholera.
Die nächste Stufe ist KI – künstliche Intelligenz – ein Abbild vom Menschen, eine „digitale Verwandlung“ im neuen Gewand göttlicher Überlegenheit. Der Mensch als ein Diener, der zum Höchsten aufsteigt. Zeitenwende! Der Mensch in der neuen KI–Welt geht womöglich in eine freiwillige Sklaverei.

Thomas Bartsch Hauschild, Hamburg

Auf dem Prüfstand

Renaturierung: „Zeit für einen neuen Weg“, FR-Meinung vom 30. Juni

Ich bin den Autoren, die sich verantwortlich für die Grünen im Bundestag einbringen, sehr dankbar, dass sie mit wissensbasierter Klarheit aufzeigen, dass die Natur mit all ihren Facetten die Grundlage für menschliches Leben ist. Unser konsumorientierter und besitzergreifender Lebensstil schädigt die Böden, das Wasser und die Luft in zerstörerischer Weise.
Der Gastbeitrag regt an, darüber nachzudenken, inwieweit das Aufwachsen unserer Kinder und Jugendlichen in einer Umwelt mit enormen Straßenverkehr, mit Einkaufszentren als Treffpunkt, modernen Indoor-Spielplätzen sowie Spielplätzen mit vorgefertigten Geräten nach DIN Norm und dem Eintauchen in digitale Lebenswelten sowohl neue Entwicklungsperspektiven eröffnen als auch enorme Verluste von Naturerfahrungen und spielerischer Freiheit mit sich bringen.
Der lange Aufenthalt in Klassenzimmern, in beengten Wohnverhältnissen und Betreuungsinstitutionen gefährden nach Ansicht von Experten eine gesunde und vielfältige Entwicklung. In der pädagogischen Forschung spricht man daher von „Verhäuselung der Kindheit“. Ärmere Familie sind davon besonders betroffen.
Ich wünsche mir, dass in Kommunen und auf Landes- und Bundesebene mehr Konsens zu Stande kommt, im Hinblick auf Naturschutz und Bewahrung unserer natürlichen Lebensgrundlagen.
Ohne konkrete Ge- und Verbote wird dies allerdings nicht gelingen, um den Naturschutz und die notwendige Renaturierung durchzusetzen und zu finanzieren. „Naturschutz heißt Kima retten“. Im weitesten Sinne eine ideelle „Kindergrundsicherung“ für die Zukunft.
Unser kapitalistisches Wirtschaftssystem und dessen Wachstumsideologie gehört zudem auf den Prüfstand (siehe Literatur vom Ökonomen Nico Paech und dem slowenischen Philosophen Slavoj Zizek).
Wie wäre es mit einer kurzen Info vor den Nachrichten in Funk und Fernsehen:
Was kann jeder konkret zum Naturschutz beitragen? (Vielleicht erinnern sich die Älteren noch an den 7.Sinn).
Es hilft nicht, den Kopf in den Sand zu stecken! In einer Welt mit riesigen Waldbränden, Gletscherschmelzen, Verlust von Trinkwasser, mit tausenden Toten durch extreme Hitzephasen, Starkregenereignissen, Überschwemmungen und dem dramatischen Verlust von Flora und Fauna sind apokalyptische Zukunftsvisionen nicht unrealistisch. Die „Zeit für einen neuen Weg“ ist unausweichlich.
Könnten nachfolgende Überlegungen unsere Gesellschaft zum Handeln bewegen?
Z.B. durch kontinuierliche Aufklärung in allen Bildungsbereichen und solidarische Aktionen in jedem Nachbarschaftsquartier, die dazu dienen, Hoffnung für die Zukunft durch Naturschutz auf jeden unversiegelten Quadratmeter in Stadt und Land sichtbar zu machen. Ich empfehle diese gesellschaftliches Pflichtaufgabe ins Zentrum zu stellen.
Die Stadt Frankfurt ist mit ihrer neuen Gestaltungssatzung Freiraum und Klima und der dazugehörigen Broschüre für mich Vorbild im Sinne von „best practice“, und aus meinem Bundesland SH möchte ich die kompetente Biodiversitätsstrategie- Kurs Natur 2030 erwähnen.
Diese beiden Handreichungen zeigen die Notwendigkeiten umfassend auf und fordern den selbstverschuldeten, katastrophalen Umgang mit unserer Lebensgrundlage Natur umgehend zu beenden und mit vereinten Kräften die Transformationen zum sozialökologischen Miteinander auf allen Ebenen umzusetzen.
Bündnis 90/ Die Grünen sollten sich nicht scheuen, Bürgerinnen und Bürger mit den Tatsachen zu konfrontieren. Die menschengemachte Ausbeutung unseres Planeten, der den Klimawandel laut differenzierter wissenschaftlicher Expertise weiter befeuert und der „Selbstverbrennung“ auf unserer Erde Vorschub leistet.

Dagmar Feddern, Norderstedt

Nutzen fürs Gemeinwohl

Zu: „Mehr Wettbewerb auf der Schiene?“, FR-Wirtschaft vom 5. Juli

zum Thema „Mehr Wettbewerb auf der Schiene“ habe ich drei grundsätzliche Fragen. Welchen Nutzen soll die angepriesene gemeinwohlorientierte Eisenbahninfrastrukturgesellschaft dem Gemeinwohl bringen, wenn die Transportgesellschaften auf dem gemeinwohlorientierten Gleisnetz weiterhin profitfixiert unterwegs sind ? Zu welchen Qualitätsverbesserungen soll außerdem mehr Wettbewerb auf der Schiene führen, wenn noch mehr Wettbewerber um die gleichen Fahrplan-Zeitlagen konkurrieren ? Das spurgeführte Schienensystem ist schließlich keine Straße, auf der jeder Wettbewerber beliebig operieren kann, sondern erfordert ein strenges technisches Fahrplanmanagement mit festen Abstandsregeln zur Gewährleistung eines sicheren Betriebsablaufs unabhängig von der Organisationsform. Schließlich noch ein Aspekt: jede der konkurrierenden Transportgesellschaften benötigt eigene Infrastrukturanlagen zur Wartung und Reparatur ihres jeweiligen Fahrzeugparks. Und soll kostengünstiger und damit gemeinwohlorientierter sein als alles in einer Hand?

Joachim Bohndorf, Bensheim

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12 Kommentare zu “FR-Forum vom 4. bis 8. Juli

  1. Dem Leserbrief „Ziviler Ungehorsam“ von Edgar Göll kann ich uneingeschränkt beipflichten.
    Wie bereits in meinem Leserbrief am 30.06.2023 hingewiesen, werden diejenigen, die sich für unsere Zukunft einsetzen, als kriminell eingestuft, während die Klimavernichter ungestört ihren Interessen weiter ungestraft fröhnen können.

    Bedenkt man zudem, welchen Schaden mit 243 Mio. Euro der be“Scheuer“te ehemalige Verkehrminister mit seiner Maut zu Lasten der Steuerzahler angerichtet hat, entbehren die Rechnungen an die Mitglieder der „Letzten Generation“ in der Tat auch nur einem Hauch an Verhältnismäßigkeit.

    Schlimm ist nur, dass die Klimaschützer für ihr Vorgehen selbst zur Kasse gebeten werden, während die Kosten, die Dobrindt und Scheuer von einer „C“Partei verursacht haben, von uns allen getragen werden müssen.

  2. Zu meinem eigenen Leserbrief „Rauchen bedeutet Rollstuhl“ möchte ich ein paar Gedanken zu „Jeder Drogentod ist einer zuviel“ ergänzen:

    Es ist schrecklich, wenn jemand an Drogen stirbt, weil dies ein vermeidbarer Tod ist. Insofern ist es maximal berechtigt, das Thema auf die Titelseite der Frankfurter Rundschau zu bringen. Jeder vermeidbare Tod sollte skandalisiert werden, und zwar unabhängig von der Ursache und der betroffenen Person.

    Nun ist es allerdings so, daß einige vermeidbare Ursachen besonders viele Tode verursachen und deshalb hervorgehoben werden sollten. In meiner gesamten beruflichen Tätigkeit als Arzt seit 1993 incl. 1 Jahr Akutpsychiatrie mit Suchtmedizin erinnere ich mich an keinen Patienten, der durch illegale Drogen verstarb. Ich kenne aber viele Patienten, die durch Alkohol ums Leben kamen, allgemein durch ungesunde Ernährung (zu viel, zu fett, zu süß, zu salzig) und vor allem noch viel viel mehr, die der Tabak hingerafft hat. Es sterben mehr Menschen durch Tabak als durch Verkehrs- und Haushaltsunfälle, Mord, Selbstmord, illegale Drogen und Alkohol zusammengenommen.

    In der Frankfurter Rundschau habe ich mal den Satz gelesen: Der Tod muß abgeschafft werden. Diese Schweinerei muß aufhören.“ (Ich liebe diesen Satz:-) Die Frankfurter Rundschau könnte sich daran abarbeiten, die großen Killer zu skadalisieren. Die illegalen Drogen gehören nicht dazu. Pubertierende Kinder können sich nicht mit Tabak ums Leben bringen, es sei denn, sie fressen das Zeug. Wohl kommen sie durch illegale Drogen um. Es sind aber nur ein paar Tausend jedes Jahr (und damit Tausenede zu viel) und nicht 140.000 wie beim Tabak beziehungsweise 30.000 wie beim Alkohol.

  3. @Ralf-Michael Lübbers
    Als ich Ende Mai 2003 kurz vor meinem Tod stand und damals in einem akademischen Krankenhaus in Behandlung war, empfahl mir dort ein überaus erfahrener Stationspfleger morgens um 5:30 Uhr an einem sonnigen Tag, eine Zigarette zu rauchen, damit die immensen Qualen sich wenigstens etwas in Grenzen halten. Angesichts dessen lässt sich sagen, dass in Wirklichkeit zumindest die medizinische Praxis eine andere Sprache spricht. Mit dem Rauchen zu beginnen, mag zwar von manchen Ärzten, die keinen Begriff vom historischen und sozialen Kontext haben, im Zuge eines dadurch schieren Dezisionismus als der Einstieg in eine Tabakabhängigkeit und als Suchterkrankung gedeutet werden. Mir jedenfalls ermöglicht das Rauchen seitdem notwendig das Weiterleben.

  4. @Ralf Rath:

    Ich mußte tatsächlich nachschlagen, was der Begriff „Dezionismus“ bedeutet. Ich konnte mir nichts darunter vorstellen. Wikipedia: „Dezisionismus ist eine politische und juristische Theorie, die die Entscheidung und den Entscheider in den Mittelpunkt der Überlegungen stellt. Sie hält weniger den Inhalt und die Begründung einer Entscheidung für wichtig als die Entscheidung an sich. Ihr zufolge kann es keine allgemein verbindlichen Begründungen für Werte oder moralische Positionen geben.“ The decision, die Entscheidung, ok.

    Dezisionismus kannte ich nicht. Wohl aber Carl Schmitt. Von ihm stammt der Begriff laut Wikipedia. Carl Schmitt war Nazi in Nazi-Deutschland und und hat als Jurist (Verfassungs-„Recht(s)ler gearbeitet. Das nur nebenbei…

    Weil Ihnen ein Stationspfleger das Rauchen empfohlen hat („ein überaus erfahrener“, das scheint wichtig zu sein, „…lässt sich sagen, dass in Wirklichkeit zumindest die medizinische Praxis eine andere Sprache spricht“, schreiben Sie. Das leiten Sie von dieser einen Person ab?

    Wenn Sie bis 2003 trockener Alkoholiker gewesen wären und der Pfleger hätte Ihnen empfohlen, mal wieder „was“ zu trinken (was in Wirklichkeit bedeutet hätte, wieder mit dem Saufen anzufangen), was ja auch betäuben kann, und Sie hätten überlebt (was Sie ja haben) und wären jetzt seit 20 Jahren wieder Säufer, hätten Sie das auch gemacht?

    „Mir jedenfalls ermöglicht das Rauchen seitdem notwendig das Weiterleben“. Äh, aha. Brauchen Sie das Nikotin oder die Abbrandprodukte (Teer)? Und warum? Könnte es sein, daß Sie schlicht Raucher sind?

  5. @Ralf-Michael Lübbers:
    Meinem zweitjüngsten Geschwister, das ebenfalls in vergleichsweise noch jungen Jahren seinem eigenen Tod direkt ins Auge zu blicken hatte, brachte man in einer Universitätsklinik frei nach dem Spruch von Gerhard Schröder sogar eine Flasche Bier ans Sterbebett. Dass Sie als Arzt darin keinen „humanen Akt“ erkennen können, wie Eugen Brysch als Vorstand der Stiftung Patientenschutz längst reklamiert, erstaunt zumindest mich ungemein.

  6. @Ralf Rath:

    Wenn es ans Sterben geht, ist alles erlaubt, was Erleichterung verschafft (und andere nicht belastet).

    Was ich mit meiner Ergänzung (die nicht in der Printversion veröffentlicht wurde, was ok ist:-) sagen wollte ist, daß das Drogenproblem überschätzt und das Tabakproblem massiv unterschätzt wird. Einige tausend Drogentote sind jedes Jahr in Deutschland zu beklagen im Vergleich zu bis zu 140.000 Tabak ( 30.000 Alkohol)-toten. [Ich schreibe Drogen- und Tabak-„Problem“, weil es für mich ein Problem ist, wenn Menschen süchtig werden (also den Suchtkonsum auch bei drängenstem Wunsch nicht einfach beenden können) und dann krank werden mit krankheitsbedingt schlechterer Lebensqualität und früher sterben als nötig.] Noch ein Punkt zur Lebensqualität: Interessanterweise können Raucher:innen nicht so gut farbsehen und nicht so gut riechen und entsprechend auch nicht so gut schmecken wie Nichtraucher. Von einer Nichtraucherschutzorganisation gibt es einen Aufkleber mit dem Spruch „Raucher stinken vor sich hin und in sich hinein“. A` votre sante´:-)

    „Ärzten, die keinen Begriff vom historischen und sozialen Kontext (des Rauchens und des Tabaks, Ergänzung von mir) haben“, schreiben Sie. Sie meinen die gute alte Friedenspfeife der amerikanischen Indianer? Hugh! Meistens kommt es im Leben auf das richtige Maß an. Zu viel ist nicht gut, zu wenig auch nicht. Beim Nikotin ist das Problem die starke Suchtpotenz. Bereits 3 hintereinander gerauchte Zigaretten können abhängig machen. Und dann ist buchstäblich das Maß voll. Deshalb rate ich jedem, der es wissen will (gegebenfalls jetzt weggucken, Herr Rath, obwohl sie wahrscheinlich wissen, wie der Satz weitergeht…), mit dem Rauchen gar nicht erst anzufangen oder schnellstmöglich mit evidenzbasierten Methoden damit wieder aufzuhören.

    Ich kann das jedem neuen Patienten erzählen, der raucht. Und Jugendlichen empfehlen, nicht damit anzufangen. Das ist dann Verhaltensprävention. Damit erreiche ich nur wenige Menschen. Mit meinem Leserbrief und den Zeilen hier erreiche ich vielleicht ein bißchen Verhältnisprävention. Nämlich daß die Leser darüber nachdenken, so dramatisch sind die Zahlen, da muß man ja vielleicht etwas machen. Und jetzt komme ich wieder auf den von Ihnen erwähnten sozialen und historischen Kontext zu sprechen:
    Tabakprodukte werden industriell vertrieben, von mächtigen und vermögenden Konzernen. Die Besitzer der Tabakkonzerne gehen für Geld buchstäblich über Leichen. Der Tabakanbau wird unfair entlohnt und gefährdet die Gesundheit der Tabakbauern (siehe http://www.unfairtobacco.org). Für die Tabakkonzerne arbeitende Lobbyisten sind sehr erfolgreich darin, für ihre Produkte ein günstiges Umfeld zu schaffen, bis hin zu Gesprächen mit führenden Politikern und Politikerinnen und dem Formulieren von Gesetzesvorlagen (übrigens auch eine -unsozialdemokratische- Erfindung von gerd schröder, Lobbyisten Gesetzesvorlagen schreiben zu lassen). Tabakwerbung. Keine Tabaksteuer, die die Krankheitskosten des Produktes auskömmlich finanziert. Kein Verbot von suchtverstärkenden Zusatzstoffen. Kein ausreichender Schutz der Nichtraucher vor der Zwangsberauchung (sogenanntes Passivrauchen, damit Sie wissen, was ich meine). Und das einzige Gegenargument, das der Tabakindustrie zu den horrenden tabakbedingten Gesundheitskosten einfällt ist das sozial verträgliche Frühableben mit entsprechend geringeren Kosten für die Rentenversicherungen und Pensionen. (Ein überaus menschenverachtender Satz.)

    Da es hier blitzt schicke ich das jetzt schnell weg

  7. Keine Gewitterschäden. Was ich abschließend noch schreiben wollte:

    „Ärzten, die keinen Begriff vom historischen und sozialen Kontext (des Rauchens und des Tabaks, Ergänzung von mir) haben“, schreiben Sie. Ich habe in der Tat überhaupt kein Verständnis dafür, wie man mit dem Rauchen anfangen kann. Ich verstehe es nicht. „Es geht über meinen Verstand“, wie man so sagt. Ist nicht meine Welt.

    Ich stamme aus einer Arbeiterfamilie. Bei uns gab es vor mir keine Ärzte. Als ich anfing Medizin zu studieren (1985 in Hannover)war ich bar erstaunt, wie viele meiner Kommilitoninnen und Kommilitonen rauchten. Die wollten studieren, wie man Leiden lindern und vorzeitige Tode vermeiden kann, und verhielten sich in einer Weise, die (in Industrieländern in Friedenszeiten) die wichtigste Ursache ist für Leiden und vorzeitigen Tod. Rauchen ist die wichtigste vermeidbare Einzelursache für Krankheit und Tod.

    Mein Unverständnis dafür ist zeitlebens geblieben.

  8. @Ralf-Michael Lübbers:
    Jedwedem Handeln fehlt von Natur aus die Unmittelbarkeit. Wie der Physiker Niels Bohr bereits vor rund einem Jahrhundert zu bedenken gibt, ist es deshalb nicht möglich, Gott vorzuschreiben, wie die Welt zu regieren ist. Erst jüngst am 4. Mai 2023 anlässlich des Ludwig-Erhard-Gipfels kritisierte folgerichtig Bundesfinanzminister Christian Lindner denn auch die zahllosen Praktiken, sich trotzdem dazu anzuschicken. Der Vorsitzende der FDP fand es angesichts dessen ungeheuerlich, Unsummen öffentlicher Gelder für ein Gebaren auszureichen, das von vornherein nicht mit der physikalischen Realität übereinstimmt. Ist insofern das Rauchen einer Zigarette nicht Ausdruck solch einer offenkundig zutiefst falschen Praxis, fällt es schwer, ein etwaiges Rauchverbot vernünftig zu begründen.

  9. „Jedwedem Handeln fehlt von Natur aus die Unmittelbarkeit.“

    Das heißt was?

  10. Es war Bundeskanzler Olaf Scholz, der vergangenes Jahr im öffentlich-rechtlichen Rundfunk sagte, politisch niemals „unmittelbar“ eingreifen zu können. Insofern müssten Sie, Ralf-Michael Lübbers, sich an dessen Pressesprecher wenden, wenn Sie erfahren möchten, was das heißt.

  11. @ Ralf Rath:

    Sie schreiben: „Wie der Physiker Niels Bohr bereits vor rund einem Jahrhundert zu bedenken gibt, ist es deshalb nicht möglich, Gott vorzuschreiben, wie die Welt zu regieren ist.“

    Michael J.Sandel schreibt in seinem Buch „Das Unbehagen in der Demokratie“ auf Seite 44: „Wenn Menschen Engel wären, dann wäre kein Staat nötig.“ Was für ein Schicksalsschlag, daß ich just gestern beim Lesen dieses Buches auf diesen Satz gestoßen bin 🙂

    Sie schreiben: „Es war Bundeskanzler Olaf Scholz, der vergangenes Jahr im öffentlich-rechtlichen Rundfunk sagte, politisch niemals „unmittelbar“ eingreifen zu können.“ Ich halte Olaf Scholz für einen SPD-Kanzler, der nicht sozialdemokratisch handelt. Christian Lindner ist ein brillianter Rhetoriker. Wenn der begründet, warum leider die Reichen nicht stärker besteuert werden dürfen und deshalb alle anderen das gesellschaftliche Leben finanzieren müssen, und das in seiner staatstragenden Art, schalte ich immer ab, weil ich ihn nicht ertragen kann. Mir ist körperlich übel, wenn ich ihn höre. Aber das weicht vom Thema ab.

    Verstehe ich Sie richtig, weil Gott nicht vorgeschrieben werden kann, wie die Welt zu regieren ist, kann man ein „etwaiges“ Rauchverbot nicht begründen? Das ist jetzt Physik oder Religion?

  12. @Ralf-Michael Lübbers:
    Die von Werner Heisenberg mathematisch gewonnene Erkenntnis einer Unbestimmtheit, fand in der natürlichen Sprache bislang keinen Ausdruck. Zwar stand der Nobelpreisträger neben Carl Friedrich von Weizsäcker und Ludwig Raiser einst Pate, als der akademische Grad, den auch ich öffentlich führen darf, aus der Taufe gehoben wurde. Von mir angesichts dessen zu erwarten, hier in diesem Blog in einer Angelegenheit zu antworten, zu der so mancher am liebsten Schweigen gebietet, verlangt mir Kräfte ab, über die kein Mensch verfügt. Allenfalls lässt sich Kritik an solch einer völlig verfehlten Praxis üben. Für das dafür in Solidarität mit Gleichgesinnten erlebte Glück ist somit notwendig Leiden und Tod in Kauf zu nehmen. Insofern befriedigt das Rauchen einer Zigarette das unmittelbar ans Leben gehende Bedürfnis, die dadurch gesellschaftlich zu ertragenden Qualen zu lindern und sich die Sache wenigstens etwas zu erleichtern. Hiesig praktizierende Ärzte sind laut der geltenden Berufsordnung ohnehin dem Gebot der Menschlichkeit verpflichtet. Empfiehlt daher während eines Klinikaufenthalts vor zwanzig Jahren der Stationspfleger, mir in der Früh kurz nach Sonnenaufgang auf nüchternen Magen eine anzuzünden, ist es demnach nicht trivial, einen Widerspruch zu formulieren.

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