Das Chaos in Griechenland pusht die Euro-Krise in die nächste Runde. Verursacherin: Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihr „Spar“-Diktat, euphemistisch Fiskalpakt genannt. Stabilität hieß Merkels Ziel, erreicht hat sie das Gegenteil.
Wie das? Man darf wohl einen direkten Zusammenhang zwischen dem „Spar“-Zwang für Athen und dem Zusammenbruch der griechischen Wirtschaft annehmen. Mehr als die Hälfte aller griechischen Jugendlichen unter 25 Jahren sind arbeitslos. Die griechische Regierung legt bereits Programme für Städter auf, die aufs Land ziehen, um die Ackerkrume zu bewirtschaften. Tauschringe gedeihen. Die Häfen werden bestreikt. Und dann haben die Griechen kürzlich in Wahlen ihr Parlament in einer Weise zusammengesetzt, die der Verfassung des Landes entspricht: Es herrscht Chaos. Alle Versuche zur Regierungsbildung sind inzwischen gescheitert, es wird Neuwahlen geben. Und wenn sich der Wille des griechischen Volkes bei diesem nächsten Durchgang nochmals derart chaotisch manifestiert?
Solche Wahlergebnisse sind das Resultat Merkel’scher „Spar“-Politik, bei der es jedoch nicht wirklich ums Sparen geht – denn gespart wird normalerweise, wenn man etwas übrig hat, was man auf die Seite legen kann -, sonderns ums Einsparen, ums Kürzen. In Griechenland ist radikal gekürzt worden, überall bei den „kleinen Leuten“, die so für das Versagen eines politischen Systems zahlen, das sie selbst natürlich immer wieder gewählt haben, egal ob nun die Nea Demokratia oder die Pasok an die Regierung kam. Dieses System ist am Ende, und das ist eine gute Botschaft in all dem Chaos, immerhin. Zugleich jedoch ist die Demokratie in Griechenland an ihre Grenzen gestoßen. Es wäre wohl doch besser gewesen, hätte man die Griechen damals in einem Referendum abstimmen lassen, so wie es der damalige Ministerpräsident Papandreou vorhatte. Dieses Referendum wird in der Neuwahl quasi nachgeholt: Es wird darum gehen, ob Griechenland im Euro bleibt oder nicht.
„Wenn Wahlen so wie in Griechenland ausgehen, ist der demokratische Kapitalismus an seine Grenzen gestoßen. Es ist ein Aufbäumen gegen eine Expertokratie, in der Regierungen nicht mehr mit dem Vertrauen der Bürger, sondern mit dem Vertrauen unserer besonderen Freunde, der Märkte, ausgestattet sein müssen.“ Das schreibt FR-Autor Holger Schmale in seinem Leitartikel „Demokratie – aber nicht gegen das griechische Volk„, der in der Print-FR treffender „Demokratie gegen das Volk“ hieß. Weiter: „Leider haben Papademos und die EU und der IWF bei ihren Verhandlungen über die verschiedenen Rettungspakete neben den zahllosen Gegenleistungen der Griechen eines vergessen: den Verzicht auf weitere Wahlen. Das wäre nämlich die konsequente Umsetzung eines Denkens, das da lautet: Lasst uns die allen möglichen Versuchungen und Fehlbarkeiten unterworfenen Politiker durch rational handelnde Experten ersetzen und die Demokratie durch Technokratie.“
Dahin also führt uns die Euro-Krise. Alternativlos?
Holger Schmales Leitartikel hat viele Leserbriefe bekommen. Beginnen wir mit Hermann Krüger aus Frankfurt:
„Demokratie-Demontage oder der Anfang vom Ende jeglicher demokratischer Lösung der gegenwärtigen Krise? Da sich die zunehmende Kluft zwischen Reichtumund Armut nicht mit einer demokratischen Politik lösen lässt, treten gegenwärtig immer stärker undemokratische Strategien in den Vordergrund.
Als es den gewählten Regierungen in einigen Krisenländern (Griechenland, Italien) nicht mehr gelang, das Volk weiter zu schröpfen, haben diese Regierungen die Macht an nicht gewählte „Experten“ abgetreten. Nun haben die Wähler in Griechenland diese Marionetten abgestraft – nicht mehr gewählt. Die Erpressungsmethode (wenn ihr uns nicht wählt, dann bekommen wir kein Geld mehr geliehen um Schulden zu bezahlen), hat nicht funktioniert. Das Volk hat gesprochen! Und was geschieht jetzt? Dann müsst ihr noch mal wählen, sonst …
Auch in Frankreich hat das Volk gegen die weitere Bereicherung der Reichen gestimmt und einen neuen Präsidenten gewählt, der immerhin eine höhere Besteuerung der Reichen versprochen hat. Und wie hat die europäische Sparkommissarin Angela Merkel reagiert? „An dem Fiskalpaket wird nichts geändert!“ Immerhin ist ja die Bundesrepublik Deutschland mit dem „Sparkurs“ nicht so schlecht gefahren, über staatliche Rettungsschirme wurden die Großbanken auf Kosten des Sozialabbaus im eigenen Lande und der „Schuldeneintreibung“ bei den ärmeren europäischen Ländern gerettet.
Die Wiederholung ist die Mutter der Erkenntnis, darum: Holger Schmale hat völlig recht, wenn er schreibt: „Es ist ein Aufbäumen gegen eine Expertokratie, in der Regierungen nicht mehr mit dem Vertrauen der Bürger, sondern mit dem Vertrauen unserer besonderen Freunde, der Märkte, ausgestattet sein müssen.“
Und noch eine Wiederholung von Holger Schmale ist notwendig: Während aufrechte Demokraten als Narren verhöhnt werden fragt er: „Und sind die Narren nicht eher jene, die glauben, man könne Demokratie auch gegen das Volk haben? Was wir als griechisches Chaos wahrnehmen ist aber ein Kampf, der ganz Europa gilt.“ In diesem Sinne hat auch Norbert Röttgen recht, dass bei der Wahl in NRW auch über die Europapolitik von Angela Merkel entschieden wurde – und deshalb ist er für „soziale Demokraten“ nicht wählbar.“
Michael G. Hoffmann aus Flörsheim widerspricht:
„In dem Leitartikel meint Holger Schmale, dass man die Wahl in Griechenland und das daraus resultierende Chaos als „Zeichen für einen eskalierenden Kampf zwischen Demokratie und Kapitalismus“ in ganz Europa verstehen kann. Die Schweiz widerlegt diese These. Vor nicht allzu langer Zeit haben sich die Schweizer in einer Volksabstimmung über mehr Urlaubstage ganz demokratisch für die kapitalistische Variante, nämlich mehr Arbeit und weniger Freizeit entschieden. Die Schweizer brauchten hierzu auch keine Eliten, die ihnen erst erklären mussten, „warum diese oder jene Unterwerfung unter unerfreuliche Bedingungen eben doch erforderlich ist“.
Als neutraler Deutscher und kritischer FR-Leser stelle ich fest, dass die Schweiz ein Beispiel dafür sein kann, dass Demokratie und Kapitalismus eben doch unter einen Hut passen können. Interessant wäre es nun, sich einmal zu fragen, unter welchen Voraussetzungen und Gegebenheiten dies auch in der EU möglich sein könnte.“
Carsten Dietrich Brink aus Gauting:
„Der Leitartikel hat mir fast die Tränen in die Augen getrieben! Auf solch einen Artikel in der FR habe ich schon lange gewartet! Vielen Dank dafür; und Ihren Worten, Herr Schmale, ist nichts hinzuzufügen.“
Horst Tremer aus Frankfurt“
„’Der Kapitalismus basiert auf der merkwürdigen Überzeugung, dass widerwärtige Menschen aus widerwärtigen Motiven irgendwie für das allgemeine Wohl sorgen werden.‘ (J.M. Keynes um 1920).
Der Leitartikel von H. Schmale hat in der Klarheit seiner Aussage die gegenwärtige Situation exakt beschrieben und in allgemeinverständlicher Weise auf einen beunruhigenden, ja beängstigenden Punkt gebracht. Er spricht wiederholt süffisant von „unseren besonderen Freunden, den Märkten“. Ich füge hinzu: Diese besonderen Freunde sind keineswegs „Narren“, wie Schmale vermutet, sondern Überzeugungstäter, für die auch die Reste unserer malträtierten Demokratie ein geschäftsschädigendes Übel darstellen, das beseitigt werden muss.
Aktuelles Beispiel: Frankfurt hält an Blockupy-Verbot fest (FR 14.5.). Will sagen: Kapitalismus und Demokratie sind offenbar ein Antagonismus. Traurig und wütend macht es, wenn man sich immer wieder, sowohl in den Medien als auch in sog. „gehobenen“ Kreisen und nicht nur am Stammtisch die Diffamierung des griechischen Volkes – „faul, betrügerisch, unverschämt“ etc. – anhören muss. Dabei ist Griechenland nur der Anfang des Desasters. Die wahren Schuldigen und deren dreiste Ablenkungsmanöver hingegen werden nur selten benannt.
Herr Schmale tut dies in seinem hervorragenden Leitartikel in dankenswerter Weise. Solch kritische Reflexionen will man in der FR öfter lesen können.“
Bernhard Bauer aus Nidderau:
„Das ‚griechische Chaos‘ kann man als Zeichen für einen sich verschärfenden Kampf zwischen Demokratie und Kapitalismus verstehen. Allerdings hat Griechenland seine Misere selbst verschuldet, denn seit dem Ende der Militärdiktatur 1974 haben die Parteien, die jetzt das Land aus der Krise führen wollen, mit einer beispiellosen Misswirtschaft selbst für diese Krise gesorgt. Aber als Beispiel für eine Entwicklung, bei der vom „demokratischen Kapitalismus“ immer weniger Demokratie und immer mehr Kapitalismus übrig bleibt, taugt Griechenland allemal. Und der sich daraus entwickelnde „Kampf gilt ganz Europa“, so Holger Schmale und ich ergänze: der Kampf gilt der ganzen demokratischen westlichen Welt.
Woher kommt das? Mit dem Wegfall des Realsozialismus, der in den Staaten des europäischen Ostblocks seit 1989 komplett zusammengebrochen ist, fiel eine Sperre weg, welche die ungehemmte Ausbreitung des Kapitalismus behinderte. Zwar war der „real existierende Sozialismus“ nie praktikabel. Wir Bundesbürger konnten das besonders gut am Beispiel der real existierenden Deutschen Demokratischen Republik erkennen. Als Möglichkeit eines anderen Gesellschaftssystems aber hatte das Vorhandensein dieser Staatsform stets eine kontrollierende Funktion.
Wie geht es weiter? Holger Schmale glaubt, dass mit dem Ergebnis der Wahlen in Griechenland der demokratische Kapitalismus an seine Grenzen gestoßen ist. Werden sich künftig die Wähler wehren „gegen eine Expertokratie, in der Regierungen nicht mehr mit dem Vertrauen der Bürger, sondern mit dem Vertrauen unserer besonderen Freunde, der Märkte (der Banken) ausgestattet sein müssen“. Die Griechen haben die etablierten Parteien abgestraft. Ist bei uns eine ähnliche Entwicklung abzusehen? Kann man die Erfolge der Piratenpartei als Beginn einer Protestbewegung sehen? Die Frage erübrigt sich leider, wenn man sich die Äußerungen der führenden Piraten anhört! Die Linken könnten eine Protestbewegung kanalisieren, aber leider sind sie seit einiger Zeit dabei, sich selbst aufzulösen.
Was kann ein Staat, der von seinen Wählern dazu legitimiert ist, tun, um wieder mehr Demokratie in den demokratischen Kapitalismus zu bringen? Der Kabarettist Georg Schramm hat in seinem Programm „Meister Yodas Ende“ die Erklärung der holländischen„Regierung zur sogenannten „Tulpenzwiebelblase“ aus dem Jahre 1637: zitiert: „Die Tulpenzwiebelnspekulationen sind in einer Art Fieber zustande gekommen, also im Zustand der Unzurechnungsfähigkeit. Bei Spielsucht ist aber nicht der Staat zuständig, sondern der Arzt.“ Die Nutzanwendung daraus: Der Staat muss sich aus der Abhängigkeit von den Banken und Märkten lösen und Investmentbanker und Spekulanten ihrem Schicksal überlassen.
Ob das möglich ist? Schön wäre es!“
Zunächst: wie in allen kapitalistischen Ländern gilt auch bei uns das Primat des Geldes und nicht der Politik. Sowohl rot-grün als auch schwarz-rot haben gezeigt, daß sie letztendlich nur Erfüllungsgehilfen des Kapitals waren und ihnen an einer einigermaßen gerechten Verteilung und Zuweisung des erarbeiteten Volksvermögens wenig lag. Leider scheint es einer Situation wie jetzt in Griechenland, also kurz vor dem Zusammenbruch, zu bedürfen, um das Volk sich besinnen zu lassen und die beiden Parteien, welche seit 1974 Staat und Gelder unter sich aufgeteilt hatten, abzustrafen.
Es wurde leider auch von wohlmeinenden Deutschen gerne übersehen, daß Griechenland keine Demokratie im heutigen Sinne mit Legislative, Judikative und Executive war, sondern immer mehr Kleptokratie im maghrebinischen Sinne, also mehr mittelalterlicher Klientel- und Ständestaat als zumindest rheinischer Kapitalismus. Die Menschen machten die Augen zu, zahlten Fakelaki an Ärzte, Krankenhäuser und Genehmigungsbehörden, wählten die Parteien, welche ihnen zu einem einträglichen Job beim Staat verhalfen, schmierten die Behörden, um ihre Ständeprivilegien als Rechtsantwälte, Notare, Apotheker, Taxifahrer nicht zu verlieren und freuten sich über die EU-Fördergelder, auch bereits vor der Euro-Einführung.
Es klappte ja auch prima, bis hin zu den getürkten Statistiken für Eurostat etc. Nur leider war das alte Prinzip von Soll und Haben vergessen worden und das Herannahen der Abgabe einer Bilanz samt Gewinn- und Verlustrechnung. Und da zeigte sich, daß das Frisieren von Zahlen nicht auf Dauer funktionieren kann, wenn irgendwann nix mehr in der Geldbörse ist.
Irgendwann wurde es auch den deutschen Touristen zu teuer, die jahrelang Griechenland heiß und innig liebten, weil sie nebendran das Gleiche für 50% weniger bekamen. Und die deutsche Regierung, die sich so über die deutschen Exporterfolge freute, übersah, daß die schweren SUVs und Luxuslimousinen von Porsche und Mercedes von Menschen gekauft wurden, die keine Steuern zahlten und ihr Vermögen längst ins Ausland geschafft hatten.
Es gibt zwei Regeln im kapitalistischen System, die gerne mißachtet oder zumindest übersehen werden:
1. Verwechsele nie Betriebs- mit Volkswirtschaft. Wenn eine schwäbische Hausfrau in der Kleinstadt spart, mag das in Ordnung sein. Wenn alle schwäb. Hausfrauen dieser Stadt sparen, macht bald der letzte Bäcker, Metzger, Schuster oder der bürgerl. Gasthof dicht und die gesichtslosen Ladenketten am Ortsrand zahlen ihre Gewerbesteuer irgendwo anders, wo die Hebesätze niedrig sind und sich der Firmensitz befindet.
2. Das kapitalistische Prinzip beruht auf dem Zins. Vom Zins, um den sich das Kapital erhöht, wird wiederum eine Verzinsung erwartet. Wenn sich der Zins nicht auf die übliche Weise, also über BIP-Steigerung, erwirtschaften läßt, müssen Löhne und Lohnnebenkosten gesenkt und staatsliche Leistungen privatisiert werden. Beispiel: staatl. Rentenleistung runter, private Zusatzrente rauf, dto. bei der Krankenversicherung, dto. bei öffentlicher Versorgung/Infrastruktur.
Wenn das alles nicht reicht, müssen Menschen in die Verschuldung gezwungen werden und dann auch Kommunen, Länder und ganze Staaten. Letzteren wird dann auch abverlangt, angeblich „Systemrelevante“ Banken, vulgo Spielcasinos und Zockerboden, zu retten, weil „sonst alles zusammenbricht“, und dafür neue Schulden bei eben diesen Banken aufzunehmen, fürnehm getarnt über „Staatsanleihen“. Dafür dürfen Sie die sich entwickelnde Krise dann auch „Staatsschuldenkrise“ und nicht „Bankenkrise“ nennen.
Und es gibt – nicht nur bei uns – einige Tausend Plutokraten, die über wechselseitige Abhängigkeiten zu Politik und Wirtschaft (dort werden dann „abgebrannte“ Politik-Darsteller endgelagert), über medialen, eher auch (leider nicht nachweisbar) gekauften Einfluß und gesteuerte politische Entscheidungen den permanenten Zustrom von Kapital auf dieser Einbahnstraße innnerhalb unserer „marktkonformen Demokratie“ am Laufen und Fließen halten.
Und wenn sich einige erdreisten, basisdemokratisch demonstrieren zu wollen, frei nach dem Motto: „Friede den Hütten, Krieg den Palästen“ wird alles aufgeboten, um dieses Recht auszuhebeln. Heiligendamm und Stuttgart 21 lassen grüßen.
Das mit der schwäbischen Hausfrau ist in der Tat ein Witz , schon die Rhetorik sagt alles , und es ist erschreckend , daß so etwas ein politisches Leitbild werden konnte.
Aber wahrscheinlich sind die herrschenden Protagonisten tatsächlich keine „Narren“ , sondern wissen recht gut , was sie tun und zielen ab auf eine neoliberale Roßkur , mit dem Ziel , die Machtverhältnisse noch weiter in Richtung Kapital zu verschieben.
Was die real existierenden Kapitalisten jedoch ganz prinzipiell nicht auf dem Schirm haben , ist die Möglichkeit einer Erhebung aus den Bevölkerungen heraus , das hat nicht wenig von Marie-Antoinette und all den anderen (faktischen) Machthabern , die noch am Vorabend ihres Untergangs nicht erkannten , wohin der Hase am Laufen war.
Die deutsche Politik im Speziellen hat schon etwas Niederträchtiges an sich , selber haben wir auf dem Höhepunkt der Krise eine antizyklische Politik betrieben, mit Konjunkturpaket und Kurzarbeiterregelung, und damit alles Andere als gespart, wobei mir speziell Merkel auch ziemlich beeinflußbar erscheint , was die Einflüsterungen des jeweiligen Koalitionspartners angeht.
Europäischen Partnern aber wird diese richtige Politik verwehrt, wobei Europa sich allerdings bei weitem nicht soviel gefallen lassen müßte und damit genauso mitschuldig ist an der Gesamtentwicklung.
Wie ein Fluss aus verschiedenen Quellen und Nebenflüssen gespeist wird, so wird auch eine Krise aus verschiedenen Quellen gespeist. Michael Hoffmanns vergleich Schweiz/Griechenland möchte ich beinah als „Gedankenübertragung“ bezeichnen. Vor gut einer Woche, als das Thema noch nicht im Blogtalk war, habe ich mich gefagt: Wieso gehen zwei Völker mit beinah gleicher Größe und Einwohnerzahl so unterschiedliche Wege? Wobei Griechenland noch den Vorteil eines Seezuganges hat. Was die Schweizer auszeichnet ist ihr im „Bundesbrief“ von 1290 geschaffener Bürgersinn. Nach der „Magna Charta“ der Angelsachsen übrigens das älteste Zeugnis einer „Demokratischen Verfassung“. Griechenland dagegen ist eine Art staatlicher Newcommer ähnlich wie Ukraine, Estland oder Slowakei… Seit dem Mittelalter hat Griechenland aufgehört zu existieren. Von Venezianischen Kreuzfahrern zerschmettert, dann über 600 Jahre unter der Despotie der Türken. „Griechenland“ gibt es erst seit dem 19. Jahrhundert wieder als selbstständiges „Staatsgebilde“. Durch diese historischen Widrigkeiten hatten die Griechen nicht die Chance ein demokratisches „Bürgertum“ zu entwickeln. Hier löst ein Clan den anderen ab, eine Interessen Gruppe kämpft gegen die andere. Dazwischen noch mal 15 Jahre Millitärdiktatur. Dann wieder „Sozialisten“. Auch sie haben wohl nicht allzuviel bewirkt. Dass ein solches oligarchisch geprägtes, korruptes System, dann noch von außen von Heuschrecken und Raubtierkapitalisten angriffen wird ist eigentlich kein Wunder. Ein kranker Staat gleicht einem kranken Menschen. Wer Aids hat, bekommt oft noch Krebs, eine üble Lungenentzündung usw. das Imunsytem der Griechen ist stark geschwächt. Aber die Stärke und Gesundung muss von innen kommen. Hier sind ALLE gefragt. Aber wenn sich Reeder schon damit brüsten, daß sie keine Steuern zahlen, darf man sich nicht wundern, daß der kleine Mann auch nicht mehr weiter sparen will. Das Zauberwort heißt „Soziale Marktwirtschaft“, Tarifpartnerschaft. usw. Aber manche Staaten gehen lieber als Kollektiv unter, als bewährte Methoden von anderen zu übernehmen.
Zum Kommentar „Gebt den Griechen eine echte Wahl!„:
Gegen die sachlich vorgetragenen Argumente dieses Kommentars ist nichts Stichhaltiges einzuwenden. Mit einer Ausnahme: die Bewertung des Faktors Zeit. Ich glaube nicht, das alle beteiligten Politiker noch genügend Zeit haben, den Schiffbruch abzuwenden. Es zeichnet sich ab, dass der schwer leckgeschlagene Dampfer Griechenland in den nächsten Wochen auseinander brechen wird. Die Bevölkerung wird höchstwahrscheinlich ihre Angelegenheiten selbst in die Hand nehmen und ihre Konten bei den Banken leer räumen, um ihre Euros erst einmal unter dem Kopfkissen in Sicherheit zu bringen. Das wird dem Schiff den Rest geben. Kein Staat der Welt ist sanierbar, wenn seine Bevölkerung ihr eigenes Staatswesen als etwas Fremdes oder Fremdbestimmtes empfindet. Wir Deutschen sollten das am besten wissen und müssen uns lediglich an das Wunschdenken und die Demagogie von Weimar erinnern. Hitler wurde von den Ruhrbaronen mit seinen Tiraden gegen das Diktat von Weimar und die Juden nach oben geboxt, obwohl die Franzosen bereits einige Jahre zuvor auf Reparationen verzichtet hatten. Unsere Großeltern haben diesen Umstand nicht zur Kenntnis genommen, weil sie ihn nicht zur Kenntnis nehmen wollten. Die Geschichte vom betrogenen Volk, das von einer Marionettenregierung verraten wird, hat ihnen einfach viel besser gefallen. So ähnlich ist es nun in Griechenland. Rechnen wir also mit dem Schlimmsten: einem Bürgerkrieg, der in einem Land ohne Auslandskredit und ohne funktionierender Wirtschaft aller Erfahrung nach in einer Diktatur enden muss. Spätestens dann steht Europa vor der Frage, ob Griechenland noch Mitglied der EU bleiben kann. Nach den Verträgen ist das eigentlich ausgeschlossen. Die Frage, die dann zu beantworten sein wird: Besteht Europa aus Verträgen oder aus Menschen, die an Europa glauben? Ist Europa denn wirklich unsere Sache oder nur die Angelegenheit von „denen da oben“ und ihren „schmutzigen Geschäften“. In der Politik geht es darum, was die Leute gerne glauben wollen und nicht so sehr um das, was wirklich ist.
Nur mit Sparen wird es nicht funktionieren. Das gilt für die ganze EU. Für Wachstum braucht es eine Story. Die gibt es und es ist auch schon klar wer sie bezahlen müsste. Die Story heisst Energiewende. Man muss nur wollen und das sicher nicht zuletzt in Griechenland.
Es gibt keinen verordneten „Sparkurs“, egal wie oft denkträge Journalisten das voneinander abschreiben.
Es gibt allerdings ein Drängen zu einem ausgeglichenen Haushalt hin. Wenn Griechenland die Staatseinnahmen erhöht, dann kann es sogar auch seine Staatsausgaben ERHÖHEN, und das ist das Gegenteil von Sparen, und niemand, auch Merkel nicht, würde sich beschweren.
Das Erhöhen der Einnahmen sollte von der Ausgangsbasis aus, bei der man Wirtschaft und Bevölkerung verbreitet und generös eine Steuerverweigerung durchgehen ließ, doch recht einfach sein.
Es geht also nicht ums „Sparen“. Es geht um einen ausgeglichenen Haushalt, egal ob mit Sparen oder ohne. Den allerdings zu verlangen ist vernünftig und es ist mir nicht einsichtig, wie man Merkel bzw. der deutschen Regierung deswegen Vorwürfe machen kann.
Was man unserer Bundeskanzlerin vorwerfen muss ist das sie selber nichts tut um einen ausgeglichenen Haushalt zu bekommen. Sie unternimmt nichts um die Verursacher der Schuldenkrise nämlich die Finanzwirtschaft an der Bezahlung der selbigen zu beteiligen. Ich hoffe das die SPD es schafft so etwas bei der jetzt anstehenden Grundgesetzänderung durchzusetzen. Es ist nämlich nicht nur in Griechenland richtig das man eine Schuldenbremse auch mit Einnahmeerhöhungen erreichen kann.