Frankfurt diskutiert über seine Städtischen Bühnen. Nein, nicht über Inhalte oder Stücke, nicht über künstlerische Provokationen und Attacken wie zu Fassbinder-Zeiten, sondern darüber, ob die Bühnen und die Oper am Willy-Brandt-Platz bleiben oder beispielsweise dorthin verlegt werden sollen, wo jetzt noch das alte Polizeipräsidium steht. Der jetzige Gebäude-Komplex sei marode, heißt es, und wie Frankfurt eben so ist: Es wäre sicher nett, direkt gegenüber des früheren Sitzes der EZB ein frei werdendes Grundstück zu haben, auf dem ein, zwei neue Hochhäuser gebaut werden könnten, nicht wahr? Da liegt Geld in der Luft …
Nun, tatsächlich ist mir nichts darüber bekannt, ob es im Hintergrund solche Interessen gibt, aber das Terrain am Willy-Brandt-Platz ist eines der Herzen der Frankfurter Innenstadt, und es ist naheliegend, dass Investoren sich freuen würde, darauf etwas zu bauen. Eigentlich kann dem Platz nichts Besseres passieren als ein Abriss des jetzigen Opernhauses. Doch so hässlich er gegenwärtig auch ist — er sollte in den Händen der Kultur bleiben. Daher, liebe Stadtplaner, denkt mal drüber nach: Falls der Brexit durchschlägt und die Londoner City zerschlägt, werden viele Arbeitsplätze im Finanzsektor nach Frankfurt wandern. Allein schon deswegen, weil hier die Europäische Zentralbank sitzt. Frankfurt wird sich den Auswirkungen des Brexits also stellen müssen, und es hat Kulturpolitik immer auch als Standortpolitik betrieben — allerdings nicht in dem Sinn, in dem OB Feldmann mit Thesen über Kultur als Schmiermittel provoziert hatte. Doch wenn die Bänker nach ihrem anstrengenden Tagewerk im globalen Kasino Feierabend machen, sollte ihnen ein kulturelles Angebot gemacht werden, das es mit dem in London … na ja, vielleicht nicht gerade aufnehmen kann, aber das doch irgendwie an die unglaubliche Vielfalt in London … hmmm … heranreicht? Wenn das möglich ist? Ist es nicht? Okay, der Frankfurter war schon immer ein Gernegroß. Wer nach Frankfurt zieht, sollte sich der Risiken bewusst sein. Das hätten sich die Briten eben rechtzeitig überlegen müssen. Nun kriegen sie kommunalpolitisches Kleinklein. Die neue Kulturdezernentin Ina Hartwig ist nicht zu beneiden.
Rolf Rand aus Obertshausen meint:
„Wie berichtet wird seit zwei Jahren der Zustand der städtischen Bühnen untersucht und dokumentiert. Für eine solche Aufgabe eine sehr lange Zeit. Der beschriebene Zustand zwingt zu vielen Fragen. Warum ist die Technik so marode? Wurde das Facility Management so sträflich vernachlässigt? Warum hat die Intendanz da nicht protestiert? Wir leben doch im reichen Frankfurt! Da hätten doch schon vor Jahren die Alarmglocken schrillen müssen. Warum ist niemand an die Öffentlichkeit gegangen?
Nun haben viele Politiker gefragt oder ungefragt zum Thema Stellung genommen. Bringt dies die Diskussion voran? Ich zweifle sehr stark daran.
Durch den Ist-Zustand des Gebäudes schließen sich einige Optionen von selbst aus. Ein Neubau an anderer Stelle, wo auch immer, scheint mir total abwegig. Bis dieser steht, gehen garantiert mindestens zehn Jahre ins Land, und so lange sollen die maroden Anlagen noch funktionieren? Wenn die Kälte ausfällt, dann ist Schluss, da der Gesetzgeber keinen weiteren Spielbetrieb zulässt.
Was bleibt unter den gegebenen Zuständen? Eine schnelle Verlegung der Bühnen und dann eine zügige Generalsanierung des Gebäudes, wobei die Betonung auf zügig liegt. Dies ist nur mit einem kompetenten Managementteam bei Planung und Ausführung möglich. Vertragsmodelle wie Flughafen Berlin und Elbphilharmonie müssen unbedingt vermieden werden, sonst haben die Medien wieder Stoff für viele Jahre.
Bei diesem Projekt muss endlich einmal Konsenz bei allen Beteiligten vorhanden sein, und persönliche Befindlichkeiten haben zurückzustehen. Bei den Kosten sollten sich alle Beteiligten klar sein. Wenn heute 300 Mio. Euro im Raum stehen, dann werden es bis zur Fertigstellung bestimmt 700 Mio. Euro sein. Dies sollte nicht verschwiegen werden. Auch von einer Elbphilharmonie kann die Politik lernen.
Damit 2022 die Theateranlage an alter Stätte im neuen strahlenden Glanz wiedereröffnet werden kann, ist viel zu tun. Aber Frankfurt schafft das – hoffenlich.“
Klaus Philipp Mertens aus Frankfurt:
„Das Gutachten über den baulichen Zustand der Städtischen Bühnen inklusive der Vorschläge zur Sanierung bzw. der Konzepte für einen Neubau soll Ende dieses Jahres veröffentlicht werden. Aber bereits jetzt geistern die unterschiedlichsten Vorabeinschätzungen durch Frankfurt. Aus meiner Sicht, und das ist die eines Theaterbesuchers mit seit Jahren 50 bis 60 Besuchen pro Spielzeit, wird eine Stimmung erzeugt, von der einzig und allein die in der Stadt besonders verbreitete Mafia der Immobilienspekulanten profitieren würde.
Zudem wundert es mich, dass angebliche Experten für das außergewöhnliche Honorar von sechs Millionen Euro aus der Bestandsaufnahme anscheinend sehr einfache, zu einfache Schlüsse ziehen. Diese Bestandsaufnahme scheint zunächst zu bestätigen, was der häufige Besucher längst ahnt: Die Klimaanlage muss ausgetauscht werden. Und wer bei den regelmäßig angebotenen Führungen durch das Haus genau hingesehen hat, wird ebenso für einen weitgehenden Austausch der elektrischen Leitungen plädieren. Mutmaßlich werden auch die Wasserleitungen längst nicht mehr den gültigen Standards entsprechen. Ebenso scheint die Dichtung des Daches erheblich reparaturbedürftig zu sein. Für die großen Scheiben um Foyer und Panorama Bar gibt es sicherlich energieschonendere Materialien als die derzeit verbauten. Bei solchen Rundgängen erfährt man auch, dass beispielsweise vor drei Jahren ein Millionenbetrag für die Bühnentechnik des Schauspielhauses ausgegeben wurde. Das passt nicht zu der herbeigeredeten Ruinensituation.
Zudem ist die statische Struktur der Gebäude offenbar in Ordnung (andernfalls dürfte keine Vorstellung mehr stattfinden) und sie folglich nicht als baufällig bezeichnet werden können. Warum dann diese Panikmache? Die Antwort habe ich bereits gegeben. Und meine Mutmaßung stützt sich auf Beobachtungen, die man in Frankfurt allzu häufig machen kann. Wiederholt wurden und werden funktionsfähige Gebäude zerstört, um auf ihrem Grund Luxuspaläste zu errichten.
Da sich bestimmte Kreise, die weder das Allgemeinwohl noch die Kultur im Sinn haben, derzeit Hoffnungen darauf machen, dass nach dem BREXIT die Frankfurter Innenstadt die Londoner City als Finanzmetropole ersetzen könnte, sind die Vorschläge in Richtung Neubau der Bühnen an anderer Stelle mehr als durchsichtig.
Ina Hartwig, die neue Kulturdezernentin, die ihr Amt offensichtlich angetreten hat, ohne vorher über die jetzt bekannt werdende Problematik ausreichend in Kenntnis gesetzt worden zu sein, sollte Schneid beweisen. Und auch ihren Chef, Oberbürgermeister Peter Feldmann, jede Woche in Schauspiel und Oper zerren. Das Erleben vor Ort kann dazu geeignet sein, kreative Lösungen hervorzubringen.
Wenn ich mich von der „Verdingungsordnung für Bauleistungen VOB“, also der technischen und vertraglichen Grundlage für sämtliche Bauarbeiten, inspirieren lasse, gelange ich zu der Einschätzung, dass der Austausch einer Klimaanlage in vier bis fünf Monaten in Gebäuden dieser Größenordnung bei entsprechender Vorbereitung abgeschlossen sein könnte. Das würde pro Spielzeit eine zusätzliche Pause von zwei bis drei Monaten bedeuten. Mit Hilfe von geeigneten Ausweichquartieren sollte das möglich, sprich überbrückbar sein; für das Schauspiel vermutlich eher als für die Oper. Im folgenden Jahr könnte das Leitungsnetz saniert werden, parallel dazu Teile der Wasserversorgung. Innerhalb von drei Jahren ließe sich der gesamte Komplex bei deutlich geringeren Kosten als solche für einen Neubau auf den technischen Stand der Zeit bringen. Man muss es nur politisch wollen und man muss es organisieren können.“
Stefan Schlesinger aus Frankfurt:
„Oper und Schauspiel sollten schon am Stammort bleiben. Der Platz der Republik ist eine Hochleistungsstraßenkreuzung und kein Platz. Nach 22 Uhr abends sich dort „aufhalten“ wäre bestimmt lustig. Vielen Dank. Meine Heimatstadt sollte aber bitte auch die Schreckensbeispiele Theater Köln, Staatsoper Berlin, Elbphilharmonie und neue geplante Philharmonie München sich anschauen. Solche Desaster mögen wir hier nicht. Aber es könnte sein, dass ein kompletter Neubau besser wäre, als die Sanierung.
Wolfgang Mohr aus Hattersheim:
„Ich begrüße es, dass in Frankfurt eine Mehrheit gegen einen Umzug der Städtischen Bühnen an eine andere Stelle der Stadt ist. Die Theterdoppelanlage am heutigen Willy-Brand-Platz dokumeniert wie kaum ein Gebäude die Entwicklung der Nachkriegszeit. Ich erinnere mich noch , wie begeistert meine Mutter als Theaterabonnentin von den Inszenierungen nach der Eröffnung der Oper im einstigen Schauspielhaus ab 1952 war. Damals war die große Drehbühne etwas Neues Mit de Umbau zur Theaterdoppelanlage anfangs der 1960ger Jahre wurde leider die Jugenstilfassaden abgerissen , in einer Zeit, die nur dem Modernen zugewand war und kein Verständnis für die Architektur der Gründerzeit hatte. Durch diese Entwicklung gab es dann für die Alte Oper nur noch die Möglichkeit als Konzerthaus wieder aufgebaut zu werden. Dennoch steckt viel vom alten Schauspielhaus in der heutigen Oper, die sei dem schon viele glanzvolle Jahre erlebte und mehrmals als bestes Opernhaus Dutschlands ausgezeichnet wurde. Vonder Ära Harry Buckwitz über Christoph von Dohnany bis hin zu Bernd Loebe, haben beide Häuser die deutsche Kulturlandschaft bereichert. Nach dem Opernbrand hat man Die Oper in der heutigen Form mit großem Bühnenhaus noch verbessert, selbst das Schauspieil wurde nochmals umgestaltet. ich habe noch das Opernheft von der Saison 1989/60, in dem die Pläne zum Wiedeaufbau gezeigt wurden. Damals plante man sogar ein Stück des alten Gebäudes in einem Pausenhof auf der Ostseite für die Besucher wieder sichtbar zu machen. (Eine gescannte Ansicht aus dem Opernheft ist in der Anlage) Es ist daher zu wünschen, dass die Theaterdoppelanlage in ihrer heutigen Form erhalten bleibt. Es wäre auch schön, wenn abends, wie in der Anfangszeit das gläserene Foyer wieder offen gehalten wird und die Goldwolken, die damals für Diskussionen sorgten, wieder besser ausgeleuchtet zur Geltung kommen würden. Oftmals ist dann doch eine Sanierung viel preiswerter, wenn man die heutige Form ohne größere Umgestaltung beibehält. Ein Neubau , der dann sicher architektonisch etwas Besonderes werden soll, siehe die Hambuger Philharmonie, kann dann extrem teuer werden.“