Lafontaine sagt leise Servus – so war der FR-Kommentar zu der Meldung überschrieben, dass der saarländische Spitzenpolitiker der Linken, der zu polarisieren vermag wie kaum ein anderer, nicht für den Bundestag kandidieren wird. Er hat sich früher dagegen entschieden als ursprünglich angekündigt. Zunächst hieß es, er wolle sich bis zum 5. Mai mit seiner Entscheidung Zeit lassen. Er wollte es also wohl wieder spannend machen – und wieder die Nerven seiner Parteifreunde strapazieren.
Dazu meint Gunnar Flörsheimer aus Flörsheim in einem längeren Leserbrief:
Sein größtes Pfund: die persönliche Integrität!
„Wie man vernimmt, hat die Nachricht von Lafontaines Verzicht auf eine erneute Kandidatur für den Bundestag bei den kommenden Wahlen ein geteiltes Echo ausgelöst. Während die einen ihn für unentbehrlich halten – auch im Hinblick auf die Außenwirkung der Partei in der öffentlichen Wahrnehmung –, sind die anderen vermeintlich froh, eine aus ihrer Sicht politische „Altlast“ los zu sein. Auch wenn man den Kommentar von Markus Decker liest, kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass er in den Chor derer mit einstimmt, die sagen, dass der Weg nun endlich frei gemacht werden müsse für andere, jüngere – vor allem aber realpolitisch orientierte Kräfte in der Partei; nicht zuletzt deswegen – so ein oft bemühtes Argument –, weil die Linke in den Augen der SPD sonst nicht mal satisfaktionsfähig sei – also eine ewig Unberührbare – und damit allein schon die Frage (als strategische Option) eines etwaigen grün-rot-roten Dreierbündnisses auf Bundesebene ebenso tabu bleiben würde.
Was immer man auch über Lafontaine sagen mag (freilich, er hat sich nicht nur mit Ruhm bekleckert, und ich denke dabei keineswegs an seinen Rücktritt als Finanzminister, sondern viel eher an den sogenannten Asyl-Kompromiss von 1992/93 – ein dunkler Fleck), er war ein bundespolitisches Schwergewicht wie außer ihm nur wenige, er hat polarisiert – was auch der Aufmerksamkeit für Politik in der Öffentlichkeit insgesamt gut getan hat – , er war der letzte große Vorsitzende der Sozialdemokratie, und wenn man die Äußerungen Bernd Riexingers liest, scheint es auch in der Linken selbst niemanden zu geben, der ihm auf seinem Fachgebiet – der Finanzpolitik – das Wasser reichen und Inhalte so transportieren könnte wie er.
Man wird ihn vermissen, es braucht aufrechte Politikertypen, wie Lafontaine, Ottmar Schreiner – immenser Verlust (!) oder auch Christian Ströbele, deren größtes Pfund ihre persönliche Integrität ist, weil sie für eine Sache so überzeugend einstehen, dass man sie damit identifiziert, und nicht nur um der Macht willen Politik machen. Solche gibt es zu wenig, und man sieht auch keine politischen Persönlichkeiten von diesem Format nachwachsen. Politik wird überwiegend als ein rein technisches Geschäft wahrgenommen –vor allem von Politologen –, das man gut und gern in Hinterzimmern aushandeln lassen kann, und so auf die Frage der Durchsetzbarkeit reduziert. Persönlichkeiten stören da eigentlich nur – aber so erreicht die Politik die Menschen nicht! Der Weg zu den Köpfen der Menschen führt über das Herz, „und das Herz schlägt“ frei nach Oskar Lafontaine „immer noch links“.
Das Oskar Lafontaine nicht mehr antreten will, könnte verschiedene Ursachen haben. Zum einen wäre da seine Krebserkrankung, welche, wie bei Otmar Schreiner, wieder aufgetaucht sein könnte, und er die nächsten Jahre nicht in einem Kräfte zehrenden und aufreibenden politischen Amt verbringen will (er wird nächstes Jahr 70), sondern lieber noch ein paar schöne Jahre mit seiner Partnerin Sahra Wagenknecht. Als politisches Urgestein weiß er auch, das eine Linkspartei, die mit vielleicht 8% bei der Wahl im September abschneidet, natürlich in einer rosa-grün-groten Koalition (so die denn überhaupt zustande käme), wenig bis nichts zu melden hätte. Und die Erfahrung, untergebuttert zu werden, wie 1998 von Schröder, möchte er sich wohl nicht mehr antun – wobei ich ihm voll und ganz Recht gebe.
Aber vielleicht werden ja zur Wahl die Karten völlig neu gemischt, siehe die neue „Alternative für Deutschland“. Bronski, wäre das ein eigenes Thema wert?
Solange keine Vollbeschäftigung bis zum Rentenalter für alle gewährleistet ist, haben diese abschiedsunfähigen Süchtigen in der Politik nichts zu suchen.
Ausser dem wohlverdienten gibt es auch noch den wohlbenötigten und den wohlerwünschten Ruhestand.
Zu Wolfgang Fladung: Die „Alternative für Deutschland“ sollte man als eigenes Thema lieber nicht aufwerten.
Solange Steinbrück Kanzlerkandidat bleibt und als solcher nicht müde wird, jede Zusammenarbeit mit der Linken abzulehnen, hätte Oskar Lafontaine die Linke in der Opposition durchaus unterstützen können. Aber gönnen wir ihm die wohlverdiente Ruhe!