Seit den Anschlägen auf die Asylantenunterkünfte im Osten der Bundesrepublik, lese ich wieder öfter Kommentare wie: „Ich schäme mich für Deutschland“, in den sozialen Netzwerken, oder „der Braune Mob marschiert wieder“ in Leserbriefzuschriften. Aber was mich vor allem bedrückt: Wir bekommen immer öfter Zuschriften mit rassistischem Inhalt. Ich drucke die natürlich nicht ab, aber hier im Blog, wo ich die Möglichkeit habe, die Dinge nicht unkommentiert zu lassen, möchte ich doch mal etwas zitieren:
Ein Leser aus Schwerin hat uns folgendes zugeschickt zu dem Leitartikel „Was Merkel nicht sagt“ von Stephan Hebel:
„Schlimmer geht es nicht. Wo lebt dieser Autor? Wie weit ist er von uns den Kleinen und Steuerzahlern entfernt? Völkermörder, Räuber, Vergewaltiger, Deserteure an Maß (sic!) usw. kommen zu hunderttausen zu uns und 60000 jährlich kostet einer. In Norwegen, Schweiz und Nedderland dauert es nur von 11 – 28 Tagen dann ist der Dreck wieder weg und den wirklich zu Helfenden stehen dann die Türen offen. In Deutschland sind 1 Mill. sogenannte Anwälte damit beschäftigt mit Asyltricks die Zeit auf 8 Jahre zu trimmen um in der Zwischenzeit Milliarden € vom Volk abzuschöpfen und zu verprassen – das ist doch die Wahrheit. Noch nie ist ein Arbeiter zu Wort gekommen, der das Geld erschuften muß, was diese Neo-Nazi-Bonzen rausschmeißen- fällt das nicht auf? Deutsche Polizisten müssen in Dresden auf Deutsche mit Wasserschießen, damit die Mörder hier aufgepeppelt werden -geht es noch schlimmer! Die haben die Schnauze von den Politikern gestrichen voll!! Ein alter Deutscher Kriminalist aus dem Osten.“
Vor allem die Wortverdreherei hat mir den Atem verschlagen. „Noch nie ist ein Arbeiter zu Wort gekommen, der das Geld erschuften muss, was diese Neo-Nazi-Bonzen rausschmeißen“. Aha, jetzt sind rechtsradikale Rassisten auf einmal die Arbeiterklasse, und demokratisch gewählte Bürgervertreter Neo-Nazi-Bonzen. Mir wird schlecht. Aber plötzlich fiel mir etwas ein, erlaubt mir, liebe FR-Blog-Leser und Kommentatoren, dass ich das in Form einer Anekdote zum Besten gebe.
Es ist der 10. Dezember 1993. Ich stehe als junge Studentin inmitten einer großen Ansammlung von Menschen in den Räumen der ehemaligen AKI-Kinos im Frankfurter Hauptbahnhof. Die diesjährige Frankfurter Filmschau (die es längst nicht mehr gibt) spielt sich inmitten kitschiger Weihnachtsdeko – Blinklichtern und Lametta – ab. In den Kinosälen sehen wir Experimentalfilme, Kurzfilme und was die Kuratoren sonst noch ausgesucht haben. Und nun warten wir auf die Projektion des großen Aufregerfilms „Beruf Neonazi“ von Winfried Bonengel. Es gibt viel Aufhebens um ihn. Den Machern wird vorgeworfen mithilfe öffentlicher Filmforderung einen unkommentierten Propaganda-Film hergestellt zu haben. Vor allem aber eilt dem Film auf der Straße der Ruf voran, viel von der Wahrheit zu zeigen, wie gut Neonazis staatenübergreifend organisiert sind. Wie reibungslos ihr Apparat funktioniert und wie wenig getan wird, um sie aufzuhalten. Wir warten an diesem Abend umsonst auf die Vorführung. In letzter Minute beschlagnahmt die Frankfurter Staatsanwaltschaft den Film, er darf nicht gezeigt werden.
Daran habe ich denken müssen, angesichts der obigen Leserzuschrift. Warum weiß ich nicht genau, irgendeine Assoziation. Ich habe mich darauf hingesetzt und mir den Film nochmal im Internet angeguckt. Vorneweg ein Kommentar von Stefan Aust. Spiegel TV hatte seinerzeit eine gekürzte Fassung des Films gezeigt. Aust sagt: „Die Debatte über den Film hat nämlich längst alle sachlichen Dimensionen gesprengt. Die Auseinandersetzung um Zensur und Verbot, die pauschale und, wie ich meine unzutreffende, Diffamierung des Filmes als Propagandashow für einen Neonazi hat jede kritische Debatte über den Film selbst erstickt.“ Dann zitiert er die Frankfurter Rundschau: „So kritisierte die Frankfurter Rundschau die Debatte mit den Worten, ‚dass kaum noch über den Film selbst geredet wurde, dass die wenigsten nach Machart, Methode oder Misslungenheit fragten. Das ist der Normalfall im Reich der bedingten Reflexe. So evident war dieser Mechanismus, dass man sich fast schämte zu sagen, hier handle es sich um Ersatzhandlung, um ein Kompensationsgeschäft, das den Boten für die Botschaft bestraft.'“
Diese Auffassung hat sich mir bestätigt, als ich mir im Anschluss den Film angesehen habe. Winfried Bonengel hat damals Bernd Ewald Althans begleitet, einen überzeugten von München aus völlig offen agierenden Neonazi, der vor allem eins damals im Visier hatte: Junge Menschen in den neuen Bundesländern zu rekrutieren. Tatsächlich hat der Film keine einzige Sequenz, in der einer der gezeigten Rechtsradikalen heroisiert wird. Weder der österreichische Holocaust-Leugner Gottfried Küssel von der „Volkstreuen außerparlamentarischen Opposition“, noch der damals von Kanada aus agierende Ernst Zündel, noch Althans selbst. Eine der schlimmsten Szenen, die wahrscheinlich viel dazu beitrug, dass der Film Anstoß erregte, ist wenn Althans in die Gedenkstätte des KZ Auschwitz in die Gaskammer geht, sich vor den Besuchern aufbaut und ihnen erklärt, der Holocaust sei eine Lüge und dass sie noch nicht einmal wüssten, wie Zyklon B funktioniere.
Das Schmerzhafteste daran ist jedoch, dass Althans das tatsächlich einfach machen konnte. Keiner weder von der Gedenkstätte selbst, noch unter den Besuchern, hat Althans abgehalten, diesen widerlichen Sermon zu halten. Nur ein junger Amerikaner diskutiert mit ihm. Althans sagt ihm: Ich kämpfe für die Deutschen, du für die Juden. Der junge Mann erwidert genervt: Ich kämpfe für die Geschichte, Mann!
In seinem Bremer Elternhaus erlebt man Vater und Mutter Althans, die alles andere als glücklich über die politischen Umtriebe ihres Sohnes sind. Dort sagt er, in der ehemaligen DDR, da finde er junge Menschen, die bereit seien zu gehorchen, die stramm stehen würden, wenn man ihnen das sage. Seine Eltern sind abgestoßen. Und ganz zum Schluss sagt Althans, er trage heute einen Judenstern in Form eines Hakenkreuzes. Ja, da ist sie wieder die Wortverdreherei, die mir auch im Leserbrief aufgestoßen war. An dieser Stelle nimmt die Kamera den Blick des Vaters auf, der ihn nämlich senkt auf den Schoß. Bonengel lässt Althans solche Worte nicht in die Kamera sprechen, die Worte kommen aus dem Off. Wir sehen einen beschämten Blick auf die Hosenbeine des Vaters.
Eine der letzten Szenen ist eine Propagandaveranstaltung mit Althans im Osten. Dort verspricht er den jungen Männern, die sich versammelt haben, Kameradschaft, Treue und das man ihren Wert immer anerkennen werde, was diese offensichtlich gerne hören. Politische Bildung in der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1993. Die nackte Wahrheit, und sie durfte nicht von der breiten Öffentlichkeit zur Kenntnis genommen werden.
Ende Juli hatten wir einen Kommentar in der FR „Nicht geahndeter rechter Terror“ von Markus Decker, da heißt es:
„Nehmen wir an, in der ersten Jahreshälfte 2015 seien 200 Bankfilialen attackiert worden – und damit so viele wie im ganzen Jahr zuvor. Nehmen wir weiter an, jene, die sich schützend vor die Bankfilialen stellen, würden attackiert. Nehmen wir schließlich an, das alles geschehe mit einem Ziel: die Filialen zu schließen. Was dann los wäre? Die Parteien im Bundestag würden Sicherheitsbehörden besser ausstatten und Gesetze verschärfen wollen. Niemand würde zweifeln, dass eine Form von Terror vorliegt.
Dass dergleichen bei den anhaltenden Angriffen auf Flüchtlingsheime nicht geschieht, hat wesentlich damit zu tun, dass ihr Wert weniger hoch geachtet wird. Dabei ist die Diagnose klar. In Deutschland werden seit Monaten Flüchtlingsheime angegriffen. Es handelt sich um jene Gewalt gegen Sachen, die bürgerliche Kreise ehedem nicht von der Gewalt gegen Personen trennen wollten. Und es geschieht in steigender Zahl und der Absicht, die Heime gar nicht erst eröffnen zu können oder sie schließen zu lassen. Längst werden überdies Menschen Opfer, die derlei verhindern wollen. Das alles geschieht nicht in jener Form, wie sie in der 70er Jahren von der Rote Armee Fraktion ausging. Aber auch wenn viele, die in der Kulisse stehen, es billigen: Es ist, was es ist. Terror.“
Und im Artikel: „NSU: Die Mörder und ihr Netzwerk“, macht Hanning Voigts auf folgendes aufmerksam:
„In allen Städten, in denen der NSU mordete, gebe es zudem militante Neonazis, in Dortmund, Kassel oder München habe man Hinweise auf Helfer. Ob überhaupt schon alle Mitglieder des NSU-Netzwerks bekannt seien, sei nicht sicher, sagt Röpke. „Da gibt es große weiße Flecken.“
Was wir sehen ist, dass das Problem ein altes ist. Es ist älter als die wiedervereinigte Bundesrepublik und hat historische Wurzeln sowohl in der ehemaligen BRD, der DDR und setzt sich im heutigen Deutschland fort. Von „auf dem rechten Auge blind“, kann schon lange nicht mehr die Rede sein. Das ist institutionalisiertes Gewährenlassen. Und die Öffentlichkeit schaut ohnmächtig zu?
Es wird Zeit, dass wir eine breit angelegte Debatte darüber führen, wie rechtsradikaler Terror in Deutschland organisiert ist, wie er funktioniert – und die Politik zwingen, ihm endlich ein Ende zu machen. Ja, rechter Terror ist gefährlich, aber darum genau muss er aufhören.
Rechtsradikale und rassistische Gedanken verbreiten sich öffentlichkeitswirksam, wenn beispielsweise die ARD am 1. September („Maischberger“) Alexander Gauland, den Landesvorsitzenden der AfD-Brandenburg, einlädt. Und ihm ein Forum bietet, auf dem er sich mit einer Mischung aus Elder Statesman und Biedermann artikulieren kann. Dabei Verständnis zeigend für Menschen, die Angst vor Flüchtlingen und vor einer vermeintlichen Überfremdung haben. So wie er das bereits als „Beobachter“ der PEGIDA-Aufmärsche getan hatte.
Oder wenn der Deutschlandfunk den Dresdener Politologen Eberhard Jesse interviewt (letzte Augustwoche). Also ausgerechnet jenen Gutachter im ersten NPD-Verbotsfahren, an dem dieses (neben der Vielzahl der vom Verfassungsschutz eingeschleusten V-Leute) gescheitert war. Heribert Prantl hatte bereits vorher, nämlich am 06.02.2002 in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG, dem Bundesverfassungsgericht vorgeworfen, es mache den Bock zum Gärtner, wenn es Eckehard Jesse zum Gutachter bestelle. Für Jesse war Rechtsradikalismus und Rassismus „mehr Phantom als Realität“, wie er in dem von ihm mit herausgegebenen Buch „Schatten der Vergangenheit“ (1990 erschienen) verharmlosend schrieb. Distanziert hat er sich davon nie. Ideologisch wird und wurde er dabei häufig begleitet von seinem Professorenkollegen Werner J. Patzelt, welcher der sächsischen CDU eine stärkere Rechtsausrichtung empfohlen hatte, um sich gegen die NPD abzugrenzen. Diese unterschwellig betriebene Neuorientierung zeigt nun in Heidenau und anderswo ihre ersten „Erfolge“.
Neben dem Einschleusen jener von mir exemplarisch erwähnten Wölfe im Schafspelz gewinnt zunehmend die Propagandaschlacht auf Facebook einen besonderen Stellenwert in der rechten Strategie. Und ich frage mich, warum seriöse Zeitungen und Rundfunksender ihre Leser, Hörer und Zuschauer ständig mit solchen neonazistischen Exkrementen konfrontieren. Es mag sein, dass sich in diesem dissozialen Netzwerk immer noch Menschen bewegen, die gar nicht wissen, wo sie gelandet sind. Aber der typische Facebook-Nutzer leidet unter Minderwertigkeitskomplexen, ist unterdurchschnittlich allgemeingebildet, übernimmt schnell Vorurteile aller Art und neigt in seiner gehäuft anzutreffenden permanenten Frustration zumindest zu verbaler Gewalt. Und er wird, wenn er nicht selbst zu ihrem inneren Kreis gehört, von Rechtsradikalen instrumentalisiert und lässt sich das auch gefallen.
Es wird nicht möglich sein, mit Gauland, Jesse, Patzelt oder den FACEBOOK-Faschisten einen Dialog zu führen. Geschweige denn, dass man sie zur Umkehr bewegen könnte. In der griechischen Mythologie galt Thersites als charakterloser Demagoge. Vermeintlich vertrat er die Interessen der einfachen Kämpfer im Trojanischen Krieg. Doch tatsächlich ging es ihm um seine persönlichen Vorteile. Folglich sprach man nicht mit Thersites.
Warum sollen wir heute mit ihm und seines Gleichen reden? Durchkreuzen wir also die Strategie der Neonazis. Bestimmen wir das Niveau, auf dem über die Ursachen der Massenflucht und ihrer möglichen Folgen gesprochen und gestritten wird.
Ich denke das man die Leute die Bedenken bei der derzeitigen Einwanderungswelle haben und die NSU Terroristen nicht in einen Topf werfen kann. Wenn jemand Bedenken hat das der IS die Chance nutzt um eine große Zahl von Kämpfern in D. einzuschleusen denkt er nicht rechtsradikal sondern logisch.
Die Politik, die ihr nachplappernden „Qualitätsmedien“ und auch leider ein Teil der Justiz ist genau, wie bereits in der Weimarer Republik, auf dem rechten Auge blind.
Es ist stimmt schon bedenklich, wenn verantwortliche Behördenleiter in Sachsen plötzlich nach vielerlei Anschlägen und den Auftritten von Pegida erst zu merken scheinen, „die Brutalität habe eine neue Dimension erreicht“, während gerade in diesem Bundesland bisher in der Hauptsache diejenigen für Verfassungsfeinde gehalten, erkennungsdienstlich beobachtet und strafrechtlich verfolgt wurden, die links von CDU, FDP, AFD oder NPD stehen. Man denke nur an die Aktionen im Februar 2013.
Und bei den jüngsten Aktionen wird behauptet, es sei zu wenig Polizei verfügbar, die Polizei der anderen Bundesländer sei wegen der Bundesligaspiele nicht verfügbar. Aber zum Einsatz gegen die Gegendemonstranten im Februar 2013 war genügend Polizei verfügbar, ebenso wie für den G 7-Gipfel im Frühjahr dieses Jahres oder bei den Einsätzen gegen Blockupy sowie in anderen Fällen.
Das ist, wie Wolfgang Thierse richtigerweise erwähnte, sächsische Rechtsauffassung.
Der Leserbrief aus Schwerin gehört in den Papierkorb. Es ist ja so, daß Menschen für etwas, wovor sie Angst haben, vermeintlich rationale Gründe suchen. Und für viele kommen die Gründe, die der Leserbrief aufzählt, gerade recht. Ich finde es müßig, wild kursierende vorgebliche Fakten widerlegen zu wollen, um gegen den Sinngehalt eines solchen Schreibens zu argumentieren. Man kann nur hoffen, daß diese Art von Verschwörungstheorie nicht zu viele Anhänger gewinnt.
Ich vermag nicht einzuschätzen, in welchem Maß das zurückhaltende Einschreiten der Polizei und die zögerlichen Einlassungen unserer Regierung zu den Ausschreitungen des Mobs gegen unerwünschte Flüchtlinge der Stimmung in der deutschen Bevölkerung tatsächlich Rechnung trägt. Es gab jedenfalls gegen linke und antikapitalistische Demonstrationen schon ein entschiedeneres Vorgehen der Sicherheitskräfte und der Politik.
Ansonsten: Ich bin Deutscher. Ich schäme mich nicht dafür. Ich bin nicht stolz darauf. Ich will als der akzeptiert werden, der ich bin, wie ich andere als die akzeptiere, die sie sind.
@N.Soondrum
Was soll man da sagen?
Ein anständiger Attentäter bringt sich selbst um, und trägt dabei Sorge dafür, daß niemand anderer verletzt wird. Er schreibt eventuell einen Brief um sein Anliegen mitzuteilen und verbrennt sich selbst, als Fanal an die Welt.
Leider reicht der Anstand der Attentäter dafür nicht aus. Es ist ja auch kein KZ-Mitarbeiter dafür bekannt, daß er sich in die Gaskammer begeben hat, weil er das Schlechte aus der Welt vertreiben wollte, kein linker Revolutionär hat sich als Ausbeuter selbst erkannt und vernichtet, bevor er Schaden angerichtet hat. Selbstverleugnung ist ein Merkmal der Radikalen.
Es ist überfällig, die Leistung der Ungenauen, Unbestimmten und Toleranten zu betonen und ihnen die Macht zu verschaffen, die ihnen zusteht.
Ein weiser Dummkopf sagte einmal:
„Man soll immer so miteinander reden, daß man sich am nächsten Tag noch in die Augen sehen kann.“
Man braucht dazu: Weise Rede, einen nächsten Tag und denselben Mensch, mit denselben Augen.
Radikal sein ist kindisch und pubertär. Wenn man handelt, als gäbe es kein Morgen, muß man damit rechnen, daß es für einen Selbst kein Morgen gibt.
Es ist riskant für die „Radikalen“, ohne einen Gedanken an das Morgen zu handeln.
Die Demokraten könnten soweit getrieben werden, es ihnen nicht zu gewähren!
Auch linken oder rechten Radikalen gibt ein totalitäres System keine Garantie, daß sie erwünscht sind. Sie könnten auch in Konzentrationslagern landen. Bislang hat jede Revolution ihre Kinder gefressen. Aber nicht nur diese, auch ihre Mütter und Väter hat sie gefressen.
Dagegen mögen nun die Bekenner Sturm laufen und einwenden, daß man für seine Überzeugungen auch das Leben einsetzen muß.
Bitte sehr. Aber nur das eigene! Wer andere opfert ist bloss ein Feigling, der nicht den Mut hat, allein zu sterben.
Ich bin auch sehr beunruhigt. Während wir uns an ganz vielen Problemen gedanklich abkämpfen habe ich die Befürchtung, dass im Untergrund – auch in unseren Institutionen – noch immer Kräfte existieren, die im Geheimen ein Netz aufbauen (aufgebaut haben?) , die auf ihre Chance warten. Die pöbelnden Neonazis mit ihren brachialen Getöse und ihrem unsympathischen Auftreten sind nur die Dumpfbacken einer Bewegung, die schon seit langem (vielleicht auch schon immer seit 1945) auch eine intellektuelle Seite hat. Die tritt kultiviert auf, schreibt feine Essays in publizistischen Organen, in denen sich auch harmlose Sozialdemokraten ahnungslos äußern. Das macht mir Angst.
Ok, die „alten Kriminalisten aus dem Osten“ und Konsorten sterben früher oder später aus, bei denen ist Hopfen und Malz verloren. Was aber soll man mit den jungen machen? Alle ächten, zu Parias erklären und wegsperren? Die, die noch draußen herumlaufen und vielleicht noch Argumenten zugänglich wären, den Hetzreden der rechten „Hassprediger“ überlassen?
Es bleibt doch nichts anderes übrig, als Ängste vor Deklassierung ernstzunehmen und Erziehungs- und Überzeugungsarbeit zu leisten, in der Schule, bei der Arbeit, in den Medien und meinetwegen auch in den sogenannten sozialen Netzwerken. Wenn die „Anständigen“ die Gefährdeten naserümpfend als „Mob“ abtun und fallen lassen, machen wir doch nichts besser!
Und mal ehrlich: Angesichts der sich vergrößernden Kluft zwischen Arm und Reich ist es doch kein Wunder, dass die Angst vor den vermeintlichen Konkurrenten an den Fleischtöpfen größer wird. Das beste Mittel gegen Futterneid ist Wohlstand und Zufriedenheit für möglichst viele. Das müssen die Politiker endlich kapieren!
@ 5 bVg…
daS geht mir schnurstracks unter die haut (sorry, dieser flaxige ton gehört eigentlich in ybersinn… aber da können wir uns ja nicht austoben).
@4 manfred petersmark:
„ich bin deutscher“… seltsam, dieses statement… naja, vielleicht war ’s ja nur „ironisch“…
ich für meine person finde es schlicht nehbenderkapp, mich als irgentetwas zu bezeichnen… mir geht es gegen die hutschnur, mich zu etwas zu bekennen, was vergänglich ist… etwa nationalitäten, ethnien, bündnisse… “
ich möchte dieses wirsindetwasbsondereswirgehören nurhierundnichtdazugetue“ aus meiner argumentation streichen…
und schwupps aus.
@ 1, Klaus Philipp Mertens
Wenn ich Sie richtig verstehe, verlangen Sie nichts Geringeres als die Gleichschaltung der Massenmedien in Ihrem Sinne, weil Sie sich fragen, „warum seriöse Zeitungen und Rundfunksender ihre Leser, Hörer und Zuschauer ständig mit solchen neonazistischen Exkrementen konfrontieren“.
Da gibt es offenbar nichts, was nötiger wäre als die schützende Hand Ihresgleichen über dem intellektuell Unbedarften, denn „der typische Facebook-Nutzer leidet unter Minderwertigkeitskomplexen, ist unterdurchschnittlich allgemeingebildet, übernimmt schnell Vorurteile aller Art und neigt in seiner gehäuft anzutreffenden permanenten Frustration zumindest zu verbaler Gewalt. Und er wird, wenn er nicht selbst zu ihrem inneren Kreis gehört, von Rechtsradikalen instrumentalisiert und lässt sich das auch gefallen“.
Es ist beruhigend zu wissen, daß es doch noch so aufrechte Demokraten wie Sie gibt, die eine genaue Vorstellung davon entwickeln, wie Andersdenkende zu denken haben.
Zum Zitat von Natalie Soondrum:
„Seit den Anschlägen auf die Asylantenunterkünfte im Osten der Bundesrepublik ….. “
Verehrte Frau Soondrum, es sind sicher auch Asylbewerber unter dieser Personengruppe dabei gewesen, nicht nur sog. „Asylanten“, sondern auch Emigranten, Auswanderer, Flüchtlinge, Vertriebene, usw., deren Asylverfahren positiv abgeschlossen wurde.
Obwohl ein strikter Gegner der sog. „Political Correctness“, dieser modernen Sprachkeule der „amtlich“ verordneten Sprachregelungen, mit der dann alle Kritiker schnell eins übergebraten bekommen, ist die Verwilderung der Sprache doch oft die Vorstufe zur Verwilderung der Sitten.
Zur Einleitung von Frau Soondrum, betr. den Film kann ich auch eine Episode zum Besten geben:
Ich habe den Film damals in Berlin gesehen. Bei der Szene, als ein Neonazi einen Lampenschirm aus Menschenhaut präsentiert – die KZ-Nummer gut erkennbar -, brandet aus einer Ecke Beifall auf. Ich merke, wie unbändige Wut in mir hochkommt, brülle, so laut ich kann, in den Raum: „Nazi-Schweine raus!“ Sofort absolute Stille.
Nach der Vorstellung beobachte ich 5 junge Leute, vermutlich Touristen aus Westdeutschland. Sie bemerken offenbar, warum ich sie fixiere. Keine Reaktion, dann plötzlich kehrt, und sie sind in der Menge verschwunden.
Ich erzähle das, weil es ein Schlaglicht auf die Charakterstruktur solcher Menschen wirft: Neonazis sind im Prinzip große Feiglinge, die der Masse Gleichgesinnter bedürfen und diese aufsuchen, um, aus der Anonymität heraus, in kollektiven Kraftaktionen die Feigheit vor sich selbst zu verdrängen und geliehene „Stärke“ zu erfahren.
Ein Verhalten, das auch bei Linksextremen zu beobachten ist. So zur Zeit der regelmäßigen Randale von „Autonomen“ in den 90er Jahren an jedem ersten Mai in Berlin. Ich nahm mir da einmal nach dem Unterricht eine sich als „konsequent links“ einstufende Schülerin vor, von der ich wusste, dass sie sich beim Überfall auf türkische Läden beteiligt hatte. Ihre Antwort auf meine Frage, warum sie so etwas tue: „Mir war so danach. Jetzt ist mir wohler.“
Von einem generellen Hass, etwa Fremdenhass, als dem entscheidenden Movens auszugehen, geht m.E. am Wesentlichen vorbei: Es ist weniger Hass als solcher, der solche Menschen etwa zu Brandanschlägen treibt, sondern das Zusammentreffen zweier Elemente:
1. Sie fühlen sich von jeder Art von „Fremdem“ in ihrer eigenen labilen psychischen Struktur bedroht. Gewalttäter fühlen sich grundsätzlich als „Opfer“ (Kriminologen werden das bestätigen). Ihre Aggression werten sie als „legitime Gegenwehr“.
2. Sie orten diese Fremden als „minderwertig“: ihnen selbst sowohl „moralisch“ als auch physisch unterlegen – damit die geeignete Zielgruppe, an denen sie ihre Aggressionen ungefährdet auslassen können und – unterschwelligen Bauchgefühlen folgend – auch müssen. Für ihre vermeintliche „moralische“ Überlegenheit bedürfen sie einer kollektiven Rechtfertigung, möglichst sichtbar, die von keine besondere Qualität und kein eigenes Zutun abverlangt: also Rasse, „Deutscher“, „Abendland“ usw. . Und ungefährdet können sie dies ausleben, solange sie keinen Gegendruck erfahren, der sie selbst und als einzelne anspricht und vor dem sie nicht davonlaufen können.
Schlussfolgerung:
Verhalten in der Masse unterscheidet sich grundsätzlich vom Verhalten einzelner zueinander.
Im oben genannten Beispiel kann ein Lehrer kraft seiner Autorität (sofern er diese nicht schon abgegeben hat) im Gespräch mit einzelnen, zu Gewalt neigenden Menschen ggf. Zugang erhalten. Schon im Klassenverband, der undifferenziert jegliche Form von Verweigerung gegenüber Autoritäten stützt, ist ihm dies verwehrt.
Will heißen: Besonders in der Selbsteinschätzung radikaler Gruppen spielt die Wahrnehmung als gesellschaftliche Gruppe durch andere eine bedeutende Rolle: Je mehr sie als relevant für die Gemeinschaft eingestuft werden, desto mehr fühlen sie sich bestätigt. Ziemlich unerheblich dabei, ob dies in Form ideologischer Unterstützung oder Ablehnung erfolgt: Eine Aufwertung für Radikale bedeutet es in beiden Fällen.
Danach ist auch – wohl gemeintes – permanentes, verallgemeinerndes und moralisierendes Warnen vor neonazistischen Bestrebungen überhaupt (leider auch in der FR des Öfteren zu finden) eher kontraproduktiv. Es wirkt für solche Gruppen emotional bestätigend im Sinne der Sucht, wahrgenommen zu werden – gleich wie.
Freilich gilt dies noch mehr für Verharmlosung derart, dass solche „Ängste“ ernst zu nehmen seien, um daraus zu folgern, sie müssten als Gruppe in den gesellschaftlichen Dialog aufgenommen werden. Wobei das bloße Gefühl, ausgeschlossen zu sein und nicht gehört zu werden, ausreicht und keiner rationalen Überprüfung mehr unterzogen wird. Die Pegida-„Diskussion“ hat genügend negative Beispiele derart geliefert.
Um es auf den Punkt zu bringen: Der von Klaus Philipp Mertens in #1 genannte Herr Gauland ist kein „Beobachter“ der rechtsradikalen Szene, sondern deren Unterstützer, indem er, Dialogbereitschaft heuchelnd, deren mediale Aufmerksamkeit auf seine parteipolitischen Mühlen lenkt.
Denn natürlich können sich gewaltbereite Rechtsradikale durch solche Aufmerksamkeit in ihrem Wahn bestätigt fühlen, „Speerspitze“ einer breiten Bewegung zu sein.
Und wer, nachdem er einem gegen Flüchtlinge brandschatzenden Mob schweigend zugesehen oder ihn zumindest geduldet hat, eine Angela Merkel als „Volksverräterin“ empfängt und dabei mit einer aufgeputschten Menge „Wir sind das Volk“ skandiert, der hat mit Dialog nicht das Geringste im Sinn.
Dialog ist nur mit einzelnen möglich, die ein Mindestmaß der dabei geltenden Regeln einzuhalten bereit sind.
Ich hätte nichts dagegen, wenn Bronski oder Frau Soondrum den eingangs zitierten selbsternanten „Arbeiter“-Vertreter, der wegen regierender „Neo-Nazi-Bonzen“ „noch nie zu Wort gekommen“ ist, persönlich auffordern würden, seine „Meinung“ hier im Blog zu vertreten – mit Argumenten und nach den Blogregeln, versteht sich. Ich fände eine solche Auseinandersetzung durchaus anregend.
Nur: Die Chancen, mit einem solchen Angebot auf Gegenliebe zu stoßen, dürften wohl gleich Null sein.
@ 8, maiillimi
In meinem Personalausweis steht unter Staatsangehörigkeit DEUTSCH. Ich finde dieses Statement weder seltsam noch ironisch.
Zum Zitat:
„Freilich gilt dies noch mehr für Verharmlosung derart, dass solche „Ängste“ ernst zu nehmen seien …..“
Herr Engelmann, das sehe ich etwas anders, auch wenn eine Mehrzahl von Menschen die Ängste einzelner Menschen, selbst Ängste einer Gruppe von Menschen als irrationale Ängste ansieht, können diese für die davon Betroffenen real sein, auch die Umgebung kann das nicht einfach übersehen. Klaustrophobiker z.B. fahren mit keinem Aufzug, die haben damit ein echtes Problem. Wie geht man mit diesen Menschen um?
Etwas anders sähe die Lage bei einer vorgetäuschten Klaustrophobie aus, das könnte ja auch manchmal recht praktisch sein, denkbar ist ja prinzipiell alles, sie ahnen, worauf ich hinaus will ….
@ Günter Rudolphi, #13
Danke für die Einwendung, was mir Gelegenheit gibt zur Präzisierung.
Der entscheidende Punkt ist die von mir in #11 vorgenommene Unterscheidung von Verhalten von Einzelnen und Verhalten in der Masse.
Zu Ihrem Vergleich mit Klaustrophobikern (auch wenn mir das nicht ganz passend erscheint):
Als Krankheit ist das ein reales Faktum, welches reales Verhalten bestimmt. Ist sich ein Klaustrophobiker dieses Sachverhalts bewusst, kann er sein Verhalten danach ausrichten und Aufzüge vermeiden. Ihn deshalb zu verspotten wäre unangemessen. Das entspricht dem von mir genannten Verhalten von Einzelnen und ist ernst zu nehmen.
Begibt sich dieser Klaustrophobiker aber dennoch in die „Masse“ – hier also den Aufzug – und schreit dann die anderen Anwesenden an, die mit seiner Situation nichts zu tun haben und nicht dafür verantwortlich sind, sie möchten gefälligst seine „Ängste“ ernst nehmen, so können diese zwar real sein, für seine Situation ist er aber ganz allein verantwortlich. Sein Verhalten – und zwar in den Aufzug zu steigen – ist unverantwortlich, und in diesem Sinne ist er auch nicht ernst zu nehmen.
Damit aber ist das Verhalten von „Pegida“-Teilnehmern zu vergleichen.
Mir gefällt das Wort „unverantwortlich“ in diesem Zusammenhang besser. Unverantwortlich ist das Verhalten von „Pegida“-Teilnehmern in der Masse m.E. in mehrfacher Hinsicht:
1. Sie artikulieren gerade nicht ihre eigenen Probleme, versuchen auch gar nicht, sich ihnen zu stellen, sondern suchen Sündenböcke für das, was so ganz diffus in ihnen wabert.
2. Sie geben in ihrer Aggressivität dem, der ihnen keineswegs feindlich gegenüber steht, gar keine Chance, ihre „Ängste“ zu verstehen (z.B. „Lügenpresse“).
3. Sie suchen gerade nicht, die wirklichen Verursacher auszumachen und diese mit ihrer Situation zu konfrontieren, sondern toben ihre eigenen Aggressionen an Schwächeren aus, die zudem mit ihrer Situation gar nichts zu tun haben – ein typisches Untertanenverhalten.
4. Sie maßen sich in ihrem verschwurbelten Selbstverständnis und Weltbild („Abendland“) an, „das Volk“ an sich zu repräsentieren – einschließlich der großen Mehrheit, die ausdrücklich ihr Verhalten nicht billigt („Wir sind das Volk!“).
5. Sie erweisen sich in dieser Weise auch in in hohem Maße als elitär und intolerant (typisches AfD-Sprech: Repräsentanten des „gesunden Menschenverstands“).
Fazit:
„Ängste“ – ob nur behauptet oder real – werden vorgeschoben, um vom eigentlichen Problem abzulenken: die Unfähigkeit, mit demokratischen Formen der Auseinandersetzung (deren Offenheit und damit auch Unsicherheit) zurechtzukommen, Sehnsucht nach einem Obrigkeitsstaat, unter dessen „Schutz“ sie flüchten wollen.
Dies erklärt auch, warum sich die Aggression in erster Linie auf Fremde und Flüchtlinge konzentriert: Es ist typisch für jeden Obrigkeitsstaat, Aggressionen zu schüren und sie auf Schwächere, Außenseiter, Fremde zu lenken, um zu verhindern, dass die eigenen Widersprüche zum Bewusstsein kommen.
Was sich hinter der Forderung nach „Ernstnehmen von Ängsten“ verbirgt, ist nichts anderes als der Versuch, den öffentlichen Diskurs in Richtung auf Akzeptanz undemokratischer – und unmenschlicher – Verhaltensweisen zu drängen und in reaktionäre Bahnen (im wörtlichen Sinn) zu lenken.
Was natürlich nicht heißt, dass der Dialog mit solchen Menschen als Einzelnen verweigert werden soll – im Gegenteil.
In diesem Sinne ist auch mein Vorschlag am Ende von #11 zu verstehen: als Versuch, die Bereitschaft zu einem wirklichen Dialog zu testen. Der aber muss offen sein und frei vom Versuch, dem Dialogpartner von vornherein den ganzen reaktionären Wust überzustülpen.
Die Bedingungen hierfür müssten freilich in gesonderten Beiträgen untersucht werden.
Lieber Herr Engelmann,
Ihr letzter Kommentar, der sich ja mit Neonazis und Pegida-Anhängern beschäftigt, findet meine Zustimmung, nur haben Sie darin auch ernsthaftere Bedenken, die man aber auch „Ängste“ nennen könnte, nicht berücksichtigt.
Bei „Menschen bei Maischberger“, mit dem Titel „Nationale Egotrips statt Flüchtlingshilfe: Zerbricht die EU?“ am Dienstag, den 08.09.15, waren auch der Brüsseler ARD-Studioleiter Rolf-Dieter Krause und der Schweizer Herausgeber der „Die Weltwoche“, Roger Köppel als Gäste dabei.
Da ging es doch auch um ernsthafte Befürchtungen zur EU, die sind doch nicht so einfach abzutun.
Außerdem sind Befürchtungen um die Bewahrung einer kulturellen Identität in den Ländern Europas ebenfalls nicht einfach von der Hand zu weisen.
Vor allem war auch der inflationäre und überwiegend auch daneben liegende Gebrauch des „Rassismus“-Vorwurfs auffällig, besonders Claudia Roth tat sich da hervor, leider war auch Michel Friedmann, hier außerhalb seiner sonstigen analytischen Kapazitäten, mit dabei, den Begriff des „Rassismus“ zu mißbrauchen, denn das ist die Einteilung der Menschen in „Rassen“, und ihnen pauschalierend dann daraus Eigenschaften zuzuordnen. Dazu bitte auch den WP-Artikel lesen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Rassismus
Aber darunter auch allgemeine „Diskriminierungen“ zu subsumieren, wie es viele ja inzwischen so inflationär tun, das zeugt ja nicht von gedanklicher und damit analytischer Schärfe.
Auch überwiegend als „positiv“ empfundene Zuordnungen zu menschlichen „Rassen“ wären ja eigentlich „Rassismus“.
Jedenfalls sind Asylbewerber und Einwanderer aus anderen Kulturkreisen, wie auch aus dem Nahen und Mittleren Osten, mit dann eigenen Gebräuchen und Gepflogenheiten, die auch zu einem großen Teil aus deren eigener Religionsausübung – dem Islam also – stammen, eine andere Angelegenheit als die vertriebenen und geflüchteten Deutschen aus den ehemaligen Ostgebieten des früheren Deutschen Reichs.
Wer außerdem über das Schüren von Ängsten und damit gemachter Politik hier in der BRD nachdenkt, der könnte sich ja auch an die ehemalige Anti-Atomkraft-Partei hier in der BRD erinnern, die doch auch mit Ängsten arbeitete, die seriösen mathematische Statistiken aber über belegbare Schäden dabei vernachlässigt hatte.
Der Straßenverkehr und die privaten Haushalte, oder andere Arbeitsstätten, die ganz normalen Unfälle also dort, und viele andere Sektoren und deren Opfer gaben wohl zu wenig dauernd („nachhaltig“) dafür her, um so gezielt Angst zu machen ……
@ Günter Rudolphi, #15
Hallo, Herr Rudolphi
Nachdem es auch hier wieder weiterzugehen scheint, nun auch eine Antwort auf Ihren Beitrag, die ich zunächst zurückgestellt habe. Komplexe Zusammenhänge – Sie kennen das – sind eben nicht auf die Schnelle mit ein paar Schlagworten abzuhandeln.
Zu den angesprochenen Problemen im Einzelnen:
1. Ihr Vergleich des aktuellen „Schüren von Ängsten“ mit der Anti-Atomkraft-Bewegung:
Der Vergleich hinkt:Wenn Sie an die „Atomkraft-nein-Danke“-Kampagne denken: Diese brachte gegenüber realen Interessen von Stromkonzernen mögliche, aber auch durch Wahrscheinlichkeitsrechungen nicht auszuschließende Katastrophenszenarien mit Auswirkungen auf Millionen von Menschen ins Spiel, die interessenbedingt systematisch aus dem Denken ausgeklammert waren.
Mit „Schüren von Ängsten“ wie jetzt gegenüber Flüchtlingen hat dies nichts zu tun: Dieses wendet sich umgekehrt, unter Verteidigung eng bestimmter nationaler Interessen, gegen Menschen selbst, und zwar gerade gegen die Hilfsbedürftigsten.
2. „Befürchtungen zur EU“ nach dem Herausgeber der „ Weltwoche“, Roger Köppel bei Maischberger:
Über den Zyniker Köppel möchte ich eigentlich nicht viele Worte verlieren. Zu seriöser Diskussion trägt die Pose des angeblich über den Dingen Stehenden, der Befriedigung dabei empfindet, anderen, weit mächtigeren Staaten die Leviten zu lesen, um über den kleinstaatentypischen Komplex eigener Bedeutungslosigkeit hinwegzutäuschen, nicht gerade bei.
(Nebenbei: Ich habe nicht nur in 20 Jahren Luxemburg – neben viel Positivem – auch Beispiele kleinstaatentypischer Befindlichkeiten kennengelernt, sondern hatte auch einen Schweizer Freund, von dem die oben genannte Einschätzung durchaus stammen könnte.)
Zur Methode Köppel nur soviel: Beeindrucken kann solche Großspurigkeit nur solange, als man sich keine Gedanken darüber macht, was sie verschweigt: nämlich die drängende Frage, wie denn mit Hunderttausenden von Menschenschicksalen konkret umzugehen ist. Oder anders ausgedrückt: Dass diese in einem solchen Gedankengebäude lediglich als Zahlen im Kontext weltpolitischer Machtphantasien vorkommen.
3. Michel Friedmann und der „Rassismus“vorwurf:
Zu Michel Friedmann – dessen intellektuelle Qualitäten wohl außer Frage stehen – sollte auch Folgendes beachtet werden: Er ist nicht nur Jude, sondern auch Herkömmling von Staatenlosen und Flüchtling. Also jemand, der die Zusammenhänge, insbesondere, was damit an Erniedrigung und Demütigung verbunden ist, aus eigener Erfahrung bestens kennt.
Einem solchen Menschen sollte man auch eine emotional bestimmte Stellungnahme, die sich in der Chiffre „Rassismus“ widerspiegelt, gegenüber gegenüber einem Victor Orban, der schlimmste Erinnerungen befördert, wohl zubilligen. (Zur Einschätzung Victor Orban später.) Dies umso mehr, als Talkshows nicht der Ort sind, an dem dissertationsreife Analysen und die Lösung weltpolitischer Problemlagen zu erwarten wären.
4. „Rassismus“begriff.
Selbstverständlich stimme ich Ihnen völlig zu, dass der vage und unreflektierte Gebrauch dieses Begriffs, in Form der Übertragung auf jegliche Form von „Diskriminierung“, „gedanklicher und damit analytischer Schärfe“ entbehrt.
Er ist, wie oben genannt, nichts als eine im emotionalen Zusammenhang gebrauchte Chiffre, die umso inhaltsleerer wird, je inflationärer ihr Gebrauch ist.
Ihm ergeht es dabei nicht anders als der „romantischen Chiffre“, die, ursprünglich auf rational kaum fassbare Zusammenhänge wie „Naturerfahrung“ bezogen, durch inflationären Gebrauch einem späten Heine – zurecht – zum Gespött diente. Und die sich in der „Gartenlaubenidylle“ Mitte des 19. Jahrhunderts als Nährboden für reaktionäres Gedankengut aller Art erwies.
Das Dilemma: Es gibt keinen Begriff, der verallgemeinernd und annähernd zutreffend Verhaltensweisen wie etwa die eines Victor Orban umschreibt und – hierin liegt die Versuchung – ähnlich emotional belegt ist. Man sollte daher auch hier Nachsicht walten lassen und nicht jedem, der ihn gebraucht, Unfähigkeit zur Analyse unterstellen.
5. Victor Orban und Co.
Eigentlich sollte man diesem mehr als unympathischen Kerl dankbar sein. Denn er bringt in seinem ungezügelten Chauvinismus zum Ausdruck, was Menschen gleicher Denkungsart unter Geschwurbel zu verschleiern suchen.
Zum „Geschwurbel“:
Dazu gehört m.E. auch das ständige Gerede von „Ängsten“, die ernst zu nehmen sein. Ich kenne niemanden außerhalb des rechtsradikalen Dunstkreises, der dies nicht täte. Und die überwältigenden Hilfen gegenüber Flüchtlingen zeigen, wie ernst diese – zum Glück – genommen werden: zuvördert die Ängste von denen, die mit Abstand die berechtigsten sind und die diese nicht wie eine Monstranz ständig vor sich hertragen.
Keinem der freiwilligen Helfer und auch keinem ernst zu nehmenden Kommunalpolitiker, welche der Verhinderung einer humanen Katastophe absolute Priorität einräumen, kann unterstellt werden, Probleme und damit verbundene „Ängste“ zu verkennen, die auf uns zukommen, etwa bei einem möglichen – nicht unbedingt notwendigen – Verdrängungswettbewerb auf dem Wohnungsmarkt. Wenn politisches Handeln gefragt ist, ist noch lange nicht erwiesen, dass bevorstehende Probleme unlösbar seien.
In der gegenwärtigen Debatte geht es nicht um die „Ängste“ als solche und deren Berechtigung, sondern um den Kontext, in dem diese gebetsmühlenhaft aufgegriffen werden – bis hinein in CSU-Kreise (etwa zur Verschleierung der Untätigkeit bzw. Unfähigkeit des für Integrationsfragen zuständigen eigenen CSU-Ministers?).
Dieser Kontext ist sehr eindeutig. Er erweist sich dadurch, dass (Methode Köppel) ein vermeintlicher Widerspruch aufgebaut wird zwischen „humanem“ und „weitsichtigem“ Handeln. Dass die Forderung, „Ängste ernst zu nehmen“, immer im Zusammenhang erscheint mit Forderungen nach „Eindämmung“ von Flüchtlings“wellen“ (und dergleichen Naturmetaphern mehr) oder „Missbrauch“ von Asylrecht usw. Konkret also: nach massiver Einschränkung grundlegender demokratischer Rechte, allen voran des Asylrechts. – Wenn das kein rechtsradikales Gedankengut ist!
Zu Orban und Co.:
Wenn ich von „Dank“ an Orban gesprochen habe, dann ist das natürlich ein zynischer Hinweis auf eine noch viel zynischere Politik.
Dabei geht es nicht nur um die Verweigerung des Asyls, vor allem für moslemische Asylbewerber, Mauer und Stacheldraht gegen Ankommende, dem Verständnis von EU-Solidarität als Einbahnstraße. Alles Maßnahmen, die deutlich machen, wie solches „Verständnis“ für „Ängste“ konkret aussieht. Es geht auch darum, dass deutlich wird, dass gerade die, welche sich als „Warner“ und Propheten verstehen, sich weigern, die Logik solchen Poltikverständnisses weiter zu denken.
Der bei „Hart aber fair“ gestern anwesende Professor (ich habe seinen Namen vergessen) hat es auf den Punkt gebracht: Selbstverständlich liegt es in dieser Logik, dass auf Stacheldraht und Mauer auch Blendraketen und Schießbefehl folgen müssen – und ich ergänze: auch Selbstschussanlagen und Todesstreifen.
Der Begriff des „Populismus“ ist zur Bezeichnung für eine solch zynische Politik erkennbar unzureichend. Denn dieser hat – so Wikipedia – „kein bestimmtes, eigenes Wertesystem, das seinen ideologischen Kern ausmacht“.
Ein Orban aber lässt sehr wohl einen „ideologischen Kern“ erkennen:
Auch in der Begründung: so dem Hinweis, keine EU-Berater für Asylfragen im „souveränen“ (?) Ungarn zuzulassen, dem „Recht“ der ungarischen Bevölkerung, sich jeglicher Veränderung zu widersetzen und – natürlich – dem „1000jährigen christlichen Ungarn“.
Germanenmythos lässt grüßen, der schon einmal ein 1000jähriges Reich begründen sollte, das jeglichem äußeren Einfluß, jeglicher Veränderung seiner „völkischen“ Wurzeln enthoben sein wollte.
Nicht anders eine Marine LePen, die sich mit Vorliebe als Vaterlandsretterin in der Statur einer Jeanne d’Arc sieht. Den Mythos der „Patriotin“ (bzw. „Patrioten“), der allein dem zukommt, der sich zu ihrer „Bewegung“ bekennt, hat sie ihr ja schon entrissen. Nur das steinerne Pferd, auf dem diese in jeder französischen Kleinstadt daherreitet, scheint ihr noch zu kalt zu sein.
Die zutreffendste Bezeichung für Weltbeglücker dieser Couleur scheint mir die des Demagogen zu sein.
Dazu Wikipedia:
„Demagogie betreibt, wer bei günstiger Gelegenheit öffentlich für ein politisches Ziel wirbt, indem er der Masse schmeichelt, an ihre Gefühle, Instinkte und Vorurteile appelliert, ferner sich der Hetze und Lüge schuldig macht…“
Verehrter Herr Engelmann, wo wir keinen Dissens haben, brauchen wir auch nicht zu diskutieren, das wenige andere aber jetzt auch mal gründlich, darum ist dieser Kommentar als meine Antwort auch ziemlich lange geworden, sorry ……
Ihr Zitate setze ich immer in Anführungszeichen, Hr. Engelmann:
„1. Ihr Vergleich des aktuellen „Schüren von Ängsten“ mit der Anti-Atomkraft-Bewegung:
Der Vergleich hinkt:Wenn Sie an die „Atomkraft-nein-Danke“-Kampagne denken: Diese brachte gegenüber realen Interessen von Stromkonzernen mögliche, aber auch durch Wahrscheinlichkeitsrechungen nicht auszuschließende Katastrophenszenarien mit Auswirkungen auf Millionen von Menschen ins Spiel, die interessenbedingt systematisch aus dem Denken ausgeklammert waren.“
Da liegt schon gleich ein ganz zentraler Denkfehler vor, der schon fast alles ausdrückt/erklärt:
Durch (mathematisch-statistische) „Wahrscheinlichkeitsrechnungen“ ist doch per se niemals etwas auszuschließen, auch nicht „Katastrophenszenarien mit Auswirkungen auf Millionen von Menschen“! Das war doch allen, die auch nur etwas davon verstehen, oder sich dafür interessierten, immer klar gewesen, denn die damaligen Birkhofer-Studien zu den Risiken einer Kernschmelze als GAU hatten das doch letztendlich so ausgedrückt gehabt, vulgo ein Restrisiko blieb immer!
Dieses wurde deswegen auch nicht „interessenbedingt systematisch aus dem Denken ausgeklammert“ bei der ganzen Fachwelt, also auch außerhalb von „realen Interessen von Stromkonzernen“, sondern das machten auch diese Verschweiger und Ignoranten dieser Tatsache des immer allgemein bekannten Restrisikos, und gerade hat sich das ja wieder einmal deutlich gezeigt, mit Verlaub.
Außerdem ging es nicht nur um die „realen Interessen von Stromkonzernen“, sondern um die Versorgung eines ganzen Landes mit elektrischer Energie, also Strom, das war ein parteiübergreifender Konsens gewesen, die interessierte Bevölkerung war ja ebenfalls informiert darüber und auch nach dem damaligen Stand von Wissenschaft und Technik war das ein vielversprechender Weg gewesen, die erste Ölpreis-Krise 1973 hat das auch noch verstärkt (siehe auch https://de.wikipedia.org/wiki/%C3%96lpreiskrise). Damals waren das also „nationale Interessen“ gewesen, sich vom importierten Öl unabhängiger zu machen, außerdem mit weniger Emissionen als bei der überwiegenden Kohleverstromung zu der Zeit, bei der ja ebenfalls Radioaktivität freigesetzt wird. Man hat einige Dinge dabei zu optimistisch damals gesehen, sicherlich, also auch Fehler gemacht, aber das ist eben bei einer neuen Technik absolut nichts Ungewöhnliches, auch die Endlagerung von radioaktiven Abfällen war nicht geklärt. Aber auch außerhalb der Kern-Kraftwerke gab es ja radioaktive Abfälle aus der Nuklear-Medizin und der Werkstoffkunde zum Beispiel, beides aber sind ja unstrittige Anwendungen geblieben. Die natürliche Strahlenbelastung, auch bei Flügen, oder im Hochgebirge, kommt doch auch noch hinzu. Die „Anti-Atomkraft-Bewegung“ jedoch wiederholte etwas, was sie selber „interessenbedingt systematisch aus dem Denken ausgeklammert“ hatte, stellte damit eigene Pappkameraden auf, „in dem diese gebetsmühlenhaft aufgegriffen werden“.
Herr Engelmann, in Anführungszeichen verwende ich Ihre eigenen Worte / Zitate!
„Dieser Kontext ist sehr eindeutig. Er erweist sich dadurch, dass“ (Methode nun der Anti-Atomkraft-Bewegung ) „ein vermeintlicher Widerspruch aufgebaut wird“.
Das nächste Zitat fällt Ihnen damit doch jetzt ziemlich auf die eigenen Füße:
„Mit „Schüren von Ängsten“ wie jetzt gegenüber Flüchtlingen hat dies nichts zu tun: Dieses wendet sich umgekehrt, unter Verteidigung eng bestimmter nationaler Interessen, gegen Menschen selbst, und zwar gerade gegen die Hilfsbedürftigsten.“
Von meiner Seite aus nun nicht mehr zu diesem Thema, gerne aber in einem eigenen Thread weiter, auch der Kommentator hans, der sich ja ebenfalls mit der Energie ( bzw. mit der Photovoltaik) beschäftigte, hatte das schon einmal angeregt gehabt an anderer Stelle.
Jetzt aber auch noch die „christlichen Werte“ angesprochen, auf die sich ja viele gerne beziehen, auch Viktor Mihály Orbán.
Dazu habe ich mal zwei Verfassungen als Grundlagen herausgesucht, und zwar die ungarische und die griechische mit deren Bezügen dazu.
Zuerst:
Neue Verfassung für Ungarn – deutsche Übersetzung
(PDF download)
Quelle: http://www.pesterlloyd.net/2012_01/01verfassung/01verfassung.html
Das PDF mit dem ungarischen GG ist sehr interessant mit seiner langen Einleitung, in der auch das Christliche so betont wird, in vielen Teilen also ganz anders ist als unser eigenes GG.
Zitat:
———————————
Grundgesetz Ungarns
(25. April 2011)
Gott, segne die Ungarn!
NATIONALES BEKENNTNIS
[…]
GRUNDLEGENDES
Artikel A
Der Name unseres VATERLANDES ist Ungarn.
[…]
Artikel XIV
(1) Ungarische Staatsangehörige können des ungarischen Staatsgebiets nicht verwiesen
werden und können jederzeit aus dem Ausland heimkehren. Ausländer, die sich auf dem
ungarischen Staatsgebiet aufhalten, können nur aufgrund eines gesetzlichen Beschlusses
ausgewiesen werden. Kollektivausweisungen sind verboten.
(2) Niemand darf in einen Staat ausgewiesen oder an einen Staat ausgeliefert werden, in dem
für sie oder ihn die Gefahr der Todesstrafe, der Folter oder einer anderen unmenschlichen
Behandlung oder Strafe besteht.
(3) Ungarn gewährt nicht-ungarischen Staatsangehörigen, die in ihrer Heimat oder im Land
ihres gewöhnlichen Aufenthaltsortes wegen ihrer Rassenzugehörigkeit, nationalen
Zugehörigkeit, wegen ihrer Zugehörigkeit zu bestimmten sozialen oder gesellschaftlichen
Gruppen, wegen ihrer religiösen oder politischen Überzeugung verfolgt werden oder wenn
ihre Furcht vor Verfolgung begründet ist, auf Antrag und dann, wenn weder ihr
Herkunftsland, noch andere Länder ihnen Schutz gewähren, Asylrecht.
—————————————–
Daran kann man selbstverständlich Kritik üben, wie auch an der griechischen Verfassung mit deren eigener theokratischen (christlichen) Staatskirche, aber andere Länder, andere Verfassungen, ich wünsche mir ja generell nur laizistische Verfassungen.
Jetzt aber auch mal die griechische Verfassung zum Vergleich, der Artikel 3 ist ja auch sehr interessant mit dem Verbot des Proselytismus.
Quelle: http://www.verfassungen.eu/griech/verf75.htm
Zitat:
———————————————-
Die Verfassung der Griechischen Republik
vom 9. Juni 1975
Im Namen der Heiligen, Wesensgleichen und Unteilbaren Dreifaltigkeit
[…]
II. Abschnitt – Beziehungen zwischen Kirche und Staat
Artikel 3.
(1) Vorherrschende Religion in Griechenland ist die der Östlich-Orthodoxen Kirche Christi. Indem sie als Haupt unseren Herrn Jesus Christus anerkennt, bleibt die Orthodoxe Kirche Griechenlands in ihrem Dogma mit der Großen Kirche in Konstantinopel und jeder anderen Kirche Christi des gleichen Bekenntnisses unzertrennlich verbunden und bewahrt wie jede unerschütterlich die heiligen apostolischen und die von den Konzilen aufgestellten Kanons sowie die heiligen Überlieferungen. Sie ist autokrephal und wird geleitet von der Heiligen Synode der sich im Amte befindlichen Prälaten und der aus deren Mitte hervorgehenden Dauernden Heiligen Synode, die sich nach den Bestimmungen der Grundordnung der Kirche zusammensetzt unter Beachtung der Vorschriften des Patriarchalischen Tomus vom 29. Juni 1850 und des Synodalaktes vom 4. September 1928.
[…]
Artikel 5.[…]
(2) Alle, die sich innerhalb der Grenzen des griechischen Staates aufhalten, genießen ohne Unterschied der Nationalität, der Rasse oder Sprache und religiösen oder politischen Anschauungen den unbedingten Schutz ihres Lebens, ihrer Ehre und ihrer Freiheit. Ausnahmen sind in den vom Völkerrecht vorgesehenen Fällen zulässig.
Die Auslieferung von Ausländern, die wegen ihres Kampfes für die Freiheit verfolgt werden, ist verboten.
[…]
Artikel 13.[…]
(2) Jede bekannten Religion ist frei; ihr Kultus kann ungehindert unter dem Schutze der Gesetze ausgeübt werden. Die Ausübung des Kultus darf die öffentliche Ordnung und die guten Sitten nicht verletzen. Proselytismus ist verboten.
(Proselytismus = Übertritt in eine andere Religionsgemeinschaft)
—————————————————-
Viktor Mihály Orbán ist der gewählte Ministerpräsident in Ungarn, ebenso war Alexis Tsipras der gewählte Ministerpräsident in Griechenland, beide haben sich an ihre Verfassungen zu halten, so wie Angela Merkel an unsere mit dem Art. 16a GG.
Sie dürfen natürlich Orbán einen „mehr als unympathischen Kerl“ nennen (sachliche Gründe dafür gibt es ja), vielleicht dann Tsipras einen „mehr als sympathischen Kerl“ (aber aus welchen sachlichen Gründen?), aber für mich sind solche Kategorien wie „sympathisch“ oder „unsympathisch“ auf Politiker m/w, aber auch auf Publizisten m/w, wie sie doch in der Maischberger-Runde waren, nicht sinnvoll und angemessen anwendbar, denn da geht es mir um ganz andere Eigenschaften und Qualitäten, auch bei Orbán oder Tsipras, Friedmann, Roth, oder Köppel usw.
Sie haben sich da m.E. einfach etwas vergaloppiert, verehrter Herr Engelmann, und das auch noch auf ganz dünnem Eis, mit Verlaub.
Ad hominem Debatten sind ja ein ganz gefährliches Terrain, also bitte solche auch nicht ansatzweise führen, wenn man selber Demagogie anprangert, wie in Ihrem letzten Absatz.
Was „Zynismus“ und den Schweizer Köppel anlangt, auch hier mal „75 Aphorismen und 2 Gedichte über Zynismus“ lesen.
Quelle: http://www.aphorismen.de/suche?f_thema=Zynismus
Da ist der Köppel doch in bester Gesellschaft, denn immer macht die Dosis noch das Gift.
Die Schweiz als Eidgenossenschaft ist doch eine alte und gefestigte Demokratie (siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_der_Schweiz), viel direkter außerdem als unsere, mehrsprachig, auch multikulturell, neutral und doch wehrhaft, mit vielen Waffen außerdem auch noch zuhause im Schrank, aber ohne Schießereien, Gesslerhüte mochte man dort jedoch nicht, auch die Kavallerie aus dem Norden verständlicherweise nicht so gerne.
Nicht nur Banken sind dort Tradition (was auch Frauenrechtler m/w von hier schätzten), auch das Rote Kreuz und die Genfer Konventionen und der Völkerbund gehören zur Schweiz, den Blatter Sepp aber jagen jetzt die geschmähten Amis dem Vernehmen nach, Putin dagegen hofierte ihn, ob das jetzt auch noch ein Akt christlicher Nächstenliebe ist?
Wem das nun alles doch zu gründlich war, der kann sich ja vielleicht mit Friedrich v. Schiller trösten:
„Tell:
Es kann der Frömmste nicht im Frieden bleiben,
Wenn es dem bösen Nachbar nicht gefällt.“
(Dritte Szene / Die hohle Gasse bei Küssnacht.)
Der Verfasser dieses Satzes dagegen war nicht genau zu ermitteln mit einer nachprüfbaren Quellenangabe, Herr Engelmann:
„Wer seine Waffen zu Pflugscharen schmiedet, der wird für jene pflügen, die das nicht getan haben.“
Darum mein Friedensangebot an Sie:
https://de.wikipedia.org/wiki/Schwerter_zu_Pflugscharen
@ Günter Rudolphi, #17
Hallo, Herr Rudolphi,
ich schätz es durchaus, wenn man – so man es sich zeitlich erlauben kann – Unklarheiten und Schwächen der Diskussion nachgeht und auch gründliche Recherchen nicht scheut. Anreize, mich darauf einzulassen, gibt es für mich genug, insbesondere, was die Begriffsbestimmung von „Zynismus“ angeht – was aber wohl zu einer ziemlich akademischen Diskussion führen müsste. Wobei ich „akademisch“ nicht pejorativ verstehte und auch auf mich selbst beziehe. Hat ja auch was mit intellektuellem Spaß zu tun. Das Thema berührt meine ehemals recht intensive Beschäftigung mit „Satire“. Dazu hatte ich bereits eine Dissertation begonnen, als eine realistische Einschätzung der Arbeitsmarktsituation mich zwang, davon Abstand zu nehmen: die abzusehende und sich dann rasant ausweitende Lehrerarbeitslosigkeit, was hieß, noch schnell durchs Schultor zu schlüpfen, bevor sich das für viele Jahre verschloss.
Auch da stellte sich die Frage der Prioritäten. Wie auch jetzt, wenn auch weit weniger dramatisch. Will heißen: Beschäftigung mit der Thematik „Festung Europa“ – und vor allem meinem eigenen Projekt – hat da absoluten Vorrang.
Sorry: So wird wohl der Nachweis des Verdachts noch etwas auf sich warten lassen, dass so einiges aus der Sammlung an Aphorismen, was auf den ersten Blick schön klingen mag, einer sachlichen linguistischen Überprüfung nicht standhält – die von Oscar Wilde inklusive.
@17 Günter Rudolphi
Proselytismus = Übertritt in eine andere Religionsgemeinschaft ?????????
Hallo Herr Engelmann,
den Spaß an intellektuellen „Fingerübungen“ teile ich, da ist es auch nicht leicht dabei, die Prioritäten immer richtig zu setzen.
Herr Flessner,
Ihr Einwand zum „Proselytismus“ ist absolut berechtigt, ich hatte das auch nur so direkt und ungeprüft aus dem PDF entnommen, aber in Klammern gesetzt, im PDF steht es ohne Klammern, aber das PDF ist auch „nur“ eine Übersetzung aus dem Griechischen.
(Auch als Anmerkung zum Koran gedacht, den die Fundamentalisten auch nur in der arabischen Version gelten lassen, meiner ist aber die 8. Auflage Istanbul 2011, aus dem Arabischen von Max Henning,Überarbeitung und Einleitung von Murad Wilfried Hofmann, ganz genau nun auch geklärt.)
Ansonsten muß ich jetzt auch mal wieder Prioritäten setzen, und das heißt, andere „Fingerübungen“ an anderen Orten nicht zu vernachlässigen.
Alles zurück, so wäre es richtig:
Ihr Einwand zum „Proselytismus“ ist absolut berechtigt, ich hatte das auch nur so direkt und ungeprüft aus der Quelle entnommen, aber in Klammern gesetzt, in der Quelle steht es ohne Klammern, aber das ist auch „nur“ eine Übersetzung aus dem Griechischen.