Lassen sich die Bahn-Kunden immer weniger gefallen, oder hat die Verspätungsanfälligkeit der Deutschen Bahn zugenommen? Für das Jahr 2013 musste die Bahn insgesamt mehr als 40 Millionen Euro als Schadenersatz an rund eine Million ihrer Kundinnen und Kunden erstatten. Eine Rekordsumme! Dieses Geld wäre doch sicher besser in die Erneuerung der Infrastruktur investiert, um die Zahl der Verspätungen zu reduzieren. FR-Leser Peter Boettel aus Göppingen wäscht der Bahn den Kopf in seinem Gastbeitrag
Geschlossene Schalter, defekte Anzeigetafeln
von Peter Boettel
Im Beitrag wird berichtet, dass die Deutsche Bahn im vergangenen Jahr insgesamt 40 Millionen EURO wegen verspäteter oder ausgefallener Züge an Kunden gezahlt hat. Wenn man sich diesen Geldbetrag verinnerlicht, stellt sich die berechtigte Frage, wie die Bahn mit diesem Geld die Verspätungen und Ausfälle hätte vermeiden können.
Denn der Bericht im SWR vom 25.6. zeigt sehr aufschlussreich, wie die Bahn seit Jahren zwar regelmäßig und insbesondere sehr pünktlich die Fahrpreise erhöht, ihre Leistungen aber immer mehr vernachlässigt hat. Zwar gibt die Bahn Milliarden Euro für den Erwerb ausländischer Verkehrsunternehmen aus, die sich, wie in Malta, als großer Flop erweisen und dabei zusätzliche vermeidbare Verluste in Millionenhöhe einfahren; ferner lässt sie Milliarden für das unsinnige Projekt Stuttgart 21 verbuddeln, im Gegensatz dazu wird das Streckennetz immer weiter ausgedünnt, eine detaillierte Übersicht verdeutlicht, wieviele Abfahrten pro Woche seit dem Jahre 1999 in einer großen Anzahl von Städten entfallen sind und wieviele deutsche Städte, darunter Universitätsstädte wie Trier und Konstanz, vom Fernverkehr abgehängt wurden.
Die Bahn hat zwar gegenüber dem SWR-Bericht eine Erwiderung bezüglich der Behebung von Schäden an Schienen im Bereich Karlsruhe veröffentlichen lassen, sich jedoch zu den zahlreichen Verschlechterungen und Leistungsminderungen nicht geäußert, weil es sich um unwiderlegbare Tatsachen handelt. Denn verlassene Bahnhofsgebäude, verschlossene Toiletten, verschmutzte Abteile, geschlossene Serviceschalter, defekte Automaten, defekte Anzeigetafeln, entfallene Zugrestaurants und Bistros, überfüllte Züge, der Ausfall von Zügen durch Schäden, überhitzte Züge im Sommer, eiskalte Züge im Winter, defekte Stellwerke, Entfernung von Ausweichschienen für schnellerfahrende bzw. entgegenkommende Züge und vieles andere mehr lassen sich nicht wegdementieren. Ein Bahnmitarbeiter gestand in einem Gespräch, er fahre nicht mit der Bahn, weil er nicht lebensmüde sei. Diese Aussage sollte zu bedenken geben! Ich selbst habe hinreichend Probleme erlebt, die genügend Stoff für ein Buch bieten würden.
In früheren Jahren, als das Streckennetz wesentlich dichter war, und auf den gleichen Strecken wesentlich mehr Züge fuhren, als die Bedienungs- und Steuerungstechnik ohne Computertechnologie funktionieren musste, und als die Kommunikationsmöglichkeiten sich auf wenige Medien beschränkten, gab es weitaus weniger Verspätungen, und die Fahrzeiten haben sich trotz schnellerer Züge, wie am Beispiel Stuttgart-München oder Stuttgart-Nürnberg bewiesen, verlängert. Insoweit hinkt die Aussage von Bahnchef Grube gegenüber dem Argument, wonach die Schweizer Bahn pünktlicher fährt, die Deutsche Bahn habe doch ein größeres Streckennetz.
Die Höhe der an Bahnkunden gezahlten Entschädigungen müsste doch die Politiker im Aufsichtsrat der DB AG sowie im Verkehrsausschuss des Bundestages auf den Plan rufen, damit der Bahnvorstand sich nicht allein auf kostenverschlingende Prestigeobjekte konzentriert, sondern ihrer Aufgabe als Verkehrsunternehmen im Bereich der Daseinsvorsorge endlich gerecht wird! Der Theologe Prof. Dr. Rohrhirsch hat die Situation mit folgenden Worten am 25. März 2013 treffend auf den Punkt gebracht: „Dieser Tiefbahnhof (in Stuttgart) ist die degenerierte Ausgeburt einer Kreuzung von technischem Größenwahn mit nicht vorhandener Kompetenz, gepaart mit einer neoliberalen Liaison aus städtebaulich-spekulativer Profitmaximierung mit polit-ökonomischem Filz auf Kosten einer funktionierenden Eisenbahn.“
Aber Verkehrminister Dobrindt kümmert sich lieber um sein untaugliches Lieblingskind Pkw-Maut und lässt die Monster-Lkws eher munter weiterhin die Straßen und Brücken zerstören, als die Güter auf die Bahn zu schicken.
Fußnote:
Zum Zustand und Versagen des Bahnmanagements noch irgendwas zu sagen, erübrigt sich. Allzu bekannt sind Ursachen und Wirkungen von Technisierung unter Ausschluß menschlicher Sorgfalt, landläufig „Rationalisierung“ genannt. Wo sich kein Mensch mehr kümmert, verwahrlost ein jedes.
Daß sich aber ein Theologe zu der Äusserung versteigt:“…ist die degenerierte Ausgeburt einer Kreuzung…“, soll nicht unwidersprochen stehen bleiben. Sowas ist die Sprache der Unmenschen.
Widerspruch hiermit geschehen.