Autos sollen autonom fahren dürfen, nein, sollen? Habe ich da was falsch verstanden? Als ich meinen Führerschein bekam, war das sozusagen gleichbedeutend mit dem Startschuss in ein freies Leben. Dass mein R4 „Safari“ nicht gerade ein PS-Monster war — geschenkt. Die Kernidee war: Ich war mobil. Dieser Mobilität waren zwar Grenzen gesteckt, und zwar durch meine Finanzen, aber das änderte nichts an der Kernidee.
Jene Zeiten waren natürlich noch hoffnungslos analog. Von Netzwerken, wie sie heute technisch realisierbar sind, war damals allenfalls in der Science Fiction die Rede. Heute sind wir mehrere Schritte weiter, und es stellt sich wieder einmal die Frage, ob wir, wie das seinerzeit der Philosoph Günter Anders formulierte, wirklich noch Schritt halten können mit den Phantomen, die wir erschaffen.
Bei Anders ging es damals um die Atombombe. Man könnte argumentieren, dass wir, die Menschheit, es geschafft, dieser technischen Innovation die Stirn zu bieten, denn wir haben sie nicht eingesetzt. Bisher. Wir haben uns also als ihre Herren erwiesen. (Ich weiß, diese Argumentation ist brüchig in Anbetracht von Meldungen aus den USA, in denen von einer Erneuerung des gesamten Atomwaffenarsenals die Rede ist.)
Aber wie ist das beim autonomen Fahren? Wenn Autos, Netzwerke, Software dem Kfz-Steuerer die Arbeit abnehmen, so dass er sich entspannt zurücklehnen und hinter dem Lenkrad Zeitung lesen, einen Film sehen oder sogar schlafen kann? Der Philiosoph Julian Nida-Rümelin hat der FR ein Interview gegeben: „Ein Auto kann nichts entscheiden„. Wenn er sich da mal nicht irrt! Wir sind nicht mehr weit davon entfernt, künstliche Intelligenzen zu entwickeln. Und um die Datenmassen zu verarbeiten, die beim „autonomen Fahren“ anfallen, sind enorme Computerleistungen notwendig. Technisch wird das „autonome Fahren“ bald machbar sein. Die Frage ist jedoch: Wollen wir das?
Leserbriefe
Gerd K. Schneider aus Seeheim-Jugenheim meint:
„Ja, das bringen solche Dilemma-Situationen, auch zum autonomen Fahren, logisch so mit, dass jede Variante in eine ethische Sackgasse führt. In dem Interview bleibt es im Grunde bei dieser Beschreibung. Ohne die Grundfrage des Dilemmas eskamotieren zu wollen, schlage ich vor, auch lebenspraktische Erwägungen zu einer letztlich vielleicht nicht heilenden, aber doch zu rechtfertigenden Lösung einfließen zu lassen. Dazu folgende Überlegungen.
Wenn es sein kann, dass eine Person unverhofft auf die Straße tritt, z.B. zwischen parkenden Autos heraus, dann ist es geboten, die eigene Geschwindigkeit deutlich zu reduzieren. Wer ein Auto bewegt, ist per se ein „Gefährder“ und muss das Nötige tun, um diese Gefahren zu reduzieren, wenn erforderlich, ist eben Schritttempo angesagt! Das minimiert die Risiken deutlich.
Kürzlich erschien in der FR ein anderer Artikel zum autonomen Fahren, in dem zu Recht darauf hingewiesen wurde, dass man um dieses nicht mehr würde herumkommen können, wenn das System besser reagiere als die besten zwei Prozent menschlicher Fahrer. Man darf getrost annehmen, dass diese Systeme mittelfristig besser sein werden als alle Menschen.
Zusammengenommen sehe ich bereits auf dieser Grundlage deutliche Vorteile beim autonomen Fahren, denn die Programmierung kann stringent so erfolgen, dass immer eine angepasste Geschwindigkeit gefahren wird, was viele Menschen eben nicht tun. Die Reaktionszeit ist sowieso erheblich besser.
Die Entscheidung für eine Variante des Dilemmas können Menschen in der akuten Situation nicht leisten, sie reagieren entweder trainiert-kontrolliert als versierte FahrerInnen und tun so das Menschenmögliche, um den Schaden zuminimieren oder aber schlimmstenfalls panisch und lösen eine Katastrophe aus (jüngster Unfall: Ausweichmanöver vor einem Fuchs führt zu Kollision auf der Gegenfahrbahn mit Verletzten, Toten.) Insgesamt sehe ich perspektivisch bei intaktem autonomem Fahren erheblich weniger Schäden als beim Selbstfahren.
Zurück zum Anfang, letztlich bleibt das Dilemma und eine Programmierung des autonomen Systems ohne Zufallsgenerator muss erfolgen. Wie im Interview richtig betont, darf es eine Aufrechnung von Leben gegen Leben nicht geben. Darüber hinaus ist es geboten, Personenschaden und Leid zu minimieren. Dies bedeutet, dass auch ein gewisses Risiko an Eigenschaden einkalkuliert werden muss. Wenn die Alternative allerdings so hart ist, X oder Y eventuell tödlich zu verletzen, so gebe ich zu überlegen, dass dann die Person den Schaden trägt, die die Situation – ob dafür verantwortlich oder nicht – herbeigeführt hat. Der Zufall der Situation entscheidet! Dies halte ich für erträglicher, gegenüber der Schädigung einer unbeteiligten Person. – So weh es auch tut, Emotionalisierungen (Kind läuft auf die Straße gegen Rentner auf der gegenüberliegenden Seite) helfen nicht weiter.
Und abschließend eine weitergehende Überlegung. Wenn das autonome Fahren denkbar perfektioniert wird, dann werden unabweisbar Diskussionen entstehen, den Fehlerfaktor Mensch mehr und mehr auszuschließen: Es könnte dahin kommen, dass Selbstfahren im öffentlichen Raum deutlich reduziert, gar verboten werden wird, weil dies ethisch geboten ist!“
Ganz anders Bertram Hock aus Oberursel:
„Lieber Herr Nida-Rümelin, vielen Dank für Einlassungen zum In-Thema ‚Selbstfahrende Autos‘. Seit Jahren beobachte ich die Berichterstattung, auch in der FR, zu diesem Thema. Fast immer wird da voller Faszination von einer Revolution im Straßenverkehrs gesprochen, am liebsten garniert mit knuffigen Bildchen von Google-Mobilen ohne Lenkrad, mit einer Art Kamera obendrauf und großen, süßen Kulleraugen. Dann frage ich mich immer wieder: Gibt es wirklich jemanden, der diesen Quatsch so glaubt? Dass Autos künftig „intelligent“ werden wie ein Mensch? Dass der Bordcomputer im allmorgendlichen Berufsverkehr Entscheidungen zu treffen vermag wie ein Mensch? Oder kommt doch endlich mal jemand und sagt: Der Kaiser hat ja gar nichts an!
Dabei muss man ja noch nicht mal so weitgehen wie bei den in Ihrem Interview genannten Entscheidungen über Leben und Tod. Der Teufel steckt doch schon technisch schier unlösbar im banalen Detail: Zum Beispiel: Wie soll der Bordcomputer im dichten Innenstadtverkehr grundsätzlich entscheiden, wenn am Straßenrand ein Auto ausparken „will“? Vorbeifahren? Wenn das alle Bordcomputer machen, kommt der Ausparker niemals aus seiner Parklücke heraus. Sofort anhalten (und alle nachfolgenden Fahrzeuge dadurch auch)?
Die gleiche Frage stellt sich bei Straßeneinmündungen in eine dicht befahrene Vorfahrtstraße. Sofort den anderen Verkehrsteilnehmer rauslassen? Oder nicht? Oder irgendwann? Wenn ja, wann, das wievielte Auto? Diese Entscheidungen trifft im täglichen Straßenverkehr der Mensch am Steuer, ganz nebenbei … es sind nicht unbedingt rationelle Entscheidungen wie die eines Computers, sondern individuelle „Gnadenentscheidungen“. Diese sind aber unabdingbar, um das System Straße, wie es heute ist, annähernd am Laufen zu halten. Denn natürlich gibt es kein Gesetz, keine Regel, die den Autofahrer zwingt, einen anderen Verkehrsteilnehmer sofort „vorzulassen“. Das tut man halt z.B. aus einer Geste der Großzügigkeit, oder weil der andere einem ganz banal „Leid tut“ weil er schon so lange blinkend darauf wartet, losfahren zu können usw.
Computer aber können nur streng nach Regeln und Algorithmen entscheiden, die muss der Mensch anhand der Gesetze und Regeln programmieren. Und die würde im beschriebenen Fall so aussehen, dass der ausscherende Verkehrsteilnehmer an einer dichtbefahrenen Innenstadtstraße oder als Benachteiligter an einer Kreuzung extremes Glück haben muss, eine Lücke zu bekommen. Ansonsten kommt er tatsächlich niemals weiter.
Herr Nida-Rümelin, Sie haben es erfasst, es funktioniert nicht. Jedenfalls nicht so wie man es uns glauben machen will – Fahrassistenzsysteme ja – wirklich selbstfahrende Autos ohne Lenkrad: Nein.“
Auch ich halte diese Technikgläubigkeit für reichlich naiv. Glaubt man denn wirklich, ein unfehlbares System installieren zu können, das niemals Störungen unterliegt? Immerhin wissen wir doch längst, dass die Störanfälligkeit steigt, je komplizierter ein technisches System ist. Wir alle kennen doch die Fälle, in denen Autos in einem Fluss gelandet sind, weil sich der Fahrer hundertprozentig auf das Navi verlassen hat.
Auch in Flugzeugen gibt es automatische Steuerungssysteme; für den Fall, dass sie verrückt spielen, sitzen aber zum Glück für die Fluggäste immer noch zwei Piloten im Cockpit, die im Notfall eingreifen können.
Auch ich kann mir wie Bertram Hock ein Fahrassistenzsystem vorstellen, aber die Kontrolle und Verantwortung muss beim Fahrer bleiben.
Der Mensch wird sich dieses Spielzeug nur mit Gewalt wieder wegnehmen lassen. An die Vernunft zu appelieren, wird dabei genau erfolgreich sein wie bei kleinen Kindern.
Die Bedenken gegen das automatische Fahren sind sicher berechtig. Das ist aber nur eine Seite der Medallie.Die andere Seite ist die das es wohl, ausgereifte Systeme vorrausgesetzt, mehrere tausend Verkehrtstode und Verletzte weniger geben wird, weil das System sich an Verkehrsregeln hält und viel schneller ist als der Mensch.
Leider hat Leser Hock unrecht:
Die von ihm aufgeführten Beispiele für angemessene Fahrweise im Straßenverkehr sind ohne Problem programmiertechnisch lösbar.
Die Frage liegt noch vor den Möglichkeiten der Programmierung: Was will ich eigentlich mit meinem Programm erreichen? Welche Werte und Ziele will ich implementieren?
Diese Entscheidung treffen Softwareentwickler täglich, implizit und explizit.
Um eine Diskussion über die ethischen Grundlagen einer Anwendung führen zu können, müsste der Code mit ausführliche Kommentaren offen liegen, damit sachverständige Menschen den Inhalt nachvollziehen können.
Die Frage des autonomen Fahrens stellt sich nicht. Vor kurzem habe ich irgendwo gelesen, daß mit dem aF etwas Entscheidendes wegfällt, was die meisten Autofahrer haben wollen, das selbstständige Steuern des Kfz, sie wollen Herr über ihr Fahrzeug sein.
Der Mann hatte recht, sich ins Fahrzeug setzen, fünfe grad sein lassen, sowas gibts schon, man nennt es manchmal auch Bus.
Die Idee vom selbstfahrenden Auto erinnert stark an die nicht minder naive Idee von der autogerechten Stadt, die in den 60ern Furore machte. Das Geschrei war ähnlich groß, wer die agS infrage stellte, galt schnell als rückständiger Spielverderber.
Es kam ganz anders, tatsächlich war diese Vorstellung bereits der Vorbote eines kompletten Umschwungs im Denken, in den 70ern hat sich eine zunehmend kritische Haltung zum Autowahn durchgesetzt,erst in den 90ern gings dann wieder rückwärts.
So wird es wieder kommen, das autonome Fahren ist Vorbote eines erneuten Schubs in Richtung Angriff auf den Autowahn.
Auch andere Zeichen sprechen dafür, wie der Raserwahn in deutschen Städten und vor allem die kriminelle Autoindustrie.
Die PS-Gestörten haben überzogen, für die mittlere Zukunft werden sie sich warm anziehen müssen.
Es ist schon seltsam. Nach dem nächsten Terroranschlag mit 5 Toten wird wieder alles vollgeschrieben und von fehlender Empathie geredet. Beim autonomen Fahren das wohl zu Massen von weniger Verkehrstoten führen wird ist von Mitgefühl für diese unnötig sterbenden Menschen keine Rede. Da geht es dann darum ob der Mensch sich die Oberhoheit über sein Spielzeug weg nehmen lässt. Es mag sich jeder Leser vorstellen was ich davon halte.
@ hans
Ich stimme Ihnen zu, wenn Sie darauf hinweisen, dass die vielen Verkehrstoten, verglichen mit Terroropfern, zu wenig Aufmerksamkeit bekommen. Und ich bin die letzte, die dagegen wäre, dass den Rasers und Rücksichtslosen im Straßenverkehr endlich das Handwerk gelegt würde.
Nur würde ich mich nie voll und ganz auf ein automatisch gelenktes Auto verlasse. Ich würde trotzdem weiterhin wachsam am Steuer sitzen für den Fall, dass die Automatik versagt. Und für diesen Fall müsste der Fahrer/die Fahrerin auch noch die Möglichkeit haben, einzugreifen.
zu @ Brigitte Ernst
Das werden sie genau so lange machen bis sie ein Grundvertrauen in die Automatic aufgebaut haben.
Ich bin jeden Tag auf einer Autobahn auf der man zwar noch 180 Km/h fahren kann ,es aber auf Grund der Verkehrsdichte nicht sollte. Das ist total verrückt was sich da jede Woche abspielt.
Autos die sich von selbst an Verkehrsregel halten würden die Situation nicht verschlimmern sondern deutlich entschärfen.
Das automome Fahren wird wenn es zugelassen wird sehr schnell kommen. Das mehr an Nutzungsstunden und die Einsparung beim Lohn werden sehr schnell dafür sorgen das LKW sehr schnell umgerüstet werden wenn es technisch möglich ist. Was das dann für eine Entwicklung im PW Bereich auslöst wird man sehen.