Zehn Menschen tot, 35 verletzt, München im Ausnahmezustand und ein ganzes Land in Schockstarre — am vergangenen Freitagabend war nichts normal in Deutschland, weil ein junger Mann am Olympia-Einkaufszentrum in München erst neun andere Menschen und dann sich selbst erschoss. Ein Amoklauf sei das gewesen, heißt es schließlich — als würde das etwas erklären oder besser machen. Der Täter, der 18-jährige Ali David S., war Deutscher. Wir erfahren, er habe an Depressionen gelitten, sei deswegen in Behandlung und nehme Medikamente. Wir hören, er sei von Jugendlichen gemobbt worden, habe soziopathische Züge, sein Lebensumfeld sei Hartz-IV-Milieu. Er spielte Ego-Shooter-Computerspiele, interessierte sich für den norwegischen Massenmörder Anders Breivik und für Literatur über Amokläufe, er habe sogar Winnenden, wo es 2009 einen Amoklauf gegeben hat, einen Erkundungsbesuch abgestattet. Ach ja, dass er iranische Eltern und damit iranische Wurzeln hat, erfuhren wir auch noch.

All dies erfahren wir dann doch recht zügig, aber es will sich kein Begreifen einstellen. Ja, offenbar lebte der junge Mann in einer ziemlich trostlosen Situation — aber deswegen wird man doch nicht zum Amokläufer! Oder?

Ali David S. wurde eben doch zu einem. Der Terror, den er verbreitete, war nicht islamistisch motiviert, doch er war nicht weniger verstörend. Islamistischen Terror bekamen wir dann einen Tag später in Ansbach — der erste Selbstmordanschlag in Deutschland, offenbar verübt von einem „Soldaten“ des „Islamischen Staates“. Zuvor die Attentate in Nizza und Würzburg. Diese Häufung von Gewalt müssen wir erst einmal verdauen. Aber wir sollten nicht zögern, über diese Gewalt nachzudenken. Und über die Täter. Das ist das beste Mittel, um mit der Angst klarzukommen. Denn diese jungen Männer haben alle eines gemeinsam: Sie sind bzw. waren Muslime.

Mit ausnahmslos muslimischem Hintergrund

Warum das wichtig ist? Ich bekam folgenden Leserbrief des Publizisten Ramin Peymani, der unter anderem für das rechte Online-Magazin „Opposition 24“ schreibt:

„Ich kann es langsam wirklich nicht mehr ertragen, dass bei jedem der jüngsten Anschläge der Schwerpunkt der Berichterstattung darauf gelegt wird, der Attentäter habe psychische Probleme gehabt. Wer andere Menschen umbringt, kann nicht ganz richtig im Kopf sein, darüber muss man also nicht lange reden. Viel interessanter, von den Medien aber vermieden, ist die Beantwortung der Frage, warum sich in Deutschland derzeit Mordanschläge von Menschen mit ausnahmslos muslimischem Hintergrund häufen.“

Das beantwortet meine Frage, warum es wichtig ist, über Taten und Täter nachzudenken: Die populistischen Vereinfacher sind nämlich bereits am Werk. Der Leserbrief will offenbar darauf hinaus, dass die Anschläge passierten, weil die Täter Muslime waren, also wegen ihrer Religion. In der Tat lässt sich das Faktum nicht leugnen, dass alle vier Muslime waren, aber der kausale Zusammenhang, warum sie dies zu Mördern gemacht haben soll, leuchtet mir nicht ein. Über ihre religiösen Gepflogenheiten ist bisher zu wenig bekannt. Waren sie überhaupt gläubig? Vom Attentäter von Nizza beispielsweise hieß es, er habe kein großes Interesse an Religion gezeigt, bis er sich dann innerhalb weniger Tage radikalisiert haben soll. Etwas Ähnliches hörten wir über den Attentäter von Würzburg. Ist das nicht interessant? Was steckt dahinter? Ein Erweckungserlebnis, so wie es einst auch George W. Bush gehabt haben soll, woraufhin er sich gern als wiedererweckten Christen bezeichnete? Oder waren da Leute an die späteren Attentäter herangetreten, um sie gezielt zu radikalisieren, Sonden des „Islamischen Staats“, die Ausschau hielten nach potenziellen Attentätern?

Die Ermittlungen laufen. Es ist nicht zu erwarten, dass die Öffentlichkeit viel darüber erfährt, denn die Behörden und Geheimdienste werden ihre Erkenntnisse zu nutzen versuchen, um diese Anwerberstrukturen zu erforschen und zu verstehen. Dazu ist Geheimhaltung nötig. Solche Anwerber wären eine Erklärung dafür, dass im Leben dieser beiden späteren Attentäter plötzlich etwas kippte. Für den Ansbach-Attentäter brauchen wir diese Erklärung nicht; er hat seine Radikalisierung anscheinend schon bei seiner Einreise nach Deutschland mitgebracht und sie dann zwei Jahre lang gut verborgen. Und für den Amoklauf von München brauchen wir solche Annahmen erst recht nicht. Ali David S. war nicht radikal, sondern er war ein Soziopath. Die Taten sind eben doch sehr unterschiedlich — viel zu unterschiedlich, als dass die schlichte Erklärung, sie seien passiert, weil die Täter Muslime sind, als ernsthafter Beitrag zur Debatte betrachtet werden kann. Die Wirklichkeit ist eben oft ein bisschen komplizierter.

Warum kippten diese Menschen?

Aber selbst wenn es in diesen zwei Fällen Anwerber gegeben haben sollte, erklärt dies nur, dass die Biografien zweier Männer kippten, nicht aber, warum. Um das besser zu verstehen, müssen wir tatsächlich mehr danach schauen, was die Attentäter eventuell gemeinsam hatten. Wir müssen allerdings nicht lange suchen: Allen ist gemeinsam, dass sie sich in trostlosen Lebenslagen befanden, in denen es ihnen schwerfiel, Perspektiven für sich zu erkennen. Sozial abgehängt — das trifft auf den Attentäter von Nizza und den Amokläufer von München zu. Der Attentäter von Ansbach hatte gerade den Bescheid bekommen, dass er Deutschland Richtung Bulgarien zu verlassen habe. Die amtliche Mitteilung seiner Ausweisung könnte den Impuls zur Tat gegeben haben. Der Fall des Würzburger Attentäters ist der komplexeste, weil der Junge sich als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling nach Deutschland durchgeschlagen haben soll. Diese Geschichte wird von den Ermittlerin inzwischen aber bezweifelt. Bei ihm könnte der Schlüsselimpuls für die Tat von der Nachricht des Todes eines Freundes ausgegangen sein.

In allen Fällen gab es also persönliche Probleme bis hin zu Depressionen sowie die Möglichkeit, die geplante Tat ideologisch aufzuladen, wodurch sie natürlich an Bedeutung gewann: Die Attentäter konnten so in einem Kontext handeln, der ihrem Abgang eine Art höherer Weihe verlieh. Das trifft auch auf Ali David S. zutreffen, der sich viel mit Breivik beschäftigt hatte und seinen lang geplanten Amoklauf am fünften Jahrestag des Massakers von Utøya durchführte.

Dies zu verstehen bedeutet auch zu erkennen, dass nicht der Islam ursächlich für die Bereitschaft bzw. den Willen der Männer war, Attentate zu begehen, sondern eine perspektivlose persönliche Lebenssituation, in der die Idee, mit einem Paukenschlag aus dem Leben zu gehen, Glanz entfalten und zur Verlockung werden konnte.  Der Islam bzw. der Islamismus kam als krönendes Element dann hinzu. Und das ist im Grunde eine tröstliche Erkenntnis. Das bedeutet zwar nicht, dass wir keine Angst mehr vor den Islamisten haben müssen, aber es bedeutet immerhin, dass wir ihnen nicht hilflos ausgeliefert sind. Wir müssen allerdings etwas tun, was diese Gesellschaft in den vergangenen zwanzig Jahren zusehends verlernt hat: Wir müssen hinsehen, uns kümmern, die Zeichen zu erkennen versuchen. Wenn wir wissen, worauf wir zu achten haben, können wir vielleicht einige künftige Attentate verhindern.

Mehr Empathie also, mehr Zuwendung statt Ausgrenzung und Hass. Aber wir müssen noch mehr tun: Wir müssen gegen die soziale Kälte aufstehen, die den perfekten Nährboden für solche Entwicklungen zu liefern scheint. Statt nach schärferen Gesetzen zu rufen und das Märchen von der Sicherheit zu singen, sollten wir unsere Politiker darauf aufmerksam machen, dass unser Gemeinwesen in Gefahr ist durch eine Politik, die den Wert bzw. Unwert eines Menschen vor allem daran bemisst, welche Kosten er verursacht. Und dass es im Sinne unseres Gemeinwohls ist, Ursachen von Flüchtlingsströmen künftig früher zu erkennen und diesen Ursachen entgegenzuwirken mit einer weitsichtigen Politik, die sich nicht allein an kurzfristigem Profit orientiert.

Sarah Teherani aus Frankfurt meint:

„In Ihrem Artikel schreiben Sie: „Trotz seiner iranischen Wurzeln sah sich der Attentäter nicht als Ausländer.“ (Inzwischen redigiert, Anm. Bronski.) Der junge Mann ist in Deutschland geboren und aufgewachsen, er hatte einen deutschen Pass – warum sollte er sich als Ausländer fühlen? Die von Ihnen verwendete Formulierung spiegelt ein Problem wieder, mit dem in Deutschland geborene Kinder von MigrantInnen immer wieder konfrontiert werden: das Unvermögen der Mehrheitsgesellschaft, sich Kinder von Migranten nicht als Ausländer vorzustellen und sie somit immer wieder als fremd und nicht dazugehörig darzustellen. Ein nicht-deutsch klingender Nachname reicht aus, um sein ganzes Leben lang immer wieder gefragt zu werden, „wie es denn in der Heimat ist“. Bis ins wievielte Glied soll das weitergehen? Wird irgendwann die Realität der Einwanderungsgesellschaft in den Köpfen ankommen? Diese zwanghafte Festschreibung auf Abstammung und Herkunft selbst bei Menschen, die die Muttersprache ihrer Eltern oder gar Großeltern nicht beherrschen und deren Herkunftsland nie betreten haben, ist es, die es uns Kindern von Migranten so verdammt schwer macht, sich in Deutschland als Teil der Gesellschaft zu fühlen.“

Brigitte Neufeldt aus Bad Liebenzell:

Ihr Artikel bringt es auf den Punkt! Die entscheidende Aussage zitiere ich hiier: „Und egal, ob München einen Terrorakt oder, was wahrscheinlicher ist, einen Amoklauf erlebt hat: Die tiefere Ursache liegt in beiden Fällen meist und gerade bei Teenagern in einem Mangel an sozialer Integration. Das trifft auch auf Menschen ohne Migrationshintergrund zu – deutsche Rechtsextremisten beispielsweise. Oder die Amokläufer von Erfurt und Winnenden.“ Da ich ein wenig in einem Asylkreis helfe, weiß ich davon und kann diesen ihren Satz voll und ganz bestaetigen! Hoffentlich gibt es bald viele Menschen, die das tun und genau diesen Teenagern helfen.“

Adolfo Petrus aus Frankfurt:

Es wundert mich etwas, dass zur Zeit so viele „Amok-Experten“ zu Wort kommen und keiner von ihnen einmal darauf hinweist, dass dies alles mit Amok eigentlich gar nichts zu tun hat. (Ein Blick in die Nachschlagewerke macht das deutlich.) Ein Amokläufer recherchiert nicht, bereitet sich nicht vor, hat keine Komplizen und kümmert sich auch nicht um mediale Aufmerksamkeit. Ein Amoklauf entsteht vielmehr momentan, anfallartig und zwanghaft. Ob es nicht – zumindest für die Diskussion – hilfreich sein könnte, zunächst einmal die Begriffe sauber zu trennen?
Über die erbärmliche „Berichterstattung“ der ARD am Freitagabend ist in der heutigen FR (Seite 4) ja schon alles gesagt. Und was die von einem Täter in den sozialen Netzwerken veröffentlichten „Notsignale“ begrifft, frage ich mich: Wer liest denn so etwas? Ganz sicher nicht die Eltern, Lehrer, Nachbarn oder Freunde, die fürsorglich auf solche Signale reagieren könnten. Diesen Personengruppen kann man keinen Vorwurf daraus machen, dass sie nicht wissen, wer irgendwo im Netz etwas veröffentlicht hat, was einen frühzeitigen Hinweis geben könnte. Auch die „Experten“ melden sich ja immer erst hinterher zu Wort.

Moshtaq Al-Shameri aus Köln:

„Scheiß-Kanaken! Dieser Ausdruck stammt aus dem berühmten Dialog zwischen dem Amokläufer von München auf dem Deck eines Parkhauses und einem „Beobachter“. Auf diesen Ausdruck des deutschen „Beobachters“ antwortete der Amokläufer: „Ich bin Deutscher.“
Das Video hat kaum ein Sender vollständig veröffentlicht. Zunächst fällt in der Berichterstattung auf, dass der Satz „Ich bin Deutscher“ in den meisten Medien auch mit Untertitel gezeigt wird, während der Ausdruck „Scheiß-Kanaken“ weggelassen wird. So wird der Kontext zerrissen und der Sinn verstellt.
Meines Erachtens fasst sich die gesamte Argumentation des Täters in diesem Gegensatz zusammen, nämlich „Kanaken“ seitens des Beobachters und „Deutscher“ seitens des Täters. Dieses Detail ist sehr wichtig gerade in einer Situation, in der die Medien angeblich die „tiefen psychologischen Motive“ des Täters beschreiben und einen bereits ewig diskutierten terroristischen Hintergrund ausschließen wollen. Auch andere Passagen aus dem Dialog, die genau die Frage nach der Motivation des „Einzeltäters“ beantworten, werden vor allem in öffentlich-rechtlichen Medien abgeschnitten! Dass er „sieben Jahre lange gemobbt“ wurde und eine Waffe gekauft hat, „um euch alle abzuknallen“ hat der ZDF beispielsweise weggelassen.
Dass diese Anmerkungen den grausamen Amoklauf verurteilen und keineswegs rechtfertigen wollen, ist selbstverständlich. Zu kritisieren ist aber der Umstand, dass viele Medien und Politiker den Kern des Problems nach allem Anschein absichtlich ignorieren und die „psychische Krankheit“ des Täters, seine Amok-Literatur und Computerspiele und die polizeilichen Maßnahmen „totanalysieren“.
Die grundsätzliche Problematik vieler Jugendlichen und Erwachsenen mit Migrationshintergrund ist offenbar ihre verschwommene Identität. Der Amokläufer hat sich als „Deutschen“ definiert, so wie viele andere Jugendliche mit Migrationshintergrund das gerne tun. Genau in dem Moment, wenn „einheimische Deutsche“ diese Identität in Frage stellen und sie als „Kanaken“ oder Ähnliches identifizieren, stürzen sie in eine Identitätskrise. Der Münchener Polizeisprecher hat nicht von einem „Deutschen“ mit iranischer Abstammung gesprochen, sondern von einem „Deutsch-Iraner“. Das tun auch fast alle Medien. Jeder Linguist weiß aber, dass ein Kompositum, in unserem Fall Deutsch-Iraner, aus einem Grundwort (Iraner) und einem Bestimmungswort (deutsch) besteht, wobei in der deutschen Sprache das Grundwort entscheidend ist. Ein Deutsch-Iraner ist in erster Linie Iraner und nicht Deutscher , so wie ein Verfassungsgericht ein Gericht ist, das durch das Wort Verfassung lediglich bestimmt wird.
Kurz: Solange diese Staatsbürger mit Migrationshintergrund, die hierzulande geboren sind und sich mit Deutschland identifizieren wollen nicht als „normale“ Deutsche wahrgenommen werden, wird ihr Alltag von sozialen und psychischen Konflikten geprägt, die im schlimmsten Fall in Gewalttaten landen. Auch in sprachlicher Hinsicht scheint mir der Hinweis auf ihre Abstammung in den meisten Fällen überflüssig. Sollte man ihre „Wurzeln“ doch für nötig halten, so könnte man dies zumindest in den Hintergrund stellen. Die dritte Generation der „Gastarbeiter“ als Deutsch-Türken zu bezeichnen, ist in jedem Fall unangemessen und drückt eine problematische Identität aus.
Zum Schluss sollten zumindest öffentlich-rechtliche Medien die oft erwähnten „Sorgen und Ängste“ der gesamten Bevölkerung beachten, statt sich auf die Ängste einer Bevölkerungsgruppe vor einer anderen zu fokussieren. Rundfunkgebühren müssen ja alle zahlen!“

 

Verwandte Themen

31 Kommentare zu “Fremd und nicht dazugehörig

  1. Ich stimme Adolfo Petrus zu – unter Amok verstehe auch ich keine minutiös vorbereitete Handlung. Den sog. Amokläufern gemeinsam (zumindest in den USA) scheint ein ähnlicher Medikamententyp zu sein, mit dem sie psychiatrisch behandelt wurden.

  2. Februar 2002: Bewaffneter 22jähriger bringt in Bayern drei Menschen um.
    April 2002: Amoklauf eines Schülers in Erfurt
    März 2009: Amoklauf in Winneden.
    September 2010: Anwältin in Lörrach bringt 3 Menschen um.
    August 2013: Mann läuft Amok bei Eigentümerversammlung in Dossenheim.
    Februar 2014: Mann läuft Amok in Düsseldorfer Anwaltskanzleien.
    Was hatten alle Täter gemeinsam?
    „Ungeheuer ist viel, doch nichts ist ungeheurer als der Mensch“ (Sophokles)

  3. Dem was Bronski in der Einleitung geschrieben hat kann ich zuerst einmal zustimmen. Das aufzeigen einer Perspektive wäre die Lösung. Gerade bei jungen Menschen die wissen das sie das ganze Leben noch vor sich haben kann so etwas wahre Wunder vollbringen. Das gilt aber nicht nur für Menschen mit ausländischem Namen.
    Letzte Woche stand in der FR auf der Meinungs Seite ein Kommentar zum Thema Lehrstellenlüge. Da ging es um Hauptschüler die seit Jahren Probleme haben eine Lehrstelle zu finden. Es ist für Ausländer sicher schwierig aber es gibt auch genug Deutsche die in Wirklichkeit nicht integriert sind. Da ist es wohl ein unnötiger Zufall gewesen das einer von den Tätern Deutsch/ Iraner war. Ich spreche da durchaus aus eigener Erfahrung. Mein Sohn hatte einen durchschnittlichen Realschulabschluss aber am Ende in dem Schulabgangsjahr keine Lehrstelle. Das wäre im Detail eine lange Geschichte in der vieles unglücklich gelaufen ist und auch viel Pech dabei war. Nur am Ende war er in einer Aufbewahrungsanstalt für junge Menschen vom Arbeitsamt die sich auch noch Schule genannt hat. Es war ein Ort der Perspektivlosigkeit der mich als Vater maximal gefordert hat um ihm zu erklären was gerade abgeht und wie man das nächste Jahr angehen muss. Das Ganze ist jetzt 6 Jahre her und erfolgreich zu einem guten Ende von uns gebracht worden. Außerdem habe ich noch 2 Kinder bei denen es gelungen ist sie in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Deshalb erlaube ich mir auch die Meinung zu haben das es bei den Flüchtlingen die Ausnahme sein wird bei denen das gelingt. Der Ausbidungs und Arbeitsmarkt ist eine beinharte Geschichte. Das kann man auch immer an dem Arbeitsmarktindex erkennen der in der FR veröffentlicht wird. Man muss ihn nur bewusst lesen. Das ist halt einfacher wenn man das von dem da geschrieben wird auch erlebt hat.

  4. Die Berichterstattung in der ARD und Im ZDF über das Geschehen in München war eine Katastrophe.
    Unsere Politiker, vor allem die Scharfmacher, reden nur über weitere verschärfende Maßnahmen und laufen damit dem IS direkt ins Messer, während die Rechtsparteien und deren Anhänger sich freuen. Ähnlich verlief es bei den Anschlägen der RAF in den siebziger Jahren, ein Polizeistaat sollte durch derartige Aktionen produziert werden.
    Über Ursachenbekämpfung redet niemand: warum sind viele verbittert? wieviele haben in den Kriegen, die durch die USA, Großbritannien u.a. geführt sowie durch Waffenlieferungen Deutschlands an Staaten wie Saudi Arabien oder Katar unterstützt wurden, Angehörige verloren, mussten flüchten oder haben aus verständlichen, wenn auch nicht zu rechtfertigenden Gründen, Rachegelüste?
    Reicht die Intelligenz unserer Politiker nicht soweit, um über solche Fragen und natürlich auch über Änderungen einer fehlgeleiteten Politik nachzudenken?
    Bei einem „Weiter so“ in dieser Frage werden weitere Anschläge, ob von Gruppen, Einzeltätern oder wie auch immer man sie nennen mag, folgen.
    Und Instrumente wie Vorratsdatenspeicherung, Spionage durch NSA,BND etc. haben bisher nichts verhindern können.

  5. 1.
    Ali David S., ein junger Deutscher mit ein bisschen iranischer Würze, wollte eigentlich nur ein normaler Deutscher sein. Dies wurde ihm aber verwehrt. Jahrelang wurde er gehänselt, gemobbt, gequält. Nein, nicht von seinen pösen, pösen biodeutschen Mitschülern! Sondern es waren türkische, arabische, kosovarische Jugendliche, die ihm das Leben zur Hölle gemacht haben.

    Etwas, dass wahrscheinlich viel häufiger vorkommt, als es die wenigen Berichte in den Leitmedien berichten. Betül Durmaz (Deutsche. Muslimin. Alleinerziehend. Ehem. Lufthansa-Flugbegleiterin. Schulleiterin. Autorin.) hat das in ihrem Buch „Döner, Machos und Migranten“ (2009) anschaulich beschrieben. Der Titel eines Cicero-Interviews (2012) mit ihr lautet: „Integration – Zu viel Verständnis führt zu Verantwortungslosigkeit“, und sie stellt (resigniert?) fest: „Aber bei mir in Gelsenkirchen hat sich gar nichts getan. Nichts hat sich verbessert – im Gegenteil.“

    In einigen Kommentaren zu der Tat heisst es, Ali David S. habe genau diese seine Peiniger über den Fake-Account bei Facebook in die Falle gelockt und dann – soweit möglich – gezielt erschossen.

    „Die Welt“ meldet: „Drei der Opfer waren Kosovo-Albaner, drei weitere Türken und eines Grieche. Es handelte sich größtenteils um junge Menschen. Acht der Getöteten waren nach Angaben der Polizei zwischen 14 und 20 Jahre alt. Das neunte Opfer war 45 Jahre alt. Der griechische Muslim und Abgeordnete Ilhan Ahmet erklärte, das griechische Opfer habe der muslimischen Minderheit angehört.“

    Laut einer anderen Quelle sind seine Opfer: eine 14-jährige Deutsche, eine 14-Jährige Staatenlose, ein 14-Jähriger Deutsch-Türke, ein 15-jähriger Ungar, ein 15-jähriger Deutsch-Türke, ein 17-jähriger Grieche, ein 19-jähriger Deutscher, ein 20-jähriger Kosovare, eine 45-jährige Türkin.

    Fest steht: es waren mehrheitlich also MiMiMis (Mitmenschen mit Migrationshintergrund).

    Wenn man den psychischen Ausgangszustand des Ali David S. und die Herkunft seiner Opfer betrachtet, könnte man diesen Anschlag eigentlich genauso gut als fremdenfeindliche Tat bezeichnen.

    2.
    Ich habe den ganzen Abend der Tat bis zur morgendlichen Pressekonferenz den Fernseher laufen lassen und den Tiefpunkt des deutschen Journalismus erleben dürfen. Ein hilfloses Geblubber. Aufgeblähtes Nichtwissen, wirre Spekulationen, Suggestivfragen, nebelstochernde „Experten“. Übliches Blabla mit viel „offenbar“, wo ein „vermutlich“, „möglicherweise“, „nach Angabe von …“ angemessen und sachlich richtig gewesen wäre. Getrieben von sogenannten „Sozialen Medien“. Belanglose Endlosschleife. Reporter, die nicht in der Lage sind, den Unterschied zwischen dem polizeilichen (Einsatz-)Begriff „Terrorlage“ und dem Begriff „Terroranschlag“ intellektuell zu verarbeiten. Keiner der von Zwangsgebühren hochbezahlten Beschäftigten war in der Lage, innerhalb von mehreren Stunden eine klare Transkription des „Kanake-Wixer-Deutscher“-Videos vorzulegen. Stattdessen stammelt ein höchstbezahlter Herr Roth vor sich hin.

    Keiner der sog. „Journalisten“ und „Experten“ hat übrigens bei den wenigen Fakten nachgehakt, die die Polizei genannt hat. So war zunächst von drei Tätern die Rede. Obwohl der Polizei relativ schnell klar war, dass es sich um einen Einzeltäter handelte, der ja übrigens auch schon tot war, wurde der – ab diesem Zeitpunkt völlig überdimensionierte – Ausnahmezustand stundenlang aufrecht erhalten. Was war mit den beiden anderen Verdächtigen geschehen?

    Die Polizei gab an, zwei „zunächst Verdächtigte“ seien überprüft worden, es konnte aber keine Verbindung zum Täter hergestellt werden. Kein Journalist fragte nach. Handelte es sich bei diesen „zunächst Verdächtigen“ möglicherweise um Polizisten, zufällig vor Ort, die mit gezückter Waffe, vermutlich in Zivil, den Schützen verfolgten?

    Dann hiess es, der Täter habe sich offenbar (soso!) selbst erschossen, später wurde verlautbart: der Schütze habe sich „unter den Augen der Polizei“ selbst erschossen. Waren es womöglich (auch diesmal wieder) Polizisten, die den Täter (auch diesmal) definitiv kampfunfähig gemacht haben?

  6. Da ich mich zur Zeit der Attentate in den USA aufhielt, kann ich zur Berichterstattung in den deutschen Medien nichts sagen.
    Wozu ich allerdings einige Erfahrungen gesammelt habe, ist das, was Moshtaq Al-Shameri die „verschwommene Identität“ vieler Jugendlicher mit Migrationshintergrund nennt. Und die ist nicht allein der Tatsache geschuldet, dass diese Jugendlichen Ausgrenzung und Hänseleien erleben, sondern sie hat auch viel damit zu tun, dass in ihren Familien häufig noch die Herkunftssprache gesprochen wird sowie die nationalen Traditionen gepflegt und die alten Wertvorstellungen übernommen werden. Das ist per se nichts Negatives, es kann aber doch, gerade bei jungen Muslimen, deren kulturelle Werte sich oft von den in unserem Land herrschenden erheblich unterscheiden, zu inneren Konflikten führen.

    An dem Gymnasium, an dem ich 29 Jahre lang unterrichtet habe, spielten wir, weil sich in den Klassen eine große Anzahl von Kindern unterschiedlichster nationaler Herkunft zusammenfinden, in der Einführungswoche das Spiel „Welcome Diversity“, bei dem die Schülerinnen und Schüler unter anderem auch über das Herkunftsland ihrer Familie berichten. In diesem Zusammenhang habe ich mehrfach erlebt, dass eines dieser zehnjährigen Kinder sagte: „Ich bin Marokkanerin“, oder „Ich bin Pakistani“. Wenn ich dann in der Schülerakte nachschaute, stellte sich oft heraus, dass diese Kinder aowohl in Deutschland geboren waren als auch die deutsche Staatsangehörigkeit besaßen.
    Das zeigt, welche nationale Identität ihnen im Elternhaus vermittelt wurde.
    Und es ist ja in allen Einwanderungsländern zu beobachten und auch verständlich, dass Migranten im fremden Land erst einmal zusammenrücken und sich auch räumlich in Gruppen zusammenfinden. Wie hätten sich sonst in den amerikanischen Städten Viertel wie „Little Italy“ oder „Chinatown“ entwickeln können? Der Sonderstatus des Immigranten aus einem bestimmten Land wird den Einwanderern also nicht immer von der aufnehmenden Gesellschaft aufgezwungen, sondern sie grenzen sich oft selbst von der Mehrheitsgesellschaft ab.
    Im Unterschied zu Deutschland betont man in den USA bei der Wortbildung allerdings die neue Staatsbürgerschaft und spricht z.B. von einem „Chinese American“.

  7. @Brigitte Ernst
    „Der Sonderstatus des Immigranten aus einem bestimmten Land wird den Einwanderern also nicht immer von der aufnehmenden Gesellschaft aufgezwungen, sondern sie grenzen sich oft selbst von der Mehrheitsgesellschaft ab.“
    Sie wollen also ernsthaft behaupten, dass die Immigranten etwas gegen die Inländer haben und nicht umgekehrt.
    Waren Sie mal Immigrantin?

  8. Sobald irgendwo etwas passiert und obwohl noch nicht genaues bekannt ist, sehen sich die Fernsehanstalten gezwungen, Sondersendungen auszustrahlen, in denen man dann hört, dass man noch nichts Genaues weiss. Warum?
    Ich kann mir das nur so erklären, dass es Millionen von Gaffern gibt, die den Fernseher bei solchen Gelegenheiten die ganze Nacht laufen lassen.

  9. @Henning Flessner „Sie wollen also ernsthaft behaupten, dass die Immigranten etwas gegen die Inländer haben und nicht umgekehrt.“

    Nicht alle, aber einige. In Extremfällen führt das sogar zum Ehrenmord. Das ist dann wohl die Spitze des Eisbergs.

    In der Beschneidungsdebatte vor vier Jahren wurde von Vertretern politischer Korrektheit das, was man getrost als Assimilationsphobie bezeichnen kann, wie eine schützenswerte kulturelle Errungenschaft gewertet. Dem Abgrenzungsbedürfnis Erwachsener musste das Recht auf körperliche Unversehrtheit von Jungen weichen. Man müsste sich nur irgendwann auch darüber Gedanken machen, welche mentalen Achterbahnfahrten man Heranwachsenden in diesen Zeiten noch zumuten möchte.

  10. @ Henning Flessner:
    DIE Immigranten haben wohl sowenig gegen die Inländer (hier: Deutsche) wie DIE Inländer gegen Immigranten. Ablehnung bzw. Überlegenheitsgefühl gibt es aber auf beiden Seiten.
    Was meinen Sie, wie viele oder wenige „deutsche Kartoffeln“ täglich in Deutschland aus diesem Grund gedemütigt werden?

  11. Zustimmung zu Ihrem Artikel , Bronski. Die eingeforderte soziale Fairness ist genau das , was geeignet wäre , um schwer angeschlagene Menschen aufzufangen , denn man kann es schließlich nicht immer verhindern , daß Einzelne das Pech haben , in extrem schweren Lebenssituationen zu stecken .

    Man kann sich aber fehlerfreundlich verhalten , mit Fehlentwicklungen rechnen und ihnen etwas Humanes entgegensetzen . Im Moment geschieht leider genau das Gegenteil , wer schon rutscht , bekommt noch einen kräftigen Schubs , um so richtig ins Bodenlose zu fallen.

    @Jaroslav Randic

    zu1)
    Interessanter Punkt , der zeigt , daß es von beiden Seiten die Neigung gibt , auf der Herkunft herumzureiten , für die einen ist sie der Grund für eine angeblich pauschale Ausgrenzung , für die anderen der Grund für eine , quasi natürliche , Terrorneigung.
    Beides Quatsch , wenn diese Terrorwoche etwas gezeigt hat , dann , wie vielschichtig das Phänomen ist und daß es bestenfalls zum Teil mit Herkunft zu tun hat , die tatsächlichen Trennlinien der Gesellschaft verlaufen ganz woanders.

    Übrigens ein Zeichen , wie gut unsere Integration funktioniert , man muß nur immer daran glauben , daß jemand super integriert ist , weil er arbeitet oder lernt , und weil er deutsch spricht , und schon kann man sicher sein , daß Migranten den Deutschen in nichts nachstehen , wenn es darum geht , in der Schule zu mobben oder im Betrieb zu intrigieren.

  12. @ DH 27. Juli 2016 um 22:01

    Etwas ausführlicher und mit weiteren Gesichtspunkten unterfüttert argumentiert übrigens auch Florian Rötzner bei Heise-Telepolis: http://www.heise.de/tp/artikel/48/48961/1.html

    Sie benennen zu Recht die Vielschichtigkeit des Falls. Er ist geradezu ein Paradebeispiel dafür, wie vorsichtig man (Politiker, Medien, Religionsvertreter und natürlich auch jeder einzelne Bürger) mit vorschnellen Einordnungen sein sollte.

    Das Konglomerat aus psychischer Komponente, sozialem Status, weltanschaulicher Anbindung, ethnischer Herkunft, kultureller Prägung, ggf. fehlenden Bindungen und defizitärer Bildung usw. zu durchdringen, braucht nicht nur Zeit, sondern mediale Zurückhaltung und Gelassenheit. Und nicht zu vergessen: Skepsis, Skepsis, Skepsis!

  13. Am Mittwoch, 27.07.2016, erschien nachmittags eine Meldung, dass der Täter von München rechtsextrem sei. Die FR vom 28.07.2016 hat dies ebenfalls in einem Beitrag gemeldet.
    Nur die Tagesschau vom 27.07.2016, in der wieder ausführlich über islamistische Täter und geplante Maßnahmen, vor allem seitens des Freistaates Bayern, berichtet wurde, erwähnte mit keinem Wort die Tatsache über die rechtsextreme Einstellung dieses Täters.

  14. @ J. Randic,

    liegen Ihnen verwertbare Erkenntnisse zu dem unterstellen Handeln der Polizei vor?

  15. @ Henning Flessner

    1. Ich habe einige Jahre in Italien gelebt und niemals Ablehnung oder Ausgrenzung erfahren.

    2. Wo habe ich behauptet, dass Ausländer etwas gegen Inländer hätten? Mir ging es um die Identität der Zuwanderer, und wenn jemand, der die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, betont, er sei Türke, Marokkaner oder Pakistani, ist ER derjenige, der sein Anderssein betont, nicht die aufnehmende Gesellschaft. Das muss aber nicht automatisch bedeuten, dass derjenige die Bewohner des aufnehmenden Landes ablehnt.

  16. @Jaroslav Randic

    Interessanter Link , danke.
    Gerade der Münchner Fall zeigt eindrucksvoll , daß es tatsächlich möglich ist , die innere Sicherheit zu verbessern , auch mit restriktiven Mitteln . Nur eben nicht durch eine hysterische Aufrüstung , am besten noch mit Bundeswehr im Innern , sondern indem der Staat endlich mit voller Härte gegen Mobbing vorgeht , in all seinen Facetten .

    „braucht nicht nur Zeit…“

    Exakt.

  17. @Peter Boettel

    Ob islamistisch, rechtsextrem, linksextrem oder mittenextrem, wo sehen Sie da einen Unterschied, wenn zu Gewalt gegriffen wird?
    Gewalttäter haben nicht das geringste Recht, sich auf politische Ziele oder politische Mißstände zu berufen. Auch nicht die Gewalttäter, die an der Macht sind.
    Das romantisierte Bild des „Attentäters“ hat niemals gestimmt, die Vorstellung, daß ein hochmoralischer, hochintelligenter und besonders empfindsamer Mensch sich als Waffe hergibt, um besonders gefährliche Machthaber zu beseitigen oder ein Fanal zu setzen, ist ein tragischer, aber vorsätzlicher Irrtum der politischen Legenden.
    Das eigentlich bedauerliche an den Attentatsphantasien und Taten ist, daß die Täter gar nichts verändern, sie verstärken nur die Sturheit einer phlegmatischen Gesellschaft.
    Noch bedauerlicher ist, daß die Gesellschaft, also wir alle, zukünftig auf den diskursiven Beitrag dieser „Attentäter“ verzichten müssen. Extreme Gedanken sind hörenswerte Gedanken, auch dann, wenn sie nicht zur Wirklichkeit werden dürfen.
    Man muß lernen, daß die Welt sich nicht im eigenen Sinne dreht, aber man kann auch erleben, daß Wünsche und Träume wahr werden.
    Aber wenn man sich und andere nicht solange leben läßt, muß man scheitern. Tod und Töten ist Scheitern.
    Vielleicht war unter den Getöteten der, der die Lösung wußte? Vielleicht ist unter den Opfern eine langersehnte, langesuchte Person, die man noch nicht gefunden hat?
    Nicht mal ein überlebender Täter wird das je erfahren.

  18. @ Jaroslav Randic

    Auch meinerseits Dank für den Link zu heise.de. Die Darstellung ist ausführlicher als in anderen Zeitungen, z.B. Faz.
    Eine Einschätzung wäre aber in Frage zu stellen, nämlich dass Rechtsextreme, anders als Islamisten, nicht zu erweitertem Suizid neigten. Das Beispiel München zeigt m.E., dass dies nur bedingt richtig ist. Es belegt zudem, dass – unabhängig von der unterschiedlichen Ideologie – die Grenzen fließend sind und die Berührungspunkte immer deutlicher werden. Vor allem darin, Konfliktpotential aufzubauen, Opfer zu instrumentalisieren und Bevölkerungsgruppen bzw. Religionsgemeinschaften gegeneinander aufzuhetzen. Unter diesem Aspekt wäre wohl auch die Forderung eines Alexander Gauland nach Asylverweigerung für Muslime zu sehen und auch klar zu benennen, worum es hier geht: um Kumpanei mit Terroristen.
    Was mich an der gegenwärtigen Diskussion erheblich stört, ist die Fixierung auf Tätermotive – weit über das erforderliche Maß hinaus – und die Vernachlässigung der Opfer (bzw. im schlimmerén Fall deren Instrumentalisierung). Hier stellt sich wohl auch die Frage der Mitverantwortung von Medien.
    Der Fall der Geiselnahme von Gladbeck war diesbezüglich ein Präzendenzfall, bei dem Medien in ihrer Sensationsgier zu Kumpanen der Geiselnehmer wurden und sich unmittelbar mitschuldig am Tod der Geisel gemacht haben. Ich habe nicht den Eindruck, dass daraus sehr viel gelernt worden ist. Vieles wirkt eher als Schüren von Ängsten statt rationaler Umgang mit der Situation. Drastisch drückt es der Kriminologe Pfeifer aus: Die statistische Wahrscheinlichkeit, von Blitzschlag getroffen zu werden, ist erheblich größer. Nur dass niemand über Blitzschlag redet.
    Will heißen: Maximaler Schutz, insbesondere in Form von Prävention ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, nicht allein Aufgabe von Politik.
    Bez. der Täter: Die verallgemeinernden Schlussfolgerungen, die aus der Biografie des Würzburg-Attentäters (Tod des Bruders) sind z.T. ziemlich absurd. Ich habe gestern noch mit einem jungen Afghanen mit ähnlichem Schicksal gesprochen, der morgen nach Afghanistan zurückfliegt. Entscheidend ist wohl (wie DH richtig sagt), wie viel Sensibilität für solche Situationen besteht und wie solche Menschen „aufgefangen“ werden können.
    Bez. der Opfer: Die Erkenntnis, dass jeder betroffen sein kann, ist sicher eine (vergleichsweise) neue Herausforderung. (Bei der RAF konnte man sich noch einbilden, das betreffe nur „Führungskräfte“). Wird wohl nichts anderes übrig bleiben, als sich mit solchen Situationen rational auseinander zu setzen und z.B. auch Verhalten praktisch zu trainieren. Zum Führerschein z.B. gehört ja auch ein Erster-Hilfe-Kurs.

  19. @BvG:
    Ich wurde offensichtlich missverstanden:
    Mir ging es keineswegs darum, eine Wertung von Anschlägen, egal von welcher Seite, vorzunehmen, und verurteile selbstverständlich Mordanschläge jeglicher Art.
    Ich kritisiere aber die unterschiedliche Behandlung dieser Anschläge durch einen Großteil der Medien wie auch seitens der Politik, wonach beispielsweise die rechtsextreme Einstellung des Münchener Täters weitgehend verschwiegen und im Falle polizeistaatlicher Maßnahmen teilweise verharmlost werden.
    Ich hoffe, mich damit klar genug ausgedrückt zu haben!

  20. @ Peter Boettel

    Dem Eindruck, die Medien würden Meldungen über eine mögliche rechtsextreme Einstellung des Amokläufers nicht bringen, möchte ich entgegentreten. Schon am Abend der Tat wurde in der ARD darüber spekuliert, dass es sich um einen Anschlag von Rechtsextremen handeln könnte. Kürzlich trat dann die FAZ mit ähnlichen Überlegungen hervor. Bestätigt ist diese rechtsextreme Einstellung bisher nicht, so dass wir vorsichtig bleiben wollen, aber die FR berichtete darüber (hier) ebenso wie beispielsweise die Tagesschau.

  21. @Brigitte Ernst
    Da haben bei Ihrem Auslandsaufenthalt Glück gehabt, anderseits fehlt Ihnen jetzt natürlich die Erfahrung, dass Ihre Kollegen Ihnen anbieten beim Umzug zu helfen, obwohl Sie gar nicht umziehen wollen.
    Ich habe Ihren Beitrag so verstanden, dass wenn es zur „Getto-Bildung“ kommt, es daran liegt, dass die Immigranten lieber unter sich sind, anstatt Kontakt mit Einheimischen zu haben.

  22. @Bronski:
    Dass die FR dies am 28.07.2016 gemeldet hat, habe ich bereits am 28.07. (s.o.) auch erwähnt.

  23. @ Henning Flessner
    Ich wollte gar nicht verallgemeinern, sondern lediglich darauf hinweisen, dass viele Immigranten, egal in welchem Land, dazu neigen, sich in der neuen Heimat in Gruppen zusammenzuschließen, die die Herkunftssprache und -kultur pflegen. In der Gruppe, die sich um die Deutsche Schule und die Deutsche Botschaft in Rom gebildet hatte, war das nicht anders. Es gab dort z.B. auch eine deutsche katholische Gemeinde, in der die Messe und die Predigt in deutscher Sprache abgehalten wurde. Ensprechendes gibt es etwa für Italiener und Polen auch in Frankfurt. Da drängt sich doch der Eindruck auf, dass man lieber unter sich sein möchte, denn in Rom gibt es ja nun wirklich genügend italienischsprachige katholische Gemeinden. Nun gehörten zu diesem deutschen „Getto“ viele, deren Aufenthalt in Italien wie bei mir von vornherein beschränkt war, dennoch war ich erstaunt, wie wenig von der italienischen Sprache sich einige deutsche LehrerInnen und ihre EhepartnerInnen in drei bis sieben Jahren Aufenthalt in diesem Land angeeignet haben. Man fragt sich dann, warum die überhaupt ins Ausland gehen. Der Kontakt mit den Einheimischen ist ohne angemessene Sprachkenntnisse zumindest erheblich erschwert.

  24. @ Brigitte Ernst: Dass die „Herkunftssprache gesprochen wird sowie die nationalen Traditionen gepflegt und die alten Wertvorstellungen übernommen werden“, hat relativ wenig damit zu tun, wie wir das Wort „deutsch“ definieren. Wenn man versucht, von Muslimen abzusehen, kann man leicht feststellen, dass es sehr viele nicht-muslimische Migranten gibt, auch aus dem (west)europäischen Raum, die nicht anders als die Deutschen leben und trotzdem sind sie die „Ausländer“! Und dies abgesehen davon, was sie sprechen und wie sie leben. Man wird quasi kategorisch aufgrund seines Namens und Aussehens in eine andere Kategorie eingeordnet.

  25. @ Moshtaq Al-Shameri

    Das mag die andere Seite der Medaille sein. Aber ist das nicht nachvollziehbar? Noch vor 50 Jahren waren ca. 99% der Deutschen hellhäutig und hießen Müller, Meier, Schulze. Das hat sich mittlerweile geändert,aber manche(r) ist eben noch nicht auf dem neuesten Stand dieser Erkenntnis angelangt. Vielleicht sollten wir da nicht allzu streng sein. Wenn ich in den USA jemanden z.B. auf seinen deutschen Namen anspreche, freut es sich und erzählt mir, woher seine Vorfahren wann nach Amerika eingewandert sind. Die sind stolz auf ihre Herkunft. Das sollten auch Sie sein.

  26. Spät in der Nacht kommt mir der Gedanke, dass ich mich auch sehr fremd fühle in dieser Gesellschaft. Bin ich überhaupt integriert? Ich spreche die Sprache, weiß aber gar nicht, ob ich dazu gehöre. Es gibt Menschen, die lebten schon immer an ihren angestammten Orten. Dazu gehöre ich nicht. Manchmal beneide ich sie ob ihrer Bodenständigkeit, vor allem, wenn ich mich verloren fühle, aber meistens fühle ich mich erleichtert, von diesen einengenden Erwartungen, die diese kleinräumigen Kommunen an den Einzelnen stellen, befreit zu sein.
    Fremd ist man zunächst überall, wenn man neu ankommt.

  27. @Brigitte Ernst

    Hallo nochmal 🙂
    Sie haben den Punkt immer noch nicht erwischt. Es geht nicht um Stolz. Die meisten Migranten, besonders aus islamischen Ländern, sind vielleicht zu stolz auf ihre Herkunft. Eher die Deutschen haben wegen der Nazivergangenheit oft im Ausland Probleme damit. Wir reden über Identität und Zugehörigkeit. Nach 50 Jahren sollte man es verstehen, dass ein Staatsbürger eben Staatsbürger ist.

  28. @ Al-Shameri
    Natürlich haben Sie recht, dass man bei Staatsbürgern keine Unterschiede machen sollte. Allerdings sieht man einem Menschen seine Staatsbürgerschaft nicht von außen an. Und wenn ich jemandem mit arabischem, indischem chinesischem oder afrikanischem Aussehem begegne, der einen fremdländischen Namen hat, tippe ich nicht automatisch darauf, dass er die deutsche Staatsbügerschaft hat. Das sollten Sie einem Durchschnittsdeutschen verzeihen. Wir sind ja noch nicht so lange ein Einwanderungsland.
    Und was die Identität von Staatsbürgern anbetrifft, gerate ich z.B. bei solchen mit türkischen Wurzeln derzeit etwas ins Grübeln. Fühlt sich jemand, der, die türkische Fahne schwenkend, einem Autokraten wie Erdogan zujubelt und sich dazu noch in seinem Türkentum beleidigt fühlt, wenn auf den Völkermord an den Armeniern hingewiesen wird, wirklich als deutscher Staatsbürger?

  29. @Ernst

    Da haben Sie vollkommen recht, was die Einstellung vieler Türken zu Deutschland ist. Fraglich ist, warum das so ist. Ich kenne viele Erdogan-Gegner, die sich vor ca. einem Jahrzehnt vom „Türkentum“ möglichst distanziert haben. Nun tun sie genau das Gegenteil. Sie stellen sich in erster Linie als Türken vor. Einige erzählen, dass sie gar keine deutschen Freunde haben/hatten, obwohl sie hier geboren sind. Auf jeden Fall tragen sie selbst dazu bei, dass sie abgegrenzt werden. Es gibt aber auch rassistische Motive seitens der Aufnahmegesellschaft. Die Gründe sind vielfältig.

Kommentarfunktion geschlossen