Gedemütigte und abgehängte Nichtwähler

„Die heutigen Wahlverweigerer haben nichts gegen die Demokratie. Es ist nur nicht mehr ihre.“ Mit diesem bedrückenden Statement beschließt Bascha Mika ihre lesenswerte FR-Kolumne „Zerbrochene Gesellschaft„. Diese Wahlverweigerer, das ist neu, gehören zunehmend einer bestimmten sozialen Schicht an: den Abgehängten, den Geringverdienern, dem Prekariat. Diese Menschen beteiligen sich nicht mehr an den politischen Prozessen in Deutschland. Allzu lange wurde Politik zu ihrem Nachteil über ihre Köpfe hinweg gemacht. Die Realität scheint für diesen Menschen trostlos zu sein. Das meint auch der folgende Leserbrief:

Gedemütigte und abgehängte Nichtwähler

von Rainer Boos aus Eschborn

Ihre Analyse dieser verheerenden Entwicklung trifft den Nagel auf den Kopf: Trotz mancher Krokodilstränen aus den etablierten Parteien ist es eine gewollte Entwicklung, dass die durch den Neoliberalismus Abgehängten in Resignation versinken und den Wahlurnen fernbleiben. Der Sozialzyniker Roland Koch hat dazu einmal offen sinngemäß gesagt: „Solange die Richtigen zur Wahl gehen, ist mir die geringe Beteiligung egal!“

So dürfte auch die in Berlin der Wahl entgegenlavierende Pfarrerstochter für Agitation und Propaganda denken, nur sagen würde sie das natürlich so nicht. Aber mit den Parteien mit dem verlogenen C im Namen und ihrem marktliberalen Anhängsel FDP muss man sich in diesem Zusammenhang nicht beschäftigen, weil es nicht lohnt. Interessanter ist doch die Rolle der Sozialdemokraten, die diese Entwicklung mit Blair in England und Schröder, Müntefering, Steinmeier und dem unsäglichen Clement nach Kräften befeuerten, nachdem Lafontaine, dessen damalige finanzpolitische Weitsicht man heute nur bewundern kann, europaweit der Lächerlichkeit preisgegeben und, so aus dem Amt getrieben, dann noch dreist als Deserteur denunziert wurde. Zudem wurden die wenigen parteiinternen Kritiker wie Othmar Schreiner und Hermann Scheer eiskalt ins Abseits gestellt. Als dann nach Schröders fataler Agendapolitik mit Andrea Ypsilanti zumindest in Hessen wieder etwas Hoffnung aufkeimte, wurde sie unter tätiger Mithilfe der Medien von der eigenen Parteirechten gemeuchelt.

Verlorene Glaubwürdigkeit Was also kann diese SPD tun, um den enttäuschten und häufig zutiefst gedemütigten Nichtwählern wieder eine Perspektive zu bieten? Wenig oder gar nichts, was einen schnellen Wandel herbeiführen könnte, weil es unendlich schwer sein dürfte, verlorene Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen, hat sie doch viele Menschen, die ihr lebenslang vertraut und die Treue gehalten haben, auf dem Altar eines marktliberalen Wahns geopfert und ihnen so die politische Heimat genommen. Seit vielen Jahren schwadronieren Sozialdemokraten darüber, dass Wahlen nur in der Mitte gewonnen werden, auch das, wie Bascha Mika schreibt, ein klares Signal an das „untere“ Viertel: Wir wollen euch nicht und wir brauchen euch nicht!

Rätselhaft bleibt, warum die Linke beim Einsammeln möglicher Proteststimmen so merkwürdig kraftlos wirkt, wohl auch, weil die „Kommunistenangst“ des kalten Krieges zur Freude der Herrschenden noch immer auf Knopfdruck prächtig funktioniert. Entgegen dem Leitartikel von Arno Widmann vom selben Tag, wonach die deutsche Mittelklasse angeblich nicht tatenlos der Verarmung weiter Bevölkerungsschichten zuschaut, muss man doch bei nüchterner Betrachtung erkennen, dass die Mitte in der Regel mit Achselzucken reagiert und ansonsten der Parole „Rette sich wer kann!“ anhängt. Und die Eliten sorgen derweil für das eigene Wohlergehen mit einer Nonchalance, die diese Gesellschaft zum Selbstbedienungsladen der oberen Klassen verkommen lässt.

Armes Deutschland, und ein Ende ist nicht in Sicht.

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53 Kommentare zu “Gedemütigte und abgehängte Nichtwähler

  1. Das Thema scheint momentan en vogue zu sein. Ich hatte schon vermutet, daß es auch im FR-Blog angeschnitten wird, nachdem ich letzten Freitag Georg Diez‘ Kolumne im SPON gelesen hatte.

    http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/georg-diez-ueber-die-bundestagswahl-und-das-politische-system-a-912025.html

    Georg Dietz zielt auf mangelnde Alternativen, die ihm den Gang zur Wahl verleiden. Rainer Boos bringt mangelndes Vertrauen der Wähler in ihre jeweilige Stammpartei als weiteren Grund hinzu. Das eine leitet sich aus dem anderen ab, denn wenn die Unterscheidbarkeit nicht mehr gegeben ist, schwindet auch das Vertrauen, denn die politische Orientierung ist für die Wähler perdu. Die Folge ist in jedem Fall der stille Tod der Demokratie.

    Eigentlich sollte man meinen, daß es eine Ehre und Pflicht sei, zur Wahl zu gehen angesichts der Tatsache, daß andernorts autoritäre Regime den Menschen die Knochen im Leib verdrehen, wenn sie freie Wahlen und Demokratie fordern. Dazu müßte es aber auch eine Wahl geben und nicht die Entscheidung zwischen unterschiedlich gefärbtem Einheitsbrei. Kein Wunder, daß die Leute scharenweise den Wahlen fern bleiben. Wegweiser, auf denen „Alle Richtungen“ steht, sind eben keine, auch nicht politisch.

    Die Demokratie stirbt nicht durch den großen Paukenschlag einer Revolution oder eines Putsches, sie stirbt auch nicht durch den Sicherheitswahn der Polizeiminister. Sie stirbt langsam und still am Frust und Gefühl der Hilflosigkeit der Wählerschaft gegenüber einer inzwischen auf das Niveau von Werbefernsehen nivellierten Politik, an durch nichts mehr außer ihren Kürzeln unterscheidbaren Blockparteien und auf Stromlinienform reduzierten Politikern, die den Lobbys der globalisierten Machteliten und Großkonzerne dienen und ansonsten vor Hilflosigkeit über den realen Problemen und Anforderungen der aktuellen Welt die Augen verschließen wie alle anderen auch.

    Von Berlin über die Landeshauptstädte bis in die Kommunen herrschen längst kleine Wahlmonarchen, Wahlvögte und Bastakraten, alle vier bis fünf Jahre abgenickt werden oder durch jemand anderes von ihrem Schlage ersetzt werden. Wir sind auf dem besten Weg oder schon mitten drin in einem Neofeudalismus mit allen Nebenerscheinungen, insbesondere einer wachsenden Schicht von Ungebildeten und Leibeigenen. Der Anspruch eines demokratischen Volksstaates steht nur auf dem Papier, hier und da schaffen Obergerichte zur Wahrung des Scheins mit Urteilen zu Bürgerrechten noch mal einen kleinen Lichtstrahl.

    Nichtwähler zeigen nur eine Reaktion, sie sind ber keinesfalls das Problem.

  2. „wohl auch, weil die “Kommunistenangst” des kalten Krieges zur Freude der Herrschenden noch immer auf Knopfdruck prächtig funktioniert. “

    Das ist ein ganz wesentlicher Punkt , nicht nur in Bezug auf die Linkspartei.

    Man muß schon auch in aller Deutlichkeit sagen , daß die Wahlverweigerung der „Abgehängten“ zu einem nicht geringen Teil mit der bei vielen Arbeitnehmern verbreiteten Mentalität zu tun hat.
    Nirgends hört man so viele dumme Sprüche über Arbeitslose , faule Strudenten , über demokratisches Gequatsche, usw.usw.
    Überraschenderweise gerade bei den Prekären gibt es einen weitverbreiteten Hang zum Radfahren , also nach oben buckeln und nach unten treten , und das hat dann eben Folgen, linke Kräfte werden da trotz der massiven eigenen Probleme nicht so gern gesehen.

    Niemand steht neben den „Abgehängten“ mit einer Pistole und hält sie von der Wahl fern oder von der Teilnahme an der Diskussion im Netz oder an Demonstrationen.

    Das alleine reicht nicht , um die Situation zu erklären , mindestens genauso stark ist der Druck des Systems ,und völlig unterschätzt wird auch die verbreitete Suchtproblematik im (gesamten) Arbeitnehmer-Bereich , es macht nur keinen Sinn , die „Abgehängten“ ausschließlich als Opfer zu betrachten .

  3. eine Ergänzung zu Herrn Boos:
    Andrea Ypsilanti ist nicht „gemeuchelt worden“ sondern ein Opfer ihrer eigenen Ungeschicklichkeit. Wenn man als Spitzenkandidatin eine eindeutige, unmissverständliche Aussage vor der Wahl direkt danach ins genaue Gegenteil umkehrt, spricht das nicht für politisches Gespür.
    Ob Frau Ypsilanti eine Hoffnungsträgerin war, ist mit der Frage zu verbinden: Für wen?

    Es gab meiner Erinnerung zufolge sogar im Stern eine Kolummne, worin Frau Ypsilanti ausdrücklich zu dieser Kehrtwende aufgerufen wurde, also von einem Meucheln der Medien, kann doch nicht die Rede sein.

    Lafontaine bewies im Zusammenhang mit der bevorstehenden „Deutschen Einheit“ wirklich Weitsicht, indem er ein behutsameres Vorgehen als das vom großen Oggersheimer praktizierte Hauruck-Verfahren vorgeschlagen hatte.
    Finanzpolitisch hatte Lafontaine auch nur das magische Wort von der „Zinssenkung“ im Munde. Wohin Zinssenkungen führen, wird uns gerade seit Jahren von der EZB im Großexperiment vor Augen geführt.

    Die Wahlunlust hat sicherlich auch etwas mit dem Bildungsstand zu tun. Aber nicht nur. Die großen Parteien werden immer ununterscheidbarer. Etwas überspitzt formuliert, könnten CDU/CSU und SPD fusionieren unter Bildung des DEB (Deutschen Einheits-Breis).
    Es mangelt an Alternativen. Was bietet Die Linke außer neuer Umverteilung?

    Noch eines kommt hinzu.
    Ein deutliches Defizit an Demokratieverständnis. Es gibt nämlich kein Korrektiv namens Volksabstimmung. Eine politische Beteiligung des Volkes an maßgeblichen Entscheidungsprozessen sieht anders aus. Das fade Argument, Volksentscheide hätte die Weimarer Republik in den Abgrund gestürzt, erinnert an eine Heiligsprechung einer völlig verqueren Doktrin. Würde diese Doktrin stimmen, dann müsste beispielsweise die Schweiz schon seit ewigen Zeiten im Abgrund versunken sein.

    In Wahrheit fürchten die Parteien (mehr oder weniger alle im Bundestag vertetenen) Volksentscheide wie der Teufel das Weihwasser.
    Das Volk, der angebliche „Souverän“, ist nur alle paar Jahre für einen Tag Souverän, aber nur, wenn es sein Kreuzchen auf dem Wahlzettel an der richtigen Stelle hinterlässt.
    Wenn nicht, dann wird das Volk beschimpft.

    Wir leben in Deutschland nicht in einer parlamentarischen Demokratie, wie man uns weiszumachen versucht, sondern in einer Art Parteiendiktatur.
    Wie elend es um die Demokratie in Deutschland bestellt ist, zeigt sich, wenn sogenannte „Abweichler“ mit Drohungen und Beschimpfungen auf Kurs gebracht werden. Außerdem gibt es noch das Zuchtmittel namens Fraktionszwang. Und dann gibt es noch das Disziplinierungsinstrument namens Listenplatz, genauer gesagt, des sicheren Listenplatzes.

    Bei den „Prekären“ gibt es anscheinend einen weitverbreiteten Hang zum Radfahren, aber ist das verwunderlich? Vermutlich macht sich bei ihnen, wie auch bei vielen anderen Nichtwählern, das frustrierende Gefühl von Hilflosigkeit und Ohnmacht, an der Politik irgendetwas ändern zu können breit. Das Wahlvolk empfindet sich als Verfügungsmasse, über die ohne Befragung einfach bestimmt wird.

    Das parlamentarische System (genauer gesagt das Parteiensystem) hat sich schon seit geraumer Zeit verselbstständigt. Das jüngste Beispiel der Selbstbedienungsmentalität wird anhand der „Überhangmandate“ demonstriert. Die Zahl der Bundestagsabgeordneten wird deutlich zunehmen. Man vermehrt sich von selbst.

    Zum Abschluss eine Anregung:
    Die Zahl der Bundestagsmandate müsste streng linear an die Wahlbeteiligung gekoppelt werden. 100 % Wahlbeteiligung 100 % der Mandate. Geringere Wahlbeteiligung würde zu einer entsprechenden Verringerung der Mandate führen.

    Ich gebe ja zu, es bleibt ein Wunschtraum. Aber darf man nicht Träume haben?

  4. Ich hätte als Trost noch einen „one for the road“ mitzugeben, stammt nicht von mir, sondern von dem verehrten Matthias Beltz:

    Ich möchte die Menschen auf Ihrem Weg (zur Wahlurne?, Anmerkung W.F.)
    – von der Hoffnungslosigkeit
    – über die Trostlosigkeit
    in die Aussichtslosigkeit begleiten.

  5. Bitte meinen ersten Beitrag ersetzen – waren etliche Fehler drin. Danke

    Um als bekennender Linken-Wähler die Frage von RuneB im Beitrag # 3 zunächst zu beantworten:
    „Was bietet Die Linke außer neuer Umverteilung?“ – Natürlich wird ein Millionär die Linke nicht wählen, weil dann von ihm nach unten umverteilt würde. Doch ebenso natürlich nur dann, wenn es der Linken gelänge, genügend Stimmen einzuheimsen, um dann mit einem Koalitionspartner ihrer Wahl die neue Regierung zu bilden.

    Otto-Normalverdiener hat von einer „neuen Umverteilung“ seitens der Linken nichts zu befürchten – diese wurde seitens des neoliberalen Parteienblocks von CDU-FDP-SPD und Grünen bereits von unten bis weit in die Mittelschicht hinein besorgt, siehe alle rot-grünen Gesetze unter Schröder-Fischer, die MWSt.-Erhöhung von schwarz-rot und die weitere Umverteilung von schwarz-gelb. Was spricht gegen die Linken-Forderung nach einem MIndestlohn von 10 Euro, nach einer Bürgerversicherung, nach Wiederherstellung der früheren Stabilität der gesetzlichen Altersrente, nach Wiedereinführung der Vermögenssteuer? Aber ich will hier nicht Wahlkampf machen, sondern nutze diese Fragen als Überleitung zu möglichen Erklärungen, warum sich immer mehr WählerInnen entscheiden, nicht mehr wählen zu gehen.

    Betrachten wir doch einmal die Voraussetzungen: Ein potientieller Wähler und einigermaßen gebildeter Mensch, der auch über historisch-wirtschaftliche Kenntnisse verfügt, daraus Zusammenhänge ableitet, sich aus unterschiedlichen Medien über unterschiedliche Aussagen und Standpunkte informiert, mit diskutiert und debattiert und sich vielleicht sogar in Parteien oder NGOs engagiert, wird sich die Frage: „Gehe ich wählen?“ nicht stellen – er bzw. sie geht. Im Bürgertum gibt es immer noch eine Tradition, in kirchlichen Milieus genauso, weil es ja Parteien mit dem „C“ zu wählen gilt. Und in Arbeiterkreisen war es früher Tradition, sonntags den Anzug anzuziehen und dann SPD zu wählen, oder vereinzelt hier im Westen auch DKP.

    Doch die Milieus haben sich vermischt, aufgelöst oder nur noch rudimentär vorhanden. Und den typischen Bildungsbürger von früher gibt es nicht mehr. Stattdessen finden wir in allen Gruppen und Schichten eine neue Form von Un-Bildungs-Bürger. Dieser twittert über den neuen Namen des Royal-Babys, über die Form des Keepers von Borussia, schaut Schrott-Sendungen im TV und tendiert bei Fragen zu für ihn möglicherweise auch bedeutsamen potentiellen Politiker-Aussagen zu „ist mir wurscht“ über „die machen doch sowieso, was sie wollen“ bis hin zum „Mutti macht das schon“.

    Jetzt wäre es grundverkehrt, die Wahlenthaltung nur bei den Uninteressierten oder Unwissenden anzusiedeln. Es sind auch die Enttäuschten, die von früher her in den Parteien gestandene Charaktere wie Adenauer und Erhardt, Brandt und Wehner, Flach und Hirsch, etc., kannten, und bei und in den heutigen Polit-Darstellern nur noch (Vor-)Gaukler, Abspringer (in den nächsten hochdotierten Posten in der freien Wirtschaft, nachdem man im Amt vorher schon sich durch Lobby-Vorarbeit seine Meriten verdiente) oder Am-Sessel-klebende Hinterbänkler sieht und ausmacht. Auch wer erwartet hat, daß nach der WV eher ehem. DDR-Bürgerrechtler zur Politik stoßen und frischen Wind hinein bringen, wurde ent-täuscht, weil sich hier eher der Apparatschik-Typ breit machte – siehe Merkel.

    Ich hege leider auch keine Hoffnung auf Besserung. Im Polit-Betrieb wird abgeschliffen, ob man will oder nicht. Und wenn man nicht will, wird man fallengelassen oder raus gedrängt, weil niemand Nestbeschmutzer haben will. Ein paar Leuchttürme, so wie Ströbele, Baum, oder der verstorbene Schreiner dürfen dann weiter funkeln und als Aushängeschild für die richtige, pragmatische Politik, dienen.

    Im Übrigen habe ich das auch hier im Blog schon formuliert: Politik wird eigentlich eher in den Vorstandsetagen von Springer, Bertelsmann oder Deutsche Bank gemacht und die Vorschläge dann von der INSM ausgearbeitet. Eigentlich sollten die dann auf dem Wahlzettel stehen – wäre klarer.

  6. Nach dem Absterben der Debattenkultur in der Ära Kohl, dem vorübergehenden Verstummen der Linksintellektuellen nach dem triumphalen Fall der Mauer, da war ROT-Grün eine gewisse Hoffnung auf eine Belebung der öffentlichen Diskurse über mögliche Gesellschaftsformen und Veränderungen als Alternative zu den bekannten Achsen. Um so größer war die Enttäuschung. Nicht nur wegen der Hinwendung zu einem ökonomischen Neoliberalismus in der Wirtschaft, sondern hauptsächlich wegen der Ökonomisierung aller sozialen Bereiche, die zu einer katastrophalen Menschenhaltung führten. Bei gleichzeitiger (nicht funktionierender) Überformalisierung durch (zum Fälschen verführenden) Ausfüllen von Leistungsbögen zur Qualitäts- und Leistungserfüllung. Heute liest sich die Selbstdarstellung einer sozialen Einrichtung wie ein abgeleiertes Parteienpamphlet, aufgefüllt mit Worthülsen. Gerade in den selbst organisierten Basisprojekten konnte man leidvolle Erfahrungen machen. Das war und ist so ekelhaft, dass ich rot-grün nicht mal als kleineres Übel empfinde, sondern als Schrecken. Schwarz-Gelb brauchte da nur noch zuzugreifen und den ganzen Mist vertiefen. Da erwacht eher der Anarchist in mir als der reflektierte Wähler. Die Linke als Alternative? Als Korrektiv dieser Auswüchse? Ach, ich hab die gesamte Parteienlandschaft satt mit ihrem Geklüngel, Grabenkämpfen und übrigem Gedöns. Es bleibt eigentlich nur die außerparlamentarische Opposition, in der sich (vielleicht) kluge Köpfe versammeln, die mehr wollen, als nur ihre eigene Suppe kochen.

    Mit freundlichen Grüßen aus der bildungsfernen Schicht.

  7. # 6, I. Werner: Warum kokettieren Sie mit „aus der bildungsfernen Schicht“. Wenn ich ein System zu wählen hätte, wäre auch ich für eine eher basisdemokratische Struktur mit Plebiszit-Möglichkeiten, als für diese Parteien, nein, eher noch: durch Lobby gelenkte Demokratie, genannt parlamentarische Demokratie. Allerdings habe ich bei der praktischen Umsetzung so meine Zweifel. Wieviele sind denn bereits, sich inner- oder außerparlamentarisch zu engagieren? Wieviele gehen „uff die Gass“? Wieviele verteilen Aufrufe von LOBBYCONTROL usw. im Netz oder legen Handzettel aus? Und wieviel wird davon überhaupt von den Leuten auf- und angenommen? Wie bequem sind wir geworden, weil doch alles „irgendwie“ so ganz gut läuft, es sei denn, man ist Aufstocker, Hartzer oder ein anderer Ausgegrenzter? Auch wenn ich mir in der Linken mehr Lafontaine und Wagenknecht wünschen würde, habe ich doch seit Jahren seit Gründung der WASG mich immer eingemischt und auch mitgemischt. Alles, was Sie kritisieren an Geklüngel, Grabenkämpfen und Gedöns gibt es auch dort. Aber das alles gibt es auch hier im FRBlog. Und das ist gut so, weil ich es spannender finde, mich auseinander zu setzen und sich dann vielleicht doch zusammen zu raufen, als nur die Faust in der Tasche zu ballen. Auch ich bin mit manchem innerhalb der Linken nicht einverstanden, so z.B. das starre Festhalten am Euro, wo sich dieser doch eher als Sprengstoff für Europa denn als Bindemittel erweist. Aber deshalb gar nicht zu wählen, kommt für mich nicht in Frage. Auch Sie hätten ja eine Alternative, die ich bereits im anderen Blog genannt habe: Das Kreuz im bzw. über den Wahlzettel etwas größer machen. Diese „ungültig“ Entscheidung wird nämlich gewichtet, das Nichtwählen nicht.

  8. zu # 5 Wolfgang Fladung
    Die von Ihnen genannten Punkte: Mindestlohn, Bürgerversicherung, Rentenstabilität etc. müssten ja auch finanziert werden. Glauben Sie allen Ernstes, es würde ausschließlich Millionäre treffen?

    Es würde wieder jene, die jetzt schon die Hauptlast an Steuern und Abgaben zu schultern haben, treffen.

    Deshalb habe ich es gewagt, das verkürzt als neue Umverteilung zu bezeichnen. Ich gebe mich da keinen Illusionen hin. Die Linke zeigt uns keinen Königsweg, den gibt es vermutlich gar nicht.

    Freuen wir uns auf das Versenken von Milliarden € in der Ägäis (nach der Wahl im September). Dafür haben wir ja Geld!

  9. # 8, runeB: Nein, es würde nicht „nur“ Millionäre treffen, sondern auch Gutverdiener. Die Grenzen werden ja im Programm ausgewiesen, natürlich bezogen auf das zu versteuernde Einkommen. Kennen Sie den Begriff „soziale Gerechtigkeit“? Ein funktionierender Sozialstaat muß Steuern und Abgaben gemäß der Leistungsfähigkeit erheben, so wie es z.B. die Nordländer tun. Auch die Schweizer Rentenversicherung für alle kann da Vorbild sein. Wenn wir es allerdings nicht schaffen, hier einigermaßen Gerechtigkeit bei der Bemessung von Steuern und Abgaben walten zu lassen, könnten wir auch hier auf Zustände zusteuern mit mehr gewaltsamen Protesten derjenigen, die keine Lust mehr haben, die Hauptlast der Staats-Finanzierung zu tragen. Ich wäre schon mal damit zufrieden, den sogenannten Mittelstandsbauch, also die sogenannte „kalte“ Progression abzuschaffen und dafür den Spitzensteuersatz auf 49% anzuheben – müssen nicht gleich 53% sein. Und die Bürgerversicherung würde privatversicherte Besserverdiener belasten und in den gesetzlichen Kassen versicherte entlasten, weil AOK & Co. sowieso nur noch eine Art Basisversicherung liefern.

    Wir „versenken“ übrigens die Milliarden nicht in der Ägäis, sondern bei internationalen Banken, Hedgefonds und anderen Spekulanten. Und der Einfluß der Reichen (nicht nur der Reeder) ist vergleichbar mit dem Einfluß der Vermögenden bei uns. Genau diese Gesellschaftsschicht schafft es immer und überall, sich von einer gerechten Beteiligung an der Finanzierung des (nicht nur Sozial-)Staates, durch ihren Einfluß freizukaufen. Genau dafür oder besser dagegen tritt die Linke an, kämpft aber höchstwahrscheinlich gegen Windmühlen. Es ist ja auch leichter, durch die BLÖD-Zeitung irgendwelche Hartzer an den Pranger zu stellen, als Zumwinkel, Maschmeyer & Co.

  10. zu # 9 Wolfgang Fladung

    Soweit ich in Erinnerung habe, gibt es auch in Deutschland einen Begriff namens Steuerprogression. Wer mehr verdient, zahlt auch mehr Steuer.

    Ich kann Ihnen versichern (auch wenn Sie mir das nicht zubilligen wollen), den Begriff „soziale Gerechtigkeit“ zu kennen. Es fragt sich nur, wer diesen Begriff und wie er ihn definiert. Derjenige, der zahlen muss, sieht das sicherlich anders, als derjenige, der nehmen will.

    Gleiches (Progression) gilt (bis zu den Beitragsbemessungsgrenzen) für die Sozialabgaben, auch da muss derjenige mit einem höheren Einkommen mehr zahlen.

    So ungerecht, wie Sie das System darstellen, ist es nun wirklich nicht. Die Gesamtlast summiert sich schon für Arbeitnehmer mit einem mittleren Einkommen auf beträchtliche Beträge. Wird diese Last weiter erhöht, dann kann es durchaus zu Arbeitsplatzverlagerungen ins Ausland kommen.

    Wer legt denn fest, wer „Gutverdiener“ ist. Wohl „Die Linke“?

    Sie sollten bitte die Ägäis nicht zu wörtlich nehmen. Selbstverständlich wird kein Euro ins Meer geworfen. Aber diese Milliarden werden wir alle noch zu spüren bekommen. Dessen bin ich mir sicher.
    Die internationalen Banken halten auch Staatsanleihen, die die diesen Namen nicht verdienen. Schrottpapiere. Ausgegeben in Euro. Da schließt sich der Kreis wieder.

    Nach der Wahl wird es für Griechenland einen Schuldenschnitt geben, mit deutschen Steuergeldern. Entgegen allen jetzigen Beteuerungen. Warten wir es ab.

  11. @ runeB

    „Derjenige, der zahlen muss, sieht das sicherlich anders, als derjenige, der nehmen will.“

    Derjenige, der zahlen muss, sollte erkennen, dass das letztlich auch seinem Wohl dient, denn mit seinen Steuern finanziert er ein Gemeinwesen und letztlich den sozialen Frieden, und von beidem profitiert er. Es geht ja nicht darum, dass sich faule Menschen mit dem Geld, dass den Besserverdienern genommen wird, ein gutes Leben sollen machen können. Sondern es geht darum, gerechte Bedingungen für alle zu schaffen. Erst jüngst hat die OECD Deutschland mal wieder in einer fürchterlichen Studie bescheinigt, dass seine sozialen Schichten undurchlässiger sind als in fast allen anderen EU-Ländern. Junge Menschen aus bildungsfernen Schichten schaffen den Aufstieg selbst dann schwerer als in anderen Ländern, wenn sie begabt sind. Dadurch gehen der Wirtschaft Talente verloren, das Land hemmt sich selbst in seiner Weiterentwicklung. Die Sache mit dem Fachkräftemangel ist hausgemacht.
    Mit Ihren Steuern, runeB, finanzieren Sie die Infrastruktur dieses Landes, also Straßen, Brücken, Schienen, Schulen, Universitäten, soziale Einrichtungen, Kommunen, den Bund – das ganze Land eben. Daher müsste auch Ihnen daran gelegen sein, dass eine gewisse Umverteilung passiert, denn die bildungsfernen, verarmten Milieus wachsen und wachsen. Daraus entsteht eine Gefahr für die Demokratie und die Stabilität dieses Landes. Wenn 40 Prozent der Menschen nicht mehr wählen gehen, sollten die Alarmglocken aber so was von laut läuten, dass auch Sie aufwachen.
    Solche verkrusteten Strukturen aufzubrechen, muss die Aufgabe einer wahrhaft verantwortlichen Politik für Deutschland sein. Die Leute müssen gefördert werden. Nicht indem man Ihnen mehr Geld gibt, das sie dann für wer weiß was ausgeben, sondern indem man ihnen Bildung und Qualifikation anbietet. Das lohnt sich für alle, und der soziale Frieden wird gesichert, wenn die Menschen Chancen für sich sehen.

  12. Danke Markus B., # 11, für den Support.

    http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/dgb-zwei-millionen-deutsche-beziehen-dauerhaft-hartz-iv-a-912748.html, und ergänzend dazu: http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/geringverdiener-jeder-vierte-deutsche-muss-fuer-niedriglohn-arbeiten-a-913074.html. Da hole ich mir doch glatt einen runter, auf dieses Land, mit seiner ach so tollen Gerechtigkeit und ach so tollen Leistungsträgern, die nach wie vor mit der Einstellung hausieren gehen, daß die Billiglöhner und Hartzer irgendwie doch an ihrer Situation selbst Schuld sind. Hätten sich ja ein anderes Elternhaus aussuchen können.

    Und runeB, # 11: Ja klar gibt es eine Steuerprogression. Deshalb habe ich ja auch den „Mittelstandsbauch“ angesprochen, weil dieser überproportinal sich an den Allgemeinkosten des Staates beteiligt. Und, wenn Ihnen das entfallen sein dürfte, ab 42% endet die Progression, da bleiben dann dem Multimillionär genug Scheinchen übrig, um nicht am Hungertuch zu nagen. Notfalls kann er ja Taucher zum Billiglohn anstellen, die die Euros dann aus der Ägäis fischen.

    Zu „Arbeitsplatzverlusten“ kommt es ja nicht, weil die Menschen zu viel Steuern und Abgaben zahlen, sondern weil die Arbeitgeber nicht einsehen, daß sie sich paritätitsch an den Sozial- und weiter Gemeinkosten einer funktionierenden und solidarischen Gesellschaft beteiligen müssen. Da gilt immer noch die Devise: Sollen doch die anderen, die Dummen, zahlen. Und notfalls macht man es wie in den USA: Gatet Areas mit privatem Sicherheitsdienst.

    „Gutverdiener“ definiert nicht die Linke, sondern die Statistik, und je nach Farbenlehre natürlich die Politik. Wenn das Durchschnittseinkommen lt. BfF 2012 rund 28.950 Euro betrug, dann wurde damit auch definiert, daß ein gut verdienender Single ab einem – zu versteuernden !!! Einkommen von € 55.000 dann den Spitzensteuersatz von 42% zu zahlen hat. Über diese Grenze lasse ich gerne mit mir reden, wenn wir uns darauf einigen, die Spitzenverdiener mit einem Einkommen von mehr als 225.000 Euro im Jahr höher zu besteuern.

    Es geht doch eigentlich nicht darum, wieviel jemand in und für das Land, in dem er lebt, und von welchem er selbstverständlich auch eine gesunde und funktionierende Infrastruktur verlangt, zu zahlen bereit ist. Es geht darum, was übrig bleibt. Und das gilt für Singles wie für Familien.

    Aber da sieht jeder die Dinge aus seiner eigenen Perspektive. Bin ich Elternteil von zwei Geschwistern, und gebe jedem die Hälfte einer Tafel Schokolade, ist es o.k. Gebe ich nur einem die ganze Tafel, und fordere das Kind auf, seinem Geschwister doch etwas abzugeben, wird gemault. Irgendwie menschlich, oder?

  13. @Markus B.

    Damit keine Unklarheiten aufkommen, ich stimme mit Ihren Ausführungen im Wesentlichen völlig überein. Was mich stört, und ich werde versuchen es auch zu begründen, ist die Begrifflicheit „bildungsferne Schichten“, wobei ich hoffe, damit nicht über Gebühr das Thema zu „strapazieren“. Mit den „bildungsfernen Schichten“ verhält es sich ähnlich wie mit den „sozial Schwachen“. Das ist die Sprache der neoliberalen Begriffsverunstalter, und diese Sprache wird auf breiter „Front“, in den Medien, der Wissenschaft, der Politik sowieso, aber auch von den vorgeblich „Dazugehörigen“ (bewusst und gewollt?) nachgeplappert. Und genau das ist von der neoliberalen Glaubensgemeinde und ihrer „Gottheit“, dem Markt, auch so beabsichtigt. Schon durch die Begriffswahl sollen die Unterschiede zwischen der so genannten (Leistungs)Elite einerseits, und den Niedrig- Minderleistern andererseits deutlich gemacht werden. Zu der zweiten Kategorie gehören natürlich auch die Faulen, Arbeitsscheuen, Sozialschmarotzer, zusammengefasst unter der Begrifflicheit „Hartzer“.

    Den Begriff Schichten auf Menschen angewandt, diffamiert, diskriminiert, grenzt aus und ab. Es gibt Erdschichten, Arbeitsschichten, Schichtsalat, aber keine Menschenschichten. Mag sein, dass meine Befürchtungen übertrieben erscheinen, aber ich bin der Auffassung, dass gerade in diesem Land mit seiner Geschichte nicht von Schichten geredet und geschrieben werden sollte, wenn es um Menschen geht. Es ist ja schon in den normalen Sprachgebrauch eingegangen, dass von der Unterschicht, Mittelschicht und Oberschicht die Rede ist. Der nächste Schritt ist dann Untermensch, Mittelmensch, Obermensch bzw. Herrenmensch. Danach ist es nicht mehr weit, und es geschieht ja auch bereits, sogar immer häufiger, Menschen nach ihrer Wertigkeit, Effizienz, ökonomischen Nützlichkeit und Verwertung einzuordnen: Wert, weniger Wert, gar nix Wert bzw. Unwert. Ähnliches gilt übrigens auch für die diffuse Begrifflichkeit sozial Schwache, womit wohl Einkomenschwache bzw. sozial Benachteiligte gemeint sind. Menschen als sozial schwach zu bezeichnen, nur weil sie ein geringes Einkommen haben, von staatlichen Transfers leben, ist eine Diskriminierung. Eine Frau z.B., die Hartz IV bezieht, und für ihre Kinder eine überaus vorbildliche Mutter ist, verfügt sogar über eine hervorragende soziale Kompetenz bzw. Stärke. Dagegen sind ein Klaus Zumwinkel oder Uli Hoeneß, und von diesen „Leistungseliten“ gibt es eine Menge, und es werden immer mehr, die trotz eines Millioneneinkommens Steuern in Millionenhöhe hinterziehen, mit Fug und Recht als sozial Schwache zu bezeichnen. Der Verderb der Sprache, ist der Verderb des Menschen. Wann werden das Politiker, Journalisten, Talker, Nachrichtensprecher und überhaupt Menschen kapieren, die öffentlich auftreten bzw. sich öffentlich in Wort oder Schrift äußern? Vermutlich wollen sie das aber gar nicht kapieren. …

    Bildungsfern, und nun komme ich aber schnell zum Schluss, sind eher Teile unseres Bildungssystems, nicht nur was die offenkundigen Ungerechtigkeiten hinsichtlich der Chancen von Kindern aus einkommensschwachen Bevölkerungsteilen anbelangt. Kinder und Jugendliche werden mit allerlei Stoff zugedröhnt, woran es aber immer mehr fehlt, ist die Bildung der Persönlichkeit, des Charakters, die Bildung unverzichtbarer menschlicher Eigenschaften wie Solidarität, Mitgefühl, Empathie usw. usw.. Manchmal habe ich den Eindruck, und ich übertreibe jetzt bewusst, dass keine Menschen herangebildet sondern Zombis gezüchtet werden. Wie eingangs schon gesagt, ich stimme Ihnen, wie im Übrigen den meisten Kommentatoren_innen ansonsten zu, wollte lediglich auf die Begrifflichkeiten eingehen, was ich im Übrigen schon seit Jahren tue. Ich weiß schon gar nicht mehr, wie viele Zeitungs- und Fernsehredaktionen usw. ich angeschrieben habe, wenn mal wieder von den … „sozial Schwachen“ oder „bildungsfernen Schichten“ geschwatzt wurde. Antworten habe ich allerdings nur in ganz wenigen Fällen erhalten, und die waren auch lediglich „allgemein“ gehalten. …

    mfg
    Jutta Rydzewski

  14. @ Jutta Rydzewski

    „Den Begriff Schichten auf Menschen angewandt, diffamiert, diskriminiert, grenzt aus und ab.“

    Nöö, er bezeichnet die Dinge einfach nur als das, was sie sind, anders als „sozial Schwache“. Es geht um Menschen, die ganz einfach keine Zeit dafür haben, sich um ihre weitere Qualifizierung zu kümmern, weil sie einfach zu viel arbeiten. Der erste Job reicht nicht, also haben sie einen zweiten – z.B. Putzen nach Feierabend. Jemand, der einmal in dieser Tretmühle ist, kann keine Energie mehr aufbringen, nach Dienstschluss noch eine Fortbildung zu machen. Gucken Sie sich mal die VHS-Kurse an. Da finden Sie die gebildeten Leute, die einen weiteren Kick suchen, ohne es eigentlich nötig zu haben, aber nicht die, an die sich das Angebot der Volkshochschulen von ihrer Idee her eigentlich wendet. Insofern ist der Begriff „bildungsferne Schichten“ für mich klar definiert, und ich bin anderer Meinung als Sie: Es gibt sehr wohl „Menschenschichten“, wie Sie das ausdrücken. Es gab sie immer, und diese Tatsache zu ignorieren, ändert nichts an der Tatsache selbst. Es gibt keine Gesellschaft, in der alle gleich sind.

  15. zu # 11 Markus B.

    Ihre Argumentation ist leider nicht korrekt.
    1.Es wird nicht nur Geld den „Besserverdienenden“ genommen, sondern allen anderen auch. Auch hier erhebt sich die Frage, wer zählt zu den „Besserverdienern“ und wer definiert diese Grenze, ab der jemand „Besserverdiener“ ist.
    Dem Begriff „Besserverdiener“ haftet (wohl auch absichtlich) ein negativer Beigeschmack an. Als ob jemand zu Unrecht besser verdient als andere. Also muss man ihm das wegnehmen. Stichwort: „Soziale Gerechtigkeit“

    2. Wenn das Geld, das den Leuten genommen wird, wirklich ausschließlich für die von Ihnen genannten guten Zwecke verwendet würde, hätten Sie zumindest teilweise Recht.
    Dem ist aber nicht so!
    Nur ein Beispiel: Die Milliarden, die zukünftig in der Euro-Rettung versenkt werden, empfinde ich als unsozial, als unsozial gegenüber deutschen Bürgern. Tut mir leid, aber das ist meine Überzeugung.

    Ihren Ausführungen zufolge stufen Sie mich mutmaßlich als eine Art „sozialen Unhold“ als einen „steuervermeidenden Egoisten“ ein. Andernfalls hätten Sie mich nicht derart zu belehren versucht. Vielleicht haben Sie aber nur aus reinstem Herzen geschrieben, in bester Absicht. Das meine ich keineswegs ironisch! Auf diese Feststellung lege ich Wert.

    Ich kann Ihnen aber versichern, dass Ihre Erläuterungen mir durchaus schon seit vielen vielen Jahren geläufig sind. Die Problematik der an sich ungerechten Welt ist mir rundum vertraut. Da erzählen Sie mir nicht Neues. Ich bin kein kleines Kind, das belehrt werden muss. Das erlaube ich mir hier festzustellen. Vielleicht haben Sie das nicht so gemeint, aber kommt so herüber.

    Zur Wahlbeteiligung möchte ich sagen, dass ich Ihre Befürchtungen seit vielen Jahre hege. Die Politik in Deutschland bewegt sich zunehmend an den Interessen einer wachsenden Zahl von Bürgern vorbei, mit der Konsequenz der Wahlverweigerung.
    Alle wichtigen Themen wurden über die Köpfe der Wähler hinweg verfügt. Und es wird so weitergehen. Leider.
    Ein dagegen wirksames Korrektiv wären Volksentscheide, aber die lösen bei den etablierten Parteien gespenstische Ängste aus.
    Die von Ihnen gewünschte Umverteilung ist doch im Steuersystem und in den zahlreichen Sozialabgaben immanent. Stichwort Progression. Das ist schon mehr als eine „gewisse Umverteilung“. Dies permanent ausblenden zu wollen, geht am Thema völlig vorbei.

    Abschließend erlaube ich mir noch einen Hinweis: „…sollten die Alarmglocken aber so was von laut läuten, dass auch Sie aufwachen“. Also auch ich soll aufwachen, weil ich offenbar intellektuell nicht in der Lage bin, die sich anbahnende Situation zu analysieren.
    Ich überlasse es Ihnen, mich so einzustufen. Wenn es Ihnen in die Argumentation passt.
    Vielleicht war Ihnen aber gar nicht bewusst, was Sie da geschrieben haben und haben das nicht so gemeint. Das unterstelle ich zu Ihren Gunsten.

    Tippfehler bitte ich zu entschuldigen und diese nicht als mangelnde Intelligenz zu interpretieren.

  16. @ runeB.

    Tschuldigung, ich wollte Sie nicht belehren. Mir geht es umgekehrt ganz anders mit Ihnen: Sie wirken in dem, was Sie schreiben, so unbeholfen, dass ich Ihnen einfach gern ein paar Informationen rüberschieben wollte.

    In den guten alten Zeiten der sozialen Marktwirtschaft war es common sense, dass sozialer Friede ein Standortfaktor ist, auch für die Wirtschaft. Man dachte damals: Die Wirtschaft investiert da, wo sie gute, stabile Verhältnisse vorfindet, und man dachte, dass sie auch bereit ist, für diesen Standortvorteil Steuern zu zahlen. Dann kam die Globalisierung, und die stabilen Verhältnisse wurden weniger wichtig als der schnelle Profit. Milton Friedman und seine Chicago Boys haben die ganze Welt verändert. Das ist ein Prozess, der immer noch in Gang ist, und ich habe den heimlichen Verdacht, dass die Euro-Zone die nächste Stufe seiner Entwicklung bringen soll, nachdem sie kollabiert ist.

    Nehmen Sie meine vielleicht etwas forschen Formulierungen also nicht zu persönlich. Sie teilen selbst ganz gut aus und sind sich dessen vielleicht nicht bewusst, dass Sie damit andere verletzen. Dann müssen Sie auch einstecken können, nicht wahr?

    @ Wolfgang Fladung

    Gern.

  17. @14 Markus B.

    Offenkundig hat es nicht viel genutzt, dass ich in meinem Eingangsbeitrag etwas weiter ausgeholt bzw. erläutert hatte, zumal meine Begründungen bei Ihnen scheinbar keine Spuren hinterlassen haben. Dennoch werde ich es sicher zu verschmerzen wissen, dass Sie anderer Meinung sind als ich. Es geht auch nicht ums Putzen nach Feierabend, und auch nicht um gebildete Leute die einen weiteren Kick suchen, sondern um neoliberale Begriffsverunstaltungen, und davon existieren eine ganze Menge, die bewusst und gewollt sind, um systemische Denke in die Köpfe hinein zu hämmern. Natürlich gibt es keine Gesellschaft in der alle gleich sind; dennoch vielen Dank für Ihre „Aufklärung“. In einer solchen Gesellschaft, auch wenn es sie gebe, möchte ich auch nicht leben wollen. In einer Gesellschaft, die sich Begrifflichkeiten aufschwatzen lässt, die nicht nur verunstalten (sollen), sondern schon in Richtung Menschenfeindlichkeit oder gar Menschenverachtung gehen, allerdings auch nicht.

    Achte auf Deine Gedanken, denn sie werden Worte. Achte auf Deine Worte, denn sie werden Handlungen. Achte auf Deine Handlungen, denn sie werden Gewohnheiten. Achte auf Deine Gewohnheiten, denn sie werden Dein Charakter. Achte auf Deinen Charakter, denn er wird Dein Schicksal. (Talmud)

    In diesem Sinne

    mfg
    Jutta Rydzewski

  18. @ Jutta Rydzewski

    Ich habe Sie schon sehr gut verstanden, und ich nehme die Sorge hinter Ihren Worten auch ernst, aber ich mach sie mir nicht zueigen. Der Begriff „bildungsfern“ beschreibt sehr gut, was damit gemeint ist. Indem ich mir die Deutungshoheit über diesen Begriff wegnehmen lasse, akzeptiere ich, dass andere Menschen diese Deutungshoheit beanspruchen, d.h. ich akzeptiere ihre Dominanz. Kommt aber nicht infrage. Leute wie ich haben schon einmal vorgemacht, wie man Begrifflichkeiten kapert. „Schwul“ war einmal ein Schimpfwort, vielleicht erinnern Sie sich noch. Also streiten Sie nicht mit mir über Begrifflichkeiten, sondern über die Sache selbst.

  19. zu # 12 Wolfgang Fladung
    Eine Ergänzung sei gestattet.
    Arbeitsplatzverluste: Die Sozialabgaben bringt alleine der Arbeitgeber auf, sie werden nur im Nachhinein paritätisch aufgeteilt. Eine Hälfte trägt der Arbeitgeber, die andere der Arbeitnehmer. Erwirtschaften muss sie alleine der Arbeitgeber. Sonst niemand.
    Eine Erhöhung der ohnehin nicht geringen Sozialabgaben gefährdet Arbeitsplätze. Dem ist leider so.

    In Sachen Spitzensteuersatz auch eine Ergänzung.
    Wie wäre es, wenn die zahlreichen Abschreibungsmöglichkeiten auf den Prüfstand gestellt würden und endlich eine Vereinfachung des überaus komplizierten Steuersystems vorgenommen würde? Das wäre auch ein Stück mehr Steuergerechtigkeit.
    Ab welchen Prozentsatz die Progression enden soll, ist letztlich eine politische Entscheidung. Gleiches gilt für die Grenze, ab der der Spitzensteuersatz anfällt.

    Wie grotesk eine Progression ausarten kann, sei am Beispiel von Astrid Lindgren, der weltbekannten Kinderbuchautorin gezeigt. Bei ihr endete die Progression bei 101 %. Da wurde sogar der schwedische Finanzminister nachdenklich und stellte fest, da könne etwas nicht stimmen. So weit musste es erst kommen, ehe die Politik reagierte.

    Noch ein Thema zur Steuergerechtigkeit: Es müssten all die Löcher geschlossen werden, mit denen international agierende Konzerne – VW gehört auch dazu – Steuern vermeiden, indem sie Bilanzierungen kreativ gestalten. Und das durch Gründungen von Auslandstöchtern anscheinend ganz legal.

    Steuerdumping innerhalb der EU. Beispiel Körperschaftssteuer. In Irland liegt sie – soweit ich weiß – bei 12%. Bitte mich zu korrigieren, falls ich falsch liege.

    Oder Rückerstattung von Körperschaftssteuern bei Dividendenbezug. Bis zu fünfmal sollen die Körperschaftssteuern (pro Aktie) zurückerstattet worden sein, indem Aktien beim Dividendenabschlag hin- und hergeschoben wurden. Man spricht inzwischen von Milliardenverlusten für den Fiskus. Auichanscheinend ganz legal.

    zu # 16 Markus B.

    Wenn Sie meine Ausführungen gelesen haben, müssten Sie eigentlich feststellen, dass ich mich in Sachen Globalisierung überhaupt nicht geäußert habe.

    Die Globalisierung hat vieles auf den Kopf gestellt. Hinzu kam noch der unselige Hang der Deregulierung. So gab es z.B. tatsächlich Überlegungen, das Kanalnetz in Frankfurt zu verkaufen und zurückzumieten. Weil das angeblich billiger als ein Eigenbetrieb käme. Nach dem Motto, der Investor als Wohltäter. Finanziert über Steuerstattungen in den USA zugunsten des Investors.

    Infolge der Deregulierung wurden die Banken geradezu entfesselt. Beispiel Lehmann Brothers. Es wurden nur noch Finanzwetten angeboten, als angeblich sichere Geldanlage. Die Frankfurter Sparkasse hat für etwa 60 Milionen € derartige Lehmann Wetten unters Volk gebracht. Prozesse zu Rückabwicklungen laufen noch.

    Sogar die EU-Kommission wollte deregulieren und den Betrieb von kommunalen Wasserversorgern europaweit ausschreiben lassen und hat erst auf den wütenden, berechtigten Protest von diesem Zwangsvorhaben Abstand genommen. Das sind nur einige wenige Beispiele einer verfehlten Entwicklung.
    Diese Liste ließe sich noch beliebig fortsetzen.

    Der Globalisierung kann Europa und damit Deutschland sich nicht entziehen, der Deregulierung zumindest zum großen Teil hingegen schon.

    Was mich an der hier geführten Diskussion stört, ist die gebetsmühlenartige Aufzählung von Millionären, Besserverdienern, Gutverdienern, Spitzensteuersatz, Vermögenssteuer usw. Diese Diskussion, hier abzukassieren greift leider zu kurz. Diese Geldbeträge dürften kaum ausreichen, die Ungerechtigkeiten in dieser Welt zu beseitigen.

    Ich habe, Markus B., Ihre Formulierungen nicht persönlich genommen, sondern sie nur interpretiert. Lesen Sie meine Sätze dazu, dann können Sie jedes Mal feststellen, dass ich immer etwas zu Ihren Gunsten angeführt habe.

    Eines verwundert mich, dass Sie mir Qualitäten in Sachen Austeilen zugestehen. Mit Ihnen habe ich doch gar nicht im Clinch gelegen? Vielleicht betrachten Sie sich als „Rächer der Enterbten und Entrechteten“ indem Sie mir mitteilen: „Dann müssen Sie auch einstecken können, nicht wahr?“ Vielleicht wollten Sie auch nur eine Art Retourkutsche gegen mich loswerden. Mein Gott, wass soll´s. Ich nehme Ihnen das wirklich nicht übel.
    Das amüsiert mich eher schon ein wenig, denn Sie haben eingangs meine Formulierungen als unbeholfen deklariert. „Sie wirken in dem, was Sie schreiben, so unbeholfen…“

    Tippfehler bitte ich dem „so Unbeholfenen“zu verzeihen.

  20. Jutta R. und Markus B.: Vielleicht können wir uns darauf einigen, das der Begriff „bildungsfern“ von eben den anderen Schichten unterschiedlich interpretiert wird. Von den oben eher verächtlich, und von denen „unten“ (womit ich nicht die Bildung, sondern eher die soziale Situation sehe) eher als Beleidigung aufgefasst. Aber es geht doch darum, zumindest in der Utopie, diese Bildungsferne durch gute Schulen und konstenlose Universitäten für alle BürgerInnen zu verringern und zu vermeiden. Wobei dabei nicht nur zu definieren wäre – und das wäre sicherlich wieder ein anderes Thema – was „Bildung“ eigentlich bedeutet – Goethe und Schiller rezitieren können? Und diese auch verstehen? Die Werte des christl. Abendlandes verteidigen, und sie den Werten des „un“-christlichen Morgenlandes entgegenhalten?.

    Gäbe es eine humane Gesellschaft, sie hätte schon längst sich um die Nivellierung der Schichten gekümmert und bemüht. Aber beim Homo Sapiens funktioniert das nicht so wie gewünscht. Derselbe benötigt die Unterschiede, eben das Herunterschauen auf Andere, eben „bildungsferne“, Schichten. Und in der Fortführung des Manchester-Kapitalismus braucht man diese ja auch, als billige und – gezwungenermaßen willige – Arbeitskräfte. Auch die schwarz-afrikanischen Sklaven waren ja „bildungsfern“. Also bitte kein Streit unter Linken oder Linksliberalen – Stand up and fight, with all your might (Bob Marley – hallo NSA, ich habe da gerade zum Widerstand aufgerufen, und lasse schön grüßen!)

  21. zu 19, runeB: Da ich selbst jahrelang im Bereich Lohnbüro/Kalkulation in div. Bauunternehmen gearbeitet habe, kenne ich die Kalkulation recht gut. Ausschlaggebend ist doch wohl die Gesamt-Kalkulation, also die sogenannten Lohnstückkosten. Und dabei rechnet der Arbeitgeber nur seinen AG-Anteil der Sozialversicherungsbeiträge ein, und nicht das, was der Arbeitnehmer selbst zahlt. Korrekt? Was Sie bei Ihrem Schielen nach den Arbeitsplatzverlusten anscheinend übersehen, ist die Tatsache, daß das Geld, was den Arbeitnehmern zur Verfügung steht, auch wieder als Ausgabe in den Markt fließt. Demnach dann eben auch letztendlich den Arbeitgebern über die Konsum-Spirale wieder zugute kommte. Wenn Arbeitgeber also versuchen, bei ihren Arbeitnehmern zu sparen, sägen sie den Ast ab, auf dem wir alle sitzen. Wer nichts verdient, oder zu wenig, kann auch nichts ausgeben, also nicht konsumieren, national und international.

  22. zu #21 Wolfgang Fladung

    Ich rede die Arbeitgeber nicht heilig.
    Die gesamten Sozialkosten müssen erwirtschaftet werden, egal wie sie verbucht werden. Und da teilen die Arbeitnehmer das Risiko des Arbeitgebers voll mit. Kalkulation hin, Kalkulation her. Der Arbeitgeberanteil löst sich ebenso wie der Arbeitnehmeranteil nicht in Luft auf.
    Ich bin kein Kaufmann, aber dass Geld sich nicht einfach in Luft auflöst, dürfte auch von Ihnen nicht abgestritten werden können.
    Im Übrigen, ich schiele nicht nach Arbeitsplatzverlusten. Bitte bleiben Sie sachlich.
    Das Geld, das in die Sozialversicherungen fließt, kehrt erst später über die Nutznießer in den Kreislauf zurück.
    Nochmals: Der Arbeitnehmer bekommt sein Geld einschließlich der anteiligen Sozialversicherungbeiträge ausschließlich vom Arbeitgeber und nicht vom „Heiligen Geist“.
    Wollen Sie das abstreiten?
    Bitte halten Sie mich nicht für dümmer als ich wirklich bin. Darum bitte ich.
    Laut neuen demoskopischen Schätzungen werden wir in etwa 15 Jahren eine sehr unangenehme Entwicklung der umlagefinanzierten gesetzlichen Rente haben.
    Sollen wir davor die Augen verschließen?
    Die Alterspyramide können Sie ebenso wie ich nicht beeinflussen. Allenfalls, indem wir beide rechtzeitig abkratzen. Aber dieser Effekt ist marginal. Bitte vielleicht reichen wir uns unter der Erde versöhnlich die Hände. Ich wäre dazu bereit, weil ich Ihre Motive achte.

    Was ich nicht mag, ist diese ewige Leier von Besserverdienern, Gutverdienern, Millionären, Vermögenssteuer, ach ja, es fehlt noch die Erbschaftssteuer um die Serie komplett zum machen. Das ist irgendwie geistlos.
    Das greift einfach zu kurz. Bei allem Respekt. Das lasse ich mir nicht ausreden. Auch von Ihnen nicht.
    Es enttäuscht ein wenig, nichts zu anderen Themen, die in dem Beitrag angeschnitten wurden, gelesen zu haben. Offenbar bleibt es bei der alten Litanei. Eigentlich schade. Erinnert mich an eine Messe in der Kirche. Die ist auch langweilig.

    Tippfehler bittet der „Unbeholfene“ zu entschuldigen.

  23. @runeB #15
    „Dem Begriff “Besserverdiener” haftet (wohl auch absichtlich) ein negativer Beigeschmack an. Als ob jemand zu Unrecht besser verdient als andere. Also muss man ihm das wegnehmen. Stichwort: “Soziale Gerechtigkeit”“ (runeB)

    Wenn unser Ziel die Leistungsgesellschaft ist, in der jeder soviel verdient, wie er verdient, ist das auch richtig so, dass Einkommen ab einer gewissen Höhe nicht ohne Korrektur hingenommen werden können: Wenn ich davon ausgehe, dass (ein willkürliches Beispiel) ein Ingenieur ungefähr nach Leistung bezahlt wird, dann hat jemand, der 100- oder gar 1000mal so viel verdient ein Einkommen, für das er die entsprechende Leistung gar nicht erbringen kann.

    Dass die Steuerprogression zu weit unten anfängt, ist der historischen Dämlichkeit unserer Politiker geschuldet, die im vollen Bewusstsein der zwangsläufigen Geldentwertung die Eckdaten für diese Progression absolut festgelegt haben, anstatt sie dynamisch an das Existenzminimum zu koppeln. Das wollen sie anscheinend auch so lassen, damit ihre Steuerreform-Kommissionen nicht arbeitslos werden. Das nur so als Hinweis zum Mittelstandsbauch.

    Was mir aber wirklich auf den Geist geht, ist die implizite Behauptung, die wirklich hohen Verdienste seien gerecht. Sie sind legal, weil man die Gesetze so gemacht hat, dass sie möglich sind, aber sie können nicht gerecht im Sinne einer Leistungsgerechtigkeit sein, weil es niemanden gibt, der fähig wäre, die hierfür nötige Leistung zu erbringen. So ist die Progression nicht nur im Sinne einer Besteuerung nach Leistungsfähigkeit, wie das Grundgesetz es vorsieht, wir sollten auch lernen, sie als Korrektur im Sinne einer Leistungsgesellschaft zu sehen, die dafür sorgt, dass das Einkommen sich im oberen Bereich wieder in eine Richtung bewegt, in der eine korrespondierende Leistung wieder möglich wird.

    Und ohne jetzt noch ein Buch über die Absurditäten unserer Abschreibungsmöglichkeiten zu eröffnen: Es gibt einen ganz einfachen Maßstab dafür, ob unser Steuersystem gerecht ist: Die berühmte Schere zwischen Eigentums- und Einkommensverhältnissen zwischen „unten“ und „oben“ dürfte sich nicht nur nicht weiter öffnen, sie müsste sich (sehr langsam) um ein gutes Stück wieder schließen.

    Manchmal sind Umverteilungen nötig, wenn man das Ziel einer Leistungsgesellschaft hat, das war bei der Abschaffung der Aristokratie so, und in zwischen haben wir wieder einen Adel, wenn auch einen Geldadel.

  24. zu # 23 Frank Wohlgemuth zu # 12 Wolfgang Fladung #16 Markus B.

    Wenn z.B. ein Assistenzarzt mit einem Jahreseinkommen von ca. 55.000.- € per definitionem in die Kategorie „Besserverdiener“ oder „Gutverdiener“ eingestuft wird, und demzufolge höhere Steuern und/oder Sozialabgaben bezahlen soll, dann erhält der Begriff „Besserverdiener“ oder „Gutverdiener“ einen schalen Beigeschmack.

    Vor allem vor dem Hintergrund, dass besagter Assistenzarzt 12 bis 14 Stunden pro Arbeitstag im Einsatz ist und reichlich Verantwortung zu tragen hat. Überflüssig zu erwähnen, dass die Überstunden entweder gar nicht oder nur zum geringen Teil vergütet werden.

    Einem alleinstehenden Assistenzarzt bleibt von dem Einkommen etwas mehr als die Hälfte. Sieht so soziale Gerechtigkeit aus?
    Es sei auf entsprechende Dokumentationen im Fernsehen hingewiesen.

    Eine Rechtfertigung irgendwelcher Art für die exorbitanten Bezüge von Vorständen in Banken und Unternehmen gibt es nicht. Gleiches gilt für die Spitzengehälter von Fußballspielern, letztlich gesponsort über Fernsehgebühren. Hier herrscht eine erschreckend schamlose Selbstbedienungsmentalität. Auch vermutlich eine Folge der Deregulierungen der vergangenen Jahre.

    Vor diesem Hintergrund habe ich meine oben stehend zitierte Satzfolge formuliert.
    Das nur als Ergänzung, um einen falschen Eindruck zu vermeiden.

    Tippfehler bitte ich zu entschuldigen, sind sicher auch dem Wetter geschuldet.

  25. zu # 13 Jutta Rydzewski

    In der Tat ist der Terminus : „sozial schwach“ eine Herabsetzung derjenigen, auf die er angewendet wird. Eine Kränkung, eine Diffamierung. Und wird leider von Journalisten, Fernsehmoderatoren etc. gedankenlos verwendet.
    Wenn Sie,Frau Rydzewski, Klaus Zumwinkel und/oder Uli Hoeneß als „sozial Schwache“ bezeichnen, dann erweisen Sie diesen Herren noch einen Gefallen. Denn deren Handeln war nicht einmal sozial schwach, sondern vielmehr kriminell und unsozial. Eine Einstufung als asoziale Kriminelle würde ihr Handeln ins rechte Licht rücken. Und das umso mehr, als dass diese Herren die ordnungsgemäße Bezahlung ihrer Steuern hätten mühelos verschmerzen können. Aber es ist halt die Gier, das Verlangen nach immer mehr.

    Bezüglich der „Aufklärung“ durch Markus B. verweise ich auf # 16 Markus B erster Absatz. Nehmen Sie das leicht, vermutlich meint er das gar nicht so in seinem manchmal etwas missionarisch wirkendem Eifer. Er verfolgt sicher nur gute Absichten. Das sollte man ihm stets zugute halten.

  26. @25 runeB

    Gar keine Frage, natürlich sind Typen wie Zumwinkel und Hoeneß nicht nur sozial schwach bzw. asozial, sondern auch im höchsten Grade kriminell, was alleine durch die Strafandrohung bei Steuerhinterziehung (bis zu 10 Jahre) deutlich wird. Und schon sind wir wieder bei den Begrifflichkeiten, wie sie u.a. von den öffentlich-rechtlichen Systemanstalten verbreitet werden. Der „arme“ Uli, der Millionen hinterzogen hat, wird richtig niedlich als SteuerSÜNDER bezeichnet. Aber wehe ein Hartz IV-er „bereichert“ sich ungerechtfertigt um einen Fuffi, dann geht die BILD-Post aber ab: betrügerischer Sozialschmarotzer, Abzocker und Schlimmeres. Aber der „arme“ Uli hat ja ein so großes soziales Herz und hilft wo er kann, heißt es dann. Mir ist bisher nur bekannt, dass das soziale Engagement von Herrn Hoeneß durch den FC Bayern finanziert wird, wie aktuell dieser so genannte Uli Hoeneß Cup. Aber lassen wir das. Übrigens, danke, dass Sie mir den Markus B. „erklärt“ haben.;-)

    Apropos @ Markus B.

    Kurz möchte ich noch auf den letzten Satz Ihrer Zuschrift @18 einzugehen, wonach ich nicht mit Ihnen über Begrifflichkeiten, sondern über die Sache selbst streiten soll. Bevor zur Sache überhaupt gestritten werden kann, muss geklärt sein was Sache ist. Und in diesem Zusammenhang ist die Wahl der Begrifflichkeit natürlich wichtig, und was die „Streiter“ jeweilig darunter verstehen (wollen oder möchten). Wenn z.B. ein Sarrazin, dessen rassistischen Thesen sogar vom Oberguru der Republik, Helmut Schmidt, gelobt werden (Schmidt kritisiert lediglich die nicht ganz tischfeinen Formulierungen Sarrazins), sich über „bildungsferne Schichten“ auslässt, meint er damit etwas völlig anderes als Sie oder ich. Nach Sarrazin und anderen Sarrazynikern können dumme Eltern auch nur dumme Nachkommen haben, und da die Dummen immer zahlreicher werden, insbesondere durch die „falschen“ Ausländer und Migranten, verdummt das ganze Land. Ich will das jetzt hier nicht weiter ausführen, zumal Sie sicher wissen, was in diesem Zusammenhang alles „bedacht“ werden müsste, die deutsche Vergangenheit betreffend. Vielleicht konnte ich (noch) etwas deutlicher machen, warum ich so großen Wert auf die Interpretation der Begrifflichkeiten lege. Mit entstellenden Begrifflichkeiten wird nicht nur im großen Stil manipuliert sondern auch Politik gemacht. In der Sache selbst sind wir nach meinem Eindruck ohnehin nahe beieinander, wie ich bereits in meiner ersten Zuschrift @13 ganz zu Beginn angemerkt hatte.

    mfg
    Jutta Rydzewski

  27. zu #26 Jutta Rydzewski

    SteuerSÜNDER werden auch wieder in den Schoß des Staates, der Gemeinschaft aufgenommen.
    Wenn sie Reue zeigen und sich selbst anzeigen, bleiben sie straffrei. Auch ihre Namen bleiben unveröffentlicht, obwohl sie eventuell jahrelang keine Steuern gezahlt, Steuern also hinterzogen und somit gegen geltendes Recht verstoßen haben.

    Da passt doch die Terminologie „SteuerSÜNDER“ doch haargenau. Gibt es nicht ein Lied „Wir sind doch alles kleine Sünderlein, ´s war immer so „? Könnte als Hymnne bei der Selbstanzeige Eingang finden.

    Ich bin ein Neuling in diesem Blog. Was bedeutet das von Ihnen gesetzte Zeichen ;-)?

  28. Eine ausufernde Bürokratie lullt die Menschen zum Nichtstun ein, bremst sie aus, clever gemacht, letztendlich obsiegt die Bequemlichkeit. In sämtlichen staatliche Institutionen sollten fähige Fachleute ins Boot kommen, die ausmisten, Damit dieser ebenso bequeme übergroße bürokratische Apparat abgespeckt und umstrukturiert wird. Keine Lobbyisten, die nur die eigenen Vorteile sichern wollen. So könnte man manche Laberrunde einsparen. Die Gelder, die dann frei würden, setzen wir vor allem in die Bildung unserer Kinder, Kindertagesstätten, Altenhilfe etc ein.

    Ja, Stell Dir vor es wäre Wahl und keiner ginge hin, außerdem könnte das Grundgesetzt geändert werden, damit überhaupt direkte Demokratie möglich ist und das eine Volksgesetzgebung auf Bundesebene eingeführt werden kann… so dass mehr Hansel Verantwortung bekommen.
    Ich wäre dafür

  29. Zunächst zu RuneB: Bei einem zu versteuernden Einkommen von € 55.000 per Anno verdient ein Assistenzarzt rechnerisch im Monat ca. 4550,– Euro, was dem Verdienst dieser Tabelle nach 4 Jahren entspricht: https://www.thieme.de/viamedici/weiterbildung/interessantes/arztverdienst.html. Ich würde ihn deshalb nicht automatisch als „Besserverdiener“ bezeichnen, es sei denn im Vergleich zu einer Altenpflegerin. Netto bleiben ihm dann rund € 2600,–. Dieser Assistenzarzt wäre auch von den Steuerplänen von Grünen, Linken oder SPD nicht betroffen. Die „Süddeutsche“ hat dies am 24.07. nachgerechnet. Danach würde bei den Sozen das zu versteuernde (!) Einkommen für Ledige mit einem Satz von 49% bei 100.000 Euros beginnen, bei den Grünen bei 60.000 zu versteuerndem Einkommen mit 45% und ab 80.000 mit 49% und die Linke sogar die Mittelschicht bis zu einem Monatseinkommen von € 6.000,– entlasten, dafür aber den Spitzensteuersatz ab Jahreseinkommen von € 65.000,– (zu versteuerndes für Ledige!) bis zu einem Spitzensteuersatz von 53% für Millionäre anheben.

    Im Übrigen ist für mich immer die Frage: Was bleibt jemand übrig, und wie finanzieren wir den Staat und seine Aufgaben und wovon?

    Mit Ihren Bemerkungen zur Rente, dem demografischen Faktor und der Überalterung unterliegen Sie leider den gleichen Vorurteilen wie viele andere. Die Rente ist keine Sparkasse, und das, was heute eingezahlt wird, wird binnen 3 Monaten wieder ausgezahlt. D.h., das Entscheidende ist nicht die Zahl der Rentner, sondern die Zahl der Einzahler und vor allem die Höhe der Einzahlungen. Grün-Rot hätte also damals besser daran getan, die Rentensätze nicht abzusenken, sondern anzuheben, auf den Riester-Renten-Quatsch zu verzichten und vor allem für Mindestlöhne und nicht für Billigarbeit und andere prekäre Beschäftigung zu sorgen. Riestern dient nur der Geldvermehrung bei Banken und Versicherungen und all den Verkäufern, wie jetzt viele Riester-Sparer bitter bemerken mußten. Und was nützt es dem Beschöftigten von heute, einen niedrigen Beitragssatz zu haben (auch der Unternehmer freut sich dann), wenn er später eine Rente erhält, die nicht zum Leben reicht, und er aufstocken muß. Wenn wir davon ausgehen, daß für Riester-Verträge ca. 4 % des Einkommens ausgegeben werden – sollen -, dann wären wir bei einem Gesamtbeitrag von rund 23%, ohne AG-Anteil, und das würde für eine auskömmliche Rente – bei Einzug einer Mindestrente – ausreichen. Vor allem sind die Verwaltungs-Kosten der staatl. Rente konkurrenzlos niedrig, wenn man sie mit irgendwelchen Riester-Verträgen vergleicht.

    Wir können natürlich uns dem Schweizer Modell anschließen, mit einer Mindest- und einer Maximalrente für alle. Wäre sicherlich gerechter, vor allem würde dann auch die fragwürdige Spreizung zwischen Pensionen und Renten wegfallen. Einige erhalten zwar mehr oder weniger hohe Betriebsrenten, aber alles in allem, auch bereits bei den Sozialbeiträgen, steht und stellt sich ein Beamter einfach besser im Direktvergleich.

  30. zu # 29 Wolfgang Fladung
    Den Assistenzarzt im Vergleich zur Altenpflegerin als „Besserverdiener“ zu bewerten, wäre – wenn überhaupt – nur dann zu rechtfertigen, wenn die Arbeitszeiten beider annähernd gleich wären und zudem die berufliche Qualifikation entsprechend ähnlich wäre.
    „Mit Ihren Bemerkungen zur Rente, dem demografischen Faktor und der Überalterung unterliegen Sie leider den gleichen Vorurteilen wie viele andere.“
    Rätselhaft bleibt, woher Sie diese Aussagen ableiten.
    Lesen Sie bitte nach, was geschrieben wurde.
    „Laut neuen demoskopischen Schätzungen werden wir in etwa 15 Jahren eine sehr unangenehme Entwicklung der umlagefinanzierten gesetzliche Rente haben.“
    Es ist ausdrücklich von der umlagefinanzierten gesetzlichen Rente und nicht von einer Sparkasse, die die Renten auszahlt, die Rede. Der Begriff Sparkasse taucht nicht ein einziges Mal auf. Es ist auch nicht von einem demografischen Faktor die Rede, sondern von einer demoskopischen Schätzung.
    Auch die Überalterung kommt nicht vor, sondern es gibt nur einen Hinweis auf die Alterspyramide.
    Das Thema Riester-Rente wurde nicht einmal ansatzweise gestreift.
    Ebenso wenig findet sich ein Hinweis auf Betriebsrenten, jedoch sei es gestattet darauf aufmerksam zu machen, dass viele Betriebsrenten auch auf Beiträge von Arbeitnehmern aus versteuertem Einkommen zurückgehen.
    Die Beamtenpensionen, die ohne jeden Eigenbeitrag gewährt werden, sind schlichtweg ein Skandal!

    Es sollte ein Gebot der Fairness sein, vom tatsächlich geschriebenen Text und nicht von einem Text auszugehen, den man gelesen zu haben glaubt.

    Bezüglich des „Schweizer Modells“, das hier als Vorbild angesehen wird, ist anzumerken, dass es sich um eine Art Sozialsteuer handelt, dafür ist aber die Einkommensteuer viel niedriger als in Deutschland. Das sollte aber der Vollständigkeit halber nicht unter den Tisch gekehrt, sondern ausdrücklich erwähnt werden.

    Eines noch zum Schluss:
    Wer gibt uns die Gewissheit, die sozialen Lasten im jetzigen Umfang auch in ferner Zukunft noch erwirtschaften zu können?
    Was, wenn deutsche Automobile nicht mehr so gefragt sind wie heutzutage, sondern andere Hersteller ebenfalls sehr gute Autos, aber diese viel biliger anbieten. Hängt doch fast jeder vierte oder fünfte Arbeitsplatz in Deutschland von der Autoindustrie ab.

    Dass die Welt leider ungerecht ist, entspricht bedauerlicherweise der erlebten Realität.

  31. zu # 29 Wolfgang Fladung
    Die Linke will – folgt man Ihren Ausführungen – die Mittelschicht bis zu einem Einkommen von 6 000.- Euro monatlich entlasten. Das entspricht einem Jahreseinkommen von 72 000.- Dafür aber den Spitzensteuersatz ab 65 000.- erhöhen?
    Das mag vielleicht möglich sein, wenn die Steuerentlastung bis 65 000.- größer als der Steuerzuwachs von 65 000.- bis 72 000.- ist.

    Der Spitzenkandidat der Linken, der eloquente Herr Gregor Gysi, hat im Sommerinterview eingestanden, dass Die Linke deutliche Defizite in der Wirtschaftspolitik hat, die es zu beseitigen gilt. Das hier nur am Rande.

    Der nachfolgende Artikel soll nicht kommentiert werden. Sollte er zutreffend sein,
    spricht er für sich alleine.

    „Steuerpläne der Partei belasten Geringverdiener

    Die Partei Die Linke will Geringverdiener steuerlich stärker belasten. Das geht aus einer Berechnung des ARD-Magazins „Plusminus“ in Zusammenarbeit mit dem Institut der deutschen Wirtschaft (IW) hervor.
    Nach Plänen der Linken müsste eine Familie mit zwei Kindern, nur einem Verdiener und einem Jahreseinkommen von 24 000 Euro mehr als 1 300 Euro Steuern zahlen.
    Bisher blieb dieses Einkommen steuerfrei.
    Grund für diese Mehrbelastung ist, dass die Linken das Ehegattensplitting komplett abschaffen und selbst bei Ehepaaren nur einen Grundbetrag zulassen wollen.
    Eine Familie mit zwei Verdienern und einem Jahreseinkommen von 120 000 Euro würde dagegen um mehr als 2 300 Euro entlastet – und das, obwohl die Linke den Spitzensteuersatz auf 53 Prozent anheben will.“

    (Aus „Die Welt“ vom Mittwoch, 31. Juli 2013, Seite 4 linke Spalte)

    Eventuelle Tippfehler bitte entschuldigen und nicht zurückschicken.

  32. # 30 und 31: runeB: Wollen wir jetzt pingpong spielen, und uns damit beschäftigen, wer nicht auf welche Argumente des Anderen eingegangen ist?

    Ihr Statement: „Laut neuen demoskopischen Schätzungen werden wir in etwa 15 Jahren eine sehr unangenehme Entwicklung der umlagefinanzierten gesetzliche Rente haben.” haben Sie nicht erklärt. Wenn wir eine – angebliche – Überaltererung der Gesellschaft bekommen werden, wird diese doch nicht durch noch mehr Kinder, die dann prekäre Beschäftigungsverhältnisse ausüben, und dementsprechend wenig in die Rentenkasse einzahlen, gelöst. Sie scheinen mich nicht verstanden zu haben – bei der staatl. RV handelt es sich um ein beitrags- und Umlage-finanziertes System: das, was heute von den Beitragszahlern, und damit den Beschäftigten, gleich welchen Alters, eingezahlt wird, dient zur Auszahlung an die Rentner. Und wenn es Millionen mehr Junge gäbe, darunter Wenig-, Nix oder nur zeitweise-Verdiener – wie soll von denen dann eine staatl. RV finanziert und gedeckelt werden? Also ist das Problem das rentenversicherungspflichtige Einkommen, und es gilt, dieses zu erhöhen.

    Das Sie die „Welt“ zitieren, lasse ich durchgehen. Man weiß ja, was man an SPRINGER hat. Das diese Rechnung nicht stimmt, mag ich nicht mehr kommentieren.

  33. runeB: Ich weiß nicht, in welcher Kaderschule Sie dialektischen Unterricht genossen haben. Ist ja wunderbar, immer etwas zu behaupten, was der Andere nie gesagt hat. Aber wenn Sie behaupten: „Es sollte ein Gebot der Fairness sein, vom tatsächlich geschriebenen Text und nicht von einem Text auszugehen, den man gelesen zu haben glaubt“ dann sollte es ebenso ein Gebot der Fairness sein, zu konstatieren, das ich nicht irgendeinen Text von Ihnen zitiert habe, sondern im Zusammenhang mit meinen Einlassungen zur Rente nur ergänzende Bemerkungen gemacht habe.

    Sollten Sie dies aber weiterhin mißverstehen wollen, dann können wir die Debatte auch lassen.

  34. zu # 32 + 33 Wolfgang Fladung
    Ist diese Aussage so schwer zu verstehen? Laut neuen demoskopischen Schätzungen meint die Bevölkerungspyramide, aus der sich das Verhältnis Beitragszahler und Rentner (Beitragsempfänger) in der Zukunft ergibt. Der Begriff umlagefinanzierte gesetzliche Rente ist doch unmissverständlich.
    Ich begreife offen gestanden nicht, weshalb Sie mir wieder das Umlageverfahren glauben erklären zu müssen.
    Sie haben direkten Bezug auf meine Äußerungen genommen, denn Sie schreiben:
    „Mit Ihren Bemerkungen zur Rente, dem demografischen Faktor und der Überalterung unterliegen Sie leider den Vorurteilen…“ Deshalb fühle ich mich auch angesprochen.
    Entschuldigung, darf ich zu dieser Aussage Ihrerseits mich nicht direkt angesprochen fühlen und meinerseits keine Stellungnahme abgeben? Ich habe lediglich darauf hingewiesen, dass Sie sich nicht mit dem geschriebenen Text beschäftigt haben.
    Ferner schreiben Sie: Sie scheinen mich nicht verstanden zu haben .. woher nehmen Sie diese Vermutung? Ich habe von der umlagefinanzierten Rente gesprochen, welche Bezeichnung soll ich denn wählen, um vor Ihnen nicht als Unwissender dazustehen?
    Auch die Wortwahl: „In welcher Kaderschule haben Sie dialektischen Unterricht genossen“ empfinde ich als nicht angemessen.
    Dass Ihnen „Die Welt“ ein Gräuel ist, steht Ihnen selbstverständlich frei. Jeder in diesem Lande darf eine eigene Meinung haben … Gott sei Dank.
    Abschließend möchte ich festhalten, dass es bei der Rente in Zukunft Probleme geben wird. Wie diese zu lösen sind, steht auf einem anderen Blatt Papier. Man wird einiges unternehmen müssen, vorausgesetzt, dass Deutschland dann überhaupt noch in der Lage sein wird (was Gott verhüten möge, damit Sie mich richtig verstehen), das jetzige Sozialsystem weiterhin zu finanzieren.
    Diese Problematik anzusprechen, sollte eigentlich erlaubt sein. Mehr wollte ich im Grunde gar nicht.

  35. @runeB

    Nachdem bereits weiter oben Frau Rydzewski eine abstrus eigen-willige Definition von „sozial schwach“ eingeführt hat, kommen Sie nun mit einem Begriff aus dem neumodischen Schwurbelsprech um die Ecke. Was, bitte, soll denn eine „demoskopische Schätzung“ sein?!

    Mein Verständnis von Demoskopie beruht auf folgender Definition:

    Demoskopie – auf gut Deutsch: „Meinungsforschung“ – dient der Ermittlung von „Meinungen“. Unter „Meinungen“ versteht man hierbei in der Regel Einsichten, Einstellungen, Stimmungen oder Wünsche der Bevölkerung. Die Ermittlung erfolgt durch Befragungen (persönlich, telefonisch, schriftlich, online usw.) der zu untersuchenden Grundgesamtheit. Sinnvollerweise sollte dies auf der Basis eines repräsentativen Querschnitts erfolgen. Die so gesammelten Rohdaten (Primärdaten) werden dann statistisch ausgewertet und anschließend interpretiert.

    Der von Ihnen verwendete Ausdruck bedeutet also irgendwie irgendsowas möglicherweise vielleicht ein bisschen in der Richtung: „Befragte haben die Meinung geäußert: Ich schätze mal, dass es in 15 Jahren mit meiner Rente nicht mehr so doll aussehen wird, weil es irgendwie eine unangenehme Entwicklung geben wird.“ Oder so. Jüngere fügen dann auch gerne des öfteren die zwei Worte „keine Ahnung“ in ihre gestammelten Sätze ein, wie ich aus häufiger Benutzung des ÖPNV weiss.

    Oder ist eine demoskopische Schätzung so etwas wie der Publikumsjoker bei Jauchs „Wer wird Millionär?“?

  36. @ rowe #35
    Dem Inhalt nach hat runeB sich wahrscheinlich im Wort vertan und meinte nicht Demoskopie sondern Demographie. Dann passt es besser.

  37. zu # 35rowe
    In der Tat, ich habe daneben gegriffen. Es muss heißen demografische Schätzung, es ging um die Jahrgänge der Babyboomer, die dann in Rente gehen werden. Da war ich leider unachtsam und möchte mich für diesen Irrtum ausdrücklich entschuldigen.

    Gut, dass Sie mich darauf aufmerksam gemacht haben, den „neumodischen Schwurbelsprech“ habe ich verdient. Nochmals Sorry!

  38. zu #36 Frank Wohlgemuth
    Danke für Ihre Erklärung. Es war genauso, wie Sie schreiben. War wohl für einige Augenblicke total unachtsam und habe dann den Fehler blindlings abschreibend übernommen.

  39. Die Demografie – auf gut Deutsch: Bevölkerungswissenschaft – ist eine wissenschaftliche Disziplin, die sich statistisch und theoretisch mit der Entwicklung von Bevölkerungen und deren Strukturen befasst. Sie untersucht ihre alters- und zahlenmäßige Gliederung, ihre geografische Verteilung sowie die Umwelt- und sozialen Faktoren, die für Veränderungen verantwortlich sind.

    Die Erforschung der Regelmäßigkeiten und Gesetzmäßigkeiten in Zustand und Entwicklung der Bevölkerung wird vor allem mit Hilfe der Statistik erfasst und gemessen, wofür Beschreibungs- und Erklärungsmodelle entwickelt werden (siehe auch Wirtschafts- und Bevölkerungsstatistik).

    Die Demografie besteht aus vier großen Fachgebieten, nämlich

    * der Theorie der Fertilität (Geburtenzahl),
    * der Theorie der Mortalität (Sterblichkeitsrate),
    * der Theorie der Migration (Aus-, Einwanderung)
    * Theorien, die die Struktur des Bevölkerungsbestandes zum Gegenstand haben.
    (zitiert nach Wikipedia)

  40. Was von Schätzungen zu halten ist, mag jeder für sich selbst beurteilen, wenn er einmal 15 oder 25 Jahre zurückblickt und die damaligen Voraussagen mit der heutigen Situation vergleicht.

    Fest steht: Es ist die sog. „Sandwich-Generation“ (SG), die für alle nicht erwerbstätigen Personen aufkommen muss. Die SG umfasst nach gängiger Definition die Altersgruppe (Kohorte) von 20-60 Jahren.

    Die Zahlen (Prozent) für die Gruppe 60 seit 1960 bis 2010 sind folgende:
    1960 28,4 54,2 17,4
    1970 30,0 50,0 20,0
    1980 26,8 53,9 19,4
    1990 21,7 57,9 20,4
    2000 21,1 55,3 23,6
    2010 18,4 55,3 26,3

    Schätzungen:
    2020 17,0 52,4 30,5
    2030 16,7 47,1 36,2
    2040 16,1 46,6 37,3

    Anders gesagt: 2030 liegt die SG gerade einmal um 2,9% unter dem Wert von 1970. Wer darin eine „dramatische“ Entwicklung sieht, mag es tun.

    Der wesentliche Faktor, der im Hinblick auf die geltende Rentenfinanzierung (bzw. die Höhe der Renten) zu beachten ist, ist die Anzahl ordentlich bezahlter, dauerhafter Vollzeitarbeitsplätze, da die Renten aus dem Erwerbseinkommen der SG und Arbeitgeberbeiträgen bezahlt werden. (Auch der steuerfinanzierte Zuschuss zur GRV beruht zum Teil auf der auf das Erwerbseinkommen gezahlten Steuer und trägt zur Rentenfinanzierung bei.)

    Darüber hinaus gibt es eine Reihe von Überlegungen zur Belastung der SG, die ja eben nicht nur für die Ausbildung der U20-er und die Renten der Ü60-er aufkommen muss, sondern auch für die komplette Infrastruktur für alle. Zwei davon:

    a) Ist der Aufwand für die U20-Gruppe genauso hoch wie für die Ü60-er? Oder höher? Oder niedriger?

    Meiner Meinung nach steigen die Aufwendungen für die U20-Gruppe eher und stärker als die Renten. Ggf. ergeben sich aus der Demographie entsprechende Umschichtungsmaßnahmen: z.B. müssen statt Schulen mehr Altersheime gebaut werden.

    b) Die SG muss nicht nur die beiden anderen Gruppen finanzieren, sondern auch immer mehr innerhalb der eigenen Kohorte.

    Wenn der Eintritt ins Erwerbsleben nicht mit 16 Jahren sondern erst mit 24 oder 27 Jahren erfolgt, hat das natürlich Folgen. Statt „Überalterung“ sollte man vielleicht öfter den Begriff „Unterjüngung“ verwenden. Und statt einer Erhöhung des Renteneinttrittsalters wäre ggf. eine Senkung des Eintrittsalters ins Erwerbsleben sinnvoll(er).

    Zudem wäre zu recherchieren, wie hoch die Quote derjenigen (geworden) ist, die nicht „beitragen“. Dazu gehören diejenigen, deren Einkommen sich z.B. aus Kapitalvermögen oder Vermietung & Verpachtung speist, aber auch diejenigen, die dauerhaft durch die übrige SG alimentiert werden müssen.

  41. runeB: Ich denke, wir lassen die Debatte. Sie verstehen mich nicht und ich weiß nicht, was Sie eigentlich sagen wollen und was Ihre Kritik an der gesetzlichen Rente ist und worauf diese Kritik basiert. Sie sind wie ein Aal, glitschig, und nicht zu fangen bzw. an irgendeiner Meinung festzumachen. Lesen Sie einfach mal Ihren letzten Beitrag, ob dieser eine Antwort auf meine Frage gibt. Aber wahrscheinlich kommen Sie wieder mit dem: „Sie haben mir auf meine Bemerkungen keine Antwort gegeben“. Das ist wie in der Fahrschule mit dem Kurzsichtigen: „Haben Sie das Verkehrszeichen „Einbahnstraße“ nicht gesehen?“ „Wieso, welches Verkehrszeichen?“

    Also dann, schlafen Sie gut.

  42. zu # 41 Wolfgang Fladung
    Ich habe die gesetzliche Rente überhaupt nicht kritisiert, im Gegenteil, ich mache mir ernsthafte Sorgen über deren Finanzierbarkeit.
    Erklären Sie mir bitte, wieso Ihrer Meinung nach ich etwas gegen die gesetzliche Rente haben soll. Das begreife ich nicht.
    Anscheinend vermuten Sie in mir einen Feind, was mir völlig unverständlich ist. Jetzt vergleichen Sie mich (etwas wenig schmeichelhaft) mit einem glitschigen Aal.

    Ferner:
    „Lesen Sie einfach mal Ihren letzten Beitrag, ob dieser eine Antwort auf meine Frage gibt.“ Welche Frage bitte?
    Bitte stellen Sie doch die Frage, dann kann ich auch antworten.
    Formulieren Sie Ihre Frage klar und unmissverständlich, damit ich Gelegenheit habe zu antworten.
    Mein Eindruck ist, dass Sie meine Beiträge – wenn überhaupt – nur unvollständig gelesen haben. Auch haben Sie zu den zahlreichen Punkten z.B. Steuergerechtigkeit usw., die ich angeschnitten hatte, keine einzige Stellungnahme abgegeben.
    Für mich etwas enttäuschend, da müsste die Linke doch irgendwie reagieren.

    Z. B. Stichwort: Filmförderung. Mit der Folge, dass – soweit ich mich erinnere – ein Harry Potter Film mit deutschen Steuergeldern gefördert wurde. Die Amerikaner sprachen von „stupid german money.“ Das sagt doch Einiges.

    Eine Empfehlung. Lesen Sie den Beitrag # 40 rowe. Da werden etliche Probleme angesprochen.

    Tippfehler erhalten kein Rücksendungsgarantie.

  43. RuneB: Also gut, versuchen wir es noch einmal, vielleicht reden wir nur aneinander vorbei.

    1. Wenn Sie die „Alterspyramide“ ansprechen, so benutzen Sie einen Begriff, den auch die neoliberalen Profs gerne gebrauchen, um die umlagefinanzierte staatl. Rente madig zu machen und noch mehr für die private Vorsorge zu werben. Rowe #40 hat das klar formuliert, es gibt kein besseres System als die staatl. Altersrente. Nur wurden die Finanzierung immer mehr brüchig gemacht. Das fing damit an, daß die Renten der DDR-Rentner nicht aus dem staatl. Steuertopf gezahlt wurden, sondern aus dem Rentensack. Das ging weiter mit der Verschlechterung der Bedingungen unter rot-grün und zur Einführung der Riester-Rente. Und danach kam dann die Senkung des RV-Beitrages anstelle einer Erhöhung, die zur Voll-Finanzierung prozentual noch unter den Beiträgen der Riesterer hätte bleiben können. Und das stoppte am Tabu, hier eine andere Alters-Renten-Finanzierung nach Schweizer Vorbild für Rentner, Pensionäre, Selbstständige, Arbeitslose etc. einzuführen mit einer Mindestrente, aber auch einer Deckelung nach oben.

    Es gilt also, wenn die Zahl der Rentenempfänger steigt, die Anzahl der Einzahler und die Einzahlungen zu erhöhen, sowohl durch eine Erhöhung der Beitragssätze als auch durch eine Erhöhung der Einkommen der Einzahler. Und den von Rowe erwähnten zu späten Einstieg als Beitragszahler könnte man durch straffere, zielgerechtete Schulen und Ausbildungen vermeiden. Und dabei rede ich nicht von G8 anstelle von G9. Und warum sollte der Staat nicht für Schüler ab 18, Auszubildende und Studenten auch RV-Beiträge einzahlen?

    2. Ja, es gibt Steuerschlupflöcher, aber die kann D. alleine nicht stopfen, und will dies, da vom neoliberalen Virus voll infiziert, bis zu Grünen und Sozen, auch gar nicht. Alleine die bereits angesprochene verharmlosende Bezeichnung „Steuersünder“ für Steuerhinterzieher spricht ja Bände. Und was ist Steuergerechtigkeit? Für mich gilt hier: Jedem nach seiner Leistungsfähigkeit. Ohne Progression kommen wir nicht aus, und wenn der Mittelstandsbauch schrumpfen soll, was gerecht wäre, muß eben oben der Satz erhöht und die Bemessungslinie verlängert werden. Die unter Kohl noch geltenden Steuersätze waren doch, bis auf die vielen Ausnahmebestimmungen, angemessen.

    Grundsätzlich gilt: jeder hat eine eigene Sicht darauf, was gerecht und angemessen ist. Wer viel zahlt, will natürlich weniger zahlen. Wer wenig zahlt, will am liebsten gar nichts zahlen (auch wenn er zur Sorte der Hinterzieher gehört). Auch die groß-koalitionäre Erhöhung der Mehrwertsteuer war ja nicht gerecht, weil damit all diejenigen, die ihr karges Einkommen vorwiegend für den Lebensunterhalt waren, die Gelackmeierten waren. Auch Stufentarife a la Kirchhoff, jetzt wieder aus der Mottenkiste geholt durch die AfD, sind ja ungerecht, besonders in den Übergängen. Und eine Mehrwertsteuer von 25% – auf alles
    ???

    Und jetzt sagen Sie mir bitte, auf welche Fragen Sie noch eine Antwort erwarten. Falls ich eine parat haben sollte, schreibe ich sie auf.

  44. zu # 43 # Wolfgang Fladung
    Der von mir verwendete Begriff Alterspyramide sollte nicht als Provokation verstanden werden. Vielleicht wäre Altersaufbau passender. Die „Alterspyramide“ existiert schon längst nicht mehr, sondern hat sich in einen zerrupften Baum verwandelt.
    Was mich umtreibt, ist schlicht die Sorge, dass die Sandwich-Generation, also diejenigen, die sowohl für die Jugend als auch für die Rentner (und sonstige) aufkommen sollen bzw. müssen, überfordert werden.
    So gänzlich unbegründet dürfte diese Sorge nun aber wirklich nicht sein.

    DDR-Rentner: Da rennen Sie bei mir mit Ihrer Argumentation voll die weit geöffneten Türen ein. Aber alle Türen. Diese Art der Verschiebung in die Rentenkasse West war ein Skandal. Hatte da überhaupt eine Diskussion stattgefunden? Norbert Blüm wollte es ja – soweit ich mich erinnere – nicht so machen. Aber der massige Oggersheimer hat es so bestimmt.

    Die bis zum Zeitpunkt der deutschen Einheit angefallenen Rentenansprüche hätten separat erfasst und auch separat finanziert werden müssen und zwar – weil das eine nationale Aufgabe war – mit Steuermitteln.
    Das hätte zudem den Vorteil gehabt, dass irgendwann diese Ansprüche geendet hätten, nämlich nach Erlöschen des letzten dieser Rentenansprüche.

    Die deutsche Einheit löste einen Steigflug der Rentenversicherungsbeiträge aus.
    Die Beamten wurden wieder verschont, da sie keine entsprechenden Beiträge zu leisten haben. Sie werden als Pensionäre von den Steuerzahlern alimentiert.

    Die Wucht der akkumulierten Pensionsansprüche der Beamten werden wir noch zu spüren bekommen. Da existiert keine Gegenfinanzierung, das wird alles in die Zukunft verschoben, zu zahlen vom Steuerbürger bzw. aus Steuermitteln. Vor einer Änderung stehen alle Abgeordneten, die Beamte sind und nach Ausscheiden aus ihrem politischen Mandat wieder als Beamte arbeiten. Und das dürften nicht allzu wwenige sein.

    Die Riester-Rente ist – und da stimme ich mit Ihnen vermutlich überein – ein Monstrum, dient lediglich dazu, mit unnötigen Provisionen die Einkünfte von Versicherungsvertretern aufzubessern.

    Eine Gymnasialzeit von 8 Jahren statt 9, bei entsprechender Reduzierung des Lernstoffs, wäre aus meiner Sicht durchaus vertretbar. Eventuelle Defizite in Schwerpunktsfächern könnten nach Wahl durch Leistungskurse ausgeglichen werden.
    Man sollte sich mal andere Länder betrachten, wie dortige Schulsysteme aufgebaut sind und wie sie funktionieren.

    Eine Frage sei gestattet. Wieso nahmen Sie an, ich sei gegen die umlagefinanzierte gesetzliche Rentenversicherung? Wegen des Begriffs Alterspyramide?
    Ich habe an keiner Stelle die gesetzliche Rentenversicherung in Frage gestellt. Dss möchte ich hier nochmals erwähnen.

    Einer Umstellung des derzeitigen Rentensystems auf ein Schweizer Modell dürfte mit enormen Schwierigkeiten verbunden sein, dann müsste aber sichergestellt sein, dass beabsichtigte Steuererhöhungen nur zu diesem Zweck (z.B. Finanzierung einer Zusatzrente)verwendet werden dürfen. Falls das nicht geschieht, verschwindet das Geld im allgemeinen Topf, und zwar auf Nimmerwiedersehn!

    Zur Alterstruktur: Falls ich die Zahlenangaben von 40 # rowe richtig deute, erhöht sich aber die Differenz der SG (Sandwich Generation)von 1970/2030 von 2,9% auf 1980/2040 auf 7,3%, also scheint es doch eine ungüstige Entwicklung ab 2030 zu geben. Ich meine, die 7,3% sind sind nicht mehr als marginal zu betrachten.
    Aber da kann man geteilter Meinung sein.

  45. Na prima, da nehme ich den „Aal“ natürlich zurück. War also nur ein Mißverständnis. Ich finde, wir BürgerInnen sollten dafür streiten, daß Menschen in unserem Lande anständig für ihre Arbeit bezahlt werden, die Anzahl der Geringverdiener eher auf Zu-Verdiener beschränkt bleibt und anstatt zu riestern die Menschen lieber die Möglichkeit haben, wie früher sich gesetzlich höher zu versichern, wenn schon nicht die Beiträge für alle erhöht werden. Und erhöhte Beiträge lassen sich natürlich am besten aus einem höheren Monatslohn, mit entsprechenden Zuschlägen für Überstunden, bezahlen. Und das müßten auch die Arbeitgeber einsehen, weil wir sonst irgendwann noch mehr Armutsrentner in diesem Lande Almosen von Tafeln etc. erbetteln müssen.

    Ansonsten gilt für mich auch für die Sandwich-Generation: Wenn weniger für mehr Rentner einzahlen müssen, und daneben dann auch noch für die Familie, und die Ausbildung der Kinder (wenn sie überhaupt den Mut haben, eine Familie zu gründen), dann müssen diese eben besser bezahlt werden. Und für das Schweizer Modell streite ich weiterhin, auch wenn dies viele Beamten natürlich nicht so gerne haben, weil für sie immer noch das St.-Nimmerleins-Tag Prinzip gilt. Ich habe einige im Bekanntenkreis, ich weiß, wie sauer die reagieren, wenn man sie auf die Unterschiede und vor allem Vorteile anspricht.

    Und sonst, keine Fragen mehr, Euer Ehren?

    Also dann auf in den Biergarten.

  46. Da sich die Blog-Themen gerne überschneiden, überkreuzen und miteinander vermischen, wäre mein Beitrag # 13 im Nachbarblog: „In einer verwirrten Zeit ist alles möglich“ wohl besser hier, da eher zum Ur-Thema passend, aufgebehoben.

    Und jetzt nochmals zur Renten-Debatte. Auf den heutigen Nachdenkseiten finde ich diesen Beitrag: (Link abgelehnt, Anm. Bronski, siehe Blog-Regel Nr. 8), welcher sehr gut, unter anderem, auf die Problematik rund um die gesetzliche Altersrente eingeht.

    Das Hauptproblem scheint mir aber zu sein, daß die inzwischen, seit rot-grün (sehr bezeichnend) übermachtige Lobby von Banken, Versicherungen und (Hedge-)Fonds alles getan und gemacht hat, bis zu von mir angenommenen, aber da nicht beweisbar eben nur vermuteten auch mit Euro und Cent bewaffneten „Argumenten“ es geschafft hat, die staatl. beitragsfinanzierte Rente schlecht zu reden und dafür die private Renten-Absicherung (???) solange gut zu reden, bis jeder davon überzeugt war.

    Wer sich jetzt einmal mit seinem konkreten „Vermögen“, was ihn später von privat erwartet, beschäftigt hat, erlebt sein blaues Wunder. Und daher kann ich nur eine Empfehlung geben: Stellt allen, die damals zugstimmt haben, die gesetzliche Rente schlecht zu reden, Fragen. Und stellts sie an den Pranger. Und laßt Euch nicht abspeisen mit irgendwelchen angeblichen Korrektur-Mätzchen. Es gilt immer noch: We – das heißt das Volk – got the Power. Gerade an den SPD-Wahlständen müßte und sollte für Unruhe gesorgt werden.

  47. Und noch ein Nachtrag zur vorhergesagten Wiederwahl von schwarz-gelb, oder auch schwarz-rosa(wobei ich da keinen Unterschied erkenne): Was würde sich da eigentlich für den deutschen Michel oder die Micheline ändern? Und woher kommt immer hoch diese super Zustimmung für Mutti Merkel – aus Verzweiflung über die Alternativlosigkeit der SPD? Oder wollen die WählerInnen wieder eine GroKO, weil damit das Prinzip „Friede-Freude-Eierkuchen“ am besten gewährleistet ist?

  48. zu 47 # Wolfgang Fladung
    Vermutlich wollen die Wähler/innen nichts mehr von Problemen hören.
    Weil sie überfordert sind, egal ob Euro-Krise, Mindestlohn, Staatsfinanzen, Renten etc.

    Die Leute verschließen die Ohren und gehen zur Wahl.
    Die oben werden´s schon richten. So einfach ist es.
    Damit müssen wir leben.

  49. Nach vielen kenntnisreichen Beiträgen über unsere jetzige und zukünftige politische, vor allem finanzielle Situation sowie über Klagen wegen der geringen Unterscheidbarkeit der im Bundestag vertretenen Parteien möchte ich doch auf einige mir wichtig erscheinende Ziele der Linken hinweisen, durch die sie sich deutlich von anderen Parteien unterscheidet: Die Linke tritt für eine konsequente Entmilitarisierung der Politik ein, in einer überrüsteten Welt mit Overkill-Kapazität und vielen gewaltbereiteten Politikern ein Vorhaben, das unsere Überlebenschancen durchaus erhöhen könnte. Weiter befürwortet sie eine konsequent dezentrale Energieversorgung mit regenerativen Energien durch Beteiligung der Bürger (Bürgerkraftwerke, Energiegenossenschaften, Privatleute,…) Das tun zum Teil zwar auch die Grünen, die aber auch großtechnische zentral organisierte Lösungen wie Desertec und Offshore-Windparks befürworten, beides Unternehmen, die schon aus finanziellen Gründen jede Bürgerbeteiligung ausschließen. Wenn #runeß (22.7.) fragt, was die Linke außer neuer Umverteilung denn bietet, sollte er doch mal das Programm der Linken mit, wie ich finde, gut begründeten Vorschlägen für einen echten Politikwechsel lesen.

  50. # 49, Kurt Kress: Und ich dachte schon, das Blog-Thema wäre abgeschlossen, und damit die kommentierenden Beiträge. Ja, Herr Kress, die Linke hat schon seit Jahren Ideen bezüglich Energiegewinnung und -versorgung, und hat auch klare Aussagen zur Militarisierung und vor allem zu unserem Rüstungs-Wahn. Da tummeln sich in allen anderen Parteien selbsternannte Pazifisten, und negieren dabei, das wir inzwischen drittgrößter Waffenexporteur weltweit geworden sind. Aber Exporterfolge, Arbeitsplätze etc. pp. Und wenn es sein muß, liefern wir an Israel Waffen, die dann über Katar an Salafisten gelangen, die wiederum Israel bekämpfen.
    Welch grandiose Heuchelei!!!

    Ich frage nur, warum dann die Linke in Meinungsumfragen nach wie vor bei rund 7% herum krebst, obwohl sie ja vor 4 Jahren mal 11,9% geholt hat. Ist das Verzweiflung, Unwissenheit oder einfach nur Ignoranz? Und das rosa-grün die Möglichkeit, mit der Linken eine Regierung zu bilden, verweigert, zeigt ja auch, das bei SPD und Grünen gar kein Willen zu irgendwelcher Veränderung da ist. Wobei ich selbst meine Zweifel habe, ob die Linke nicht in der rosa-grünen Umarmung erdrückt würde.

  51. #50 Wolfgang Fladung: In einer rosa-grünen Umarmung würde die Linke sicher, wie Sie sagen, erdrückt. Aber von Umarmung kann sowieso keine Rede sein. Einen durchaus möglichen Weg zeigt Holger Schmale heute (8.8.) in seinem Leitartikel der FR. „Mut zur Mehrheit“ auf. Erstes Ziel der drei „linken“ Parteien ist es, einen Politikwechsel ohne Merkel zu erreichen. Schmale schlägt vor, was Steinbrück und Steinmeier bisher ablehnen, eine Minderheits-Regierung unter Duldung der Linken, was nach den meisten Sonntagsfragen rechnerisch durchaus möglich wäre und die Politik mit wechselnden Mehrheiten statt starrer Koalitionsblöcke durchaus beleben könnte. Im Übrigen hat die Linke in der Opposition nicht nur durch ihre kritischen Fragen sondern vor allem als Ideengeber positiv wirken können, – und so auch Stimmen verloren, da ihre Ideen (Mindestlohn, Bürgerversicherung,…) von Anderen übernommen wurden, daher die 7%. Wenn wir einen echten Politikwechsel wollen, und ich will ihn, scheint mir Schmales Vorschlag die einzige Möglichkeit zu sein, – es sei denn, die SPD-Basis lässt sich die Bevormundung durch ihre Oberen nicht mehr gefallen und schließt sich der Meinung von Hilde Mattheis an, die als Sprecherin der Demokratischen Linken im Bundesvorstand eine Koalition mit der Linken durchaus für möglich hält. Die Hoffnung stirbt zuletzt!

  52. Ach, Kurt Kress, # 51: Erinnern Sie sich? Da gab es mal eine Andrea Ypsilanti, die das mit der 3er Koalition und vor allem mit der Duldung einer Minderheits-Regierung in Hessen probieren wollte. Und was passierte? Die eigenen Genossen haben ihr schwere Knüppel zwischen die Beine geworfen, und sie ist gescheitert. Und das soll im Bund gut gehen? Natürlich gibt es mit Kipping & Co. etliche bei den Linken, die nach der Macht schielen, und dabei – wahrscheinlich – auch bereit sind, jede Menge Kröten zu schlucken. Aber was würde das wirklich ändern? Wir haben nun einmal 4 neoliberale Parteien, wie Oskar L. richtig erkannt hat. Und für diese den Steigbügelhalter spielen? Und seine eigenen Grundsätze verraten? Als Stachel im Fleische hat die Linke ja einiges bewirkt, ebenso wie kritische Medien. Und das sollte auch so bleiben. Eine Linke, die eingebunden ist in den neoliberalen Betrieb, macht sich selbst unglaubwürdig. Und dies nicht nur in den Medien, sondern vor allem bei allen WählerInnen, die dieser Partei ihre Stimme gegeben haben, weil sie die einzige „echte“ Opposition ist. Das Enttäuschungs-Virus, welches die SPD von rund 40 auf rund 26% reduziert hat, sollte nicht auch noch auf die Linke übergreifen.

    Es ist leider so, das der Schwanz noch nicht mit dem Hund wedelt. Eine Linke, die glaubwürdig sein will, muß diese auch auf die Zukunft projezieren. Dies heißt dann, alle Themen aufzugreifen, welche CDU-FDP-SPD-Grüne inzwischen beerdigt haben. Also Soziallehre, wirklich liberale Wirtschaftspolitik (wer bestellt, bezahlt, Keynes und Flach lassen grüßen), nachhaltige Umwelt- und Verteidigungspolitik (da gab es mal grüne Ansätze in den 80ern) und alles rund um die Gerechtigkeit, wie es im Godesberger Programm stand.

    Wenn hier die Linke auch Kompromisse machen will, nur um irgendwie machtmäßig mitzumischen, dann ist, mit Verlaub, auf diese Partei geschissen. Dann wähle ich lieber mit dem von mir immer gern hervor gekramten Kreuz quer über den Wahlzettel.

  53. #52Wolfgang Fladung: Mir ging es nie um eine Linke als „Steigbügelhalter“, die Kompromisse macht, um „machtmäßig mitzumischen“, sondern um die Möglichkeit einer Veränderung der SPD durch die Demokratische Linke, durch Hilde Mattheis, die eher das von Ihnen erwähnte Godesberger Programm vertritt. Zugegeben, eine solche Entwicklung der SPD kurz vor der Wahl wäre zwar erfreulich, ist aber äußerst unwahrscheinlich. Nichts Anderes habe ich mit dem „es sei denn,..“ zum Ausdruck gebracht.

    Da ich nach den Äußerungen der Linken zu diesem Thema nicht den Eindruck habe, dass sie Kröten schlucken wollen, um an die Macht zu kommen, und da mir ihr Programm zusagt, werde ich sie wählen.

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