Herzlich willkommen zum
Postfach vom 13. Oktober 2016!
Ich bringe hier Leserbriefe, für die ich im Print-Leserforum keinen Platz gefunden habe. Mehr über die Hintergründe? –> HIER. Anfangs wie immer ein kleiner Überblick.
- „Es ist beschämend, dass Sie den Diskuswerfer Christoph Harting für sein Verhalten bei der Siegerehrung als Vorbild für die Jungend bezeichnen“, kritisiert Ralf te Heesen den FR-Kolumnisten Michael Herl.
- „Wie sollten CDU-Führungskräfte ernsthaft reinen Tisch machen wollen, solange die Mitglieder der CDU-Parteibasis alle Fehler und kriminellen Machenschaften leitender CDU-Politiker nach dem Motto: Hauptsache an der Macht! unter eben diesen Tisch kehren?“, kontert Günter Steinke die FR-Überschrift „Merkel und Bouffier sollen ‚reinen Tisch‘ machen“ (Print-Ausgabe) in Sachen „Tauber-Affäre“.
- Günter Schlaud möchte wissen, ob „da die deutsche Automobilindustrie Einwände erhebt“, sollte der hessische Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) sich für ein E-Auto von Tesla entscheiden.
- Folkhart Funk fragt sich, ob die Idee zum „mobilen grünen Wohnzimmer“, die ein Beitrag zur Lösung der Frankfurter Klimaprobleme sein will, der „Fantasie eines namhaften örtlichen Satiremagazins“ entsprungen sei.
- Unser Kolumnist André Mielke hätte „sich besser bei einem Energieberater und dem Mieterbund informieren können“, was seine Mieterhöhung nach Öko-Sanierung betrifft — meint Werner Altenstadt.
- „Wortgeklingel überall!“, stöhnt Peter Bläsing und fragt: Was ist ein Epizentrum?
- In der Debatte um die Nachfolge von Joachim Gauck sieht Sigurd Schmidt „zwei unterschiedliche Entscheidungsraster in den Vordergrund gerückt“.
- Und last not least: Erhard Gratz ist Bahn gefahren. In Deutschland.
Und nun gehts los.
Benehmen, Anstand und Erziehung
Kolumne: „Der Rassismus macht fassungslos“ , FR-online vom 5. September 2016
„Es ist beschämend, dass Sie den Diskuswerfer Christoph Harting für sein Verhalten bei der Siegerehrung als Vorbild für die Jungend bezeichnen. Dieses Verhalten hat nichts mit Lockerheit zu tun! Wenn ich in ein Lokal zum Essen gehe, versuche ich ordentlich mit Messer und Gabel zu essen! Ich schmatze und furze nicht, an einer Supermarktkasse stelle ich mich hinten an und presche nicht vor, wenn Kasse 3 geöffnet wird, um dann erster zu sein! Das hat mit Benehmen, Anstand und Erziehung zu tun!
Ein Olympiasieger kann vorher und nachher machen, was er will, aber während der Siegerehrung kann man ein anständiges Verhalten erwarten und das hat nichts mit Obrigkeitsdenken und schon gar nichts mit den Spielen von 1936 zu tun. Eine Klage gegen ihn ist sicher nicht gerechtfertigt, seine Vorgesetzten werden ihm schon ein paar passende Worte sagen und damit reicht es! Aber stellen sie ihn nicht als coolen Typen dar, er hat einfach schlechte Manieren! Nichts für ungut!“
Ralf te Heesen, Altenberge
Muss man sich noch wundern?
Peter Tauber: „Die Probleme der Jungs mit der Frauen-Union“ , FR-Online vom 28. September 2016
„Wie sollten CDU-Führungskräfte ernsthaft reinen Tisch machen wollen, solange die Mitglieder der CDU-Parteibasis alle Fehler und kriminellen Machenschaften leitender CDU-Politiker in Bund, Land, Kreis oder Stadt nach dem Motto: Hauptsache an der Macht! unter eben diesen Tisch kehren?
Ob ein Kohl sich im Flick Untersuchungsausschuss zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen illegal erhaltener Spenden “ … nicht mehr erinnern kann“ oder Jahre später unter Berufung auf sein „Ehrenwort“ die Namen der Spender illegaler Geldzuwendeungen in Millionenhöhe vor Gericht verschweigt – die Basis goutiert das. Sie goutiert auch nicht nur, dass ein Manfred Kanther 1983 als Generalsekretär der hessischen CDU Schwarzgelder in Höhe von fast 21 Millionen DM des Parteivermögens zunächst in der Schweiz und dann in der Liechtensteiner Stiftung „Zaunkönig“ versteckt und dies über mehrere Jahre in den Rechenschaftsberichten verschwiegen hatte, sondern hatte mit einer Erhöhung des Mitgliedsbeitrags die später ihm bzw. der Hessen-CDU auferlegte Strafe bereitwillig gezahlt.
Muss man sich dann noch wundern, dass im Gefolge dieser kriminellen Affäre ein Roland Koch als Vorsitzender der Hessen-CDU nichts davon gewusst haben will und das Geld kurzerhand als „aus jüdischen Vermächtnissen stammend“ deklariert hatte? Muss man sich noch wundern, wenn „sein“ Generalsekretär Franz Josef Jung Koch dessen Nichtwissen öffentlich bestätigt hatte, dafür selbst als Mitverantwortlicher des Verschweigens der Stiftung den Hut nimmt und als Generalsekretär der Hessen-CDU zurückgetreten war? Sieht niemand einen Zusammenhang darin, dass Jung etwas später mit dem Amt des Bundesministers der Verteidigung (22.11.2005 bis 28.10.2009) in Berlin belohnt wurde? Im Rahmen einer Kabinettsumbildung war er als Minister am 28.10.2009 in das Ressort Arbeit gewechselt, aus dem er wg. der Nachwirkungen der Kundus-Affäre, die sich in seiner Amtszeit als Verteidigungsminister abgespielt hatte, nach nur 33 Tagen am 30.11.2009 zurücktreten musste. Da er allein mit seiner hesssichen Herkunft die wesentlichste Voraussetzung für Berlin erbracht hatte, musste nach Roland Kochs Diktion natürlich ein CDU-Mitglied aus Hessen wieder in das Kabinett einziehen.
Kanzlerin Merkels Wahl fiel (leider) auf die vollkommen unbedarfte und – wie sich später herausstellen sollte – dem Amt der Ministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in keiner Weise gewachsene – Kristina Köhler. Deren „Eigenschaften“ jung, Frau und vor allem Mitglied der Hessen-CDU waren Voraussetzung genug, sie mit diesem verantwortungsvollen Ministeramt zu betrauen.
Mit ähnlichen Voraussetzungen hat es dann schliesslich ein Peter Tauber vom CDU-Vorsitzenden des Main-Kinzig-Kreises (MKK) zum Generalsekretär der Bundes-CDU nach Berlin geschafft. Die gegen ihn jüngst scheibchenweise bekannt gewordenen und bisher nur zum Teil von ihm eingestandenen Vorwürfe des massiven Mobbings gegen die damalige CDU-Geschäftsführerin des MKK, Frau Höhne-Weigl, haben sowohl die Kanzlerin als auch Hessens Ministerpräsident Bouffier versucht, mit Aussagen wie „wunderbare Zusammenarbeit mit Tauber“, Luft aus der Diskussion um dieses Fehlverhalten in Form von psychischer Gewalt zu nehmen.
Dass sich ähnliches auch auf Stadtebene abspielt, wird derzeit im Statdparlament Wiesbadens an Bernhard Lorenz deutlich, dem Fraktionschef der CDU. Sein in der Presse beschriebener ungeheuerlicher Versuch, einen gewählten CDU-Stadtverordneten zum Mandatsverzicht zu bewegen, damit als Gegenleistung die Arbeitsplätze der anderen Mitarbeiter der Geschäftsstelle gesichert bleiben, zeugt von der Missachtung des Wählerwillens und wird hoffentlich ein juristisches Nachspiel für Lorenz haben. Auch hier hört man von der CDU Basis wenig bis nichts – denn auch in der Stadt-CDU gilt wohl: Hauptsache an der Macht. Offenbar hat man nicht realisiert oder realisieren wollen, dass die CDU im Wiesbadener Stadtparlament nicht mehr die erste Geige spielt.“
Günter Steinke, Wiesbaden
Das gilt nur für deutsche E-Autos!
Zu: „Hessen fördert Strom-Busse“ , FR-Online vom 23. August
„Kein Wunder – kein Absatz von E-Fahrzeugen bei diesem Informationsstand. Für den Verkehrsminister Tarek Al-Wazir kommt also derzeit keine Dienstwagen in Frage weil die Reichweite von 150 Km zu gering ist. Hier fehlt der entscheidende Hinweis: gilt für deutsche Autos!
Mit einem Förderprogramm des Bundes in Höhe von 300 Millionen Euro will man Ladestationen schaffen. Weiter wird beklagt das das Interesse an E-Autos noch sehr gering ist. Leider haben die deutschen Autohersteller den Anschluss an die Elektromobilität komplett verschlafen, bzw. können erst in einigen Jahren geeignete Fahrzeuge liefern. Über so wenig Fachkompetenz und Steuerverschwendung kann man nur den Kopf schütteln.
Fakt ist: Mit einem Tesla (E-Auto eines amerikanischen Herstellers) sind schon heute realistische Reichweiten bis 500 Km möglich. Zum Nachladen stehen an strategisch günstigen Stellen über 60 Ladestationen, sogenannte Supercharger, zum kostenlosen Nachladen zur Verfügung. Der extrem hohe Ladestrom lädt die Akkus innerhalb von 20 Minuten bis auf eine Kapazität von 80 Prozent auf. Die nächsten 300 bis 400 Km sind dann gesichert. Auf der Fahrt von Frankfurt nach Hamburg kann also ganz bequem – und kostenlos – nach ca. 300 Km nachgeladen werden. Nach dieser Fahrzeit sollte man ohnehin eine kurze Pause einplanen. Selbstverständlich lässt sich das Fahrzeug auch an jeder 220-V-Steckose nachladen.
Die von der Regierung geplanten Ladestationen sind schon jetzt technisch überaltert. Wer hier tankt muss umständlich über ein Abrechnungssystem teuer für das Nachladen zahlen, die Fahrzeuge müssen mit einem einheitlichem Steckersystem ausgerüstet sein (schon jetzt ein Kompetenzstreit der Systeme), der Ladestrom ist viel zu gering, um eine akzeptable kurze Ladezeit zu ermöglichen.
Wie es geht, macht Tesla vor: Der Hersteller montiert auf seine Kosten die technisch optimale Ladestationen – ohne Steuersubvention – und garantiert eine kostenlose Nachladung. Leider werden diese Fakten und weitere positive Details von den Medien gerne verschwiegen oder von den Fachleuten mit falschen Zahlen, hier Reichweite 150 KM, irrig dargestellt. Im Übrigen bewegt sich ein Tesla in Größe und Anschaffung auf dem von den Politikern gewohnten Rahmen. Nur sind die Unterhalts- und. Folgekosten wesentlich günstiger.
Vielleicht sollt der Herr Umweltminister sich mal informieren und dann mit gutem Beispiel vorangehen. Ob da die deutsche Automobilindustrie Einwände erhebt?“
Günter Schlaud, Rodgau
Ernsthafte grüne Politik?
Zu: „Grüne Hoffnung gegen Hitze“ , FR-Online vom 19. August 2016
„Der Artikel zum „Mobilen Grünen Wohnzimmer“ unterstreicht eine Frankfurter Merkwürdigkeit, dass nämlich bei einigen Umweltaktionen nicht mehr klar ist, ob sie einer ernsthaften grünen Politik oder der Fantasie eines namhaften örtlichen Satiremagazins entspringen!
Zum Mobilen Grünen Wohnzimmer habe ich einen augenfälligen Verbesserungsvorschlag, der den Verantwortlichen sicherlich sofort einleuchtet: Stattet die „Mobilen Wohnzimmer“ mit Deichseln aus und verpflichtet den einzelnen Bürger dazu, sein (!) „Mobiles Wohnzimmer“ immer dann, wenn er seine immobile Wohnung verlässt, mit sich zu ziehen. Das brächte neben dem Segen für das Klima auch weniger Autoverkehr, Lärm und Abgase. Es gäbe endlich einmal eine nennenswerte Entschleunigung. Der nervende Gebrauch von i-Pads oder ähnlichen Geräten in der Öffentlichkeit wäre segensreich eingeschränkt sowie die Gesundheit der Bürger entscheidend befördert. Dann könnte man zu guter Letzt auch die Stadt bis auf den letzten Quadratmeter bebauen. Es könnte die Besitzer der „Mobilen Grünen Wohnzimmer“ sicher nicht ernsthaft stören.“
Folkhart Funk, Frankfurt
Besser zum Energieberater oder Mieterbund
Kolumne: „Deutlich mehr Miete zahlen“ , FR-online vom 16. Augsut 2016
„Der Autor André Mielke beschwert sich darüber, dass sein Vermieter das Haus modernisiert hat und er die Mieterhöhung nicht durch die Energieeinsparung finanzieren kann. Er hätte sich besser bei einem Energieberater und dem Mieterbund informieren können. Dass seine Anwältin ihm sagte, er könne nichts machen, ist falsch. Wahrscheinlich hat der Vermieter eine allgemeine Luxusmodernisierung mit einer sinnvollen energetischen Sanierung zusammengeworfen. Dem Mietrecht zufolge muss dies getrennt vorgelegt werden. Und bei der Wärmedämmung und Heizungsmodernisierung dürfen nur die Mehrkosten gegenüber einer ohnehin erforderlichen Erneuerung von Putz, Dach oder Heizung umgelegt werden. Leider gibt es zu viele Vermieter, die Kosten der Luxusmodernisierung dem Klimaschutz anlasten und daran mehr verdienen als erlaubt. Möglicherweise wurden auch Fördermittel nicht zugunsten der Mieter abgezogen.
Leider hat der Autor keine konkreten Zahlenwerte angegeben. Daher ist Transparenz gefordert, sowohl seitens des Vermieters als auch seitens des Kommentators, der wohl die Dreistigkeit seines Vermieters missbraucht, um gegen sinnvolles Energieeinsparen anzuschreiben.
Würde man das „Drittelmodell“ anwenden, das vom Bund Umwelt und Naturschutz Deutschland und dem Deutschen Mieterbund entwickelt wurde, wären die Kosten klar zwischen Mieter, Vermieter und staatlicher Förderung getrennt worden. Dann rechnen sich auch die Mehrkosten fürs Energieeinsparen.
Anstelle polemischer Angriffe auf die Energiewende durch einen hilflosen Mieter ist eine Energieberatung sowie eine Rechtsberatung geboten. Und nicht nur im Fall von Herrn Mielke. Und eine Reform des Mietrechts ist ohnehin überfällig, um das Vermieter-Mieter-Dilemma zu beenden.“
Werner Neumann, Altenstadt
Leute, schont unsere Sprache!
Pokèmon: „Alle komplett me-schiggy“ , FR-Online vom 19. Agust 2016
„Wortgeklingel überall! Mir würden jetzt noch die Ohren wehtun, wenn ich der Sabbelei der Olympia-Sportreporter nicht weitgehend den Ton abgedreht hätte. Aber auch in den gedruckten Medien greift die Sucht um sich, einem zu dürren Gedanken ein paar aufmotzende Floskeln zu verpassen.
Neuster Liebling der Schwätzer ist das „Epizentrum“. Damit ist in der Sprache der Geologen die Stelle auf der Erdoberfläche gemeint, die, oft einige Kilometer entfernt, über (epi=über) dem Zentrum eines im Erdinneren erfolgten Erdbebens liegt. Die Schwätzer machen daraus das Gegenteil, ein „Über“-Zentrum, ein „zentrales Zentrum“.
Ein weiterer Spitzenreiter in dieser Disziplin ist der „kleinste gemeinsame Nenner“. Offensichtlich hatten Einige die Masern, als in der Schule Bruchrechnen dran war. Für sie ist der „kleinste gemeinsame Nenner“ das Ergebnis von Verhandlungen, die nur zu einer geringen Übereinstimmung geführt haben. Der kleinste gemeinsame Nenner ist aber in der Mathematik bei der Addition von Brüchen das angestrebte Ergebnis eines Optimierungsprozesses, also genau das Gegenteil von dem, was die Schwätzer sagen wollen.
Nach Tschernobyl etwas im Abklingen, aber seit Fukushima wieder stark gefragt bei den Schwätzern ist der „GAU“, „der größte anzunehmende Unfall“. Aber weder Tschernobyl noch Fukushima waren ein GAU, auch kein Super-GAU. Anzunehmen ist der GAU vom Konstrukteur der Schutzhülle des Reaktors. Mit dem GAU wird die höchste Belastung bestimmt, die die Hülle aushalten muss. Bei den beiden bisher schwersten Atom-Unfällen waren aber nicht zu dünne Schutzhüllen, sondern Bedienungsfehler und Ausfall der Reaktorkühlung infolge eines Tsunamis die Ursache. Damit hat sich die Sicherheit, die man glaubte, durch das Vorschreiben eines GAUs erreichen zu können, als Trugbild erwiesen.
Seit einiger Zeit wird beim Schwätzen schon mal die Bedeutung der Worte „voll“ und „ganz“ vertauscht. Wenn es bisher hieß „ganze zehn Prozent“, dann bedeutete das „nur zehn Prozent“, weniger als erwartet. Immer öfter ist aber mit „ganze zehn Prozent“ „volle zehn Prozent “ gemeint, also mehr als erwartet.
Leute, schont unsere Sprache, wir haben nur die eine!“
Peter Bläsing, Bonn
Ausstrahlung, Brückenbauerkunst und rhetorisches Format
Zu: „Wer folgt auf Gauck?“ , FR-Online vom 6. Oktober 2016
„Die Kanzlerkandidatenfrage ist durch die vielen offenen Weltprobleme nicht nur etwas in den Hintergrund getreten. Sie ist aber zeitlich sehr virulent, denn die Bundesversammlung tritt im Februar 2017 zusammen. In der Debatte werden zwei unterschiedliche Entscheidungsraster in den Vordergrund gerückt: Zum einen sind es Kriterien, die sich an der bisherigen Reihe der Bundespräsidenten ausrichten. Da geht es um Ausstrahlungsvermögen, Brückenbauerkunst und rhetorisches Format, also Persönlichkeitskriterien außerhalb von Parteizugehörigkeit. Es geht auch darum, ob endlich einmal eine Frau das BP-Amt besetzen sollte. Zum anderen richtet sich natürlich der Blick auf politisches Personal, das gezeigt hat, ein solches Amt führen zu können. Hier geraten Union und SPD besonders aneinander. Wenn das Volk direkt wählen könnte, würde wohl Frank-Walter Steinmeier das Rennen machen. Wenn das Kriterium Weiblichkeit diesmal eine besondere Rolle spielen sollte, kommt man wohl an Ursula von der Leyen nicht vorbei. Dass Gesine Schwan zweimal durchgefallen ist, spricht gegen einen Wiederversuch aus dem Wissenschaftsbereich (Prof. Allmendinger) . Heikel ist zudem, dass ein gemeinsamer Kandidat von SPD/CDU/CSU als eine Vorentscheidung für eine erneute große Koalition gewertet würde. Der Vorschlag Navid Kermani ist gut gemeint, aber doch unrealistisch. Auf jeden Fall: Viel Zeit bleibt nicht mehr für einen einvernehmlichen Vorschlag. Dann muss es eben zu einer Kampfabstimmung kommen. Angela Merkel hat mit Horst Köhler und Christian Wulff eine sehr unglückliche Hand bewiesen. Ihre schlussendlich positive Hinwendung zu Gauck spricht auch nicht für ihre Menschenkenntnis, ihn vorher doch strikt abgelehnt zu haben.“
Sigurd Schmidt, Bad Homburg
Die Bahn – mit Lizenz zum Foltern
Ein paar Anmerkungen zum Service der Deutschen Bahn
„Wir kommen aus New York. Die Menschen dort waren von einer Freundlichkeit, Aufgeschlossenheit und Hilfsbereitschaft, die ihresgleichen sucht. Außer einer mißmutigen Chinesin am Gemüsestand ist uns tatsächlich kein einziger Mensch begegnet, der uns nicht mit freundlichem Lächeln begegnet wäre. Betraten wir die U-Bahn oder den Bus, sprangen stets zwei oder drei junge Leute auf, die uns Alten ihren Platz anboten. Wirklich immer. Die U-Bahn selbst wirkt vernachlässigt, die Stationen sind stickig, die Treppen sind steil und das Äußere ist altbacken. Aber sie funktioniert. Manches in New York kam uns altbacken, ungeformt oder schäbig vor, die Bahn, die Ampeln, die Feuerleitern an alten Gebäuden. Aber alles funktionierte. Und nun kehren wir zurück. Nach der Landung in Frankfurt ist das Auschecken Routine. Aber alles, was danach kommt, ist Schikane.
Dass das Geldwechseln nicht klappt, ist eher Zufall: Eine Frau hat am Schalter ein nicht enden wollendes Geschäft abzuwickeln, so dass wir die Dollars behalten und uns entfernen.
Aber dann kommt es dicke: Am DB-Schalter der 1. Klasse empfängt uns eine unfreundliche Frau und es gibt böse Worte. Bei einer anderen, freundlicheren jungen Frau kaufen wir in einer BahnCard-Sonderaktion zwei “verbilligte” 1.Klasse-Fahrscheine nebst Platzkarten zu einem Preis, bei dem wir uns fragen, warum wir nicht gleich nach Hamburg weitergeflogen sind. Das fragen wir uns später noch öfter.
Auf dem Fernbahnsteig des Frankfurter Flughafens studieren wir die Waggonfolge und sehen, dass unser Waggon 14 der erste hinter dem Triebwagen im Bahnsteigbereich F-G ist. Dort bauen wir uns mit unseren 4 schweren Gepäckstücken auf, erkennen aber bald eine Schrift auf der Anzeige, die uns mitteilt, die Waggonreihung habe sich geändert. Wie soll man nun darauf reagieren? Wir bleiben an unserem Platz und hoffen dass die erste Klasse nach wie vor vorn sein möge.
Als der unendlich lange ICE einläuft, sehen wir, dass dem nicht so ist. Da wir nicht erkennen können wo Waggon 14 steht, steigen wir in den ersten Wagen ein, denn die Haltezeit ist knapp. Im Zug erfahren wir, dass unser Waggon nicht ganz vorn sondern vermutlich ganz hinten fährt. Der Zug ist brechend voll. Meine Frau bleibt im Türbereich beim Gepäck stehen, während ich mir einen kleineren Koffer schnappe und im fahrenden Zug den Waggon für unsere Platzkarte zu suchen beginne. Mit dem Rollkoffer und einer Jacke im Arm kämpfe ich mich durch die verstopften Gänge in der Hoffnung, mit beidem die zu findenden Sitze belegen zu können. Waggon 14 ist schließlich der allerletzte. Ich lege Koffer und Jacke auf die reservierten Plätze und haste zurück. In einem Dienstabteil entdecke ich drei jüngere Bahnangestellte, schildere außer Atem die Situation und bitte um Mithilfe beim Gepäcktransfer. Die drei Schnösel erklären kühl, sie würden jetzt abgelöst und ich solle das Problem mit den Nachfolgern klären. Ob die helfen würden, sei aber nicht sicher. Inzwischen läuft der Zug in Frankfurt Hauptbahnhof ein. Ich steige aus und renne auf dem Bahnsteig zum anderen Zugende. Dort finde ich eine neue Zugbegleiterin. Ich bitte sie, den Zug so lange stehen zu lassen, dass ich und meine Frau, die mit den Knien Probleme habe, mit unserem Gepäck auf dem Bahnsteig das andere Zugende erreichen können. Sie erwidert, dass sie das nicht könne, weil sie jetzt die Türen schließen müsse, und im übrigen dürfe nur die Fahrdienstleiterin die Abfahrt verzögern. Meine Bitte, dann die Fahrdienstleiterin zu kontaktieren, lehnt sie ab, weil sie das technisch nicht könne. (In New York hat jeder Mitarbeiter ein Handfunkgerät!)
Inzwischen bemerke ich, dass meine Frau mit einem Koffer ausgestiegen ist, – und damit wird die Situation unkontrollierbar. Fährt der Zug jetzt an, sind zwei Koffer weg. Also renne ich zu ihr und dränge sie, wieder einzusteigen. Die Lunge brennt wie Feuer.
Es bleibt uns 82-Jährigen also nichts weiter, als sich mit drei schweren Gepäckstücken durch den voll besetzten fahrenden Zug zu kämpfen, durch verstopfte Gänge, über ausgestreckte Beine und zwischen den Reihen gelagerte Gepäckstücke. Als wir schließlich – am Ende unserer Kräfte – außer Atem unsere reservierten Plätze erreichen, springen ein paar Mitreisende auf und nötigen mich, sofort Platz zu nehmen, ich hätte ja einen knallroten Kopf. Man fürchtet, ich könne kollabieren. Es sind freundliche Reisende, die uns helfen, die Koffer in den Ablagen zu verstauen.
Ich höre nur noch schwach die Lautsprecherdurchsage, der Besitzer “des Koffers mit dem gelben Band” (das ist mein Koffer) möge sich zu seinem Gepäckstück begeben. Ein herrenloser Koffer ist eine Terrorgefahr.
Irgendwann kommt besagte Zugbegleiterin um die Fahrkarten zu kontrollieren, hört sich konzentriert aber widerwillig die ganze Geschichte an und verspricht, dass ihre Chefin noch vorbeikommen werde, um uns zu sagen, wo wir uns beschweren könnten. Die Chefin erscheint natürlich nicht.
Als wir in Hamburg Hbf. ankommen, wähnen wir dem Chaos entronnen zu sein. Doch der Metronom aus Bremen, der uns nach Hause bringen soll, erscheint nicht zur angekündigten Zeit, er kommt überhaupt nicht. Statt dessen erscheint aus Uelzen ein Zug, in den alle Wartenden Richtung Bremen einsteigen. Nachdem alle Platz genommen haben, taucht eine Bahnangestellte auf und scheucht alle wieder hinaus. Der Zug ende hier, warum, wisse sie auch nicht. Nach einiger Zeit treibt ein Gerücht alle Wartenden zur südlichen Region des Bahnsteigs, wo sich aber nichts tut. Der Fahrdienstleiter hat auch keine Information, warum der Zug aus Bremen nicht gekommen ist. Das Publikum ist ratlos, aber geduldig. Dann fährt ein Zug ein, der aber 200 m weiter unten anhält. Ein wildes Hin- und Herrennen beginnt, es ist das totale Chaos, und wir schleppen uns, so gut es geht, mit unserem Gepäck zu diesem Zug.
Es ist ein Zug nach Bremen, den wir keuchend und mit Schmerz in den Gliedern erreichen, und in dessen Gepäck- und Fahrradabteil wir nur gelangen, indem wir von der Bahnsteigkante fast 1/2 m Höhenunterschied überwinden.
Der Zug setzt sich in Bewegung zu einer Uhrzeit, die nirgends aufgeführt ist.
Am Heimatbahnhof erfüllt sich ein Traum: Dort steht ein Taxi, das uns störungsfrei nach Hause bringt. Unser Grundstück liegt friedlich, das Haus ist unversehrt.
Die Nachbarschaftshilfe hat funktioniert, – sonst nichts. Wir sind zurück in der Heimat, im Land von Bundesbahn, Flughafen BER, Hamburger Elbphilharmonie und Stuttgart 21.
Unsere Zeit in New York hat uns wohl zu anspruchsvoll gemacht. Es bleibt das Gefühl, von einer Welt zuverlässigen Funktionierens in ein Land mit zerfallender Kompetenz und nur geringem menschlichen Miteinander geraten zu sein, in ein Land des Niedergangs, das unsere Heimat ist.“
@Günter Schlaud
Die von Ihnen genannten Zahlen sind etwas nach oben gerundet, aber sei’s drum. Der deutsche Individualverkehr verbraucht im Jahr 410 TWh (Quelle: Greenpeace). Bei einem Strompreis von 0.3 Euro pro kWh kommen ca. 120 Milliarden Euro Stromkosten zusammen. Tesla macht zwar mächtig Verluste, aber solche Zahlen sind auch für Tesla zu hoch. Das kostenlose Nachtanken ist wohl nur eine PR-Aktion, die eingestellt werden wird, wenn die Zahl der verkauften Autos steigt.
Kommentar zum Beitrag von Erhard Gratz: Die Bahn – mit Lizenz zum Foltern
Vorab zur Freundlichkeit der Amerikaner: Als Privatbürger sind sie sehr freundlich und hilfsbereit, das steht außer Frage. Das gilt aber nicht unbedingt für die Polizei und das Security-Personal auf den Flughäfen. Da habe ich auf meinen zahlreichen Reisen in die USA schon Uniformierte erlebt, die in bellendem Kasernenhofton die Reisenden durch die Kontrollen gescheucht haben. Dagegen habe ich als langjährige Bahnkundin es an den Schaltern der Deutschen Bahn und in den Zügen immer mit ausgesucht freundlichem Personal zu tun gehabt. Es kommt vielleicht auch ein wenig darauf an, in welchem Ton man sie anspricht.
Ansonsten kann ich nur sagen: Offenbar hat der Autor der Beschwerde im Alter von 82 Jahren zum ersten Mal eine Zugreise oder überhaupt eine größere Reise unternommen, denn so ungeschickt wie er und seine Frau kann man sich sonst nicht anstellen.
Hier ein paar Tipps für zukünftige etwas entspanntere Reisen:
1. Bei der Ausreise aus Deutschland behält man sich günstigerweise einen kleineren Eurobetrag im Portemonnaie, dann hat man bei der Wiedereinreise genug Geld in der Tasche, um nach Hause zu kommen. Das Geldumwechseln erledigt man dann bei der eigenen Bank, das ist auch billiger. Sinnvoll ist es auch, sein Zugticket mit Platzkarte bereits vor Antritt der Reise zu besorgen. Hat man das versäumt, bezahlt man es mit der EC-Card.
2. Erster Klasse zu reisen ist überall teurer. Wahrscheinlich ist das Ehepaar Gratz auch nicht in der ersten Klasse nach New York geflogen, weil das zu teuer war.
3. Es existiert ein Gepäck-Service der Deutschen Bahn vom Flughafen bis nach Hause. Mit etwas Vorausplanung und geringen Zusatzkosten hätte Herr Gratz sich also die ganze Plackerei mit dem Gepäck ersparen können. Dass das Mitführen von vier schweren Koffern für ein älteres Ehepaar nicht so einfach zu bewältigen ist, liegt eigentlich auf den Hand.
4. Wenn auf der Anzeigentafel am Bahnsteig mitgeteilt wird, dass sich die Reihenfolge der Waggons geändert hat, ist es sinnvoll, sich danach zu richten. Die Wagennummern stehen, leider oft in recht kleiner Schrift, auf den Wagen. Die Waggons der ersten Klasse befinden sich in der Regel entweder am vorderen oder am hinteren Ende des Zuges und sind durch eine große 1 gekennzeichnet, also wirklich nicht zu verfehlen.
5. Probleme mit Anschlüssen und sonstige Pannen sind nicht auf Deutschland und nicht auf die Bahn beschränkt. Ich habe schon 24 Stunden auf dem Flughafen Philadelphia verbracht (mit United Airlines, einer amerikanischen Fluggesellschaft), weil ein Anschluss wegen Unwetters verpasst wurde und es 24 Stunden dauerte, bis mir in einem anderen Flugzeug ein Platz zugewiesen wurde.
Und jeder, der in den USA mit dem Zug (Gesellschaft AMTRAK) fährt, weiß im Voraus, dass er sich nicht auf die planmäßigen Ankunftszeiten verlassen kann, da die Güterzüge grundsätzlich Vorfahrt haben und man längere Aufenthalte auf freier Strecke einplanen muss. Die Zugfahrt von Urbana in Illinois zum etwa 250 km entfernten Chicago dauerte auf meinen beiden Reisen auf dieser Strecke deshalb nicht 4 sondern 5 (!) Stunden. Schnellere Zugverbindungen gibt es in den USA nur auf sehr wenigen Strecken.
Also bevor Herr Gratz den deutschen Bahnverkehr in Grund und Boden verdammt und den amerikanischen über den grünen Klee lobt, sollte er sich ein wenig besser informieren.