Mögen Sie anständige konservativ-patriotische Demokraten?
Dann werden Sie sich bestimmt freuen, anonyme Post von ihnen zu bekommen, die so aussieht:
Das ist Klaus Philipp Mertens aus Frankfurt auf den Schreibtisch geflattert, dessen Name vielen von Ihnen ein Begriff sein wird. Mertens schreibt regelmäßig Leserbriefe an die FR und wird im Leserforum veröffentlicht. Gelegentlich kommentiert er auch hier im FR-Blog. Er ist Vorsitzender des gemeinnützigen Frankfurter Kultur- und Literaturvereins Pro Lesen e.V. in Frankfurt-Sachsenhausen.
Zu einer Veranstaltung dieses Vereins im städtischen Bibliothekszentrum Sachsenhausen waren die Bender-Brüder aus Limburg eingeladen, was offenbar der Grund dafür ist, dass Verein und Bibliothek das Interesse der oben genannten „anständigen Demokraten“ erregte. Viele von Ihnen werden von jener Geschichte aus Limburg gehört haben, die man als Provinzposse abtun könnte, wenn da nicht der Verdacht im Raum stünde, dass städtische Behörden auf dem rechten Auge blind sein könnten.
Der Lehrer und Anti-Nazi-Aktivist Ralf Bender hatte im April 2013 Hakenkreuze an Laternenpfählen mit schwarzer Farbe übersprüht. Die Stadt beklagte jedoch nicht die Hakenkreuze, die sie wochenlang geduldet hatte, sondern die Übersprühung: Die anschließende Reinigung sei teuer gewesen, die Farbe habe nur mit einem kostspieligen Lösungsmittel entfernt werden können. Eine erste Rechnung von mehr als 3000 Euro wurde später auf rund 991,55 Euro reduziert. Die Stadt klagte schließlich (FR-Bericht vom 9.12.2014). Der Vorgang trug Bender anonyme Morddrohungen und rechte Hetze ein. Das Landgericht Limburg verurteilte ihn zur Zahlung dieser knapp 1000 Euro plus aufgelaufener Kosten, eine Spendenkampagne trug die Summe zusammen. In Limburg dürfte man sich im Nachhinein wohl ohrfeigen, die Sache nicht eher auf dem kleinen Dienstweg erledigt zu haben, denn so kam die Stadt bundesweit in die Nachrichten.
Wegen des Auftritts der Bender-Brüder in Frankfurt-Sachsenhausen geriet nun allerdings auch der Verein Pro Lesen und FR-Leser Mertens ins Fadenkreuz jener „konservativen Patrioten“. Auf der Seite Weltexpresso.de schrieb Mertens einen Artikel „Von Schwarzen, die braune Sprüche hinnehmen“ und bekam dafür eine „inhaltlich weitgehend identische Drohung“ wie die Bender-Brüder, wie er auf derselben Webseite einige Tage später schrieb.
Darüber möchte ich mich gern ein wenig mit Herrn Mertens unterhalten.
Blogtalk mit K. P. Mertens
Klaus Philipp Mertens, geboren 1947, Verlagsbuchhändler und studierter Theologe mit Marketingausbildung, lebt und arbeitet seit 1987 in Frankfurt am Main. Er war Geschäftsführer einer Sortimentsbuchhandlung mit Filialen im Ruhrgebiet und in Nordwestdeutschland, Mitglied der Geschäftsleitung von Fachverlagen und von 1987 bis 2002 Verlagsleiter des Gemeinschaftswerks der Evangelischen Publizistik. Heute leitet er die Verlagsagentur Mertens & Medien GmbH und ist, wie schon gesagt, Vorsitzender von Pro Lesen e.V. Er hat auch einen Beitrag zum FR-Projekt Ankunft nach Flucht geliefert, der –> HIER gelesen werden kann.
Mich kennen Sie ja: Lutz „Bronski“ Büge, Redakteur der Frankfurter Rundschau, Blogger im „Bronski-Blog“ der FR, daneben auch Autor von Romanen wie Virenkrieg und Die JFK-Akten (gerade im kostenlosen Download als E-Book erhältlich) und Initiator der deutsch-französischen Foto-Kunstprojekte 365 Blicke / 365 vues und 52 Blicke / 52 vues.
Ich möchte mich mit Herrn Mertens über Hintergründe und Einsichten unterhalten, die man möglicherweise bekommt, wenn man anonyme Drohschriften erhält. Wie geht es einem dabei, was denkt man, was treibt einen um? Die Schriften selbst werden hier in Kürze in Auszügen dokumentiert. Besonders clever scheint der Absender nicht vorgegangen zu sein, da er, wie schon auf dem Scan oben zu erkennen ist, handschriftliche Anmerkungen hinzugefügt hat. Aber ich will nicht vorgreifen.
Bei Blogtalks im FR-Blog gilt diesmal wie sonst auch: Jeder kann mitreden und Fragen stellen. Ich als Gesprächsleiter nehme mir gleichwohl das Privileg heraus, dass meine Fragen Vorrang haben. Ihre Fragen werden deswegen nicht vergessen oder übergangen, sondern nur verschoben und später beantwortet.
Herr Mertens und ich talken ab 21.9.2016 um etwa zehn Uhr morgens bis wer weiß wann. Dann wird dieser Thread eröffnet. Es gibt sicher viel zu erzählen in einer Geschichte, die ihren Ausgang nahm von einigen Hakenkreuzschmierereien in Limburg. Schmierereien, wie wir sie alle schon gesehen haben. Nur dass sich anderswo niemand so dagegen gewehrt hat wie Ralf Bender in Limburg.
***
Kleiner organisatorischer Tipp: Ein unverzichtbarer Helfer beim Blogtalk ist die F5-Taste. Sie aktualisiert die Webseite und zeigt, ob es neue Kommentare oder Fragen und Antworten gibt.
Einen schönen guten Morgen, Herr Mertens. Sind Sie bereit und fit?
Auch Ihnen einen schönen guten Morgen. Ja, ich sitze am Schreibtisch, blättere in der digitalen Version der FR und wechsele regelmäßig in den Blogtalk.
Hier in Offenbach scheint die Sonne, aber wir wollen uns mit einem düsteren Thema beschäftigen. Herr Mertens, Sie bekommen anonyme Droh- und Schmähbriefe, in denen Sie persönlich scharf angegriffen werden. Wie gehen Sie damit um, wie kommen Sie damit klar?
Übrigens – ein kleiner organisatorischer Tipp: Ein unverzichtbarer Helfer beim Blogtalk ist die F5-Taste. Sie aktualisiert die Webseite und zeigt, ob es neue Kommentare oder Fragen und Antworten gibt.
Diese Briefe beginnen ihre düsteren Botschaften bereits auf dem Umschlag. Denn sie sind verziert mit Aufklebern der rechten Zeitung „Junge Freiheit“, deren inhaltliche Grundlage die „Konservative Revolution“ der 20er Jahre ist und eine Vorläuferin und Wegbereiterin des Nationalsozialismus war. Ich lese die Briefe, ärgere mich zunächst, scanne sie und gehe damit zur Polizei. Anschließend beginnt dann die inhaltliche Analyse.
Es ist ja nicht gerade üblich bei anonymen Briefen, dass eine Art Absender draufsteht. Das ist sonderbar, oder? Was schließen Sie daraus?
Nach meinem Eindruck will der/wollen die anonymen Versender von vornherein ein eindeutiges Signal geben. Vermutlich als Warnung. Und mit dieser Methode kann man Angst erzeugen. Deswegen ist es wichtig, dass man sie öffentlich macht. Pamphlete der Art, wie ich und andere sie derzeit erhalten bzw. erhalten haben, gehören in die Hände der Ermittlungsbehörden. Und die Öffentlichkeit muss darauf hingewiesen werden, dass solche Beleidigungen, Nötigungen und Drohungen im Umlauf sind. Den Tätern darf keine Gelegenheit gegeben werden, sich hinter einer passiven Öffentlichkeit zu verstecken. Diesen Fehler hat man vielfach in ostdeutschen Gemeinden gemacht. Ich denke in diesem Zusammenhang an die so genannten „befreiten Zonen“. Die Behörden hätten alles daran setzen müssen, um diese Orte vom braunen Pöbel zu befreien. Nach den Verbrechen, die zwischen 1933 und 1945 geschahen, hat niemand das Recht rechtsradikal zu sein. Denn andernfalls würde die Gesinnung von Totschlägern und Mördern als eine zu akzeptierende Haltung erscheinen.
Sie sagen, diese Methode „kann“ Angst erzeugen. Vorher sagten Sie, dass Sie sich über diese Briefe ärgern. Angst haben Sie also nicht?
Eine unmittelbare Angst habe ich nicht. Aber ich sehe in den Schmähbriefen eine potentielle Gefahr, aus der sehr plötzlich Angst, sogar Angst um das eigene Leben, erwachsen kann. Daneben sehe ich mit Sorgen in die nächste Zukunft. Wenn sich in einer Gesellschaft bestimmte Meinungen nur dadurch artikulieren können, indem sie mit Tod und gesellschaftlicher Ächtung drohen, sind der demokratische Konsens und folglich das Miteinander aller Bürger in Gefahr.
Ärger empfinde ich insbesondere über die Passivität der Limburger Behörden. Also nachdem sie von Ralf und Reiner Bender auf die Nazi-Schmierereien im Umfeld von Schulen hingewiesen worden waren und drei Wochen lang nichts geschah. Das ist der eigentliche Skandal. Es hat anscheinend niemanden interessiert, nicht den damaligen Bürgermeister, nicht den Leiter des Ordnungsamts. Als Ralf Bender dann selbst Hand anlegte, spielte man den starken Staat.
Über die Konsequenzen wollen wir noch reden. Bleiben wir aber zuerst beim konkreten Vorfall. Wie oft bekamen Sie solche Briefe, und worin bestand die Drohung?
Ich bekam dreimal Post. Die eindeutigste Drohung bestand in dem Hinweis, dass sich 1798, also die Französische Revolution, mit neuen Vorzeichen wiederholen könnte. Den heutigen Volksfeinden „könnte es so ergehen wie der korrupt-ausbeuterischen, volksverachtenden Oberkaste Frankreichs 1789. Aber das [sei] keine aktuelle Drohung, sondern allenfalls eine perspektivische“. Und dann wird der Dichter Theodor Körner zitiert: „Noch sitzt ihr da oben, ihr feigen Gestalten, / vom Feinde bezahlt und dem Volke zum Spott. / Doch einst wird wieder Gerechtigkeit walten, / dann richtet das Volk und es gnade euch Gott.“
Auf der Webseite Weltexpresso.de berichten Sie von Drohungen durch einen „Sophie-und-Hans-Scholl-Fanclub“. Die galten ebenfalls auch Ihnen?
Und noch eine Frage hinterher, bevor ich mich aufs Rad setze, um in die Redaktion zu fahren:
Oben in der Einleitung zu diesem Blogtalk ist ein Auszug aus einer der Drohschriften abgebildet (draufklicken vergrößert ihn). Was für eine „asoziale Lügenproduktion“ wird Ihnen da vorgeworfen?
Meine nächste Frage kommt nicht vor 11:30 Uhr.
Ja, das war eine Postkarte, die dem ersten Brief beigefügt war. Ganz offensichtlich spielte der Schreiber auf die Brüder Ralf und Reiner Bender an und wollte mit dem Verweis auf die Ermordung von Sophie und Hans Scholl eine Warnung aussprechen. Allerdings verstrickte sich der Absender ständig im selbst konstruierten Geflecht von historischen Tatsachen, Halbwahrheiten und unrealistischen Mutmaßungen. Er macht Anlehnung bei den Ereignissen von 1814/15, also den Kriegen gegen Napoleon, siehe Theodor Körners Gedicht. Dann benennt er ausgerechnet Sozialdemokraten und Kommunisten als Kronzeugen für die Errichtung eines nationalistischen Deutschlands. In einem Brief bezieht er sich auf einen Artikel im „Wetzlarer Kurier“, der von dem rechtslastigen CDU-Landtagsabgeordneten Irmer herausgegeben wird. Und er protestiert dagegen, dass „anständige konservativ-patriotische Demokraten pauschal zu Nazis erklärt und beschimpft“ werden, was mit Hinweisen auf AfD und Pegida unterstrichen wird.
Zu Ihrer Frage von 10:49 Uhr: Ich hatte am 23. August im Internetmagazin „weltexpresso.de“ einen Beitrag über die Schmäh- und Drohbriefe an Ralf und Reiner Bender und mich geschrieben. Darin bezog ich mich u.a. auf die erwähnte Postkarte des „Sophie-und-Hans-Scholl-Fanclubs“. Der zweite Brief enthält dann den zitierten Vorwurf der „asozialen Lügenpropaganda“ etc.
„Nach den Verbrechen, die zwischen 1933 und 1945 geschahen, hat niemand das Recht rechtsradikal zu sein. Denn andernfalls würde die Gesinnung von Totschlägern und Mördern als eine zu akzeptierende Haltung erscheinen.“ (Klaus Philipp Mertens)
Da kann man ja nicht wirklich widersprechen – allenfalls zur Vorsicht mahnen: Ich habe regelmäßig das Gefühl (und das seit WG-Diskussionen in den 70ern) dass man die „Anderen“ (hier jetzt die Rechtsradikalen) dadurch personell verstärkt, dass man mit Gruppencodes ein sprachliches Instrumentarium und gleichzeitig Sensorium entwickelt, um die eigene Seite sicher zu vertreten und die Gegenseite im Zweifelsfall bereits an einem Wort dingfest machen und aussondern zu können. (Das machen die Anderen natürlich genauso, auch wenn sie ihr pc pi nennen.) Das führt dazu, dass viele schweigen (um dann von beiden Seiten vereinnahmt zu werden) oder, wenn sie den Mund nicht halten wollen, auf ein Seite gedrängt werden, vielleicht ohne das ursprünglich zu wollen (Anlässlich des Todes von Nolte habe ich mir gerade einen Rückblick auf den „Historikerstreit“ angetan). Es führt zu einer wer-nicht-für-mich-ist-ist-gegen-mich-Haltung und letztlich in die Kommunikationslosigkeit bzw. in die Kommunikatonsebene der Gewalt.
In dem Drohbrief wird eine „konkrete Mordabsicht“ bestritten. Diese Furcht wäre höchstens bei einem Absender „Freisler-Fanclub“ berechtigt. Erst Sophie Scholl, dann Freisler – gemeint ist vermutlich der berüchtigte Präsident des Volksgerichtshofs -, da geht es ja ganz schön kreuz und quer durch das historische Personal. Stellen Sie sich da die Frage, was in einem solchen Kopf vorgeht?
Ja, diese Frage stelle ich mir. Andererseits: Wenn ich mir Interviews mit vermeintlich normalen Bürgern/innen anschaue, die bei Talkshows wie „Hart aber fair“ oder „Anne Will“ gesendet werden, frage ich mich regelmäßig, wie wirr der Bewusstseinszustand in diesem Lande eigentlich ist. Irgendwie scheint politisches Halbwissen und Nichtwissen mittlerweile wieder akzeptiert zu sein. Und aus solchem selbst angefertigtem Gebräu wird schnell ein Gift, das zur allgemeinen Brunnenvergiftung beiträgt. Konkret zu Nationalismus, Rassismus etc.
Aus dieser Ecke kommen auch die Drohbriefe, die Sie bekommen haben?
Ja, das vermute ich. Schließlich kann man den/die Autor/en an seinen/ihren Worten erkennen. Und diese decken sich mit dem, was Sternberger, Storz und Süskind in ihrem Buch „Aus dem Wörterbuch des Unmenschen“ beschrieben, als sie die Giftküche des Joseph Goebbels entschlüsselten. Wenn ich in diesem Zusammenhang die Äußerungen der AfD-Politikerin Frauke Petry über das „Völkische“ höre, bin ich sprachlich und inhaltlich mitten in den Pamphleten, die mich erreichten: Ungeist vom Ungeist.
Das alles fing ja recht harmlos an, und zwar mit den Vorgängen in Limburg. In welchem Maß und wie haben Sie sich in der Limburger … ich nenne es mal Posse engagiert?
Zuvor möchte ich gern noch den Hinweis von Frank Wohlgemuth auf Ernst Nolte aufnehmen. Der von diesem entfachte „Historikerstreit“ war de facto die Relativierung der NS-Verbrechen durch den historisch falschen Vergleich mit den Verbrechen der Stalin-Ära. In dem letzten anonymen Brief, der mich erreichte, wird auf die nicht zu leugnenden und nicht zu rechtfertigenden Verbrechen in der Sowjet Union verwiesen. Aber immer in der erkennbaren Absicht, den deutschen Faschismus zu entschuldigen.
Auch Versuche des rechten Milieus, den kompromittierten Staatsrechtler Carl Schmidt zum seriösen Wissenschaftler zu erklären, gehören in diese Richtung. Es geht der neuen Rechten erkennbar um die Deutungshoheit. Auf der vermeintlich intellektuellen Ebene beschäftigt man sich auf Diskussionsforen mit Nolte, Schmidt oder Ernst Jünger. Auf der unteren Ebene verfasst man Schmäh- und Drohbriefe.
Es begann damit, dass eine Dame, die das FR-Leserforum regelmäßig verfolgt, auf mich aufmerksam wurde und mir im November 2015 einen Brief schrieb, in welchem sie auf den „Fall Bender“ hinwies.
Zu dieser Zeit war ich damit beschäftigt, einen Artikel über Oradour-sur-Glane zu verfassen. Das ist jene Ortschaft im südwestlichen Frankreich, am westlichen Hang des Massif Central gelegen, wo am 10. Juni 1944 ein Trupp der Waffen-SS nahezu die gesamte Bevölkerung ermordete. Die Männer, die mit der Straßenbahn ins nahe gelegene Limoges zur Arbeit fahren wollten oder von dort zurückkamen, wurden an der Haltestelle am Ortsrand erschossen. Die anderen Einwohner wurden in die Kirche eingesperrt, dann wurde Feuer gelegt und bis auf drei oder vier verbrannten alle. Heute kann man diese Ruinen besichtigen und wer sich das zumutet, ist erschüttert. Man sieht in den Trümmern Relikte des normalen Alltags: einen Kinderwagen, eine Nähmaschine, Fahrräder, Reste eines verbrannten Autos. Ich habe Oradour zweimal aufgesucht, einmal bei Nebel und Nieselregen, einmal bei strahlendem Sonnenschein. Aber auch ein blauer Himmel vermag dieses „Denkmal“ des Nationalsozialismus nicht zu übertünchen.
Und während ich diese Eindrücke verarbeitete, erreicht mich der erwähnte Brief. Ralf und Reiner Bender wollten nach meiner Einschätzung durch ihre Aktion exakt auf diese und viele, viele andere NS-Verbrechen hinweisen, indem sie das Anbringen von Nazi-Symbolen nicht achselzuckend hinnahmen und zur Tagesordnung übergingen.
Ich habe mich dann mit Ralf und Reiner Bender in Verbindung gesetzt und von ihnen ihre persönlichen Aufzeichnungen über die Kontakte mit dem Limburger Bürgermeister und dem Leiter des Ordnungsamts sowie die Gerichtsakten in Kopie erhalten. Daraufhin habe ich beiden vorgeschlagen, eine Dokumentation anzufertigen, die das gesamte verfügbare Material enthalten sollte und die allen Interessierten kostenlos zur Verfügung stand. Das haben wir dann gemeinsam umgesetzt. Diese Dokumentation konnte ab Januar dieses Jahres von der Internetseite meiner Verlagsagentur heruntergeladen werden. Die Resonanz war überwältigend. Deswegen habe ich die Brüder Bender zu einer Veranstaltung des Literaturvereins PRO LESEN in Frankfurt-Sachsenhausen eingeladen, die im April stattfand. Die Veranstaltung wurde ebenfalls in einer kleinen Broschüre dokumentiert, die ab Mai verbreitet und mittlerweile um die aktuellen Vorgänge (Schmäh- und Drohbriefe) erweitert wurde. Parallel dazu sowie anschließend, als die Zwangsvollstreckung der Kostenforderung anstand, habe ich in Leserbriefen an die FR und in Artikeln in weltexpresso.de auf den Fall Bender aufmerksam gemacht.
Ich gehe davon aus, dass der Verein PRO LESEN und ich vor allem durch die Veranstaltung sowie die Leserbriefe und Artikel ins Visier der Rechtsradikalen geraten sind.
In welcher Form wurden die Bender-Brüder bedroht?
Durch die Verhandlung vor dem Amtsgerichts Limburg im November 2014 geriet der Fall ins öffentliche Interesse. Sowohl die regionale Presse als auch das HR-Fernsehen berichtete darüber. Daraufhin folgten die ersten Drohbriefe. Das Auto des querschnittsgelähmten Reiner Bender wurde mit einem Hakenkreuz bemalt. Auf Anraten der Polizei verstärkten die Benders, die im östlich von Limburg gelegenen Runkel wohnen, die Sicherung ihres Hauses,Türschlüsser und Fenster wurden einbruchsicherer gemacht. Als Reiner Bender mit Schülern in einer Parkanlage in Limburg unterwegs war (er im Rollstuhl), wurde er von einem städtischen Arbeiter in aggressiver Weise beschimpft. Als die Zwangsvollstreckung der Forderung öffentlich bekannt wurde, nahm die vorher zurückgegangene Flut von Drohbriefen wieder zu. Seit der letzten Augustwoche sind die Briefe, die bei den Benders eingehen und jenen, die ich erhalte, inhaltsidentisch.
Das heißt, es dürfte sich um denselben Urheber handeln.
Alles deutet darauf hin. Die bei mir eingegangenen Briefe weisen ähnlich wie die zeitlich parallel an die Benders versandten teilweise handschriftliche Anmerkungen auf. Die Handschrift überein. Allerdings wiesen Briefe, die vorher „nur“ bei Ralf und Reiner Bender eingingen, andere Handschriften auf bzw. die Umschläge waren in eine anderen Handschrift adressiert.
Eine Dame, die an einer Informationsveranstaltung des „Bündnis Courage gegen rechts“ in Limburg teilnahm, an der auch auf den Fall Bender berichtet wurde, berichtete mir, dass sie nach der Aktion auf der Fahrt zu ihrer Wohnung von einem PKW, der mit Aufklebern wie „Political correctness – Nein danke!“ beklebt war, zur Seite gedrängt und ausgebremst wurde. In der Aufregung hat sie sich das Kennzeichen nicht notiert. Für mich sind diese Vorgänge ein Indiz dafür, dass eine organisierte Gruppe dahinter steckt.
Sie sprechen die handschriftlichen Anmerkungen an. Wie das aussieht, kann z.B. HIER besichtigt werden. Da kann man ja eigentlich nicht mehr von anonymen Briefen sprechen. Da scheint jemand relativ wenig Angst vor Entdeckung und gegebenenfalls auch Bestrafung zu haben. Sie haben gesagt, Sie seien zur Polizei gegangen — das heißt, Sie haben Anzeige erstattet. Gibt es schon Erkenntnisse?
Ja, ich habe den ersten Brief der Ermittlungsgruppe im Polizeirevier in Frankfurt-Sachsenhausen ausgehändigt und die Sache zu Protokoll gegeben. Von dort wurde er dem Hessischen Staatsschutz übergeben. Die weiteren Briefe habe ich dann direkt dem Beamten, der mit der Sache Bender vertraut ist, übermittelt. Inoffiziell habe ich gehört, dass Ermittlungen wegen Volksverhetzung eingeleitet wurden und es einen Verdacht in eine bestimmte Richtung gäbe. Juristisch schwieriger ist es, dass Drohpotenzial der Briefe einzuordnen. Falls mich jemand in Anwesenheit von Zeugen direkt verbal oder tätlich bedroht hätte, wäre das strafrechtlich eindeutig. Deswegen gehe ich davon aus, dass der/die Absender der Pamphlete diese rechtliche Grauzone nutzt/en.
Auch aus diesem Grund hielt und halte ich es für notwendig,an die Öffentlichkeit zu gehen. Und es ist mir absolut unverständlich, warum aus der Stadt, in der alles begonnen hat, nämlich vom Magistrat in Limburg an der Lahn, keine solidarische Stellungnahme kommt. Dabei ist es für mich unerheblich, ob Ralf Bender seinerzeit tatsächlich eine Sachbeschädigung an Straßenlaternen und Verkehrsschildern vorgenommen hat und zivilrechtlich in Anspruch genommen werden musste. Gegen die Verursacher der ersten Sachbeschädigung, also jene, die Hakenkreuze etc. an- und aufbrachten, wurde keine Strafanzeige seitens der Stadtverwaltung gestellt. Und die Anlagen zur Kostenberechnung an Ralf Bender sind derart fragmentarisch, dass man zum dem Schluss kommen kann, dass die Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Buchführung bei der Limburger Stadtverwaltung unbekannt ist. Dadurch fühlen sich die rechtsradikalen Gruppen bestärkt.
Deswegen habe ich an den Bürgermeister einen persönlichen und an die Fraktionen der Stadtverordnetenversammlungin Limburg einen Offenen Brief im Namen des Vereins PRO LESEN, dessen Mitglieder sehr besorgt sind, geschrieben und eine Stellungnahme angemahnt.
Auf den Brief an den Bürgermeister meldet sich dessen Pressesprecher und kündigte die Beantwortung meiner Fragen an. Auf den Brief an die Fraktionen erhielt ich eine freundliche Antwort des CDU-Fraktionsvorsitzenden, der eine ausführliche Antwort nach der nächsten Fraktionssitzung in Aussicht stellte. Die anderen schweigen.
Da es sich mittlerweile auch um eine Frankfurter Angelegenheit handelt, schließlich ist ein gemeinnütziger Verein, der mit der Stadtbücherei intensiv zusammenarbeitet, zur Zielscheibe Rechtsradikaler geworden, habe ich den Offenen Brief in Kopie auch an die demokratischen Fraktionen der Frankfurter Stadtverordnetenversammlung gesandt. Daraufhin hat sich die Fraktionsvorsitzende der Linken solidarisch erklärt. Die anderen schweigen.
Der offene Brief kann –> HIER nachgelesen werden (pdf-Dopkument).
Es gehört ja einerseits nicht viel Mut dazu, jemanden anonym zu schmähen und zu beleidigen. Im Netz ist solches Verhalten gang und gäbe, wobei die meisten übersehen, dass sie selbstverständlich Spuren hinterlassen, die mit gewissem Aufwand nachvollzogen werden können. Ihr Peiniger hingegen nutzt analoge Techniken, scheint aber nicht besonders um Vorsicht bemüht zu sein. Auch angesichts der Inhalte kann man den Eindruck bekommen, dass es sich um jemanden handeln könnte, der – ich sage es vorsichtig – verwirrt ist, oder?
@ off topic:
Zu Erklärung, warum es manchmal ein bisschen dauert, bis meine nächste Frage kommt: Ich produziere natürlich nebenher die Leserbriefseiten für die morgige FR-Ausgabe. Ich müsste eigentlich längst fertig sein, in einer halben Stunde ist Redaktionsschluss.
Verwirrt? Der Absender hat diverses Material zusammengetragen. Einerseits aus offensichtlich rechten Quellen (ich zähle die Zeitung „Junge Freiheit“ dazu, deren Inhalte – „Konservative Revolution“ – und Aufkleber „Sie verlassen den politisch korrekten Sektor“- er nutzt), andererseits hat er in der regionalen Presse des Kreises Limburg-Weilburg recherchiert und er ist sogar auf meine Artikel in „weltexpresso.de“ und möglicherweise in denen, die ich in der PRO LESEN-Zeitschrift „BRÜCKE unter dem MAIN“ zu dem Thema veröffentlicht habe, gestoßen. Daraus schließe ich, dass er bewusst handelt. Sein politisches Bewusstsein, oder besser: seine politische Moral, tragen sicherlich Züge eines Verwirrtseins. Aber die Übereinstimmungen mit den Äußerungen von AfD-Politikern (Fremdenfeindlichkeit, Hinwendung zum Völkischen etc.) und den Parolen von Pegida (Theodor Körners Gedichte werden dort häufig für eigene Ziele in Anspruch genommen) sind für mich unübersehbar. Und diese Phänomene ordne ich nicht mehr einem verwirrten Zustand zu, sondern einer politischen Absicht, die für alle Demokraten zu einer großen Gefahr werden kann.
Man könnte doch aber argumentieren, dass derlei Gedankengut immer präsent war. Die Friedrich-Ebert-Stiftung hat beispielsweise schon vor elf Jahren in einer Studie belegt, dass eine erhebliche Zahl von Deutschen ein geschlosses rechtsextremes Weltbild pflegt. (Die genaue Zahl reiche ich nachher nach, muss ich nachgucken.) Irgendwas muss also passiert sein, was es den Besitzern solchen Gedankenguts jetzt erlaubt oder erleichtert, sich damit hervor zu wagen. Was könnte das sein?
Ich befürchte, dass sie salonfähig gemacht werden. Und dass dies ausgerechnet durch öffentlich-rechtliche Medien geschieht; ich denke an „Hart aber fair“ und „Anne Will“. Wenn Alexander Gauland,Frauke Petry oder Beatrix von Storch eingeladen werden, wird dadurch gegenüber der Öffentlichkeit Normalität angedeutet. Es wird dann eben wieder normal, mit der extremen Rechten zu reden und deren widerliche Propaganda gegen Flüchtlinge als normale, gar demokratisch legitimierte Äußerungen zu bewerten. Exakt das ist der Kampf dieser Gruppen um die Deutungshoheit innerhalb des gesellschaftlichen Diskurses. Die Schmäh- und Drohbriefe mögen vernachlässigbar sein, solange sich hinter ihnen nicht ein gesellschaftlicher Trend verbirgt. Die Brandstifter sind die Hilfstruppen der Biedermänner und Biederfrauen.
Medien können Trends natürlich verstärken und auch kreieren, aber erklärt das wirklich, warum es ausgerechnet jetzt passiert? Man könnte ja auch argumentieren, dass „Hart aber fair“ und „Anne Will“ auf Trends reagieren, wenn sie diese Leute einladen.
Wer lediglich reagiert, hat seine Handlungsfreiheit aufgegeben, vor allem im Journalismus. Redaktionen sollten, müssen sogar sortieren und eine qualitative Ausgewogenheit herstellen. Mir jedenfalls ist aufgefallen, dass zu Runden mit AfD-Vertretern überwiegend Mitdiskutanten eingeladen werden, die noch nicht einmal einen Hauch des demokratischen Bewusstseins vermitteln können, das glücklicherweise noch nicht aus der Gesellschaft verschwunden ist.
Darüber können wir gern weiterdiskutieren, jedoch zu einem späteren Zeitpunkt. Vorhin äußerten Sie die Einschätzung, dass der Briefeschreiber nicht allein handelt, sondern zu einer Gruppe gehört. An welchen Indizien machen Sie das fest – außer an der Begegnung der Frau mit einem Pkw?
Zunächst einmal daran, dass die Briefe, die bei den Benders seit Spätherbst 2014 eingingen, eine unübersehbare Übereinstimmung bei der Auswahl von „Quellen“ (Bezüge auf rechte Publikationen etc.) gegeben ist. Andererseits unterscheiden sich die handschriftlichen Zusätze von einander, vor allem bei jenen Briefen, die bis zum Jahresbeginn 2016 eingetroffen waren.
Als Indiz für eine Arbeitsteilung zwischen mehreren Personen erscheint mir auch der offensichtliche Umstand, dass so völlig verschiedene Publikationen wie einerseits Regionalpresse und Regionalfernsehen, dann die FR und selbst Foren mit Specialinterest-Charakter wie „weltexpresso.de“ und „BRÜCKE unter dem MAIN“ herangezogen werden.
P.S. Ich muss mich bis ca. 17:30 Uhr zurückziehen, denn es ist noch etwas Büroarbeit zu erledigen. Danach, auch am frühen oder späteren Abend oder an einem anderen Tag, „talke“ ich sehr gern weiter.
Ist genehmigt. 😉
Ich muss noch ein paar Dinge hier in der Redaktion erledigen, aber dann werde ich nach Hause radeln und somit ebenfalls eine Weile weg vom Rechner sein.
Zum weiteren Prozedere: Morgen haben wir beide ja nicht so richtig Zeit – Sie vormittags nicht, und ich kann an Teilen des Nachmittags nicht -, so dass ich vorschlage, dass wir am Freitag ein bisschen in die Inhalte der Briefe einstecken und sie zu analysieren versuchen. Was meinen Sie dazu?
Zwischendurch kann hier zum Thema diskutiert werden, und es können Fragen an Herrn Mertens und Anmerkungen hinterlassen werden.
@ Klaus Philipp Mertens
Sie haben meinen Hinweis sehr gekonnt an der falschen Stelle aufgenommen. Ich wollte hier nicht den „Historikerstreit“ aufwärmen, der gar keiner war, wie sie richtig bemerken, es war ein politischer Streit um die Deutungshoheit, wenn auch weniger von Nolte als von Habermas aus. Die Historiker haben das inzwischen anders gelöst, weder im Sinne Habermas‘ noch in dem Noltes.
Mein Hinweis geht in eine andere Richtung: Wäre Nolte auch in die nationalistische Ecke abgeglitten (was er am Ende ziemlich eindeutig ist) wenn man wirklich das fachliche Gespräch aufgenommen hätte, das er am Anfang auch angeboten hat? Die moralische Ausgrenzung, die stattfand, ließ kein Gespräch zu. Wie die unfertigen Gedanken Noltes in der nationalistischen Szene zitiert werden, sind ja kein Beleg dafür, dass sie damals so gemeint waren.
Das bringt mich auf das „Völkische“ bei Frau Petry. Als Aufhänger eine Anekdote aus meinem Elternhaus irgendwann in den 80ern: Mein Vater, Jahrgang 16, damit zwangsläufig in den Nationalsozialismus verwickelt, wenn auch nicht als Täter im industriell organisierten Morden, wahrscheinlich nicht mal als überzeugter Nazi, so doch als pflichterfüllender, christlicher Soldat. Er war in Aufregung wegen eines Pamphlets aus der nationalistischen CDU-Ecke, wohlgemerkt: er schwang in der vom Autor intendierten Weise mit. Nach der Habermas-Methode hätte ich ihn als Nationalisten beschimpft und wäre rausgegangen. Es war sowieso nicht viel Gespräch zwischen uns möglich, aber Folgendes ging und hat ihn sofort in teppichnähere Gefilde gebracht: Ich habe ihm den Text leicht verändert, indem ich das „deutsche Volk“ überall durch die „Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland“ ersetzt habe. Da war die Luft raus.
In einem anderen Thread hier wurde darauf verwiesen, dass Menschen lernfähig sind. Das ist zweifellos so. Aber wir sind keine Einzelwesen, der heutige Mensch generell ist als Einzelwesen nicht mal aus biologischer Sicht denkbar – wir sind eingebettet in unsere Kultur, und Kulturen lernen viel langsamer. Wie stark wir von unserer Kultur geprägt sind, erkennen wir nur, wenn wir mal Zeuge werden, wie ein bei uns über Jahre absolut unauffälliger und komplett angepasster Mensch aus einer anderen Kultur wieder in kürzester Zeit in seiner Heimatkultur resozialisiert wird. Da wird aus dem offenen und freundlichen Kollegen wieder ein dumpf-chauvinistischer Türke und entsprechend sieht es auch bei dem netten koreanischen Mitstudenten aus. Meine Mutter brauchte vielleicht 2 Sekunden, um am Telefon in die westerwälder Mundart zurückzufallen, eine Woche, um wieder zurückzukommen. Aber es war nicht nur die Mundart, die da wechselte – das hochdeutsche Wort Jude hat einen deutlich anderen Gefühlsgehalt als das westerwälder Wort Judd.
Wir genießen als Deutsche den zweifelhaften Vorteil, dass das dritte Reich nicht nur militärisch sondern auch moralisch verloren hat. Das hässliche daran ist das Erbe der Verbrechen, der Vorteil, dass diese doppelte Niederlage zu einem Kulturbruch führte – ein erklecklicher Anteil der Eltern war nicht imstande, die alte Kultur, die zwar nicht zwangsläufig in diese Katastrophe führen musste, aber auch nicht in der Lage war, sie zu verhindern, vollständig weiterzugeben. Insofern ist unsere Kultur gezwungen, im Eiltempo zu lernen – evtl. auch im Eiltempo Fehler zu machen. Bemerkenswerte Ergebnisse dieses Bruchs sind veränderte Erziehungsnormen sowie auch eine Veränderung des Verhältnisses zur Religion, letztlich eine Veränderung des Verhältnisses der Eltern zum Kind, das nicht mehr einfach als Eigentum betrachtet wird.
Was wir allerdings auch beobachten können, ist der Hang zur Restauration, überall da, wo dieser Bruch nur als Verlust des Alten empfunden wird. Diese Restauration werden wir nicht dadurch aufhalten, dass wir die Leute beim geringsten Anzeichen des Alten moralisch ausgrenzen und so die Fähigkeit zum Dialog verlieren. Die werden (und haben auch schon) sich im Gegenteil selbst stabilisieren und ihrerseits eine Gegenmoral aufbauen.
Ich halte also die Methode der political correctness für kontraproduktiv, auch, weil sie von einer viel zu statischen Sprache ausgeht und dadurch regelmäßig zu Fehlern führt. Ich kann mir sogar vorstellen, dass die Anwendung von „Aus dem Wörterbuch des Unmenschen“ auf die Sprache der Frau Petry bei gleichzeitiger gesellschaftlicher Gettoisierung dieser Leute zur selffullfilling prophecy wird. pi als gegen-pc zu pc ist für mich ein Indiz für diesen Vorgang.
Sehr geehrter Bronski, sehr geehrter Herr Mertens,
Der Bemerkung, dass nach dem was von Deutschland zwischen 1933 und 1945 ausging, niemand das Recht hat rechtsradikal oder gar Nazi zu sein, ist uneingeschränkt zuzustimmen. Ich erinnere mich noch an die 50er Jahre, als ich in Frankfurt zur Schule ging und man uns Schülern die Filme über die Situation zeigte, die die Soldaten der Alliierten bei der Einnahme der KZs zeigte. Dieses war prägend für mein Leben bis heute, und dieses „es war nicht alles schlecht beim Hitler“ müsste jedes Menschen energischen Widerspruch herausfordern. Deshalb ist es aller Ehren wert, dass die beiden Brüder Bender in Limburg so handelten wie beschrieben und Herr Mertens so für sie Partei
ergriff. Ein wenig kann ich Bronskis Gedankengang verstehen der dahin geht, der Schreiber des Pamphlets sei (ein wenig?) verwirrt. Die Formulierung „Nazis = Verbrecher“ mit Relativierung auf „die Kommunisten“ legt das nahe. Andererseits schreibt er sicher und beherrscht die Rechtschreibung…
Bleibt zu hoffen, dass seine Identität erkannt und der Schreiber für das, was er da „geleistet“ hat, juristisch belangt wird.
Manfred Schmidt
Eine kurze Anmerkung zu Frank Wohlgemut (16:44 Uhr): Ich greife Ihre Bemerkung zur „Gettoisierung dieser Leute“ und der Gefahr einer selffulling prophecy auf.
Grundsätzlich sollte man in einer demokratischen Gesellschaft zu einem Dialog bereit sein, auch zu einem mit Andersdenkenden. Was aber, wenn der/die andere das gar nicht möchte; wenn er/sie zwar das Wort ergreifen, aber stets nur nicht reflektierte Botschaften verbreiten will?
Wenn man sich gesprächsbereit zeigt, wird man, das zeigen die Diskussionen im Fernsehen, mit einem Schwall von Phrasen überschüttet; wenn man solche Gespräche aber verweigert, wird man der Lüge, gar der Zensur verdächtigt. „Bürger für Meinungsfreiheit“ steht auf einem der anonymen Briefe. Und das zeigt, dass der Kampf um die Deutungshoheit, verbunden mit der Umwertung von Werten, längst begonnen hat. Wir sind allem Anschein nach längst mittendrin in dem, was George Orwell in seinem „1984“ beschrieb: „Krieg ist Frieden, Freiheit ist Sklaverei, Unwissenheit ist Stärke“.
Zu Ernst Nolte: Dieser Historiker hat eine Hypothese formuliert und statt noch Belegen zu forschen, hat er diese Hypothese so fortgeschrieben, als wäre der Wahrheitsbeweis erbracht. Die Historikerschaft hat Nolte dann nicht mehr zur Kenntnis genommen. Dafür andere wie z.B. Siegfried Gerlich, der 2009 ein Buch im Antaios-Verlag des rechtsgerichteten Publizisten Götz Kubitschek veröffentlichte. Der Verlag preist das Werk u.a. so an: „Wie ein erratischer Block ragt Noltes Werk in die eingeebnete Landschaft der deutschen Geschichtswissenschaft. Nolte durchdrang philosophisch die Epoche des Faschismus, wurde im Historikerstreit denunziert, aber nicht widerlegt und gilt international als einer der großen Denker mit weiter Perspektive und strengem wissenschaftlichem Standard.“ Kommentar überflüssig.
@Frank Wohlgemuth
„Da wird aus dem offenen und freundlichen Kollegen wieder ein dumpf-chauvinistischer Türke“
Die türkische Kultur ist dumpf-chauvinistisch. Danke für den Hinweis. Man lernt nie aus.
Donnerstagmittag, 22. September, Frankfurt-Sachsenhausen. Ich komme aus der Stadtbücherei, wo ich mit der Leitung Termine der nächsten PRO LESEN-Veranstaltung abgestimmt und über ein Sicherheitskonzept zum Schutz vor Gewalttätern beraten hatte. Vor dem Gebäude treffe ich auf zwei Literaturfreunde, die regelmäßig zu unseren Lesungen kommen. Sie fragen mich, ob es in Sachen Drohbriefe neue Entwicklungen gäbe. Nein, Polizei bzw. Staatsschutz hätten sich noch nicht wieder gemeldet. Weder bei mir noch bei Ralf und Reiner Bender.
Dann haken sie weiter nach, wollen wissen, ob es Stellungnahmen der Frankfurter „Regierungsparteien“ gäbe, also von CDU, SPD und Grünen. Nein. Auch nicht von der SPD? Nein, auch von denen nicht. Obwohl ich es persönlich erwartet hätte, schließlich geht die Gründung von PRO LESEN auf Sozialdemokraten aus dem damaligen Ortsbeirat zurück (ich selbst bin, trotz oder wegen meines Amts als Vorsitzender, parteilos).
Und dann sind die beiden nicht mehr zu halten; sie schimpfen lauthals:
„Und das ist der Grund, warum wir uns nicht am Blogtalk der FR beteiligen, was wir eigentlich vorhatten. Denn wenn man deutlich und namentlich Stellung beziehen würde, kann man rasch zum Angriffsziel werden. Für diesen Fall steht uns keiner zur Seite. Die Polizei ist machtlos oder wird von oben ausgebremst. Und für die Parteien, speziell die SPD, ist die Sache entweder bedeutungslos oder sie erkennen nicht Gefahren. Die SPD fragt sich bis heute, warum ihr die Malocher weglaufen und AfD wählen. Dabei ist die Antwort einfach: Weil sie nicht mehr als Schutz der kleinen Leute wahrgenommen wird, sich bei wichtigen politischen Auseinandersetzungen zurückzieht und Demokraten im Stich lässt.“
Ich resümiere: Vor fünf Monaten hatte der Verein eine Veranstaltung zu einem dunklen Kapitel der deutschen Geschichte durchgeführt, nämlich zum Versagen der Evangelischen Kirche im NS-Staat. Bei dieser Gelegenheit hatten Ralf und Reiner Bender vom Versagen der Limburger Behörden angesichts von Nazi-Schmierereien berichtet. Daraufhin haben wir letzteres über den engeren Kreis der Mitglieder und Kulturinteressierten hinaus öffentlich zu machen versucht und schließlich selbst Schmähungen und Drohungen erhalten.
Fazit: Der Exekutive fehlt anscheinend das Instrumentarium zum Einschreiten, die Legislative hat sich weitestgehend abgemeldet. Unsere Hoffnung liegt auf einer durch die Presse sensibilisierten und mutig geschriebenen Öffentlichkeit.
@ Henning Flessner
Das Wort chauvinistisch ist zwar zweideutig, aber es steht hier im Kontext Sozialisierung und ich meinte speziell das Verhältnis von Männern zu Frauen, das in der Türkei islamgeprägt ist, mit zunehmender Orthodoxie. Da ist auch bei Türkischstämmigen in Deutschland selten die Rede von Gleichberechtigung (wie gesagt: Kulturen lernen langsam).
Wie würden Sie dieses Verhältnis bei Ihren anscheinend vielen türkischen Bekannten oder Freunden denn beschreiben? Ziehen Sie sich auf die zweifellos ähnlichen Bandbreite dieses Verhältnisse bei Ihren deutschstämmigen Freunden und Bekannten zurück, wagen sie einen Mittelwertvergleich, oder bekommen wir gar Verteilungsdarstellungen?
Ich gebe zu, dass die Wortwahl auch nicht wirklich von mir stammt, auch die Beobachtungen sind nicht von mir. Es waren Freundinnen von mir, die zu zu dieser Zeit auch mit mir zusammen waren (die zweite ist noch heute mit mir verheiratet, ich bewundere Sie dafür). Die erste war damals Mitglied in einer der ersten Hamburger Frauengruppen und wahrscheinlich kam die Wortwahl von da. 😉
„Fazit: Der Exekutive fehlt anscheinend das Instrumentarium zum Einschreiten, die Legislative hat sich weitestgehend abgemeldet. Unsere Hoffnung liegt auf einer durch die Presse sensibilisierten und mutig geschriebenen Öffentlichkeit.“ ( Klaus Philipp Mertens)
@ Klaus Philipp Mertens
Das sehe ich nicht so. Die Bender-Brüder haben mit ihren Anzeigen richtig reagiert, wenn auch viel zu spät und vielleicht nicht mit allen Möglichkeiten, die sie haben.
Manchmal muss man den Hund halt zum Jagen tragen.
Guten Morgen zusammen, guten Morgen, Herr Mertens.
Ja, ich hätte erwartet, dass sich weitere Menschen an diesem Talk beteiligen, zumal es ja möglich ist, sich hier einen Nicknamen zu geben und also quasi-anonym mitzureden. Aber man kann natürlich nicht leugnen, dass die Gefahr besteht, selbst Opfer solcher Bedrohung zu werden.
Was genau fordern Sie von der Politik?
Guten Morgen.
Von den Limburger Stadtverordneten erwarte ich eine eindeutige Distanzierung von den Diffamierungen und Bedrohungen, denen die Benders ausgesetzt sind. Ebenso erwarte ich, dass gegenüber allen Beteiligten, und hier schließe ich mich persönlich und den Verein PRO LESEN ein, dargelegt wird, warum man keine Anzeige gegen Verfassungsfeinde gestellt hat und warum keine unverzügliche Gefahrenabwehr betrieben wurde. Solange die Beantwortung dieser Fragen aussteht, solange werden sich Rechtsradikale bestärkt fühlen.
Und von den Frankfurter Stadtverordneten erwarte ich, dass man einen Verein, der sich ehrenamtlich an der Kulturarbeit beteiligt, zumindest verbal unterstützt. Vor exakt zwei Wochen habe ich CDU, SPD, Grünen, FDP und Linken den Offenen Brief von PRO LESEN an die Limburger Stadtverordneten mit der Bitte um Stellungnahmen zugesandt. Lediglich die Linke hat kurz geantwortet.
Durch ein derartiges Schweien wird den Bürgern der Mut genommen, sich auch an risikobehafteten Diskussionen zu beteiligen.
Was meinen Sie mit „unverzügliche Gefahrenabwehr“?
Das Anbringen bzw. Verbreiten verfassungsfeindlicher Symbole ist verboten und wird strafrechtlich verfolgt (§ 86a StGB). Die zuständigen Behörden sind gesetzlich veranlasst, für eine unverzügliche Gefahrenabwehr zu sorgen. Allein die öffentliche Darstellung eines Hakenkreuzes ist eine Aufforderung zum Verfassungsbruch. Vielleicht hat gestern Abend jemand PANORAMA gesehen und speziell den Beitrag über den AfD-Spitzenkandidaten im Saarland, der in seinem Antiquitätenladen Kriegorden mit Hakenkreuzen feilbietet; auch das ein eindeutig strafbewehrtes Vergehen.
Der Bürgermeister der Stadt Limburg fungiert gemäß dem Hessischen Gesetz über Sicherheit und Ordnung als Ordnungsbehörde und hätte nach den mündlichen und schriftlichen Hinweisen der Benders unverzüglich einschreiten müssen (§ 89 HSOG).
Vielleicht hätte die Behörde schneller und anders reagiert, wenn Ralf Bender Strafanzeige gegen das Ordnungsamt erstattet hätte, z.B. wegen Unterlassung der unverzüglichen Gefahrenabwehr? Oder gegen den Bürgermeister?
Möglicherweise wäre das ein wirkungsvolleres Vorgehen gewesen. Andererseits ist der Verfahrensweg bei den Ermittlungsbehörden erfahrungsgemäß ein langer. Ich habe mal einen PKW-Fahrer angezeigt, der ungebremst auf den Fußgängerüberweg zuraste, auf dem ich gerade die Straße überquerte. Obwohl ich das Kennzeichen notiert und Ort und Zeitpunkt des Geschehens exakt angeben konnte, vergingen fünf Wochen, bis ich eine Eingangsbestätigung der Staatsanwaltschaft erhielt.
Delikaterweise hatte im Nachhinein ein Limburger Bürger Anzeige gegen den seinerzeitigen Bürgermeister wegen des Verdachts der Strafvereitelung im Amt gestellt. Die Staatsanwaltschaft ist dieser Anzeige nicht nachgegangen. Die Begründung, die der zuständige Oberstaatsanwalt dafür gab, löste im Kreis von Juristen, denen ich den Bescheid vorlegte, Lachanfälle aus. Der Oberstaatsanwalt verwies sogar darauf, dass sich Ralf Bender glücklich schätzen müsste, nicht selbst angezeigt worden zu sein – wegen Sachbeschädigung. Eine derarige, die Bender begangen hatte, ist aber gemäß BGB straffrei und kann ausschließlich zivilrechtlich verfolgt werden.
Staatsanwaltschaften unterliegen der politischen Weisung. Von diesem Weisungsrecht scheint man Gebrauch gemacht zu haben. Auch aus diesem Grund sprechen viele, die die Geschehen verfolgt haben, von politischer Justiz. Und ich kann verstehen, dass Menschen Angst haben, sich zu diesem Fall öffentlich zu äußern.
Die politische Weisungsgebundenheit der Staatsanwaltschaft war Ralf Bender aber durchaus bekannt; deswegen hatte er beim Bürgermeister Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Leiter des städtischen Ordnugsamts eingelegt. Diese wurde wegen fehlender Anhaltspunkte, die auf Dienstverfehlungen hindeuteten, verworfen.
Zur Zeit, von der wir gerade reden, war Martin Richard von der CDU Bürgermeister von Limburg. Meines Wissens hat er sich nie zu dem Vorfall geäußert – oder?
Und sein Nachfolger Marius Hahn von der SPD?
Eigentlich wäre dies ja eine gute Gelegenheit seitens der Politik gewesen, ein Signal gegen Rechtsextremismus zu setzen. Wie erklären Sie sich, dass dieses Signal unterblieb und dass die Reaktionen aus der Politik auf Ihre Initiativen so spärlich ausfallen?
Und noch eine Frage, damit Sie was zu tun habe, bevor ich mich aufs Rad setze, nach Frankfurt fahre und eine Dreiviertelstunde lang hier nichts posten kann:
Man könnte Ralf Benders Verhalten also als Notwehr deuten. Nun hat es ja einen Prozess gegeben. Hat dieser Aspekt dabei irgendeine Rolle gespielt?
@ Klaus Philipp Mertens
Über die Unterstützung in Sachen persönlicher Bedrohung brauchen wir uns eigentlich nicht zu unterhalten – da ist auch der publizistische Weg erfolgversprechend.
Anders im Ursprung der Geschichte: Ihre Antwort bezüglich § 89 HSOG ist ja richtig. Die Frage, die sich mir daraus stellt, ist, warum nicht gleich entsprechend geantwortet wurde, das mindeste wäre eine Dienstaufsichtsbeschwerde gewesen. Davon habe ich aber nicht gelesen.
Dass es mit einem juristischen Risiko verbunden ist, die Sache in die eigenen Hände zu nehmen, war doch den Benders bekannt – zumindest erwarte ich von Lehrern, die sich damit beschäftigen, dass sie sofort auf folgende Rechtsauskunft stoßen:
https://www.bundestag.de/blob/413654/2be32c19e2c86feecc6a55dcd9a92f6a/wd-7-080-07-pdf-data.pdf
Der Rechtsdienst des Bundestages ist zwar nicht die letzte Instanz, gibt aber erstmal eine ziemlich kundige Auskunft.
Es mag ja sein, dass die Brüder Bender und Sie die moralische Verpflichtung sehen, die Schmierereien sofort entfernen, Ihr Ziel ist auch absolut ehrenwert, aber nicht alles, was ehrenwert ist, ist deshalb legal. Die Abwägung zwischen den einzelnen Rechtsgütern schafft ein komplexes Netzwerk, das für uns Laien nicht einfach durchschaubar ist. Hier einfach das Recht zu brechen, um anschließend via Öffentlichkeit von der Strafe entbunden zu werden, ist der Ruf nach dem Urteil per gesunden Volksempfinden, auch, wenn ich sagen muss, dass mir das Volksempfinden in diesem Fall nicht unsympathisch ist.
Aber – ehrlich gesagt – ist mir der Rechtsstaat wichtiger. Ihnen und den Benders doch eigentlich auch, wenn der Kampf gegen den Faschismus einen Sinn haben soll.
Insofern verstehe ich den Widerspruch gegen die Bestrafung nicht; da ist über sie Sammlung in meinen Augen auch ein verträglicher Weg gefunden worden.
Gegen die Untätigkeit der unterschiedlichen Behörden, das ist ja nicht nur die Stadtverwaltung, wären nach meiner Ansicht effektivere Maßnahmen möglich gewesen.
@ Frank Wohlgemuth: Ich persönlich hätte an Stelle der Benders nicht selbst eingegriffen, sondern bereits damals versucht, eine größtmögliche Öffentlichkeit herzustellen. Doch ich kann die Reaktion von Ralf und Reiner Bender verstehen. Schließlich sind beide im Schuldienst und ihnen sind Kinder anvertraut, Kinder, die vor Hassparolen geschützt werden sollten. Zudem haben beide die gesamten Osterferien 2013 zugewartet und während dieser Zeit immer wieder Bürgermeister und Ordnungsamtsleiter auf die Dringlichkeit der gebotenen Gefahrenabwehr hingewiesen.
Mein Engagement für die Sache der Benders gründet vor allem auf dem Prozess vor Amtsgericht und Landgericht bzw. auf den Akten, die mir zur Auswertung zur Verfügung gestellt wurden. Und die erklären sich selbst und werfen tiefe Schatten auf den Rechtsstaat – zumindest auf das Rechtsstaatsverständnis in Limburg an der Lahn.
Zu letzterem mehr, wenn ich nachher auf Bronskis Frage von 11.11 Uhr eingehe.
„Staatsanwaltschaften unterliegen der politischen Weisung. Von diesem Weisungsrecht scheint man Gebrauch gemacht zu haben. Auch aus diesem Grund sprechen viele, die die Geschehen verfolgt haben, von politischer Justiz. “ (Klaus Philipp Mertens)
@Klaus Philipp Mertens
In gewisser Weise haben wir das, und das ist auch so gewollt, um auch in Zeiten der Überbelastung eine Aufrechterhaltung des Betriebes zu ermöglichen. Aber wir sind da nicht ausgeliefert. Man kann Dienstaufsichtsbeschwerden eskalieren, indem man die Entscheidung nicht anerkennt und dadurch in die nächsthöhere Ebene verweist. Und man kann auch Anzeige wegen Rechtsbeugung erstatten, um den Entscheidungsvorgang in eine andere Behörde zu verschieben. Beide Wege enthalten kein finanzielles Risiko.
Wenn Sie die Mittel, die der Rechtsstaat zur Verfügung stellt, nur halbherzig oder gar nicht nutzen, um zu dem Fazit zu kommen, dass hier doch nur alles Filz ist, brauchen Sie ihn eigentlich auch nicht zu verteidigen.
Die Benders sind nicht allein. Es lohnt sich, im Netz nach Irmela Mensah-Schramm zu suchen.
Ich verlinke –> HIER auf den Wikipedia-Artikel über Mensah-Schramm.
@Bronski, 11:11 Uhr:
Am 2.10.13 legte Ralf Bender schriftlich Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Magistratsdirektor Paul Müller bei Bürgermeister Martin Richard ein. Der wies diese am 15.11.13 schriftlich zurück und erklärt:
„Ich kann keinesfalls feststellen, dass das Ordnungsamt das Aufbringen von verfassungsfeindlichen Symbolen und Äußerungen, sollte es sich tatsächlich um solche gehandelt haben, wissentlich geduldet oder diese nicht ernsthaft genug behandelt hat. Aufgrund der personellen Kapazitäten sowohl im Ordnungsamt als auch beim städtischen Bauhof, dessen Mitarbeiter durch andere Aufträge im Stadtgebiet dauernd im Einsatz sind, konnte die Entfernung der Aufkleber nicht sofort, wie Sie es verlangten, ausgeführt werden. Noch bevor eine Zwischennachricht vom 18. April des Herrn Müller Sie erreichte, haben Sie, ohne jegliche Vorwarnung bzw. Nachfrage, wann denn mit der Entfernung der Aufkleber zu rechnen sei, die Pfosten und Verkehrsschilder an den von Ihnen angegebenen Standorten in Eigenregie mit einer schwarzen Farbe übersprüht.“
Von Frankfurt aus gesehen scheint sich Bürgermeister Hahn schwer zu tun mit dieser Sache. Er bzw. seine Partei, die SPD, verfügen über keine Mehrheit im Stadtparlament. Nach meinem Eindruck möchte er Limburg zwar aus den negativen Schlagzeilen heraus bringen, aber das wird nur möglich sein, wenn er und andere die Versäumnisse der Behörden klar einräumen. Das betrifft zunächst die verzögerte Gefahrenabwehr und die unterlassene Strafanzeige gegen die ursprünglichen Verursacher, müsste aber auch die Überprüfung der Arbeitsnachweise des städtischen Bauhofs einschließen. Insbesondere die Kostenrechnung, die – wie aus der Klageschrift hervorgeht – vollständig intransparent ist. Aus meiner Sicht müsste der Verwaltungsakt, also die später auch gerichtlich geltend gemachte Kostenforderung, zurückgenommen werden, weil ihr wesentliche Beweise fehlen.
Es bleibt das Geheimnis der Amtsrichterin, warum sie in der Verhandlung darauf nicht eingegangen ist. Denn die konkrete Benennung eines Schadens unter Beifügung entsprechender Beweise ist das A und O jeder Schadensersatzklage. Gemäß § 297 der Zivilprozessordnung ist ein Gericht angehalten, „unter Würdigung aller Umstände“ eine Entscheidung über den Schaden und sein Ausmaß zu treffen, wenn beides unter den Parteien strittig ist. Exakt das ist trotz der Einreden von Ralf Bender nicht geschehen.
Auch die Frage, inwieweit Voraussetzungen dafür vorlagen, dass die klagende Stadt ihre Verpflichtung zur Schadensminderung eingehalten hat, wurde nicht geprüft. Schließlich gab es nominell zwei Sachbeschädigungen: Die erste war die strafbewehrte An- und Aufbringung verfassungsfeindlicher Symbole durch unbekannte Dritte, die zweite waren die Spuren, die Ralf Bender bei der Beseitigung dieser Symbole hinterlassen hatte.
Ob sich Ralf Bender auf Selbsthilfe nach § 229 BGB oder gar Notwehr gemäß § 227 BGB bzw. § 32 StGB berufen konnte, vermag ich nicht zu entscheiden. Festzuhalten ist jedoch, dass er auf eine ignorante Behörde traf, als er seine Anliegen vortrug, Anliegen, die ja die gesamte demokratisch gesinnte Öffentlichkeit betrafen und betreffen.
Er hat das in der Verhandlung vor dem Amtsgericht u.a. dadurch deutlich gemacht, dass er auf einen vergleichbaren Fall im ostdeutschen Zossen verwies, über den das ZDF in seiner Sendereihe „37 Grad“ im Frühjahr 2013 hingewiesen hatte. Auch dort hatte die Behörde nichts unternommen. Aber eine Bürgerinitiative war von der Polizei beim Abschaben und Übersprayen von Nazi-Symbolen sogar mit Material unterstützt worden. Die Richterin hat es abgelehnt, auf diesen Fall in der Verhandlung einzugehen, obwohl Ralf Bender diesen in seiner Klageerwiderung bereits erwähnt hatte. Typischerweise fehlte im Verhandlungsprotokoll später jeglicher Hinweis auf nicht zugelassene Beweise. Das erfuhr die Öffentlichkeit jedoch nur durch die Presse.
Unser Mitdiskutierer Frank Wohlgemuth erinnert zu Recht an die formalen Voraussetzungen, die der Bürger von seinen Bürgern einfordert, damit sie ihr Recht auch wahrnehmen können. Exakt das hat Ralf Bender im Gerichtsverfahren getan – und dieses Recht wurde ihm verweigert. Inwieweit die Prozessführung durch die Richterin eine Klage wegen des Verdachts der Rechtsbeugung nahelegt, müsste durch Juristen analysiert werden. Das ändert aber nichts an der Verpflichtung der Stadt, sich unter Bezug auf sämtliche angesprochenen Punkte zu erklären.
Im Jahr 2014 gab es einen weiteren Fall von Hakenkreuzschmierereien in Limburg. Haben die zuständigen Behörden sich diesmal anders verhalten?
Am Sonntag, den 26. Januar 2014, einen Tag vor dem internationalen Holocaust-Gedenktag, nimmt Ralf Bender gemeinsam mit seinem Bruder Reiner auf dem jüdischen Friedhof unter dem Schafsberg in Limburg an der zentralen Gedenkveranstaltung für die jüdischen Opfer des Nationalsozialismus teil. In unmittelbarerer Nähe des jüdischen Friedhofes entdecken sie, dass an einer Straßenkreuzung, u.a. auf einem Stromvertei-lungskasten sowie auf Straßenverkehrsschildern, ein ca. 30 cm großes Hakenkreuz auf-gesprüht und mehrere Naziaufkleber angebracht worden waren.
Mit einer E-Mail informierte Ralf Bender am darauffolgenden Montag, den 27. Januar, das Ordnungsamt darüber und sendete als Beweis einige der von ihm gemachten Fotos mit. Er forderte das Ordnungsamt zum sofortigen Entfernen der Embleme, insbesondere des Ha-kenkreuzes, auf.
Damit dieses nicht weiter zu sehen wäre, überklebte Ralf Bender es mit einem weißen Karton. Es dauert länger als 4 Wochen (!), bis das Hakenkreuz durch das Ordnungsamt der Stadt Limburg entfernt wurde. Ohnehin bedurfte es zu dieser Maßnahme erst mehre-rer Telefongespräche mit dem Amt, darunter eins am Montag, 10. Februar, mit dem Lei-ter des Ordnungsamtes, Herrn Müller.
@ Klaus Philip Mertens
Mein Hinweis auf Rechtsbeugung bezog sich nicht auf die Richterin in Sachen Sachbeschädigung – wenn ich das, was ich gestern zu dieser Sache überlogen habe, richtig in Erinnerung habe, ist das auch zweitinstanzlich bestätigt.
Mein Hinweis bezog sich hierauf:
„Delikaterweise hatte im Nachhinein ein Limburger Bürger Anzeige gegen den seinerzeitigen Bürgermeister wegen des Verdachts der Strafvereitelung im Amt gestellt. Die Staatsanwaltschaft ist dieser Anzeige nicht nachgegangen. Die Begründung, die der zuständige Oberstaatsanwalt dafür gab, löste im Kreis von Juristen, denen ich den Bescheid vorlegte, Lachanfälle aus. “
Es können nicht nur Gerichtsurteile eine Rechtsbeugung darstellen, sondern im Prinzip alle Behördenentscheidungen nach Rechtslage. Juristen benutzen dieses Konstrukt ungern, weil das Ergebnis oft nicht genau vorhersehbar ist. Und wenn der Richter die Rechtsbeugung auch sieht und entsprechend verurteilt, bedeutet das regelmäßig nicht einen Rüffel, sondern eine vernichtete Lebensplanung. Und wenn der Richter das nicht so sieht, hat man evtl. jemanden, der anschließend die Möglichkeit hat, es übelzunehmen, ihn diesem Risiko ausgesetzt zu haben.
Ein Nichtjurist außerhalb der Maschinerie hat da ein geringers Risiko. (btw: Die Verjährungsfrist beträgt m.W. 5 Jahre.)
Grundsätzlich hätte eine Verhandlung zu diesem Tatbestand aber Folgen, weil sie ein Risiko deutlich macht. Diese „politische Justiz“ funktioniert ja nur mit mündlichen Weisungen. Wenn ein Staatsanwalt, der dieses Risiko befürchtet, auf einer schriftlichen Weisung besteht, wird es die in so einem Fall nicht geben. Es wird dann gar keine geben.
Nun waren – oder sind – Hakenkreuzschmierereien ja nicht nur in Limburg Teil des Stadtbildes. Ich meine zwar wahrgenommen zu haben, dass sie abgenommen haben, würde dafür aber nicht meine Hand ins Feuer legen. Ich bin allerdings nie auf den Gedanken gekommen, mich beim Ordnungsamt für die Entfernung starkzumachen. Ich schiebe das mal auf eine gewisse Abstumpfung, Verdrängung, Nicht-Sehen-Wollen, aber man nimmt solche Schmierereien natürlich trotzdem wahr, auch wenn man sie gleich wegschiebt. Wie geht es Ihnen damit – haben Sie schon mal eine Beschwerde wegen solcher Schmiereien eingereicht?
In Frankfurt-Sachsenhausen-Süd, wo ich wohne, habe ich keine entdeckt. Ebenso keine Aufkleber von „Identitären“ etc. Hingegen stieß ich vor sechs Jahren im pfälzischen Freinsheim im Umfeld des Bahnhofs auf eindeutige Neonazi-Symbole (leicht verfremdete Hakenkreuze, „Ausländer raus“ etc.) an ca. 10 Laternenpfählen. Ich rief daraufhin die Erste Beigeordnete, Mitglied der CDU, an, die ich persönlich gut kenne. Sie war entsetzt, einerseits wegen der Inhalte, andererseits wegen der befürchteten Rufschädigung der Gemeinde, die vom Weinanbau und Weinverkauf an die zahlreichen Touristen lebt, und beauftragte einen Gemeindemitarbeiter mit der sofortigen Entfernung. Am nächsten Tag waren die Aufkleber entweder entfernt oder mit Farbe übersprüht. Es geht allem Anschein nach auch anders, man muss es nur wollen und vor allem ein Gespür für die diversen Folgegefahren besitzen.
Haben Sie Lust, jetzt noch ein wenig über die anonymen Briefe zu sprechen?
Selbstverständlich, auch wenn der Anlass keine Lust, sondern Ekel hervorruft.
In dem ersten Droh- und Schmähbrief fielen mir beim ersten Überlesen solche Stellen auf:
„Auch muß das selbstgerechte Getue vieler in~ wie ausländischer Gegner Hitlers scharf
zurückgewiesen werden, denn auch die Feindmächte und ihre Zutreiber hatten eine große
Schuld am Kriegsausbruch 1939 und der Verschärfung der Weltlage, haben auch selbst
nicht zu knapp Verbrechen begangen und waren keineswegs die selbstlosen Freiheitsbringer
und Menschheitsbeglücker, als was sie nach 1945 oft dargestellt wurden.“ Da ist sie wieder, die Relativierung der historischen Tatsachen.
Auch der Hinweis auf die „demokratisch-patriotische,GG-treue Partei AfD“ ließ sämtliche politischen Alarmanlagen anspringen.
Ebenso die herbe Kritik an der Formulierung die bei Kundgebungen gegen Rechte vielfach zu lesen ist: „Es gibt kein Recht auf Nazi-Propaganda!“ machte den geistigen Standort des Briefeschreibers deutlich. Das deckte sich dann inhaltlich mit der handschriftlich aufgebrachten Ergänzung „NSU ist Lüge und Mord des kriminellen BRD-Regimes…Lügen auch: Mölln, Sebnitz, Solingen. Tröglitz u.v.a.“. Und dann die, wie er im nächsten Brief relativierte, „perspektivische“ Drohung: „Viel Spaß bei 1789 II“.
Auffallend sind auch die Bezüge zu den Kriegen gegen Napoleon. Immer wieder wird Theodor Körner zitiert: „Noch sitzt ihr da oben, ihr feigen Gestalten…“ Körners Gedichtzeilen tauchen regelmäßig auf PEGIDA-Plakaten auf. Und noch einer hat bei ihm Anleihen genommen: Joseph Goebbels schloß seine Rede im Berliner Sportpalast am 18. Februar 1943 mit den Worten: „Nun Volk, steh’ auf, und Sturm, brich los!“. Im Original heißt es: „Das Volk steht auf, der Sturm bricht los“.
Und dann wird auch noch George Orwell zitiert („Freiheit ist, den Leuten zu sagen, was sie nicht hören wollen“), der sich ausdrücklich gegen jede Fehl- und Missdeutung eindeutiger Begriffe wandte. Aber exakt letzteres gehört zu Strategie der neuen rechtsradikalen Gruppen.
Meine nächste Frage wird ein wenig brauchen, ich habe gerade Stress bei der Zeitungsproduktion und muss mich konzentrieren. Wir könnten auch am Montag weitermachen, da wäre es für mich entspannter …
Ihrem Vorschlag schließe ich mich gern an. Bin aber am Montag erst gegen 11:30 Uhr am Platz.
Vorher muss ich die PRO LESEN-Ausstellung im Bibliothekszentrum Sachsenhausen eröffnen. Es geht um Übersetzer und speziell um die Übertragung des lyrischen Werks Heinrich Heines ins Englische durch den amerikanischen Germanisten Hal Draper von 1982. Etwas Schleichwerbung für eine gemeinnützige Veranstaltung.
Diese Werbung ist willkommen. Wir lesen uns dann also wieder. Und jetzt schalte ich einen Kommentar von Herrn Wohlgemuth frei, der mir zu einem früheren Zeitpunkt nicht in den Lauf der Unterhaltung gepasst hat.
@ Klaus Philipp Mertens
zu dem Beitrag vom 21. September um 18:31
Ich kann da nicht wirklich widersprechen, bei Nolte schon gar nicht, seine Aussage ist auf der geschichtswissenschaftlichen Seite, wegen der ich den „Historikerstreit“ hier nicht erwähnt hatte, auch widerlegt.
Bei der AfD-Spitze, die da im Fernsehen auftritt, befürchte ich auch, dass der Aussonderungs-Zug zu großen Teilen bereits abgefahren ist – bei den meisten der Wähler aber noch lange nicht, aber für die war der z.B. Hebel-Brief schon vom Duktus her kein Gesprächs-Angebot.
Bei denen wäre nicht der moralisch Zeigefinge das richtige, sondern Information – aber wie wird die geliefert? Ich habe vorgestern abend einen kurzen Moment Maischberger mitbekommen, da saßen (außer Maischberger) noch drei attraktive Frauen von SPD, AfD und der Linken, die versuchten sich gegenseitig in einem amüsierten Teflonlächeln zu überbieten, ein alter CDU-Wahlkampfregisseur und als Nicht-Partei-Vertreter von Lucke.
Und man machte es Frau Petry zu leicht: Was ist das für eine jämmerliche Vorbereitung, wenn man eine Aussage zum AfD-Programm macht, Frau Petry antwortet, dass man wohl ihr Progamm nicht richtig gelesen habe, und man ist in der Situation nicht in der Lage, den Programmtext wörtlich auf den Tisch zu legen? und Frau Petry um eine gnädige Exegese zu bitten? Das ging Frau Barlay so und von Lucke auch.
Guten Tag an alle „blogtalk“ Teilnehmer/innen
zunächst möchte ich Herrn Mertens Danke sagen, seine Beiträge finden meine vollste Zustimmung.
Eine unsägliche Kampagne wurde seit 2013 gegen die Bender Brüder unternommen. Statt gegen die Verursacher dieser entsetzlichen Hakenkreuze und Nazipamphlete strafrechtlich von Seiten der verantwortlichen Stadt Limburg vorzugehen, wurde Ralf Bender vor Gericht gezerrt.
Ralf und sein querschnittsgelähmter Bruder Reiner der im Rollstuhl sitzt, haben aus Gewissensgründen eine sogenannte Notwehrvorwegnahme eingeleitet, nachdem über Wochen die zuständige Ordnungsbehörde untätig blieb. Da beide Brüder Lehrer im Schuldienst sind, haben sie auch eine Fürsorgepflicht den Kindern gegenüber. Da die Osterferien zu Ende waren, wollten sie unter keinen Umständen, dass die Kinder auf ihrem Schulweg diesen entsetzlichen Hakenkreuzen und Naziaufklebern ausgeliefert sind. Ralf und Reiner Bender sind ihrem Gewissen gefolgt, und haben versucht diese Schandflecke abzukratzen, und wo dies nicht möglich war mit Farbe übersprüht. Diese „Tat“ wurde von einem Anwohner gesehen und die Polizei gerufen.. Ralf Bender hat mit dem Polizeibeamten alle Stellen protokollieren lassen, das Protokoll lag der Ordnungsbehörde vor! Dennoch hat die Stadt Limburg Ralf Bender mit einer Rechnung über 3.300,00 € belastet, die nach seinem Widerspruch auf ca. 1.000,00 € berichtigt wurde. Beispiele wie die Städte Frankfurt/Main, Wiesbaden, Wetzlar u.a. die unverzüglich diese Schmierereien entfernen zeigen wie verantwortlich Behörden in vorbildlicher Weise mit solchen Vorgängen umgehen, wenn diese bekannt werden! Die damals Verantwortlichen der Stadt Limburg Bürgermeister Martin Richard (CDU) und Ordnungsamtleiter Paul Müller sahen ein unverzügliches Entfernen der u.a. verfassungswidrigen Nazisymbole offensichtlich für nicht erforderlich. Aus meinem Rechtsempfinden kann hier durchaus eine Schuld durch Unterlassung gesehen werden. Fragen über Fragen in diesem Zusammenhang sind bis heute offen und nicht nachvollziehbar, warum der damalige Behördenleiter bis heute nicht zur Verantwortung gezogen wurde.
Ich beziehe mich auf Artikel 1 unseres Grundgesetzes: Die Würde des Menschen ist unantastbar, diese Würde wurde von den Verursachern der Hakenkreuze und Naziaufkleber mit Füssen getreten.Einen persönlichen Brief im Dezember 2014 von Ralf Bender an das Ordnungsamt Limburg, hat der Leiter Paul Müller auf die Homepage der Stadt Limburg gestellt.Er hatte keine Erlaubnis von Herrn Bender hierfür! Wenige Tage danach wurde das Fahrzeug seines Bruders Reiner mit Hakenkreuz bemalt und zerkratzt. Unsägliche Morddrohungen und perfide Beleidigungen waren die Folge, die bis heute anhalten.
Niemals hätte es zu einem solchen Verhalten der Stadt Limburg kommen dürfen.Ich erwarte, dass dieses unsägliche und unwürdige Verhalten gegenüber den Bender Brüdern von Seiten der Stadt Limburg endlich ein deutliches Ende findet.
Darüber hinaus muss eine eindeutige Distanzierung von Bürgermeister Hahn vom Fehlverhalten der damals Verantworltichen erfolgen.
Nachdem ich den Blogtalk mit seinen Beiträgen aufmerksam verfolgt habe, möchte ich hier nun die Gelegenheit selbst ergreifen, kurz zu den seinerzeitigen Vorgängen in Limburg Stellung zu nehmen, deren Nachwirkungen ja bis in die Gegenwart reichen.
Als ich mit meinem Bruder Reiner am 13. April 2013 in Limburg an der Lahn antisemitische Hetzschriften und Hakenkreuze u.a. durch Übersprayen unter den Augen der Öffentlichkeit unkenntlich machte, handelte ich einzig aus einer Notsituation heraus. Diese entstand dadurch, dass das Ordnungsamt der Stadt über mehrere Wochen hinweg, trotz genauester in Kenntnissetzung durch mich, der Aufforderung nach Entfernung dieser die Opfer des Nationalsozialismus auf das Schlimmste verhöhnenden und zutiefst verletzenden Aufschriften und Symbole nicht entfernt hatte. Gezwungen zur Einsicht, nur so Verantwortung wahrnehmen zu können, leitete mein Handeln. Dass mein Handeln an jenem Apriltag eine weit über die Stadtgrenzen Limburgs hinausreichende Aufmerksamkeit nach sich ziehen würde, konnte ich damals weder erahnen noch war sie beabsichtigt. Ich konnte gar nicht anders.
Und auch die mich seit geraumer Zeit erreichenden Hetz- und Hasszuschriften aus der nazistisch-antisemitischen Ecke, die an Bösartigkeiten und Ungeheuerlichkeiten nicht zu überbieten sind und die erneut die Opfer des Nationalsozialismus auf das Schlimmste verhöhnen, die die Täter-Opfer-Realitäten umzukehren versuchen und die offen meine und meines Bruders Hinrichtung ankündigen, bestätigen die Alternativlosigkeit meines Handelns.
Dem Nazismus zu jeder Zeit und an jedem Ort ohne Wenn und Aber kompromisslos entgegenzutreten ist Aufgabe und Ziel zugleich.
Die Gefahren, die durch Nazis von heute drohen, sind durch entschiedenes antinazistisches Handeln sowohl der Zivilgesellschaft als auch der zuständigen staatlichen Stellen abzuwehren. Die Tatsache, dass mich genau diese Behörden und Amtspersonen in Limburg im Stich gelassen haben, empört zwar, macht mich jedoch nicht wehrlos und, wie ich es hoffentlich gezeigt habe, schon gar nicht ehrlos.
Ich erinnere daran, wie es zutreffend in der Dokumentation von Klaus Philipp Mertens unter dem Titel „Limburg an der Lahn, wo Nazi-Schmiererei lange toleriert und Zivilcourage bestraft wird – Der Fall Ralf Bender“ auf Seite 20 lautet, „dass der Nazismus zur bislang größten Katastrophe in der Geschichte der Menschheit geführt hat. Die fünfzig Millionen Toten, darunter die ermordeten sechs Millionen jüdische Kinder, Frauen und Männer und die ebenfalls umgebrachten fünfhunderttausend Angehörigen der Volksgruppe der Sinti und Roma sowie die vielen Tausend ermordeten Menschen mit geistig und/oder körperlicher Behinderung, die zu beklagen waren und zu beklagen sind, nötigen zu der Einsicht, dass durch entschiedenes Einschreiten jedes Einzelnen sowie der Gesamtheit aller Demokraten und das rechtzeitige Eingreifen der Anti-Nazi-Koalition diese Menschheitsverbrechen hätten verhindert werden können, ja müssen. Denn wir selbst, wir alle und jeder Einzelne sind für diese Welt verantwortlich. Die Menschheitsverbrechen der Nazis waren also keine über die Gesellschaften / Menschen hereinbrechende Naturkatastrophen, sondern jeweils durch Menschen verübte und in jedem einzelnen Fall durch Menschen zu verhindernde.“
Das Verhalten der Stadt Limburg im hier geschilderten Fall ist unsäglich und erbärmlich, ebenso die Ignoranz der Justiz, soweit sie mit dem Geschehen befasst war. Man weiß nicht, ob die Entscheidung des Amtsgerichts Limburg, die Schadenersatzforderung der Stadt an Herrn Bender zu bestätigen und nachträglich zu legitimieren, mehr von Dummheit als durch Oberflächlichkeit oder das berühmte Blindsein auf dem rechten Auge, das bei Institutionen in Deutschland (und besonders der „Rechtspflege“) ja schon eine ebenso traurige wie lange andauernde Tradition hat, zuzuschreiben ist. Was das anonyme Schreiben an die Herren Bender angeht: Wer anonym schreibt, zeigt damit nur seine Feigheit. Und die ist mindestens ebenso lächerlich wie der Inhalt dieses Pamphlets.
Dass das Image der Stadt Limburg sich in einem derart desolaten Zustand befindet, haben sich der Bürgermeister a.D. Martin Richard (CDU)und Paul Müller Ordnungsamtleiter auf die Fahnen zu schreiben. Dreieinhalb Jahre dauert dieser Skandal nun an, und die Bevölkerung ist mittlerweile nicht mehr gewillt, dieses Szenario schweigend hinzunehmen. Die Gewaltbereitschaft der Rechten ist mit entschiedenem Widerstand und klarer Kante zu begegnen. Die jetzt in der Verantwortung stehenden Politiker der Stadt Limburg haben die politische und moralische Pflicht, endlich deutliche Aussagen zu machen um damit auch den Brüdern Bender für ihr mutiges Einschreiten gegen Rechts zu danken und zu würdigen!
An die schreckliche Ermordung des farbigen Charles Werobe in Limburg durch drei Nazis 2014 muss hier immer wieder auch erinnert werden.
Die Limburger Politik muss heute Abend Farbe bekennen. Zeit genug zum Nachdenken hatten ja alle. Es gibt nur eine richtige Entscheidung, nämlich die vollständige Rehabilitierung der Brüder Ralf und Reiner Bender. Wer Zivilcourage so abstraft, muss den Mut besitzen, eigenes Fehlverhalten zu entschuldigen. Und zwar uneingeschränkt! Die Anträge dafür sind gestellt.
Lieber Herr Mertens,
willkommen zur dritten Runde unseres Blogtalks. Ich hoffe, Sie hatten ein schönes Wochenende.
Sie haben sich in einer früheren Zuschrift an die FR dafür ausgesprochen, die AfD zu stigmatisieren. Einen langen Leserbrief dieses Inhalts von Ihnen habe ich im Mai 2016 als Gastbeitrag hier im FR-Blog veröffentlicht. Nun wollen wir aber trotzdem über die Inhalte der anonymen Drohbriefe sprechen, die Sie bekommen. Sie können sich denken, dass ich Ihnen am Schluss dieses Talks die Frage stellen werde, ob Sie Ihren Vorschlag zum Umgang mit der AfD aufrecht erhalten, aber erst einmal wollen wir darüber sprechen, was in den Drohbriefen steht. Es beginnt damit, dass der Urheber seinem Pamphlet eine Deckseite mitgegeben hat, auf der er ein Logo der Jungen Freiheit verwendet: „Achtung – Sie verlassen jetzt den politisch korrekten Sektor“. Daneben findet sich eine Kontur des Deutschen Reichs, die Österreich, Ost-Oberschlesien, Elsass-Lothringen, das Memel-Gebiet und weitere Gebiete einschließt und in Frakturschrift mit „Deutschland einig Vaterland“ beschriftet ist. Dazu gibt es Stempel „Bürger für Meinungsfreiheit“ und „Nein zur Zensur“. Ich weiß gar nicht genau, wann das Deutsche Reich zu „Friedenszeiten“ überhaupt eine solche Ausdehnung hatte …
Lieber Bronski,
einen schönen guten Morgen. Das sonnige Wochenende habe ich u.a. dazu genutzt, in der FR vom Samstag den Beitrag über Markus Nierth zu lesen und mich damit ausführlich zu beschäftigen. Nierth war Bürgermeister in Tröglitz und hat sich von Rechtsradikalen nach einer Kette von Drohungen faktisch aus dem Amt treiben lassen, was er heute für falsch hält. Heute sagt er: „Die ewig Gestrigen brauchen Widerstand und klare Kante.“ Dies ist auch mein Fazit aus den Schmäh- und Drohbriefen. Stigmatisierung der AfD (um das einmal vorweg zu nehmen) heißt für mich nicht, diese Partei nicht zur Kenntnis zu nehmen. Aber sie ist für mich nicht der Normalfall einer politischen Partei und deswegen dürfen sie und die von ihr vertretenen Inhalte nicht zur Normalität werden. Deswegen ist es auch notwendig, der Leipziger Bundestagsabgeordneten Bettina Kudla zu zeigen, dass sie mit ihren Äußerungen den demokratischen Sektor verlassen hat (siehe FR von heute).
Und was meinen Sie nun zu der Grafik?
Wenn ich meinen in die Jahre gekommenen PUTZGER-Geschichtsatlas von 1960 zur Hilfe nehme, entspricht diese Karte ungefähr dem Deutschen Reich von 1871; also dem Zustand nach dem Preußisch-Französischen Krieg und der Annektierung Elsaß-Lothringens. Wer so eine Landkarte unter der Parole „Deutschland einig Vaterland“ verbreitet, erkennt die Grenzen von 1945 bzw. 1990 (Vereinigung der deutschen Staaten) nicht an und man könnte ihm/ihr die Vorbereitung eines Angriffskriegs unterstellen.
@ Martin Frömel: „Die Limburger Politik muss heute Abend Farbe bekennen.“
Ja, heute Abend tagt die Limburger Stadtverordnetenversammlung und beschäftigt sich u.a. mit dem Antrag der Linken, Ralf und Reiner Bender zu rehabilitieren. Bürgermeister Dr. Marius Hahn (SPD), der an den seinerzeitigen Vorgängen unbeteiligt war (weil noch nicht im Amt) könnte Lokal- und Demokratiegeschichte schreiben, wenn er den Antrag unterstütz und die Ergebnisse der internen Nachforschungen (Warum keine Strafanzeige gegen die Verursacher der Nazi-Schmierereien? Warum wurde keine unverzügliche Gefahrenabwehr betrieben? Wie beinhalten die Arbeitsbücher des städtischen Bauhofs?) transparent macht. Formaljuristisch könnte er den seinerzeitigen Verwaltungsakt (Kostenrechnung an Ralf Bender) wegen widersprüchlicher Angaben zurücknehmen und in der Folge auch die Schadensersatzklage. Er ist Jurist und sollte wissen, wie das anzustellen ist.
Das könnte hinhauen. Auch ein Teil von Süddänemark wird als „einig Vaterland“ vereinnahmt – das galt für die Zeit nach 1871. Wir haben es also mit jemandem zu tun, der offenkundig von einem Großdeutschland träumt, das es so nur für einen kurzen Zeitraum in der Geschichte gegeben hat und dass das Ergebnis von kriegerischen Aneignungen von Territorien war. Auch sonst sind die Briefe voll von revisionistischen Standpunkten. Ein paar haben Sie im Kommentar vom 23. September 2016 um 14:30 schon angesprochen. Was die gegenwärtigen demokratischen Parteien betrifft, betreibt der Urheber sonderbare Formen von Geschichtsklitterung. Finden Sie auch, dass die SPD, die FDP und zuletzt sogar die CDU ihre „Distanz zu Kommunismus-nahen Gruppen aufgegeben haben“?
seit Mittwoch voriger Woche verfolge ich den Blogtalk „Anständige konservativ-patriotische Demokraten?“. Als Mitglied des Fördervereins PRO LESEN fühle ich mich mitbetroffen und bin beunruhigt, dass es relativ wenige Mitdiskutanten gibt. Der Auffassung von Frank Wohlgemuth kann ich zustimmen, dass der Rechtsstaat wichtiger ist, als illegales Handeln. Der Staat sollte dann aber sofort tätig werden, statt dies couragierten Bürgern zu überlassen. Von den Kommentatoren, die in den FR-Blogs zahlreich vertreten sind, hätte ich zumindest Solidaritätsbekundungen erwartet, gegenüber den Bender-Brüdern, dem „Bündnis für Courage gegen rechts“ und Klaus Philipp Mertens. Seit er Kenntnis davon hat, dokumentiert und publiziert er den „Fall Bender“ Sind es Angst, Desinteresse, Toleranz oder gar Akzeptanz, die sie schweigen lassen? Wünschenswert wäre es, wenn es von dem einen oder anderen noch etwas zu lesen gäbe, bevor der Blogtalk geschlossen wird.
Der Verfasser der Pamphlete operiert mit ungenauen Begriffen,was nach meiner Einschätzung zur Strategie der neuen Rechten gehört. Marxismus (eine philosophische Kategorie), Sozialismus und Kommunismus (als politische Folgerungen und Forderungen aus letzterer) und Sowjet-Kommunismus und Stalinismus(als Fehlversuch – siehe Disput zwischen Rosa Luxemburg und Lenin – und terroristische Entgleisung)werden für miteinander identisch erklärt. Problematisch ist, dass SPD, FDP und CDU ebenfalls nicht differenzieren. Vermutlich, weil ein politischer Gegner, dem Züge eines Schmuddelkinds anhaften bzw. zugeschrieben werden, ein willkommener Gegner ist, den man leicht diffamieren kann. Die nächsten Stufen der Diffamierung sind dann die Formulierungen und Geschichtsklitterungen, aus denen die an mich und andere gerichteten Briefe bestehen.
An der Grenze zwischen den Frankfurter Stadtteilen Sachsenhausen und Oberrad (und auf dem Weg nach Offenbach) befindet sich die „Philosophisch-theologische Hochschule St. Georgen“, die von den Jesuiten betrieben wird. Vor 50 Jahren wurde sie geleitet von Oswald von Nell-Breuning, dem damaligen Nestor der katholischen Soziallehre. Vielzitiert wird seit jenen Jahren sein Ausspruch: „Wir alle stehen auf den Schultern von Karl Marx.“ Von dieser Einsicht ist die CDU, vor allem die in Frankfurt und in Hessen, einige Milchstraßen weit entfernt. Und der SPD ist es immer noch peinlich, geistesgeschichtlich aus den Theorien von Marx, Engels & Co. hervorgegangen zu sein. Auch deswegen haben Rechtsradikale häufig leichtes Spiel, weil sie die politische Kenntnislosigkeit vieler für ihre Zwecke nutzen.
Eine gewisse Wortgewalt ist den Pamphleten nicht abzusprechen, wenn es da heißt: „Das unsägliche Nazitum ist nun seit 1945 besiegt und keine politische Gefahr mehr, vor der man sich Sorgen machen müsste (viel gewalttätiger als Gesellschaftsproblem sind das linksextreme Antifa-Milieu und gewisse polit-extreme und kriminelle Migranten)“.
Die polizeiliche Kriminalstatistik 2015 kommt zu einem anderen Ergebnis:
„Die Zahl der politisch motivierten Straftaten ist 2015 um 19,2% deutlich angestiegen und in den Bereichen PMK -rechts- und PMK -links- auf dem höchsten Stand seit 2001. Insgesamt wurden 38.981 politisch motivierte Straftaten verzeichnet, darunter 22.960 im Bereich der PMK -rechts- (+34,9%) und 9.605 im Bereich der PMK -links- (+18,3%). Die Zahl der Gewalttaten ist mit einem Anstieg um 30,7% ebenfalls auf einem neuen Höchststand angelangt.“
Das heißt, die Zahl der rechtsmotivierten Straftaten ist nicht nur prozentual stärker gestiegen als die der linksmotivierten, sondern ist in absoluten Zahlen 2,5-mal so groß. Da kann man wirklich nicht davon sprechen, dass das „Nazitum“ keine Gefahr mehr sei. Glauben Sie, dass der Urheber das ernst meint?
Die neue Rechte malt von sich ein irreführendes Bild. Sie gibt sich nach außen demokratisch, bedient sich aber exakt jener Inhalte und häufig auch Symbole, die für Nationalsozialismus und Faschismus typisch waren und sind. Die Gesellschaftsordnung entspricht dem Ständestaat mit eindeutiger Präferenz für die Besitzenden (an Kapital und Produktionsmitteln), die Sprache ist volkstümelnd und schreibt die gesellschaftlichen Hierarchien fest (siehe Victor Klemperer: „Lingua Tertii Imperii“). Und die Feindbilder sind die altbekannten: Im Innern geht es gegen Andersdenkende, vor allem gegen Demokraten, Sozialisten und Kommunisten, nach außen geht es gegen jene Völker, die allenfalls Sklavendienste leisten können (Farbige etc.). Eine Frau ist erst dann Frau, wenn sie eine bestimmte Anzahl Kinder geboren hat („Der Staat braucht Kinder als Soldaten und Blut schmeckt ihm wie Himbeersaft“ – Erich Kästner) und Homosexuelle sind das Verderben schlechthin.
Für den Verfasser der Briefe stellt das Nazitum keine Gefahr (mehr) da, weil es für ihn nie eine Gefahr darstellte. Der NS-Staat, unabhängig davon, wie er firmiert, ist für ihn der normale Staat und der obrigkeitshörige Spießbürger ist für ihn der Normalbürger.
Dann ist die Rede vom „grotesken, übereifrigen masturbativen Aktionismus“ (…) „gewisser sich radikal-links gebender Personen und Grüppchen, die sich dem neueren Antifaschismus verschrieben haben“. Wer könnte damit gemeint sein?
Das bezieht sich zunächst auf Ralf und Reiner Bender. Beide sind im Kreis Limburg – Weilburg bekannt für ihre klare Haltung gegen jede Form der Nazi-Ideologie. Sie gehören der SPD an und man tritt ihnen sicherlich nicht zu nahe, wenn man sie dem linken Flügel dieser Partei zurechnet. Ich gehe aber davon aus, dass aus der Sicht des Verfassers auch die Unterstützer und Sympathisanten der Benders ebenfalls jenen zugeordnet werden, die einen „grotesken, übereifrigen masturbativen Aktionismus“ gegenüber den neuen Nazis betreiben. Interessant ist auch hier die Wortwahl. Sie klingt nach Altmännersex und Bordell (Heinrich Böll beschreibt das eindrücklich in seinem „Brief an einen jungen Katholiken“).
Über die „Runkeler Brüder Bender“ steht da, weil sie „in lächerlichem Größenwahn ihr risikoloses Scheinheldentum stolz zum Widerstand erhöhen möchten, weil sie ach so mutig einige Aufkleber mit übermittelt rechtsextremen, nazi-nahen Inhalten entfernt haben“. Mir scheint, der Urheber dieser Zeilen ist nicht ganz informiert. Wo war von Aufklebern die Rede und wo davon, dass die „Runkeler Brüder“ diese entfernt hätten?
Ralf und Reiner Bender wohnen in Runkel, einem Ort im Lahntal,ca. 10 KM östlich von Limburg gelegen. Reiner arbeitet als Sozialpädagoge an einer Limburger Schule, Ralf im selben Beruf an einer Schule in Braunfels. „Runkeler Brüder“ ist mutmaßlich eine Eigenschöpfung des Verfassers, der aber offensichtlich die Berichterstattung in der Regionalpresse sehr genau verfolgte. Diese hat die Details jedoch nur im Rahmen einer üblichen Berichterstattung genannt.
Die Laternenmasten, Verkehrsschilder und Stromverteilerkästen wiesen Aufkleber mit rassistischen Sprüchen verherrlichender NS-Propaganda und aufgemalte Hakenkreuze auf.
Ralf Bender hat einen großen Teil der Aufkleber abgeschabt, einige wenige sowie die Hakenkreuze hat er mit schwarzer Farbe übersprüht.
Der seinerzeitige Limburger Bürgermeister hatte einen ausführlichen Brief von Ralf Bender, den dieser auch im Namen seines Bruders verfasst hatte, auf die Homepage der Stadt gestellt – bis die Benders wegen Verstoßes gegen Datenschutzvorschriften dagegen schriftlich protestierten.
Die Stadt hat durch ihr Handeln eine besondere Öffentlichkeit hergestellt – allerdings lediglich im Hinblick auf die Aktion der Benders. Über die nicht erfolgte Strafanzeige gegen die Anbringer der verfassungsfeindlichen Symbole war keine Rede, ebenso nicht über den Grund der nicht erfolgten Gefahrenabwehr.
Heute Abend tritt die Stadtverordnetenversammlung Limburgs zusammen. Sie haben ihr einen Offenen Brief geschrieben und einige Fragen gestellt. Was glauben Sie: Wie erklärt sich das Verhalten der Stadt Limburg gegenüber den Bender-Brüdern und ihr Schweigen zu den anonymen Briefen und Drohungen?
Reiner und Ralf Bender haben in Limburg den gefürchteten »Ohne mich«-Typ in der kommunalen Verwaltung und den nicht minder gefährlichen
»Na und«-Typ in Gerichten kennengelernt. Denen es gleichgültig zu sein scheint, ob etwa Schüler auf dem Weg in ihre Schulen oder ob Angehörige / Nachkommen von Holocaustopfern auf dem Weg zum Gedenken mit Hakenkreuzen und mit antisemitischen sowie nazistischen Hetzparolen konfrontiert werden. So als ob das normal wäre.
Ich wünsche mir, dass die Stadtverordneten das Klima von Gleichgültigkeit, Hass und Drohung durch einen mutigen und eindeutigen Beschluss durchbrechen und dadurch beenden. Ohne einen solchen Beschluss würden die Verfasser der Schmäh- und Drohbriefe gestärkt und sie würden weitermachen.
Ein solcher Beschluss sollte die Aktion von Ralf und Reiner Bender als eine bezeichnen, die von einer persönlichen Gewissensentscheidung und einer plausiblen Gefahreneinschätzung geleitet war. Das seinerzeitige Zuwarten der Behörden müsste als bedauerliche Fehlentscheidung gewertet werden, ebenso die unterbliebene Strafanzeige.
Soweit die Recherchen in den Unterlagen des Bauhofs zu Zweifeln Anlass geben, müsste der Kostenbescheid als falscher Verwaltungsakt zurückgenommen werden.
Das Ergebnis der Versammlung können Sie morgen hier ja noch nachtragen.
Ich wäre damit durch mit meinen Fragen an Sie. Eine Schlussfrage noch – und dann kann weiter diskutiert werden:
Der Urheber der Drohbriefe bezeichnet sich selbst als „anständigen konservativ-patriotischen Demokraten“. Wie kommentieren Sie das?
Das ist das Schwafeldioxid jener, die im vermeintlichen Schafspelz der Neurechten einhergehen und darunter den tiefbraunen Kern zu verbergen trachten.
Vor wenigen Minuten hat mich eine Information erreicht, derzufolge eine Lehrerin im Kreis Limburg-Weilburg, die unlängst die CDU wegen deren Haltung gegenüber den Flüchtlingen in einem Leserbrief kritisierte, einen Schmähbrief erhalten. In dem wird sie, die den Grünen angehört, als „Kinderfickerin“ und „Kinderschänderin“ bezeichnet. Ansonsten weist der Brief offensichtlich viele Parallelen zu den Pamphleten auf, die die Benders und ich erhalten haben.
„Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch…“. Brecht ist zuzustimmen und die Limburger Stadtverordneten sollten, ja müssen das ernst nehmen.
„Der seinerzeitige Limburger Bürgermeister hatte einen ausführlichen Brief von Ralf Bender, den dieser auch im Namen seines Bruders verfasst hatte, auf die Homepage der Stadt gestellt – bis die Benders wegen Verstoßes gegen Datenschutzvorschriften dagegen schriftlich protestierten.
Die Stadt hat durch ihr Handeln eine besondere Öffentlichkeit hergestellt – ….“
@Klaus Philipp Mertens
Das kann man, wenn man dem Bürgermeister ein normales Wissen über Neonazigepflogenheiten unterstellt, und Namen und evtl. sogar die Adresse voll erkenn bar waren, als bewusste Personengefährdung, als indirekte Aufforderung zu Lynchjustiz verstehen. Ist da eine Anzeige erfolgt?
Seit Mittwoch voriger Woche verfolge ich den Blogtalk „Anständige konservativ- patriotische Demokraten“. Als Mitglied des Fördervereins PRO LESEN fühle ich mich mitbetroffen. Es beunruhigt mich, dass es relativ wenige Mitdiskutanten gibt. Der Auffassung von Frank Wohlgemuth kann ich zustimmen, wenn er schreibt, der Rechtsstaat ist wichtiger als illegales Handeln. Der Staat sollte dann aber sofort tätig werden, statt dies couragierten Bürgern zu überlassen. Von den Kommentatoren, die in den FRBlogs zahlreich vertreten sind, hätte ich zumindest Solidaritätsbekundungen erwartet, gegenüber den Bender-Brüdern, dem Bündnis für Courage gegen rechts und Klaus Philipp Mertens. Seit letzterer Kenntnis davon hat, dokumentiert und publiziert er den „Fall Bender“. Sind es Angst, Desinteresse, Toleranz oder gar Akzeptanz, die sie schweigen lassen? Es wäre wünschenswert, von dem einen oder anderen noch etwas zu lesen, bevor der Blogtalk beendet wird.
@ Frank Wohlgemut: „Das kann man, wenn man dem Bürgermeister ein normales Wissen über Neonazigepflogenheiten unterstellt, und Namen und evtl. sogar die Adresse voll erkenn bar waren, als bewusste Personengefährdung, als indirekte Aufforderung zu Lynchjustiz verstehen. Ist da eine Anzeige erfolgt?“
Aus den mir verfügbaren Dokumenten geht hervor, dass sich Ralf Bender beim Hessischen Datenschutzbeauftragten unmittelbar nach der Veröffentlichung des persönlichen Schreibens am 12.12.2014 förmlich beschwerte. Welche Maßnahmen die Datenschutzbehörde daraufhin einleitete, sind mir nicht bekannt. Lediglich der Brief wurde von der Homepage der Stadt entfernt.
Die Stadtverordnetenversammlung von Limburg an der Lahn lehnte in ihrer Sitzung am 26. September 2016 den Antrag der Linken ab, eine Ehrenerklärung für Ralf und Reiner Bender abzugeben und einen grundsätzlichen Anti-Nazi-Konsens aller Demokraten zu bekräftigen.
Stattdessen wurde der Antrag zur Klärung der Vorgänge an den Haupt- und Finanzausschuss überwiesen.
Auf die vom Frankfurter Verein PRO LESEN e.V. in einem Offenen Brief an die Stadtverordneten aufgeworfenen Fragen wurde nicht eingegangen. Damit sieht sich der Verein, der zur Zielscheibe von Droh- und Schmähbriefen wurde, nachdem er den Fall Bender im April dieses Jahres im Rahmen einer Veranstaltung über die Konsequenzen aus der NS-Gewaltherrschaft aufgegriffen hatte, von CDU, SPD, Grünen und FDP allein gelassen.
Aus Sicht des Vereins hat es den Anschein, dass die bislang verbalen Angriffe aus dem braunen Untergrund, die sich nachweislich auf die Ereignisse in Limburg beziehen, den klammheimlichen Beifall dieser Parteien finden.
Schließlich sind zwei Tatsachen nicht zu leugnen: Gegen die Verursacher der verfassungsfeindlichen Propaganda wurde von der Stadt Limburg nie Strafanzeige gestellt (Ralf Bender hingegen erhielt alsbald eine Kostenforderung, was nach der Anwendung von zweierlei Maßstäben aussieht). Und ebenso eindeutig ist die nicht erfolgte unverzügliche Gefahrenabwehr, zu welcher der Bürgermeister als Ordnungsbehörde gesetzlich verpflichtet ist. Um das festzustellen, muss man keinen Haupt- und Finanzausschuss mit der Klärung beauftragen, sondern die Klageschrift gegen Ralf Bender lesen, die Gegenstand eines öffentlichen Gerichtsverfahrens wurde.
Es ist zu befürchten, dass sich Rechtsradikale durch das Nichthandeln der Limburger Stadtverordneten in ihren Hetzkampagnen bestärkt fühlen.
Paul Müller Ordnungsamtsleiter der Stadt Limburg hatte im Dezember 2014 einen persönlichen Brief von Ralf Bender, ohne dafür autorisiert worden zu sein, auf die Homepage der Stadt Limburg gestellt. Wenige Tage danach wurde das Fahrzeug seines Bruders Reiner mit Hakenkreuz bemalt und zerkratzt. Am 23.12.2014 habe ich in diesem Zusammenhang Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Limburg gestellt. Diese Anzeige wurde Mitte 2015 eingestellt!
@ Irmgard Becker
Tut mir leid, wenn ich da etwas begriffsstutzig bin und nachfrage:
Was genau haben Sie angezeigt?
Eine Sachbeschädigung?
Eine Urheberrechtsverletzung?
Bei dem rechtsradikalen Hintergrund des Vorganges sehe ich das immer noch so, dass durch diese Veröffentlichung ein Personengefährdung eingetreten ist, und ich frage mich die ganze Zeit, welche Gründe es für eine Stadtverwaltung geben kann, diese Veröffentlichung zu machen, die ja in ihrer Wirkung auch nicht zurücknehmbar ist.
Welcher Grund wurde denn von der Stadverwaltung selbst im Netz angeben? Stand da „Folgender Brief ist bei uns eigegangen“ oder was war der Begleittext oder die „Bildunterschrift“ zu diesem veröffentlichten Brief?
Vielleicht kann mir da jemand helfen:
Sind derartige Veröffentlichungen von Schreiben an die Behörde üblich und wenn ja, mit welchem Grund? Wird dabei normalerweise der Absender kenntlich gelassen?
Am 12.12.2014 wurde eine Stellungnahme der Stadt Limburg zu Berichterstattung hinsichtlich´des zivilrechtlichen Rechtsstreits mit Ralf Bender und dem Urteil vom 9.12.2014 auf deren Homepage gestellt. Dann wurde u.a. aus dem persönlichen Brief von Ralf Bender zitiert (Anm. Ralf Bender aus dem Zusammenhang entstellt). Wenige Tage danach, am 19.12.2014 wurde das Fahrzeug von Reiner Bender mit Hakenkreuz bemalt und zerkratzt. Am 23.12.2014 wurde die Strafanzeige gegen unbekannt und um Prüfung auf strafrechtliche Relevanz und aller in diesem Zusammenhang in Frage kommenden Tatbestände gestellt, also auch den Datenschutzverstoß! Auch die geführte Korrespondenz mit der Datenschutzbehörde in Wiesbaden wurde der Staatsanwaltschaft Limburg zur Verfügung gestellt, ebenso mein an den Datenschutzbeauftragten Prof. Dr. Michael Ronellenfitsch Wiesbaden persönliches Schreiben.
Aufgrund der rechten Hetze gegen die Bender Brüder, die signifikant nach Veröffentlichung der Stadt Limburg auf deren Homepage ihren Anfang nahm, haben sich mehrere Gruppen gegen rechts schriftlich an die Stadt Limburg zu Wort gemeldet und diese aufgefordert, unverzüglich die Veröffentlichung des Briefes von Ralf Bender von deren Homepage zu nehmen. Es bedurfte mehrerer Aufforderungen bis die Stadt Limburg endlich reagierte, leider viel zu spät! Am 30.6.2015 wurde das Ermittlungsverfahren von Oberstaatsanwalt Herrchen Limburg eingestellt.
@ Klaus Philipp Mertens
Nachtrag zum Beitrag von 10:27 Uhr:
Wie bereits mit großem Unverständnis zum Ausdruck gebracht, wurde der Antrag der Linken-Fraktion, ein Signal gegen Rechtsradikale zu geben und sich dadurch mit Ralf und Reiner Bender solidarisch zu erklären, nicht angenommen, sondern mit den Stimmen der anderen Fraktionen an den Haupt- und Finanzausschuss überwiesen.
Für den Verein PRO LESEN, der heute wieder mit rechtsradikalen Schriften traktiert wurde (die zwar falsch adressiert waren, aber schließlich doch einem Verantwortlichen zugestellt wurden) ist dieses Spielen auf Zeit, das mutmaßlich der Verschleierung von Tatsachen dient, nicht hinnehmbar. Denn es wird unter Umständen mit dem Leben von Menschen gespielt, die sich in Frankfurt kulturell engagieren bzw. öffentliche Veranstaltungen besuchen und auf klare Worte auf Limburg angewiesen sind – denn dort hat mit dem mutmaßlich falschen Handeln von Bürgermeister und Ordnungsamt alles begonnen.
Zu erwähnen ist jedoch, dass auf Drängen von FDP-Abgeordneten in das Protkoll der Stadtverordnetensitzung der Hinweis aufgenommen wurde, dass die Fragen, die im Offenen Brief des Vereins artikuliert wurden, auch beantwortet werden sollen. Darauf sind wir gespannt. Aber das darf unübersehbare politische Signale nicht ausschließen.
Aus dem Einstellungsschreiben der Staatsanwaltschaft Limburg vom 30.06.2015 wurde im Zusammenhang mit dem Datenschutzverstoß folgende Begründung genannt:
Soweit die Anzeigenerstatterin Verstöße gegen den Datenschutz geltend macht, besteht insoweit kein hinreichender Anfangsverdacht. Sowohl § 44Bundesdatenschutzgesetz als auch § 40 Hessisches Datenschutzgesetz setzen als Strafnormen eine Handlung gegen Entgelt oder in der Absicht, sich oder einen anderen zu bereichern oder einen anderen zu schädigen voraus. Eine diesbezügliche Motivation lag ersichtlich nicht vor. (!)
Die Veröffentlichung auf der Homepage der Stadt Limburg vom 12.12.2014 habe ich mit allen anderen Unterlagen kopiert der Staatsanwaltschaft Limburg zukommen lassen.
@ Irmgard Becker
„oder in der Absicht, sich oder einen anderen zu bereichern oder einen anderen zu schädigen voraus. Eine diesbezügliche Motivation lag ersichtlich nicht vor.“
Es ist aber offensichtlich, dass eine Schädigung der Benderbrüder in der Folge der Veröffentlichung eintrat.
Haben Sie mal offiziell gefragt, wie man denn ausschließen konnte, dass genau das in der Motivation der Veröffentlichung lag?
Deshalb ja auch meine Frage an alle, bei welchen Fällen überhaupt eine derartige Veröffentlichung üblich ist. Ich habe da keine Ahnung.
Wenn derartige Veröffentlichungen üblich sind, kann man kaum anders, als von einem bedauerlichen Fehler in der Unterlassung der Unkenntlichnachung der Beteiligten auszugehen, auch wenn es nachdenklich macht, dass man mehrere Aufforderungen brauchte, um diesen Fehler zu korrigieren.
Wenn derartige Veröffentlichungen unüblich sind, gewinnt die Frage nach der Motivation einen Stellenwert, dass sie nmM nicht mehr einfach von der Staatsanwaltschaft mit einer Ersichtlichkeitsbehauptung vom Tisch gewischt werden kann, sondern einer gerichtlichen Untersuchung bedarf.
Der offensichtlich fehlende Wille, die Schmierereien zu entfernen und die Verursacher zu verfolgen, wären dann auch in diesem Zusammenahng zu untersuchen.
Die Veröffentlichung der Stellungnahme zum Urteil des Amtsgerichts unter Bezug auf einen Brief Ralf Benders aus der Zeit vor Einreichung der Schadensersatzklage durch die Stadt gegen diesen erfolgte zu einem Zeitpunkt, als die Entscheidung noch nicht rechtskräftig war (worauf nicht hingewiesen wurde). Ralf Bender hat die Möglichkeit zur Berufung vor der nächsten Instanz, dem Landgericht, genutzt.
Zudem wird in der Stellungnahme auch Reiner Bender namentlich genannt, der zu keinem Zeitpunkt an der juristischen Auseinandersetzung beteiligt war.
Es hat den Anschein, als wäre das Rechtsempfinden von Magistrat und Behörden in Limburg damals nicht sehr ausgeprägt gewesen. Insbesondere haben die Verantwortlichen offensichtlich übersehen, dass der Pranger nach dem Ende der Nazi-Diktatur in Deutschland endgültig abgeschafft und verboten wurde – genauso wie Hakenkreuze und ähnliche Symbole.
Zum Kommentar von Herrn Wohlgemuth vom 27.9.2016:
Ja ich stimme Ihnen zu, denn die Schädigungen und Bedrohungen gegenüber Ralf und Reiner Bender haben wenige Tage nach der Veröffentlichung der Stadt Limburg begonnen. Pikant daran ist ua., dass die Stadt Limburg, obwohl zahlreiche Aufforderungen, dies unverzüglich zu löschen, nicht erfolgte. Erst nach einer Mitteilung von der Datenschutzbehörde in Wiesbaden wurde die Seite gelöscht. Wenn es hier angeblich keinen Datenschutzverstoß gegeben hat, so bemüht sich der Pressesprecher der Stadt Limburg, Johannes Laubach,dies immer wieder zu betonen, hätte man doch die Seite auch nicht löschen müssen, oder sehe ich das falsch? Diese Frage auch müsste dringend im Haupt- und Finanzausschuß geklärt werden.
Im übrigen ist auch mir nicht bekannt, dass derartige Veröffentlichungen üblich sind.
@ Irmgard Becker
„Wenn es hier angeblich keinen Datenschutzverstoß gegeben hat, so bemüht sich der Pressesprecher der Stadt Limburg, Johannes Laubach,dies immer wieder zu betonen, hätte man doch die Seite auch nicht löschen müssen, oder sehe ich das falsch?“
Ich vermute zumindest, dass Sie da etwas falsch sehen. Sie können aus der Tatsache, dass die Seite entfernt wurde, keine Rechtslage schließen. Die Seite kann auch entfernt worden sein, weil die verschiedenen Anfragen und Aufforderungen inzwischen genervt haben.
Die Errichtung dieser Seite erfolgte ja, wenn ich das richtig sehe, nicht auf Basis eines Gesetzes, und deshalb brauchte es auch keine besondere Begründung, sie wieder zu entfernen.
Auch der Datenschutz ware für mich nur indirekt der erste Knackpunkt: Das Verhalten rechtsradikaler Gruppen ist bei uns nicht nur Gegenstand publizistischer Medien, sondern auch von Verfassungsschutzberichten und Kriminalstatistiken. Wer Personen, die sich exponiert gegen rechtsradikale Äußerungen wie Schmierereien und Hakenkreuze stellen, namentlich an den Pranger stellt (Dank an Herrn Mertens für diese Vokabel), dem muss klar sein, dass er sie dadurch gefährdet.
Ohne mich jetzt im Verwaltungsrecht auszukennen: Es gibt da mit Sicherheit einen Passus, der besagt, dass jeder Verwaltungsangestellte oder -beamte verpflichtet ist, dafür Sorge zu tragen, durch seine Tätigkeiten in der Verwaltung niemanden zu gefährden, vor allen Dingen, wenn es sich um Tätigkeiten handelt, die ohne zwingenden gesetzlichen Auftrag erfolgen.
Das wäre zumindest mein Ansatz, wenn ich versuchen würde, mich in so einem Fall zu wehren. Und wenn das Erfolg hat, könnte daraus bei Schäden am eigenen Gut, die nach der Veröffentlichung willkürlich verursacht wurden und einen inhaltlichen Zusammenhang mit den entfernten Schmierereien aufweisen, auch ein Anspruch auf Schadensersatz entstehen.
Ich bin auf das blog durch die Leserbriefseite der FR aufmerksam geworden und bin erschüttert – nicht nur über die bedrohlichen Aktionen von seiten rechter Ideologen – sondern noch mehr von der Ignoranz sowohl von Bürgermeister und Stadtparlament Limburgs – als auch in Frankfuirt nicht erfolgter Reaktionen der Parteien. Auch die Wahrnehmungen von Herrn Mertens und anderen zu den Polittalks von Anne Will und Hart aber Fair machen mich sehr besorgt. Der Anfang war für mich gefühlt schon vor ein paar Jahren in der Art und Weise des öffentlichen Umgangs mit Thilo Sarrazin und seiner gehässigen Diffamierung unserer besonders türkischen Minderheit. Das hat bei vielen wohl Dämme gebrochen: Aha – jetzt darf man also wieder nach Herzens Lust diffamieren und niedermachen?? Hämisch und überheblich war die haupttonlage – genau wie jetzt gegenüber allen ,die nicht zum Inner circle der Ausgrenzer und selbsternannten „Volksvertreter“. Mich schaudert. Was können wir tun?