Wie soll es nur weitergehen mit Europa? Der Präsident des EU-Parlaments, Martin Schulz (SPD), gab der FR kürzlich ein Interview: „Europa steht am Abgrund„. Wohin wir auch sehen, überall werden die Zentrifugalkräfte stärker, die Europa zerreißen könnten. EU-kritische Parteien haben überall großen Zulauf, nationalistische Regierungen setzen sich über EU-Rechtsnormen hinweg, an den innereuropäischen Grenzen wird wieder kontrolliert. Warum hat die EU, dieses historische Projekt, das unserem Kontinent eine nie dagewesene Phase des Friedens beschert hat, anscheinend alle Strahlkraft verloren?
Es begann nicht erst mit den Flüchtlingen des Jahres 2015. Es begann auch nicht mit Victor Orbans Wahlsieg in Ungarn im Jahr 2010 oder mit der Eurokrise, die im selben Jahr losging. Dass irgendetwas nicht richtig lief in Europa, wurde schon mit den Referenden im Jahr 2005 in Frankreich und den Niederlanden offenkundig, in denen der EU-Verfassungsvertrag abgelehnt wurde. Darin schien sich ein grundlegendes Unbehagen gegenüber der gesichtslosen EU-Bürokratie zu äußern, die vieles tat, was den Menschen unverständlich blieb. Und ein Kommissionspräsident Barroso war nicht der Richtige, diese EU den Menschen näherzubringen. Er war selbst Teil des Problems — ein schwacher Kommissionspräsident, ausgekungelt von den Regierungschefs als Kompromisskandidat. Auf dass der Kommissionspräsident bloß nicht übermütig werde! Jene Nationalismen, die jetzt in Ungarn und Polen offen aufbrechen, hat es in der EU schon immer gegeben.
Das Schlimme ist, dass die EU das Misstrauen der Bürgerinnen und Bürger wiederholt bestätigt hat. Das war in der Eurokrise der Fall, in der es den Regierenden vorwiegend um Bankenrettung ging. Für die Menschen nichts Gutes — die Folgen dieser Politik lassen sich in Griechenland besichtigen. Für die Menschen nichts Gutes — dieser Eindruck konnte sich angesichts der Geheimverhandlungen über die Freihandelsabkommen TTIP, Ceta und Tisa verfestigen. Dinge, die alle Menschen in der EU betreffen, werden hinter verschlossenen Türen ausgekungelt, von Leuten, die nicht ausreichend demokratisch legitimiert sind, um für ganz Europa zu sprechen. Ehrlich gesagt: Ich wundere mich nicht über das Misstrauen, das überall in Europa gegen dieses Europa aufscheint.
Dieses Europa ist schon lange nicht mehr das Europa seiner Gründerzeit, und daran ist Europa selbst schuld. Aus einem Europa, das als Wirtschaftsgemeinschaft angelegt war, um die Nationen auf eine Weise zu verknüpfen, dass jeder Gedanke an kriegerische Aktionen gegen den Nachbarn in große Ferne rückte, wurde ein Europa der Verwaltung von Wirtschaftsinteressen. Aus einem Europa, das aufs Gemeinwohl zielte, wurde ein Europa der Partikularinteressen von Banken, Konzernen und undurchsichtigen Lobbystrukturen. Daran ist übrigens der gegenwärtige Präsident der EU-Kommission, Jean-Claude Juncker, maßgeblich beteiligt gewesen, Stichwort Luxleaks. Er mag stärker sein als sein Vorgänger Barroso und volksnäher wirken als jeder Kommissionspräsident vor ihm — auch er ist Teil des Problems.
Wann, wenn nicht jetzt, wäre der Zeitpunkt, den Menschen ins Gedächtnis zu rufen, was Europa eigentlich sein will? Wenn es das denn noch sein will. Und mehr noch: Wann, wenn nicht jetzt, wäre der Zeitpunkt, dieser Linie auch tatsächlich in praktischer Politik zu folgen? Das bedeutet: Mehr Transparenz. Schluss mit Geheimverhandlungen à la TTIP. Schluss mit Politik auf Kosten der Ärmsten. Das Gegenteil gehört praktiziert: Solidarität mit den Ärmsten. Überhaupt Solidarität, die mehr ist als Interessensausgleich. Und wenn bestimmte Länder nicht solidarisch sein wollen, so wie Polen, Ungarn und auch Tschechien in der Frage der Aufnahme von Flüchtlingen, dann könnte das bedeuten, dass die Osterweiterung von 2004 und auch 2007 ein Fehler war und dass wir stattdessen jenes Europa der zwei Geschwindigkeiten brauchen, über das schon seit Jahren immer wieder geredet wird.
Früher habe ich die Osterweiterung verteidigt, aber heute scheint sich zu offenbaren, dass die politischen Kulturen weit weniger kompatibel sind, als es den Anschein hatte. Polen geht jetzt den ungarischen Weg und wendet sich damit von zentralen Werten Europas ab. Dazu gehören eine unabhängige Justiz und die Pressefreiheit als unverzichtbare Säulen funktionierender Demokratien. In mehreren osteuropäischen Staaten sind offen Nationalismen aufgetreten, und zwar nach dem EU-Beitritt, der so etwas doch eigentlich unmöglich machen sollte. Alle Reaktionen aus Brüssel waren lasch bis hin zu jenem „Hallo Diktator“, mit dem Jean-Claude Juncker einst Victor Orban begrüßte. Und dann: Shake hands. Man geht eben doch miteinander um. So sieht es aus, das Europa der Kungler.
Europa ist in der Krise. Es steht am Abgrund, wie der Parlamentspräsident sagte. In Frankreich, Großbritannien, Dänemark, Finnland, Schweden und auch in den Niederlanden werden EU-kritische Kräfte immer stärker. In Deutschland kann sich die Partei „Alternative für Deutschland“ Hoffnungen machen, 2016 in mehrere Landtage einzuziehen. Die Folge davon werden mehr große Koalitionen auf Länderebene und mehr Politikverdrossenheit sein. Ein Ausweg ist nicht in Sicht, so lange wir in den Händen von Politikern wie Jean-Claude Juncker, Angela Merkel und Sigmar Gabriel sind, die „das große Ganze“ lediglich als die Summe von Partikularinteressen begreifen, die es auszutarieren gilt. Daher, fürchte ich, hat Martin Schulz recht. Europa steht wirklich am Abgrund. Der nächste Schritt könnte der entscheidende sein.
Sigurd Schmidt aus Bad Homburg meint:
„Die gegenwärtige Welt-Situation verlangt angesichts der enormen Unübersichtlichkeit nach einem umfassenderen Erklärungsmodell. Daß wir uns zweifellos an einer Zeitenwende politisch, wirtschaftlich/technologisch und kulturell befinden, kann wohl nicht bestritten werden. E i n Leitsatz für die Beschreibung des Weltzustands ist sicherlich angemessen: der Nationalstaat hat zwar noch keineswegs ausgedient. Aber es befinden sich völlig neuartige Rechtsformationen auf dem Weg, Gestalt anzunehmen. Die Europäische Union (EU), wenn auch zurzeit in schwerem Wasser befindlich , ist eine solche neue Rechtsformation. Auch die sogenannten NGO“s gehören dazu und natürlich das Netzwerk der multinationalen Konzerne. Der Aggregatzustand der heutigen Welt ist durch eine eigentümliche Gegensetzlichkeit gekennzeichnet. Der wachsenden Multi-Polarität stehen die Zwänge der Globalisierung und weltweiter Standards – auch und gerade im Recht – gegenüber. Die Auseinandersetzung zwischen universell verbindlichen bzw. in der westlichen Welt als verbindlich zu denkenden Menschenrechten und nur territorial gebundenen Bürgerrechten ist in vollem Gange.“
Erwin Chudaska aus Leer:
„Die EU-Buerokraten in Bruessel werden nervoes. Und indem sie mit dem Finger auf die Einzelstaaten zeigen , lenken sie nur ab von ihrem eigenen Versagen in draengenden Fragen. Ueber Jahre hinweg hat der EU-Apparat viele Entscheidungen getroffen , die einfach peinlich und laecherlich wirkten. Aber bei draengenden Fragen wie die der “ Inneren Sicherheit “ oder “ gerechte Asylpolitik “ haben die Funktionaere der EU klaeglich versagt und wenig zu Stande gebracht. Herr Schulz meint es ja gut mit Europa , aber leider ist dies zu wenig ! Peter Scholl-Latour hatte recht , als er mal sagte , dass er weniger Angst vor einem Erstarken des Islamismus habe , dafuer aber umso mehr Angst vor einem Rueckgang des christlichen Glaubens bei uns in Europa. Wir Europaeer sollten weniger auf die EU setzen , sondern jeder Einzelstaat hat das Recht , fuer seine Buerger das Beste zu tun. Und dazu zaehlt auch, eine unkontrollierte Zuwanderung zu unterbinden.Vor Kurzem war ich in Israel und dort schuettelt man nur noch mit dem Kopf ueber das Verhalten Deutschlands. Herr Schulz , sorry – auf diese EU koennen Sie nicht stolz sein.“
Ilona Böhm-Ahrens aus Bremen:
„Während und am Beispiel der niederländischen EU-Ratspräsidentschaft könnte sich das ganze Ausmaß der Fehlkonstruktion EU dramatisch zeigen: Blockade (durch Rechts) – Handlungsunfähigkeit (nationale Machtspiele) – schließlich Zerfall der EU. Ein Verbund von Nationalstaaten, deren Mehrheit ihrer Mitglieder sich bis heute weigert, dieser Union eine Verfassung zu geben und damit den einzelnen Bürger rechtlich zu konstituieren und ein politisches und rechtliches Fundament zu schaffen, an der sich jede alte und neue Regierung eines Nationalstaates prüfen lassen müsste. Stattdessen stimmen immer noch und immer wieder Bürger einzelner Länder über Europa ab, so als seien sie gar nicht Mitglieder dieser Union.
Durch jene fehlende Verfassung ist es einzelnen National-Staaten möglich, den europäischen Grundwerte-Kanon zu verlassen und politische Positionen einzunehmen, die eindeutig und eklatant gegen Rechtstaatlichkeit, Gleichheit und Freiheit verstoßen. Außer Rügen aus Brüssel haben diese Regierungs-Chefs nichts zu befürchten. Eine politische Union hätte Machtverzicht der politisch-herrschenden Klasse einzelner National-Staaten zur Folge gehabt. Die Weigerung Macht des politischen Handelns abzugeben bzw. abstrakt in Statuten einer Verfassung einfließen zu lassen, könnte den Zerfall der Union und die Geburt eines „Kern-Europas“ bedeuten. Dieses „Kern-Europa“ (fünf bis sieben Staaten) ahnen einige Politiker schon lange voraus und andere sehnen es herbei. Die Folgen eines solchen Zerfalls wären nicht absehbar; erst recht nicht in neuen Zeiten des Krieges im Außen (Syrien, Afrika, IS u.a.) und neuen Bedrohungen im Innern (Rechtspopulismus, neue faschistische Tendenzen, Migranten und Flüchtlinge, IS-Terror).
Anstelle von Überlegungen, das Votum für oder gegen die EU-Mitgliedschaft oder bestimmte EU-Projekte (Freihandelsabkommen etc.) attraktiver zu gestalten durch ‚Aufhübschen‘ oder mit ‚Spaß‘-Symbolen zu belegen, sollte den Wählern und den verfassungsfeindlichen National-Regierungen die Folgen eines Zufalls und Auseinanderbrechens klar gemacht werden. Die lange Friedenszeit, Stabilität und Wohlstand haben wir nicht einzelnen National-Staaten zu verdanken, sondern dem ‚europäischen Geist‘, den schon Kant in sich trug und der sich in der Europäischen Union begründet – leider fehlt dem Geist das Fundament: die Verfassung.“
@ Bronski,
die Verhandlungen über TTIP werden auf EU-Seite durch die EU-Kommission geführt. Sie sagen, dass die EU-Kommission nicht berechtigt ist, für Europa als ganzes zu sprechen. Habe ich Sie falsch verstanden?
Das habe ich so nicht geschrieben, aber so könnte man meine Worte deuten.
Die Moderation dieses Blogs geht jetzt feiern. Einen guten Rutsch Ihnen allen!
Katastrophenstimmung sollte man doch lieber noch im alten Jahr angehen.
Bronski hat Recht, von „Europa in der Krise“ zu sprechen und nicht, wie sonst so beliebt, von „EU“.
Denn die Krise – dies scheint mir wichtig festzuhalten – ist eben nicht nur eine von Institutionen, sie geht viel tiefer: Sie ist mehr noch eine Krise von Nationalstaaten und verunsicherten Menschen, die in der Flucht in die Vergangenheit ihr Heil zu finden glauben.
Die Nostalgie nach alter K-und-K-Herrlichkeit, so versicherte mir ein Österreicher, ist auch nach einem Jahrhundert in manchem noch präsent. Doch Nostalgie ist, nicht anders als Angst, ein schlechter Berater, wie wohl manche der gegenwärtigen EU-Oststaaten noch erleben werden.
Bei aller berechtigten Kritik an vielem, was schief läuft in der EU: EU-Hass ist – so wie Fremdenhass – nur ein billiges Ablenkmanöver von eigenen und nationalen Ungereimtheiten. Und auch, was an Lobbystrukturen und dgl. in Brüssel kritisiert wird, ist das Ergebnis von Vertretern nationaler Interessen.
Der Haupttrugschluss, etwa bei der Osterweiterung, ist wohl die Erwartung, dass sich europäisches Bewusstsein im Zuge der Markterweiterung schon noch von selbst herausbilden werde. Dass die Schaffung von politischen Strukturen, die solches fördern – wie etwa im deutsch-französischen Vertrag – aber unterlassen wurde. Insofern stimme ich dem Leserbrief von Ilona Böhm-Ahrens voll und ganz zu.
Aus heutiger Sicht, so scheint mir, waren die bewusstseinsmäßigen Voraussetzungen wohl nicht gegeben. Und ich würde – so schmerzlich es ist – nach den gegenwärtigen Erfahrungen eben doch für ein Kern-Europa plädieren, um Schlimmeres zu verhindern. Einen Orban oder einen Kaczynski als Partner zu dulden und beide Augen vor der Realität zu verschließen, hieße auch, die Sezessionskräfte im Innern zu stärken, etwa einer LePen den Weg zu ebnen.
Der Misserfolg eines Geert Wilders etwa bei den EU-Wahlen in den Niederlanden 2012 hat es gezeigt: Fremdenfeindliche und chauvinistische Bewegungen sind nicht zu stoppen, indem man ihnen hinterher rennt, sondern nur durch klares Bekenntnis.
Es ist doch ganz einfach. In ganz Europa gilt: „Das Hemd ist mir näher als die Jacke.“ Die ganzen schönen Gemeinsamkeits-Ideen enden da, wo es zu Teilen gilt. Teilen wird allerdings eher so verstanden, das genommen wird, aber nix gegeben. Und das ist auch die Erklärung für die Erstarkung der rechten, bzw. rechtspopulistischen Parteien. Da heisst es, frei nach Hans Albers: „Hoppla, jetzt komm‘ ich“. Der Ruf nach Solidarität endet immer – am eigenen Konto.
Ware es denn in den Europäischen Gemeinschaften mit ihren nationalen Währungen so schlimm, dass zwei Monster (der Euro und die EU (gegen den Willen der meisten Völker, die meisten wurden nicht mal befragt))unbedingt geschaffen werden mussten?
Kritische Gegner des Euro wurden verspottet und heute wie damals als Rechts-außen-Nationalisten verbrämt. Was dann durch den Euro folgte war ein Vertragsbruch nach dem anderen. Ein toller Segen der EU.
Angeblich soll in der EU ja auch immer noch das Subsidiaritätsprinzip gelten – meiner Ansicht nach hätte das die Schaffung der EU aber von vornherein gar nicht zugelassen.
Ein gutes Beispiel ist die Öko-Desgin-Richtlinie. Im Sommer leidet Spanien an Wasserknappheit, im kalten Winter sollen sich demnächst die Bewohner der wasserreichen, nordischen Staaten sich mit Duschsparköpfen lauwarm abtröpfeln lassen.
Eine Rückkehr zur Europäischen Gemeinschaft wäre aus meiner Sicht das richtige, da eben verschiedene Nationen einfach in vielen Merkmalen verschieden sind.
Die Europäische Union ist zu schnell gewachsen.
Die östlichen Staaten sind nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion allzu gerne in die Union aufgenommen worden, obwohl sie noch gar nicht „reif“ zu einer Integration waren.
Aber der Westen wollte sie nicht dem Einfluss eines erstarkenden Russlands überlassen. Politisch verständlich.
Doch der größte Fehler war wohl, dass nur die wirtschaftlichen Belange vorangetrieben wurden, die sozialen Angleichungen nicht erfolgten und die Menschen von der Europa-Idee nicht überzeugt wurden.
Auch die Medien hatten zu oft und zu laut über die „Krümmung der Bananen und Gurken“, sowie über „Glühbirnen“ berichtet, häufig „auf Brüssel“ geschimpft – wo doch auch viele unserer deutschen Spitzenleute saßen und noch sitzen – und dabei die vielen positiven Beschlüsse wenig herausgehoben.
Warum man den öfter im Gespräch gewesenen Gedanken eines „Kerneuropa“ immer wieder fallen ließ, ist auch ein Rätsel geblieben. Wollte man unbedingt „Staaten 2.Klasse“ vermeiden ? Warum denn ?
Bei unserem ach so geliebten Fußball klappt das doch reibungslos. Wer gut genug ist, spielt in der 1.Liga, wer es dort nicht mehr schafft, steigt ab in die 2.Liga und die guten von dort steigen auf.
(Dass die meisten Beispiele hinken, ist mir bewusst.)
Auch in Deutschland gibt es genug Gegensätze.
Neben armen Nordseefischern gibt es reiche Hamburger Handelsherren. Neben armen Bergbauern in den Alpen wohnen reiche Industrielle aus München.
Dijsselbloem gehört noch mit in die Riege von Juncker, Merkel, Gabriel, Tusk, und nicht zu vergessen – auch David Cameron, mit seiner Drohung des „Brexit“, des britischen EU-Austritts.
Wir erlebten in den letzten Jahrzehnten eine zunehmende Selbstbedienung bezüglich des EU-Mitteltopfs. Einzahlen wollte keiner, aber herausnehmen bzw. zurück erhalten was nur geht. Solidarität? Pfeifedeckel, höchstens mit der eigenen Brieftasche. Wird es vielleicht einen Deal geben: Wir bleiben in der EU, wenn Ihr TTIP und den anderen „Frei-„Handelsabkomen zustimmt? Alles denkbar. Denkbar weil die aufgeführten Figuren sich verabschiedet haben, von einer sozialen Marktwirtschaft, von welcher alle profitieren. Konzerne und Milliardäre bekommen den Staubzucker, welcher ihnen hinter rein geblasen wird, noch rosa eingefärbt, indem ihre Steuerlasten auf Null oder nahezu Null heruntergefahren werden, Steuervermeidung und -hinterziehung also staatlich legalisiert wird. Soziales wird beschnitten, wo es geht, und die Mittelschicht ausgelutscht bis zum – geht nicht mehr.
Interessant, das es jetzt so eine Art Querfront-Interessen gibt, zwischen Le Pen und AfD, nicht nur in Bezug auf Aufnahme von Flüchtlingen, sondern auch in Ablehnung all der schönen Handelsabkomen, welche die Briten als Lakaien der USA uns aufzwingen wollen. Und wir Deutschen, jetzt schon mit Milliardenkosten für die Flüchtlingsaufnahme belastet, sollen dann in dieser fröhlichen Gemeinschaft von Frankreich-England-USA uns jetzt auch noch tiefer in einen Krieg hineinziehen lassen, den diese ehemaligen Kolonialmächte zu verantworten haben und der nicht, aufgrund Ungleichheit der Waffen und Unterstützung genau der, welche widerum den Terrorismus unterstützen, zu gewinnen ist.
Falls es zum Brexit kommen sollte, werde ich den Briten keine Träne nachweinen. Sollen Sie doch einen Antrag stellen, als potentiell 51. Bundesstaat der USA.
Die EU ist zur Ursache von ziemlich allen Übeln dieser Welt erkoren worden. «Hat man Schweissfüsse, ist die EU schuld (Martin Schulz)». Ich habe versucht eine Liste aufzustellen, wo die Schlechtigkeiten der EU mir mein persönliches und berufliches Leben vermiesen. Leider ist die Liste immer noch leer und in den anderen Beiträgen habe ich auch keine Anregungen gefunden. Seltsam.
PS: Ich habe doch was gefunden. Wenn ich demnächst mein Auto nach Deutschland einführe, muss ich eine EU-Konformitätsbestätigung vorlegen und deshalb morgen meinen Autohändler anrufen.
@ H. Flessner #8:
Mir fiele da im Gegensatz zu Ihnen einiges ein.
Bestes Beispiel: neulich ging bei mir eine Energiesparlampe zu Bruch.
Die EU fand/findet diese ja wunderbar.
Ich dachte:“ Ach, Du Scheiße – nix wie Fenster und Türen auf“.
Aber Quecksilber ist ja nur böse, wenn es aus Kohlekraftwerken kommt.
# Katja Wolf
Da bin ich aber beruhigt, wenn das das Schlimmste ist. Haben wir nicht beide den gleichen Verdacht, dass diese Regelung ihren Ursprung nicht in Brüssel, sondern weiter östlich hat?
Katja Wolf, #5,9
Wie lächerlich sind doch Sorgen um ein Europa, in dem jahrhundertealte „Erbfeindschaften“ überwunden wurden, im Vergleich zu Sorgen mit Wassersparduschköpfen und kaputten Glühbirnen!
@ Werner Engelmann #11:
Haben Sie nicht auch den Eindruck, dass die Animositäten innerhalb Eurpoas seit Bestehen der EU / des Euros wieder stark zugenommen haben – im Vergleich zu den EG-Zeiten?
@Henning Flessner #8:
Natürlich gibt es noch schlimmeres, aber genau anhand der „Energiesparlampen“ zeigt sich doch, dass ideologiegeleitet offensichtliche Nachteile gerne in Kauf genommen werden.
#11: W. Engelmann:
Ist Ihnen schon aufgefallen, dass die Feindschaften / Animositäten in der EU im Gegensatz zu den EG-Zeiten wieder drastisch zugenommen haben?
#10: Henning Flessner
Sie argumentieren meiner Ansicht nach unredlich. Es ging zunächst darum, nzr anhand eines Beispiels aufzuzeigen, dass es eben nicht um die eigenen „Schweißfüße“ geht. Das Thema Energiesparlampen ist aber insofern symptomatisch, als dass aus Ideologigründen unübersehbare echte (!) Nachteile in Kauf genommen werden.
Sollten Sie mit weiter östlich Berlin meinen, wäre das ein Grund mehr, sich gegen die EU als Institution zu wenden, wenn hier durch die Hintertür von den Völkern ungewollte Politik durchgedrückt wird.
Katja Wolf:
Ich gebe Ihnen Recht, mit England hat es angefangen, da diese schon immer Sonderrechte für sich in Anspruch genommen haben und immer noch mehr für sich in Anspruch nehmen wollen.
Schon Adenauer war gegen einen Beitritt Englands zur damaligen EWG, er wusste wohl, warum.
Dann wurden etliche osteuropäische Länder wie Polen oder Ungarn mit EU-Geldern aufgepäppelt (in diesem Punkt gebe ich Oettinger ausnahmsweise Recht), und nun verstoßen sie gegen alle Grundrechte, die in der EU-Charta enthalten sind.
Schließlich erpresst die Troika unter der Führung von Schäuble und Merkel die südeuropäischen Länder, vornehmlich Griechenland auf geradezu dikatorische und menschenfeindliche Art und Weise.
Zu guter Letzt bändelt man mit einer Regierung in der Ukraine, in der Faschisten tonangebend sind, und einem Völkerschlächter Erdogan an, um die Reihen der Diktatoren in der EU noch zu vergrößern. Dann kann der EuGH seine Tätigkeit beenden und alle Papiere, auf denen Grundrechte wie Presse- und Meinungsfreiheit, Gewaltenteilung, Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, Religionsfreiheit, Asylrecht etc. formuliert sind, sind nur noch als Toilettenpapier zu gebrauchen. Warum bietet die EU nicht gleich Assad die Mitgliedschaft an, der ist auch nicht schlimmer als Erdogan.
@15 Peter Boettel
Die von Ihnen zu Recht angesprochen Mängel haben ihre Ursache meines Erachtens nicht in der EU als Institution. Die Probleme sind da trotz der EU, aber nicht wegen der EU.
Mir fällt zunächst ein: Hinter jeder quecksilberhaltigen Energiesparlampe steckt doch ein kluger Kopf – oder nicht?
Europa ware einmal eine gute Idee, zu EWG-Zeiten, weil da die Erinnerung an WK II noch frisch war. Und es ging, aufgrund allgemeinen Aufbaus, voran und nach oben, wovon viele profitierten. Und es gab noch nicht diese spätbürgerlich-bourgeoise neualte Raffsucht, welche sich ab den 90ern immer mehr und überall ausbreitete. Gerade bei uns war die DDR als Korrektiv der Denk- und Handlungs-Ansätze weggefallen, und das Raubtier Kapitalismus konnte ungehemmt sein Haupt erheben, brüllen, dann merken: ich habe Hunger, und sich ohne Rücksicht sein Fressen suchen. Und viele haben da gemerkt: Wenn dieses Raubtier schon nicht zu bekämpfen ist, dann biete ich ihm zumindest Futter an, damit ich selbst nicht gefressen werde.
Ich fürchte nur, das es in diese Richtung weitergehen wird. Mit Humanismus oder Sozialismus oder sozialer Marktwirtschaft läßt sich ja zuwenig verdienen. Vor allem auch dann, wenn man es frei nach den neuen Super-Ökonomen vom Schlage Sinn oder Schäuble mit Sparen bei denen unten und Zuschütten mit Euros bei denen oben probiert und entsprechend agiert.
Warum machen sich so wenig Gedanken darüber, warum die vielgenannte Schwäbische Hausfrau es mit Sparen vielleicht in der eigenen Familie schafft, ein ausgeglichenes Budget zu erreichen, Millionen von schwäbischen Hausfrauen jedoch scheitern. Weil nämlich die Ausgaben des Einen die Einnahmen der Anderen sind, und umgekehrt. Was kostet uns letztendlich eine zerfallende Infrastruktur, eine zerfallende soziale Gemeinschaft, ein Kampf aller gegen jeden? Wie geht noch einmal der alte Spruch? Autos kaufen keine Autos. Und die ganz oben, welche bereits Stücker 10 in der Garage haben, ziehen den Karren auch nicht aus dem Dreck.
@Henning Flessner #16:
Sie glauben also, dass die Troika unter der Führung von Schäuble und Merkel die südeuropäischen Länder TROTZ der EU auspresst. Auch hier gilt meines Erachtens:
der Euro (im Zusammenhang mit der EU) hat den ganzen Schlamassel erst ermöglicht.
@Wolfgang Fladung #17 1.Abs.:
Sie sind hoffentlich Arroganz-versichert!
# 19, K.Wolf: Ernsthafte Frage? Wenn ja, woran machen Sie das fest – gilt meine Meinung, deine Meinung nicht mehr?
Wenn Sie meine Anmerkung mit der Energiesparlampe meinen, dann meinte ich nicht Sie, als Kritikerin, sondern all die Entwickler mit „kluger Kopf“.
@ Wolfgang Fladung #20:
Genau diese Anmerkung meinte ich. Ich hatte sie auf mich bezogen und damit offenbar missinterpretiert.
Danke für die Klarstellung!
Manchmal ist es recht mühsam den Argumenten und den Erwiederungen zu folgen. Das liegt eben an den langen Pausen.
Öfter sitzen drei oder vier User gleichzeitig am PC und wollen sich austauschen – das spürt man förmlich –
aber die Antworten hängen „in der Prüfschleife“, sie kommen viel später und sind oft auch nicht mehr zu den dazwischen liegenden Beiträgen passend.
Meiner Meinung ist Bronski da zu streng mit uns, hat zu zu wenig Vertrauen.
Oder ließen sich feste „Sprechzeizeiten“ einführen, in denen „flott“ freigegeben werden könnte ?
Zum Thema Europa : Dass es mit dem Zusammenhalt der einzelnen Staaten nicht mehr so gut klappt, liegt sicherlich auch daran, dass die Erinnerung an den schrecklichen Krieg und dessen Folgen sowohl bei den Regierenden als auch in den Bevölkerungen verblasst.
Es gibt wieder zu viele „kleine Könige“ die nur „ihr“ Reich sehen und nicht mehr den Gedanken an ein vereintes Europa pflegen wollen.
# 21, Frau Wolf (nicht nur): Ich habe mal vor einiger Zeit gelernt, vernetzt bzw. ganzheitlich zu denken. Gelingt nicht immer, weil ich eben kein Automat bin. Aber die Eurokraten in Brüssel und anderswo scheinen, wie das Beispiel Energiesparlampe zeigt, manchmal eben einen zu kurzen Horizont zu haben. Gut gemeint ist eben nicht immer gut gemacht.
Darauf basierend bin ich gespannt, wie mensch es hinkriegen will, mit den alternativen Energien, nachts, wenn mal kein Wind weht, uns mit Wind- und Sonnenstrom zu versorgen. Da braucht es Speicher. Aus welchem Material werden die hergestellt, ist dies umweltfreundlich, gibt es genügend Speicher, Material und Standorte, gibt es dabei Abfallprobleme, halten die lange und andere Fragen mehr.
Vielleicht gibt es ja hier im Blog Wissende, die diese Fragen beantworten können. Dazu gehört auch die Kardinalfrage: wie soll Europa aussehen und welche Vorstellungen gibt es davon, und welche Bereitschaft, an diesem Gebäude zu arbeiten. Ein Haus ohne Mauern, aber mit einem Euro als Dach, kann es wohl nicht sein (schon wegen der Heizkosten – Achtung: Ironie!)
off topic
@ werner hertrich
Es ist leider nicht möglich, das FR-Blog unmoderiert laufen zu lassen. Das ist im Prinzip das, was Sie meinen: Kommentare werden sofort veröffentlicht. Dann sähe es hier ganz schön wüst aus. Dies zum einen. Zum anderen ist es zwar technisch möglich, einzelne User zu sperren, aber der umgekehrte Weg — einzelne User komplett freizuschalten, obwohl moderiert wird — ist von der Software nicht vorgesehen. Wir müssen also alle mit der Moderation leben. Das bedeutet für Sie, dass es manchmal ein bisschen dauern kann, bis Ihr Kommentar freigeschaltet wird, und für mich bedeutet es, dass ich mindestens alle paar Stunden nach neuen Kommentaren schauen muss, auch am Abend, an Wochenenden oder wie gerade eben, da ich weg war, um mich für eine Einbauküche beraten zu lassen. Sorry, so ist das nun mal leider. Es wäre übrigens auch dann nicht anders möglich, wenn alle Userinnen und User sich penibel an die Blogregeln halten würden. Neben solchen Kommentaren, an denen nichts zu beanstanden ist, kommt nämlich auch noch viel Müll und Spam, von dem ein großer Teil ebenso automatisch freigeschaltet würde wie Ihre Kommentare — und glauben Sie mir: Dieses Zeug wollen Sie nicht lesen.
Off topic Ende
@ Wolfgang Fladung
Ich habe Mühe einen Bezug zwischen ihrer berechtigten Kritik am Neoliberalismus und der EU zu sehen. Die EU hat den Neoliberalismus nicht erfunden. Sie ist nicht die einzige, die ihn praktiziert und durch die Rückkehr zu den Nationalstaaten wird der Neoliberalismus nicht abgeschafft.
Zur Energiewende hat der von ihnen ungeliebte Sigmar Gabriel wohl die Wahrheit gesagt. Der Rest der Welt hält die Deutschen für bekloppt.
Gut, Bronski, leben wir weiter mit der Moderation, wie gehabt. Oft ist die moderne Technik schnell – manchmal etwas behäbig.
Das Blog ist doch bisher „sauber“. Muss viel „Mist“ im Sieb hängen bleiben ?
@ Henning Flessner, #25
Was die Kritik bez. Neoliberalisms und EU angeht, stimme ich Ihnen zu, ebenso betr. die Illusion, das würde durch Rückkehr zu bloßen Nationalstaaten besser. Im Gegenteil.
Warum der Euro an allem Schuld sein soll, ist mir sowieso schleierhaft. Aufschlussreich, dass der nach dem Rauswurf von Lucke – und nachdem man die „Flüchtlingskrise“ als „Geschenk“ entdeckt hat (Gauland) – selbst in der AfD kaum noch ein Thema ist.
Was die Probleme der Energiewende angeht, ist das sowie am wenigsten eine Frage der EU, sondern einseitiger nationaler Abhängigkeiten. Frankreich hat z.B. die größte Abhängigkeit von elektrischer Energie durch meist völlig ineffiziente Heizungen. Folge der einseitigen Fixierung auf Atomstrom. Da ist es natürlich fürs eigene Ego leichter, andere für verrückt zu erklären, als die Weichen im eigenen Land umzulegen.
Bez. der Strukturprobleme in der EU scheint mir übrigens eines der Probleme (wie auch bei manchen Regierungen) fehlende Koordinierung zwischen einzelnen Institutionen zu sein.
Ich habe selbst einige Jahre als Sprachlehrer an mehreren Institutionen in Luxemburg gearbeitet (Parlament, Kommission, Gerichtshof, Rechnungshof, EIB). Selbst bei einfachen Koordinationsfragen (Teilnehmer meist aus verschiedenen Insitutionen) stellten sich da oft unüberwindbare Probleme.
Faktisch führt das auch zur Dominanz der Kommission und damit der nationalen Vertreter und deren Interessen. Die Blockade gerade der deutschen Regierung bez. Umweltnormen im Interesse der deutschen Autoindustrie ist nur ein Beispiel.
Das Hauptproblem scheinen mir die gegenwärtig explodierenden Nationalismen zu sein.
Wenn etwa der FN in Frankreich tatsächlich an die Regierung käme – der nicht einmal in Ansätzen durchdachte Konzepte einer Wirtschaftspolitik besitzt – prognostizieren Ökonomen schon heute, dass dies den Zusammenbruch der französischen Wirtschaft bedeuten würde.
# 25, Henning Flessner und # 27, Werner Engelmann:
Nein, die EU hat den Neoliberalismus nicht erfunden, aber dieser hat durch seine „entfesselten Marktkräfte“ nicht nur die Märkte entfesselt, sondern auch die EU bzw. zumindest die Euro-Zone auseinander getrieben. Weil nämlich gleichzeitig eine Entsolidarisierung statt fand, und sich am Ende jeder darauf besann, dass das Hemd näher als die Jacke sitzt. Zu sehen an der Griechenland-Krise und zuletzt an der Weigerung, Flüchtlinge aufzunehmen. Wohl auch in der Hoffnung, das Spar-Weltmeister Deutschland irgendwann einmal die weiße Fahne schwenkt und zugibt, die Kosten nicht mehr ohne Neuverschuldung stemmen zu können. Vor allem auch dann nicht, wenn der Zuzug weiter anhält. Heute las ich, daß der Ukraine die Staatspleite droht und sich dann womöglich auch ein paar Ukrainer auf den Weg nach Westen – sicherlich nicht nach Polen – machen könnten. Und dann?
Und zum €: ich habe es in diversen Blogs bereits mehrfach angeführt: Man baut ein Haus, in diesem Fall das Haus Europa, nicht mit dem Dach (einer gemeinsamen Währung) beginnend, sondern mit einem stabilen Fundament, starken Mauern, dichten Fenstern, funktionierender Versorgung an Strom, Gas, Wasser innen und von außen und und und. Und wenn alles installiert ist, deckt man ein stabiles Dach drüber, welches nicht beim ersten Sturm weggeblasen wird. Viele Ökonomen wissen, das all dies nicht eingehalten wurde, aber Politiker sind ja eher Phantasten, die es weder mit Physik, Statik, Geometrie, altem Fachwissen haben, sondern mehr mit Wolkenkuckucksheim-Vorstellungen.
Anfänglich hat es ja mit der EWG – die Älteren erinnern sich – ganz gut hingehauen, aber dann kamen die politisch beeinflußten Erweiterungen in alle Richtungen. Wären die Gesetzmäßigkeiten bei der Schaffung der EWG weiter berücksichtigt worden, wäre Europa ein stabiles, vielleicht allerdings kleineres Haus geworden. Hätte, könnte, würde…
Zu befürchten ist jetzt, das uns diese Bruchbude um die Ohren fliegt. Die Sprengsätze heißen Neoliberalismus, Nationalismus, Brexit, EZB etc.pp.