Glyphosat, das „Unkraut“-Vernichtungsmittel des Agro-Konzerns Monsanto, hat es inzwischen bis in die Muttermilch geschafft. Es war klar, dass das irgendwann passieren würde, und ebenso klar konnte jedem Beobachter sein, dass die Debatte über etwaige Gefahren, die von dem Gift ausgehen, dann noch einmal richtig Fahrt aufnehmen würde. So ist es geschehen. Die International Agency for Research on Cancer (IARC, Internationale Agentur für Krebsforschung) stufte Glyphosat im März 2015 als „probably carcinogenic“ für Menschen ein, als vermutlich krebserregend (Link zum pdf-Dokument des Instituts). Daraufhin beeilten sich Mitarbeiter des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR), die Unbedenklichkeit von Glyphosat zu bestätigen. Unter den Expertisen, die ihm dafür als Grundlage dienten, befanden sich ein gutes Dutzend Leserbriefe an die Fachzeitschrift „Food and Chemical Toxicology“, von denen zehn von Mitarbeitern von Monsanto oder aus dem Umfeld des Konzerns geschrieben worden waren. Dieser Skandal facht den Streit um das Gift natürlich an und macht das BfR zur Zielscheibe für Satire wie der nun folgenden von FR-Leser und Blog-User Manfred Petersmark aus Hanau, die ich hier als Gastbeitrag veröffentliche. Eine um die Hälfte gekürzte Version dieses Leserbriefs ist heute, 28. Juli, im FR-Leserforum veröffentlicht worden.
Der zulässige Glyphosatwert im Trinkwasser muss erhöht werden
von Manfred Petersmark
War der FR-Artikel am 26.06.15 über den Unkrautvernichter Glyphosat in der Muttermilch noch keine Spalte lang, so umfasst der heutige (20.07.15) Bericht über dieses Pflanzenschutzmittel samt Foto im Wirtschaftsteil schon sechs volle Spalten. Ob allerdings dieses Thema nach dem Hype um Griechenland und um die Pkw-Maut, wo es um die Wahrung originär deutscher Interessen ging, einen Stich holt, ist fraglich.
Glyphosat ist ein mittlerweile bewährter Unkrautvernichter in der weltweiten Landwirtschaft und landet folgerichtig im Oberflächenwasser, im Grundwasser und somit im Trinkwasser, wo es, wie andere dort vorhandene chemische Rückstände, keinen Nutzen bringt.
Trinkwasser ist ein chemischer Cocktail, dessen Zutaten genau aufeinander abgestimmt sein müssen. Für Glyphosat gilt ein Grenzwert von 0,1 Nanogramm pro Milliliter. Im menschlichen Urin ist ein Mehrfaches davon enthalten. Beim Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), das dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft unterstellt ist, schließt man daraus, dass Glyphosat über die Nieren vollständig ausgeschieden wird. Nun wurden aber in Proben von Muttermilch Glyphosat-Gehalte festgestellt, die die Werte im Trinkwasser wie auch im Urin wiederum um ein Mehrfaches übersteigen; etwas, das eigentlich nicht sein könnte, weil es nicht sein darf. Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL), das ebenfalls zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft gehört, schließt eine Gefährdung für Mutter und Kind aus. Die Aussagen der beiden unabhängigen Institute BfR und BVL werden untermauert durch die Tatsache, dass noch kein Fall von plötzlichem Kindstod unmittelbar nach dem Stillen bekannt geworden ist.
Nun stuft die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) der Weltgesundheitsorganisation den Unkrautvernichter als wahrscheinlich krebserregend ein, womit BfR und BVL keinesfalls übereinstimmen, weil diese Annahme nicht belegt sei. Deshalb wurde von BfR und BVL in einem Bericht an die EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA die Zulassung von Glyphosat bis 2025 befürwortet. Ein mutiger und nötiger Schritt! Die vielseits aufgestellte Forderung, die angeblich krebserregende Wirkung von Glyphosat in einer Doppelblindstudie an zwei Kontrollgruppen zu belegen, ist ethisch verwerflich. Wie sich die Anwendung von Glyphosat auf die Weltbevölkerung auswirkt, wird nicht zu belegen sein. Anhand von vielen Einzelschicksalen können keine wissenschaftlichen Beweise erbracht werden. Und der Bereich der Spekulation ist groß und somit unerheblich.
Da die Unschädlichkeit von Glyphosat in der Muttermilch durch BfR und BVL einhellig bestätigt wurde, muß folgerichtig der zulässige Wert im Trinkwasser erhöht werden. Bei Linsen und Bohnen wurde auf Betreiben der Hersteller – Monsanto sei stellvertretend genannt – die zulässige Höchstmenge auf ein Mehrhundertfaches angehoben. Ein notwendiger Beitrag zur Sicherung der Ernährung der Weltbevölkerung! Gerade deshalb, bitte, nicht anders bei der Versorgung mit Trinkwasser, woran es jetzt schon mangelt!
Eine Großstadt wie Frankfurt am Main, deren Einwohnerzahl in absehbarer Zeit die Millionengrenze überschreiten wird, leistet sich heute noch eine Wasserversorgung aus Oberflächen- und Brunnenwasser, wo doch der Main mitten durch die Stadt fließt! Mainwasser wird kostspielig im Stadtwald verrieselt, als ob das nötig wäre, um aus Mainwasser Trinkwasser zu machen! Wenn in nicht zu ferner Zukunft die Wasserversorgung Frankfurts durch Monsanto-Water übernommen wird, dann heißt das Unternehmensziel, Mainwasser nötigenfalls vorsichtig so weit mit richtigem Wasser zu strecken, bis die zulässigen Werte für alle aufgeführten Rückstände bis an die Höchstgrenze eingehalten werden. Bei neuen Erkenntnissen sind die Grenzwerte nach oben anzupassen.
Es ist ohne weiteres ersichtlich, dass zur Schonung vorhandener und Gewinnung weiterer Ressourcen ein gewinnorientiertes Management in vielen Bereichen unserer Infrastruktur vonnöten ist. Unsere Administrationen sind schon jetzt bestrebt, den innovativen Leistungsträgern weitestgehend entgegenzukommen. Denkmalschutz und Bannwald sind Begriffe von gestern. Dennoch brauchen künftige Investoren Rechtssicherheit, d.h. Sicherheit vor der unberechenbaren Rechtsprechung. Abkommen wie TTIP, CETA und TISA werden diese Sicherheit mit Hilfe unserer Regierung, die ihren mächtigen Einfluss in Europa geltend macht, garantieren.
Soll die wissenschaftliche Diskussion jetzt hier im Blog von Laien geführt werden?
Ich halte mich an Philippus Theophrastus Aureolus Bombastus von Hohenheim, der das Wichtigste zu diesem Thema bereits vor 500 Jahren gesagt hat: „Alle Dinge sind Gift, und nichts ist ohne Gift; allein die Dosis machts, daß ein Ding kein Gift sei.
Zuerst einmal ein herzliches Dankeschön an den Autor dieses Leserbriefes zum Problem von chemischen Rückständen im Grundwasser. Satirische Leserbriefe sind in der FR eher selten zu finden, um so mehr musste ich über Herrn Petersmarks Leserbrief schmunzeln. Hat er es doch verstanden, aus dem grotesken Wortgeblubber, mit dem wir seit Jahren eingeschläfert werden, einen auf den ersten Blick inhaltlich fundierten und mit wissenschaftlich belegbaren Fakten untermauerten Artikel zu formulieren. Vermisst habe ich leider die in solchen dann allerding ernst gemeinten Machwerken gebräuchliche Floskel “ Alternativlos”
Schön auch die Gedanken Herrn Petersmarks zum Thema Denkmalschutz und Bannwald im Zusammenhang mit dem sogenannten Investorenschutz bei der Einführung von TTIP. Besser hätten das die Strategen der “Neuen sozialen Marktwirtschaft” auch nicht zu Papier gebracht. Mit großer Freude sehe ich dem nächsten Leserbrief dieses Vollblutsatirikers entgegen, dann vielleicht mit einem Beitrag zur segensreichen Nutzung von Asbest und Kernkraft, der Heiligsprechung von Schäuble, Merkel oder Fitschen, dem weiteren Ausbau des Frankfurter Flughafens bis hinein in die Wetterau und einer Teufelsaustreibung bei Herrn Tsipras. Machen sie weiter Herr Petersmark, ich bin begeistert !
@ 1, Henning Flessner
Sokrates würde Paracelsus in einem Trinkspruch zitiert haben, wenn es zeitlich gepaßt hätte.
@Flessner
Ja, die Diskussion sollte schon von Laien geführt werden. Daß die Dosis das Gift macht, scheint logisch, es stimmt aber nicht mehr. Was als „Gift“ zu gelten hat, entscheide ich selbst.
Ich allein, als Verbraucher, habe zu entscheiden, was mir als zuträglich, schädlich oder tolerabel erscheint.
Wissenschaftler haben dabei nicht mehr und nicht weniger als die Wahrheit zu sagen. Wenn sie dieses nicht tun, sind sie keine Wissenschaftler. Wissenschaftler haben nicht den Wert oder die Bedeutung von Erkenntnissen zu beurteilen, sie haben sie nur redlich darzustellen.
Leider steht die Redlichkeit und Wahrheitstreue der Wissenschaftler sehr in Frage.
Ich darf verlangen, unverfälschte, natürliche und natürlich produzierte Lebensmittel zu erhalten.
Die Mindestforderung ist, daß meine Entscheidung zu unbelasteten Lebensmitteln nicht durch die Unfähigkeit, Nachlässigkeit oder den Vorsatz der „Wissenschaftler“ und Produzenten gefährdet wird, die Wirkung und Verbreitung ihrer Produkte zu begrenzen und widerrufbar zu halten oder deren Wirkung zu verschleiern.
Von jedem Handwerker erwarte ich, und er bietet dies auch aus Redlichkeit an, daß er ein schadhaftes Produkt zurücknimmt und für den Schaden haftet, der aus diesem ggf resultiert. Von jedem Handwerker wird auch erwartet, daß er Wirkungen und Folgeschäden mitbedenkt und diese begrenzt.
Von „Wissenschaftlern“ sollte man ein Vielfaches an Redlichkeit verlangen. Produkthaftung wäre das Stichwort.
Kurios ist, daß Wissenschaftler sich im Falle des Falles damit herausreden, daß man nicht alles wissen könne, sich aber vorher als Alleswisser aufplustern.
Im Grunde geht es um die Frage welche Grenzwerte eine Gesellschaft akzeptieren sollte. Der Vorteil von Grenzwerten für irgendwelche Hersteller ist das sie sich eine Belastung bis zu diesem Wert erlauben können und das nichts kostet. In einer möglichst radikalen Marktwirtschaft wie sie bei uns zumindest teilweise angestrebt wird ist das natürlich ein völlig falsches Signal. Grenzwerte müssen natürlich sein aber bis zum erreichen von Grenzwerten darf das zuführen eines nicht natürlich vorhandenen Stoffes nicht umsonst sein. Bei Überschreitung des Grenzwertes muss es verboten sein den Stoff in den Umlauf zu bringen, aber auch bis zur Erreichung eines Grenzwertes muss jedes Milligramm einen Wert in Euro zugeteilt bekommen der zu bezahlen ist. Das passt zu den marktwirtschaftlichen Regeln. Das beste Beispiel dafür ist Quecksilber bei Kohlekraftwerken.
@BVG
„Ich darf verlangen, unverfälschte, natürliche und natürlich produzierte Lebensmittel zu erhalten.“ Natürlich dürfen Sie das verlangen. Aber sie werden in Kauf nehmen müssen, dass auch ihre unverfälschten, natürlichen und natürlich produzierten Lebensmitteln (in grossen Dosen) giftig sind. Ich habe gerade Haselnüsse geknabbert. Die enthalten einen Stoff, der im Körper Blausäure erzeugt. Das gilt auch für das Leinsamenbrot aus dem Bioladen. Mit dem Kochsalz in meinem Küchenschrank könnte ich mich umbringen. Biowein lässt sich ohne Gebrauch des giftigen Kupfersulfats nicht herstellen. Zum Glück macht aber doch die Dosis das Gift.
Wenn Sie die Wahrheit suchen, sind Sie in der Naturwissenschaft falsch. Das Wort Wahrheit kommt in den Naturwissenschaften normalerweise nicht vor. Eine Professorin der Geschichte der Naturwissenschaften (später Bundestagsabgeordnete der Grünen) sagte einmal zu einem Kommilitonen, dass er in den Naturwissenschaften falsch sei, falls er die Wahrheit suche. Dann sollte er besser Theologie oder Philosophie studieren.
@hans
Es gibt verschiedene Möglichkeiten Grenzwerte zu definieren. Man kann den Grenzwert so definieren, dass bei diesem Wert mit bestem Wissen nicht mit einer Schädigung gerechnet werden kann. Das setzt natürlich voraus, dass der Körper unterhalb einer gewissen Dosis mit dem Stoff fertig wird. Bei Kochsalz zweifelt dies kaum jemand an. Bei Strahlung wird dies vielfach bezweifelt.
Eine andere Möglichkeit ist, dass man zusätzlich schaut, welcher Grenzwert, der unter dem oben definierten liegt, kann mit vernünftigem technischen Aufwand erzielt werden. Es ist eigentlich niemals in der Öffentlichkeit klar, welche Definition zugrunde liegt.
Ob ein Stoff natürlich vorkommt, kann dagegen überhaupt kein Kriterium sein. Sowohl das von Ihnen angesprochene Quecksilber als auch z. B. Asbest sind natürlich vorkommende Stoffe und trotzdem hätte ich sie nicht gerne im Essen.
@ 6, Henning Flessner
Sie können auch, so Sie es denn möchten, sich mit reinem Wasser (H2O) vergiften. Auch hier macht die Dosis das Gift. Aber vielleicht essen Sie doch lieber Haselnüsse. Guten Appetit!
Henning Flessner @ 6
Das was sie im Beitrag 6 geschrieben haben ist doch ein guter Grund jedem Milligramm eines Stoffes einen Wert in Euro zu geben. Dieser Wert kann ja von der Wissenschaft nach bestem Wissen festgelegt werden. Er wird dann bei Quecksilber ein anderer sein als bei Salz oder H2O.