Kreshnik B. ist ein junger Mann von jener Sorte, die viele in Deutschland ratlos macht und manchen sogar Angst einjagt: ein Islamist und Syrien-Heimkehrer. 20 Jahre ist er alt und wurde nun vom Frankfurter Oberlandesgericht wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zu einer Jugendstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Vor rund eineinhalb Jahren zog er in den Dschihad nach Syrien und wurde vom IS auch tatsächlich eingesetzt – in den hinteren Reihen, „wo die Pimpfe möglichst wenig Schaden einrichten können“, wie FR-Autor Stefan Behr in seinem Prozessbericht schreibt. Die harten Männer, die Kreshnik B. bewundert haben dürfte, Tschetschenen und Araber vor allem, kämpften derweil an vorderster Front.
Was ist das also für ein Mann, dieser Syrien-Heimkehrer, der die Terrorgefahr in Deutschland erhöhen können soll? Davor warnten sie ja alle, damals, als die ersten Erkenntnisse darüber durchdrangen, dass auch Deutsche in den Dschihad nach Syrien ziehen. Der Innenminister, die Geheimdienste und viele Sicherheitsexperten waren sich einig, dass von diesen Leuten, wenn sie denn zurückkehren, Gefahr für unser Gemeinwesen ausgeht. Wenn das so ist, dann gilt offenbar auch hier die Erkenntnis, dass dieses Gemeinwesen viele der Gefahren, vor denen es Angst hat, selbst produziert, denn es hat Kreshnik B. keine Perspektiven und keine Orientierung geboten. Existenzen wie dieser junge Mann – unselbständig, orientierungslos, offenbar ein Spätentwickler – sind in einem Land, in dem es in Hinblick auf junge Menschen vor allem darum geht, wie sie als Arbeitskräfte für die Wirtschaft nutzbar gemacht werden können, schlicht uninteressant. Niemand kümmert sich um sie. Und Kreshnik B. hatte offenbar nicht die Kraft, den Willen und die Lust, sich aus eigener Initiative zu kümmern. Also spielte er keine Rolle. Da dies aber für niemanden auf Dauer erträglich ist, suchte er sich eine Rolle, und plötzlich bekommen alle einen Schreck. Plötzlich hatte er – nein, noch immer keinen Wert, aber immerhin eine Bedeutung.
Von seinen drei Jahren und neun Monaten, die er nach dem Jugendstrafrecht bekam, wird Kreshnik B. vermutlich nur einen Teil absitzen müssen. Hoffen wir mal, dass diese Strafe mit Augenmaß, die in der Mitte zwischen den Vorstellungen von Anklage und Verteidigung liegt, dazu führt, dass Kreshnik B. Orientierung erlangt – und zwar die richtige.
Helga Nitsche aus Obertshausen meint:
„Der Autor dieses Artikels kommt zu dem Schluss, dass der Prozess gegen Kreshnik B. keine Antworten auf die Fragen gebracht habe, weshalb der Angeklagte „für die Sirenengesänge der IS-Rekrutierer“ so empfänglich gewesen sei und woraus seine nach wie vor bestehende Verstocktheit resultiere. Mir scheint aber, dass man Antworten auf diese Fragen dem Artikel selbst entnehmen kann:
Da wird Kreshnik B. im Plädoyer des Bundesanwalts „als ein junger Mann, der noch nie in seinem Leben Verantwortung übernommen hat“ beschrieben. Von sich selbst sagt Kreshnik B. zur Begründung, warum er aus Syrien zurückkehrte, er habe seine Zeit in Syrien als zäh und langweilig empfunden, und er habe immer ganz hinten gestanden. Die Araber und Tschetschenen, die die militärische Drecksarbeit erledigten, habe er bewundert.
Solche Sätze bringen mich zu der Einschätzung, dass Kreshnik B. offensichtlich nach einer Herausforderung sucht, die ihm eine bisher nicht erfahrene Anerkennung verschafft. Sein Leidensdruck durch negative Selbsteinschätzung und Frustration, bisher nichts Bemerkenswertes geleistet zu haben, war offenbar so groß, dass er der Versuchung zu einem radikalen Schritt erlag.
Es ist ja bekannt, dass radikale Organisationen ebenso wie viele Sekten gerade bei Menschen mit geringer innerer Festigkeit Erfolg haben. Die Umkehr von einem solchen Weg ist schwer und mit der Rückreise aus Syrien im Fall von Kreshnik B. offenbar längst nicht abgeschlossen. Notwendig sind dazu die Erkenntnis und Einsicht seiner Situation und sehr viel weitere Arbeit an seiner Persönlichkeit.
Es bleibt zu hoffen, dass er im Gefängnis nicht anderen fehlgeleiteten Mitgefangenen ausgesetzt sein wird, sondern vielmehr die notwendige geistige Begleitung erfährt, um wirklich umzukehren und statt den Weg in einen verbrecherischen Abgrund den Weg in eine gute Zukunft zu finden.“
Petra Schulz aus Mainz:
„Der ehemalige IS-Kämpfer Kreshnik B. will „als Märtyrer sterben, aber vorher unter den Gesetzen der Scharia leben. Nach wie vor findet er Enthauptungen prinzipiell in Ordnung, wenn’s denn der Seligwerdung dient.“ Der 20-Jährige wurde wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zu drei Jahren und neun Monaten verurteilt – nicht nach Erwachsenenstrafrecht, sondern zu einer Jugendstrafe. Bei der Beurteilung des Gerichts fallen Begriffe wie „spätpubertär“, „auf jugendliche Art und Weise“, „junge Wilde“. Seit James Dean brettern „junge Wilde“ in Papas Auto über die Landstraße, klauen vielleicht ein Moped, knacken ein Auto. Junge Wilde richten in der Regel kaum bleibende Schäden an und werden nach den Jugendsünden irgendwann vernünftig. In keinem Fall hetzen und töten sie Menschen.
Vor dem Terror von „jungen Wilden“ wie Kreshnik B. fliehen die Menschen in Syrien. Und nicht wenige dieser Flüchtlinge sind Jugendliche. Nur haben die das Pech, dass für sie, wenn sie als illegale Flüchtlinge in Deutschland ins nächste Erstaufnahmelager gesteckt werden, kein Jugendrecht gilt. Für jugendliche Flüchtlinge ab 18 Jahren gilt das Asylrecht für Erwachsene: Sie bekommen keinen gesetzlichen Vormund, müssen ihren Asylantrag alleine stellen und sich ohne Hilfe durch den Paragraphendschungel des Asylrechts schlagen. Bis die SPD 2013 im Koalitionsvertrag durchsetzte, dass die asylrechtliche Handlungsfähigkeit auf 18 Jahre angehoben wird, lag die Altersgrenze sogar noch bei 16 Jahren.
In Frankfurt wurde auf menschenverachtende Weise mit zweierlei Maß gemessen. Ein 18-jähriger Flüchtling wird nach dem Asylrecht für Erwachsene behandelt, ein 20jähriger IS-Terrorist wird nach Jugendstrafrecht verurteilt. Jugendstrafrecht für die Täter, Erwachsenenasylrecht für die Opfer. Willkommen in Deutschland.“
Claudia Wittmann aus Rauschenberg:
„Ich war entsetzt, als ich den Artikel las. Eine ganze Seite, mit solch einer Überschrift, das hatte ich nicht von der Frankfurter Rundschau erwartet.Sehr geehrter Herr Behr, Herzlichen Glückwunsch zu dieser Leistung. Ihr Artikel ist so etwas von unwürdig, so voller Verachtung gegenüber einem Menschen, den sie auf einer ganzen Seite einfach arrogant fertigmachen. Sie schreiben, „warum macht Kreshnik B. uns Angst?“ Was heißt hier „uns“? Sie scheinen doch Angst zu haben. Ich habe keine Angst vor einem Menschen wie ihn, eher Mitleid. Können Sie sich vorstellen, was solch ein Artikel alles auslösen kann? Wie würden Sie sich fühlen, wenn Sie solch einen vernichtenden Artikel über sich lesen müßten? „Er macht keinen besonders bedrohlichen Eindruck“, „im Gefängnis verhärmt der 20jährige zumindest nicht“, „im Laufe der Verhandlungstage sind Bauch und Bart ins Beachtenswerte gewachsen“, „der Körper hat mittlerweile Dimensionen angenommen, die die Toleranz des Emirs deutlich überschreiten dürfen“, „die Wurstigkeit des Bösen“, „weder besonders helle noch außergewöhnlich dämlich“, bezüglich der Familie wird geschrieben, daß sie durchaus den Eindruck vermittelt hätten, als „hätten sie noch sämtliche Tassen im Schrank“……..usw., usw. Haben Sie denn gar keinen Respekt vor Menschen? Egal, ob Mörder, Dieb, oder Terrorist, kein Mensch kommt böse, oder wurstig auf die Welt, sondern wird erst zu dem, was er heute ist, durch Erlebtes an positiven oder negativen Dingen im Laufe seines Lebens. Dalai Lama sagte, das wir alle nach Glück streben und Leiden meiden. Da sollte doch eigentlich eher die Frage entstehen, warum Kreshnik B. noch mehr Leiden suchte. Oder wollte er damit seinem Leiden entfliehen? Sicher kann man nicht von Glück sprechen, wenn ihn die Schwester mit „Pimpf, der nicht mal mit dem Arsch wackeln kann“, bezeichnet und dieses Urteil dann auch noch in der Zeitung zu lesen ist. Was wirft man diesem Menschen eigentlich vor? Daß er nicht fähig war, sein Leben hier in Deutschland „ordentlich“ zu organisieren, daß er für die Todesstrafe ist, daß er aus seinem eventuellen Wertlosigkeitsgefühl ausbrach, um Märtyrer zu werden????? Ich denke, daß eine ganze Menge Menschen dann eigentlich verurteilt werden müßten. Und vor allem müßte der Artikel eigentlich über die Rüstungsindustrie geschrieben werden. Hier wird ein junger Mann verurteilt, der, so scheint es mir, auszog, das Fürchten zu lernen, doch diejenigen, die Tötungs-Maschinen in die ganze Welt verkaufen, diejenigen, die Geld mit Kriegen verdienen, diejenigen, die sich nicht in Kriegsgebiete begeben, sondern schön aus der Ferne das Gemetzel sich ansehen, denjenigen wird nicht der Prozess gemacht, vor ihnen haben wir keine Angst (???). Sind sie nicht vielmehr die „Wurstigkeit des Bösen“? Aber auch wenn sie vor Gericht gestellt würden, würden sie freikommen, mit Geld, mit viel Geld, und einer guten Beziehung zu bestimmten Politikern, und bald würde wieder die Produktion laufen. Vielleicht nicht mehr als Rüstungsindustrie , sondern als Verteidigungsindustrie…….…Herr Behr, ich wiederhole nochmals, ich finde Ihren Artikel unwürdig, unsensibel, mit einem Skandalblattstil, und absolut unangebracht. Ja, ich muß sagen, es macht mir Angst, daß Kreshnik B. für ein paar Jahre ins Gefängnis soll, denn wegsperren ist noch nie eine Lösung gewesen, und für ihn wird es keine Hilfe sein, um sein Selbstbewußtsein zu stärken, um seinen Panzer abzulegen, die Quellen seines Leidens zu erkennen, und um Liebe zu empfangen, die er wohl in der Anerkennung als Märtyrer sucht.“
„sind in einem Land , in dem es im Hinblick auf junge Menschen vor allem darum geht ,wie sie als Arbeitskräfte für die Wirtschaft nutzbar gemacht werden können,schlicht uninteressant “
Dem gibt es nichts mehr hinzuzufügen.