Ich eröffne hier einen Thread für all jene, die juristische und theologische Argumente zur Beschneidungsthematik austauschen möchten. Der erste Thread zum Thema, der angestoßen wurde von der Rezension der Ausstellung „Haut ab! Haltungen zur rituellen Knabenbeschneidung“, soll für die Schilderungen persönlich Betroffener reserviert sein. Beschnittene, die von ihren persönlichen Erfahrungen mit Beschneidung erzählen wollen, können das dort tun.
Rund um das Thema Beschneidung
234 Kommentare zu “Rund um das Thema Beschneidung”
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Nur zur Ergänzung gibt es einen interessanten Text von Dr. Dr. Joachim Kahl, der zwar 14 Jahre alt ist, aber aktueller denn je erscheint. Er handelt zwar primär von Religionsunterricht, doch versucht er dem Aspekt des Kindes in seiner gesellschaftspolitischen Gesamtheit gerecht zu werden. Und dabei spielt das Thema Beschneidung in der zweiten Hälfte eine Rolle als Bestandteil des Umgangs mit Kindern.
Dieser Text illustriert sehr schön meine Position zu dem Thema, wenn ich davor warne, es „nur“ auf Erfahrungsberichte zu reduzieren, die zwangsläufig immer den Charakter zu Zufälligkeit in sich tragen. Zumindest sind diese Einzelschicksale in der Diskussion bisher stets von Beschneidungsbefürworten beiseitegeschoben worden.
Dr. Dr. Kahls Text zeigt die Zusammenhänge, dass es unabhängig der faktischen Schädlichkeit von Zwangsbeschneidung gute rechtsstaatliche Gründe für deren Verbot gibt. Ich weiß, dass es in diesem Blog nicht erwünscht ist, diese Aspekte zu berücksichtigen, doch ich halte sie langfristig für zielführender.
Hier der Link:
youtube.com/watch?v=MGByVczQQtw
Ansonsten finde ich die letzten Beiträge natürlich interessant und wenn sie einer breiteren Öffentlichkeit zugeführt werden, können sie auch meinungs(um)bildend wirken. Positionen, wie die von Dr. Dr. Kahl oder meiner Wenigkeit, könnten aber flankierend wirken.
Nur mal so zum Nachdenken.
Der Beschneidungskritik scheint es an Adressaten abhanden gekommen zu sein. Insbesondere, nachdem der Bundestag in der Angelegenheit sein endgültiges Votum abgegeben hat. Nun reagiert man sich also an jedem ab, der auch nur einen Zwischenton in der Angelegenheit einzuspeisen versucht. Natürlich kann man kritisieren, räsonieren, bewerfen, schmähen oder verfluchen, wenn ich die crescendo-Vokabeln denn in richtiger Reihenfolge bringe. Daß der Bundestag geschmäht wird, ist noch vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt (sofern es tatsächlich davon gedeckt ist !). In Ordnung ist es jedenfalls nicht. Man darf keine andere Meinung haben als die, die die Beschneidungskritik vorbringt. Nicht um einen Deut davon abweichen. Das ist ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Religion läßt grüßen. Und die gezogenen Register reichen von Schalmei bis schärfster Dissonanz.
Leider richten sich alle schönen Empfehlungen an Eltern bzw. Ehepaare, die durchweg selbst betroffen sind von der prophylaktischen Beschneidung, und die daher in der Lage sind, sich ihren eigenen Vers daraus zu machen. Und zwar in absolut jeder Hinsicht. Sie sind die eigentlich Kompetenten, die Spezialisten in eigener Sache, die über Wohl und Wehe der Beschneidung urteilen können. Sie allein haben deshalb zu entscheiden, was im Lichte persönlicher und ehelicher Erfahrungen, kultureller Bindungen und ethnischer-religiöser Identitätsbildung für ihre Kinder gut, richtig und verantwortbar ist. Sie und ihre ebenso beschnittenen oder unbeschnittenen Ärzte allein haben die Fragen abzuwägen, die aus den Umständen geglückter wie mißglückter Beschneidungen abzuleiten sind.
Die Beschneidungskritik hat als Alleinstellungsmerkmal demgegenüber nur eines anzubieten, nämlich in ihrer Subjektivität und Anmaßung durch nichts und niemanden übertroffen zu sein.
Wenn Subjektivität gegen Subjektivität steht, muß das Elternrecht den Ausschlag geben. Die Eltern allein befinden demzufolge auch in der Beschneidungsfrage darüber, wie das Kindeswohl zu definieren ist. Der Bundestag konnte nicht anders entscheiden. Traditionen wandeln sich, aber es braucht dafür Zeit. Und vor allem, Veränderungen können nicht von außen verordnet werden. Mit der Brechstange war es nicht zu schaffen, und die Beschneidungskritik nagt nun schwer an einer „Niederlage“, obwohl sie klar vorprogrammiert war. Sie hat in ihrer Maßlosigkeit in Auftreten und Anspruch zwar den schrillen Ton der Debatte bestimmt, aber am vorbestimmten negativen Ausgang nie etwas ändern können.
Kommen wir zum Forum selbst, das eine Neudebatte startet über den Umweg einer Ausstellungsrezension. Das Forum ist in seinem Selbstfindungsbemühen mit Vorgabe von thematischen Leitlinien nur dann merkwürdig, wenn man nicht analysiert, was wirklich vorgeht. Es sind nicht die inquisitorischen Fragen, nicht das ständige Belauertwerden, nicht die Wortklaubereien, Sinnverdrehungen, nicht die unversehenen Attacken und fortgesetzten Unterstellungen, nein, es ist auch das gezielte Errichten von Diskursschranken, welche der Debatte Fesseln anlegen sollen.
Pssst, nicht so laut, nicht gegen Religion, um Gottes Willen nicht. Nur nichts gegen Religion sagen, das hilft uns nicht. Dabei hat es ein Bericht über eine Ausstellung ins Forum gebracht, der die Verknüpfung von Beschneidungsfrage und judaischer Religion ja nun unauflöslich enthält.
Wie schrieb doch Fridtjof (Beitrag 26) in seiner Rüge an B. Kammermeier so offen, Zitat: “…Hören sie doch endlich auf, ihre antireligiösen Kampfparolen abzuspulen! Es gibt doch bestimmt andere Foren wo sie ihren “monotheistischen” Religionshass ventilieren können, wo das nicht off-topic ist. Offenbar ist es ihnen völlig egal, dass sie damit dem Widerstand gegen kindliche Genitalverstümmelung nur schaden…” Zitat, Ende.
Bitte versteckter, nicht so offensichtlich. Hier lebt offenkundig eine Kampagne wieder auf, die sich nunmehr einer anderen Stoßrichtung bedienen will. Mehr Medizin, persönlicher Bericht, viel Schmerz, Betroffenheit, beredte Klage, persönliches Leid etc. (die im Zitat möglicherweise erfolgte Gleichsetzung von männlicher mit weiblicher Beschneidung war doch hoffentlich nicht so gemeint !). Angesichts der Tatsache, daß das rein medizinische Pro durch Religion, Kultur und ethnologische Umstände derart massiv abgesichert ist, kann man hier nur von purer Verzweiflung sprechen, wenn Religion zum Schein aus der Debatte ausgeklammert werden soll. Das hat mit mir auch der Herr Kammermeier festgestellt, den ich insofern als die ehrliche Haut unter den Beschneidungsgegnern des Forums bezeichnen möchte. Nein, so ehrlich ist das alles nicht, was hier „gesagt und untersagt“ wird. An einem sexologischen und sexualtherapeutischen Forum hätte ich übrigens gar nicht erst teilgenommen,
Der rational denkende Zeitgenosse weiß, daß Religion niemals abzuschaffen ist (in einem weiteren Sinne ist sowieso alles Religion !). Er weiß ebenso, daß die medizinischen Fragen der prophylaktischen und therapeutischen Beschneidung von solchen Medizinern zu beurteilen sind, die auf diesem Sektor nicht nur sporadisch tätig sind (der mehrfach erwähnte Urologe Stehr ist dann nur einer unter vielen Tausenden weltweit). Dazu gehört selbstverständlich auch, die Folgen der Beschneidung für die Betroffenen zu erfassen, medizinisch und sexologisch, statistisch zu verwerten, Verfahren zu prüfen und bei Problemen für Abhilfe zu sorgen (Abhilfe als Verbesserung, nicht als Über-Bord-Werfen gesehen). Der rational denkende Zeitgenosse ist nüchtern genug, sich das Pro und Contra der medizinisch-prophylaktischen Beschneidung in einer Synopse geordnet zu wünschen und DIESE !!! dann sprechen zu lassen, wenn Eltern vor der Frage der Beschneidung ihres männlichen Kindes stehen. Als Handreichung, in Respekt vor ihrer Verantwortung für das Kind, und gänzlich OHNE !!! diese schrille Begleitmusik von Leuten, die ihr persönliches Gutdünken oder Schicksal zum Maßstab gleich der ganzen Welt erklären.
Mir macht die Lobbyarbeit die die USA betreibt und nach Deutschland langsam rüber schwappt große Sorge. Die Propaganda die hier betrieben wird und teilweise untermauert wird von Versuchs und Studien, sind für mich mehr als Fragwürdig. Nehmen wir zum Beispiel Harnwegentzündungen bei Säuglingen. Beschneidung soll das ja nun minimieren. Als mein Sohn vor knapp 19 Jahren geboren wurde, lautete die Anordnung der Hebamme: Vorhaut in Ruhe lassen, einfach von außen reinigen. Mädchen bekämen viel häufiger eine Harnwegentzündung als Jungen, da die Harnröhre beim Mädchen kürzer ist und so Bakterien schneller und Leichter dort hin gelangen könnten wo sie nicht hingehören. Nun wurde mein Sohn nicht gesund geboren, er litt unter einem seltenen spontanen, also nicht vererbten, Gendefekt. Dieser bewirkte das sein Immunsystem nicht richtig funktionierte, er hatte während seines kurzen Lebens (7 Monate) alle Möglichen Infekte, eine Harnwegs oder Blasenentzündung war allerdings nicht darunter. Hier vorsorglich die Vorhaut abzuschneiden, warum? Meine gesunde Tochter hatte später eine Harnwegs und Blasenentzündung die wurde erfolgreich mit einer kurzen Antibiotika Gabe behandelt.
Das Peniskarzinom soll auch seltener werden. Ok, wenn die Vorhaut ab ist kann sie nicht befallen werden. Das ist sicherlich richtig, doch sieht man sich diesen Krebs genauer an, dann stellt man fest, das er ältere Männer betrifft und fast nie Kinder. Soll man jetzt vorsorglich tatsächlich seinem Sohn zumuten auf die Vorhaut zu verzichten? Kann er das nicht später selber entscheiden? Hat er nicht viel Zeit?
HIV – liegt auch erst im geschlechtsreifen Alter. Da bin ich mir auch nicht sicher ob das wirklich greifen kann. Sind die Studien wirklich Wasserfest? Soviel ich mitbekommen habe sind sie das nicht und stehen eher auf wackeligen Füßen. Ich habe von Abgebrochenen Studien gelesen, die dennoch als Argument dafür genommen werden. Doch selbst wenn diese Studien richtig sein sollten und eine Beschneidung das Risiko von AIDS 60% senken könnte – was macht das schon? Der Mann sollte immer noch ein Kondom benutzen, denn nur ein Kondom schützt wirklich ausreichend. Wenn er aber ein Kondom benutzen muss obwohl er beschnitten ist, wozu dann beschneiden? Hinzu kommen meine Erfahrungen, das nach langer Zeit ohne Vorhaut, die Eichel dermaßen keratinisiert sein kann, das ein Kondom nicht mehr nutzbar ist. Wenn also manche Männer durch ihre Beschneidung nichts mehr fühlen wenn sie ein Kondom benutzen, werden sie doch leichter darauf verzichten. Diese Studien sagen nichts aus und sind zu kurz angelegt worden. Welcher Mann gibt schon gerne zu, das es nicht mehr so funktioniert wie es sollte. Man muss sich bei diesen Studien also auf die Ehrlichkeit verlassen. Ich halte das für gefährlich. Da kann man sich auch schon mal die Frage stellen, warum gerade in den USA und Afrika die HIV Rate am höchsten ist, wo doch so eifrig beschnitten wird.
Als Erklärung, warum so dafür geworben wird, ist für mich der finanzielle Hintergrund. Aus Vorhäuten werden Stammzellen gewonnen. Die bringen viel Geld. Abnehmer hierfür findet sich in der Kosmethikindustrie. Hier mal was man dafür so ausgeben kann: https://catalog.coriell.org/0/Sections/Search/NHFK.aspx?Ref=NHFK&PgId=202
Wir haben also einmal die OP an sich und die Verwertung von den Vorhäuten die Geld bringen.
Mich überzeugt der medizinische Nutzen nicht, aber wenn jemand auf ein anderes Ergebnis kommt, so muss nicht gleich möglichst früh operiert werden. Es hat auf jeden Fall genug Zeit, das der Mann es selber entscheiden kann. Darauf kommt es mir an. Die Vorhaut ist nichts krankmachendes unnatürliches, sie ist kein Geburtsdefekt, der behoben werden muss. Die Vorhaut hält die Eichel feucht und sensibel. Das ist gut so, nicht schlecht. Wenn ich jetzt ganz böse wäre, dann könnte ich noch anführen, das in unserer Familie Brustkrebs vorkommt, soll ich meinen Töchtern die Brustknospen entfernen lassen. Man muss ja heute nicht mehr stillen, gibt ja Fertig Nahrung. Jeder wird dagegen halten, das das doch erst in vorgerückten Alter akut werden wird und es dann ihre Entscheidung sein sollte. Das ist auch richtig so. Genau das wünsche ich mir auch für Jungen. Ihr Körper, ihre Entscheidung.
Ich bin gar nicht gegen Beschneidung, das müssen Erwachsene selbst entscheiden. Ich bin gegen Beschneidung von Kindern, egal ob männlich oder weiblich. Ich wünsche mir von den Ärzten, das die Vorhaut als das gesehen wird was sie ist und das sie sich nicht einspannen lassen in diese fiese Propaganda. Ebenso wünsche ich mir, das Presse und Politik nicht nur sehen was einige zu suggerieren versuchen, sondern auch, wie jetzt hier, die Gegenargumente gehört werden. Vielen Dank dafür.
„ihr persönliches Gutdünken oder Schicksal zum Maßstab (…) erklären“ tun diejenigen, die ihren Kindern Teile derer Genitalien abschneiden lassen, und nicht die davon Betroffenen oder Nichtbetroffenen, die sich dafür einsetzen, dass jeder Mensch unabhängig von Geschlecht und Herkunft mit dem Körper ins Erwachsenenalter treten darf, mit dem er geboren wird.
Um nichts anderes geht es.
Diesem simplem Grundrecht irgendetwas „Schrilles“ oder gar Extremes anzudichten wirkt schlicht hilflos.
Zu der Wirksamkeit von intergenerationellen Gewaltkreisläufen hat Dana Kühnau einen sehr interessanten Artikel auf dem Böll-Blog veröffentlicht, auf den ich höflichst hinweisen möchte:
http://streit-wert.boellblog.org/2013/05/23/gewaltspiralen-und-die-gleichbehandlung-der-geschlechter/
Zu Beitrag 2 V. Grebe am 5. Dezember 2014 um 12:18:
„Leider richten sich alle schönen Empfehlungen an Eltern […] Sie allein haben deshalb zu entscheiden, was […] für ihre Kinder gut, richtig und verantwortbar ist.“
Diese Selbstreferenz der Eltern widerspricht Art. 6 Abs. 2 GG „(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.“ http://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_6.html
Die staatliche Gemeinschaft, das Wächteramt des Staates, also abschließend die säkulare Rechtsordnung und nicht die Eltern und die Ärzte allein haben über die rechtlich zulässigen Handlungen zu entscheiden.
Wenn Sie das Freiheitsrecht der elterlichen Sorge in die Selbstreferenz übergeben, müssen Sie dies auch bei den allgemeinen Freiheitsrechten nach Art. 2 Abs. 1 zulassen und deren Beschränkung in Halbsatz 2 aufgeben. (… soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.) http://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_2.html
Wie selbst Sie sofort feststellen dürften, hat damit jeder Faschist sofort das Recht, jeden Juden auf offener Straße zu ermorden.
Ihre Beiträge sind der herausragende Beweis für die absolute Notwendigkeit, unsere Verfassung und die Würde des Menschen tatsächlich gegen jede Richtung abzusichern.
V. Schiering Beitrag 4.
Mein Beitrag ging darum, warum bei der Wahl zwischen verschiedenen Maßstäben letztlich nur derjenige der Eltern eines männlichen Kindes gelten kann. Jedes Elternpaar legt (selbstverständlich innerhalb rechtlich zulässiger Grenzen, Herr Wasmund – Beitrag 5) seinen persönlichen Maßstab für das jeweils eigene Kind an. Nicht Ihr persönlicher Maßstab, Herr Schiering, gilt hingegen für Abermillionen Kinder anderer Eltern !
Ich bitte Sie doch, meinen Beitrag genauer zu lesen und, um Mißverständnisse zu vermeiden, am besten immer in Gänze zu zitieren.
St. Wasmund Beitrag 5.
Sie sind jedenfalls nicht der staatliche Wächter, und wer darüber bestimmt, wie das staatliche Wächteramt beschaffen sein soll, nach welchen „Maßstäben“ es urteilen soll, so sind Sie auch nur mit einer Wahlstimme dabei, falls Sie nicht noch eine Anti-Beschneidungspartei mit bundespolitischem Ehrgeiz gründen wollen. Seien sie aber gewarnt – es gibt einen Wächter namens Verfassungsgericht. An dem kommen Sie nicht so leicht vorbei !
@ V.Grebe, #2
Verehrter Herr Grebe,
das, was Sie hier gleich zu Beginn des neuen Threads an Verallgemeinerungen, Unterstellungen, Polemik und Selbstgerechtigkeit in der Pose des Anklägers bieten, ist auch bei viel Duldsamkeit kaum mehr zu ertragen.
Mit Verlaub: Ihre Selbststilisierung als Verkörperung „rationaler“ Objektivität entgegen einer „Beschneidungskritik“, „in ihrer Subjektivität und Anmaßung durch nichts und niemanden übertroffen“, angeblich nicht duldend, von vorgegebenen Positionen auch nur „einen Deut“ abzuweichen, die nichts anderes will als anderen – und zuvörderst Ihnen – den Mund zu verbieten, erscheint mir nur noch lächerlich.
Entlarvend, wie Sie im Nachbarthread „Traurige Allianzen“ zunächst Teilnahme an persönlichen Schicksalen heucheln („“Was immer Sie an Beschwerden haben, Herr Steffen, bedaure ich dies natürlich sehr, #33), sich dann aber der Auseinandersetzung damit entziehen (die Aufforderung von Herrn Steffen an Sie, „doch bitte konkret auf die Pros und Contras“ der Diskussionsteilnehmer einzugehen, #65, ist immer noch unbeantwortet), um schließlich hier den Betroffenen „Kompetenz“ in eigener Sache abzusprechen, ihre „ehrliche“ Absicht anzuzweifeln und als „schrille Begleitmusik von Leuten, die ihr persönliches Gutdünken oder Schicksal zum Maßstab gleich der ganzen Welt erklären“ zu diffamieren (#2).
Nur noch grotesk Ihre Unterstellung an Bronski, auf dem „Umweg“ über „viel Schmerz, Betroffenheit, beredte Klage, persönliches Leid etc.“ „offenkundig eine Kampagne“ zu starten, „die sich nunmehr einer anderen Stoßrichtung bedienen will“ (ebd.).
Nicht anders, die Aufforderung von Herrn Fridtjov an einen Mitblogger, von „antireligiösen Kampfparolen“ abzusehen (#26) für den eigenen Rundumschlag zu missbrauchen, dessen Entlarvung Ihrer eigenen Widersprüche in #41 aber wohlweislich zu übergehen und natürlich unbeantwortet zu lassen.
Was mich betrifft, habe ich ja meine eigenen Erfahrungen mit einem „Dialog“ mit Ihnen gemacht („Drachentöter“ Biermann lässt grüßen!). Ich werde es mir also nicht antun, mich noch einmal auf eine solche „Diskussions“ebene einzulassen.
@ V. Grebe
You made my day!
Zu Beitrag 6 V. Grebe am 5. Dezember 2014 um 15:16:
„…und wer darüber bestimmt, wie das staatliche Wächteramt beschaffen sein soll, nach welchen “Maßstäben” es urteilen soll, so sind Sie auch nur mit einer Wahlstimme dabei… […]es gibt einen Wächter namens Verfassungsgericht.“
Hier sprechen Sie den tatsächlichen Kern der Sache an. Die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland, geschaffen als herausragende Lehre aus dem Holocaust, kann sich eben nicht selbst beschützen, auch das Verfassungsgericht ist letztlich nicht dazu in der Lage. Der einzige Schutz der Verfassung und damit der Schutz der Würde des Menschen besteht in dem realen Mehrheitsverhältnis der Wähler, die diese Werte unterstützen. Nichts und niemand kann die Beseitigung der gesamten Rechtsordnung verhindern, wenn sich diese Mehrheitsverhältnisse ändern. Mit § 1631d BGB wird „eine identifizierbare Gruppe oder Gemeinschaft verfolgt, indem er ihr aus politischen, rassischen, nationalen, ethnischen, kulturellen oder religiösen Gründen, aus Gründen des Geschlechts oder aus anderen nach den allgemeinen Regeln des Völkerrechts als unzulässig anerkannten Gründen grundlegende Menschenrechte entzieht oder diese wesentlich einschränkt,“. (§ 7 VStGB Verbrechen gegen die Menschlichkeit Abs. 1 Nr. 10 http://www.gesetze-im-internet.de/vstgb/__7.html )
Was heute bereits am Recht auf körperliche Unversehrtheit umgesetzt ist, kann sich morgen schon auf die Ewigkeitsklausel nach Art. 79 Abs. 3 GG allgemein erstrecken. Es müssen sich nur genügend Menschen finden, die das so wollen. http://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_79.html
Für die – man muss ja schon sagen allgemeingültige – Wiedergabe der Haltung von Beschneidungsbefürwortern, kann man Ihnen eigentlich nur dankbar sein. Eröffnen Sie doch einen unübertroffen plastischen Eindruck davon, wohin die Reise mit Ihnen gehen könnte.
Juristische Argumente habe ich nicht, vielleicht theologische, und persönlich betroffen bin ich direkt nicht, höchstens indirekt durch eine Debatte, die derzeit wohl „die Wichtigste“ ist, die bei uns geführt werden sollte.
Also… Wer sich verstümmeln oder anderweitig kennzeichnen lassen möchte, sollte in ein Piercing- oder Tattoo-Studio gehen, oder zur Domino, weil es so schön ist, wenn der Schmerz nachläßt. Was er als Erwachsener tut oder läßt, ist seine Sache. Aber Eltern oder Andere, die, aus Tradition, damit verbundener Religion oder anderen Gründen bestimmen, daß ihre Kinder verunstaltet und körperlich geschädigt werden, gehören angeklagt, und nicht, weil sie irgendwelchen abstrusen religiösen Wahnvorstellung folgen wollen, oder zu müssen glauben, freigesprochen oder sogar noch belobigt. Soll sich der Vater, so noch nicht geschehen, ein Stück seines Penis abschneiden lassen oder die Mutter ein Stück ihrer Klitoris. Wenn sie glauben, damit irgend einem Gott auf Wolke 7 oder hinter Sirius gefällig zu sein, bitte schön. Aber die Kinder sollten sie gefälligst in Ruhe lassen. Jesus war beschnitten, als Jude, hat aber diese Beschneidung, soweit ich damals aufgepaßt habe, nie von anderen verlangt. Und genau das verstehe ich unter, von mir aus, christlicher Nächstenliebe: Den anderen entscheiden lassen, wie er seinen Glauben ausübt und was er dafür opfern will, und wenn dies seine Vorhaut sein sollte, sei’s drum.
Und rein physiologisch: Soweit ich bich damit beschäftigt habe und Kontakt mit Beschnittenen hatte, konnte mir keiner bestätigen, daß ihm das Poppen nach der Beschneidung mehr Freude gemacht hat. Und eine Religion ohne Freude taugt nix, oder?
@V. Grebe:
Sie versuchen auf der „rationalen“ Ebene zu argumentieren. Das ist insoweit richtig, als dass man Körperverletzung an Dritten nicht mit „Religionsfreiheit“ rechtfertigen kann.
Ansonsten müsste man zweifelsohne den „12 Stämmen“ die Züchtigung ihrer Kinder gestatten (was sogar bis vor wenigen Jahren noch legal war).
So weit so gut, aber dann müssen auch rationale Argumente kommen!
Nicht für einen kleinen Pieks bei einer Impfung, der in fast allen Fällen keine bleibenden Spuren am Körper hinterlässt.
Sondern für die Amputation erogenen Gewebes (und zwar eines großen Teils der erogenen Oberfläche!) von den Genitalien eines Kindes.
Solche könnten z.B. sein: eine akute lebensbedrohliche Erkrankung, z.B. wenn das Gewebe von Krebs befallen ist. Oder die akute Gefahr schwerer Gesundheitsschäden, wenn dieser nicht anders abgeholfen werden kann.
Dann wäre es sicher völlig rational, ja unumgänglich zu operieren. Egal, ob Junge oder Mädchen!
Was z.B. sicher kein rationales Argument wäre einen gesunden Körperteil von einem gesunden Kind zu amputieren:
eine sehr, sehr geringe Wahrscheinlichkeit für einen Deutschen, sich im Laufe seines ERWACHSENEN Lebens durch heterosexuellen Verkehr mit HIV zu infizieren, diese Idee ist einfach nur abgedreht.
Wer meint, dass ihn das schützt, der kann das später SELBST veranlassen. Wenn er dann feststellt, dass „es“ ihm mit Kondom anschließend nicht mehr so gefällt – dumm gelaufen! Dann hat er evtl. sogar ein erhöhtes HIV-Risiko.
Aber das war dann seine Entscheidung – es betrifft ja auch sein Körperteil, seinen körperlichen BESITZ.
Und noch etwas @V. Grebe:
Es scheint die neue Taktik jener, die sich gegen ein kindliches Recht auf genitale Intaktheit engagieren zu sein, nicht mehr über das, was eigentlich passiert – die Amputation einer erogenen Zone an wehrlosen Kindern – zu diskutieren, sondern – über diejenigen herzuziehen, die sich für ein Recht auf kindliche genitale Autonomie einsetzen, diese mit Unterstellungen zu überziehen, sich über sie lustig zu machen.
Erst wurde mit: „alles Antisemiten!“ diffamiert, das ist jetzt wohl etwas abgenutzt, jetzt heißt es: „die wollen doch nur die Religionen bekämpfen!“
Man nennt so eine Vorgehensweise im allgemeinen auch „ad hominem“.
Und da ist dieser einzelne Diskutant, „Bernd Kammermeier“, dem es erkenntlich auch noch oder überwiegend um etwas anderes geht natürlich ein gefundenes Fressen für sie, der Retter in der Not!
Und aus Kammermeier machen sie dann mal schwupp-di-wupp ganz locker DIE „Beschneidungsgegner“.
Und dafür, dass Kammermeier ihnen so zu Pass kommt bekommt er von ihnen dann auch brav einen Keks:
„..den ich insofern als die ehrliche Haut unter den Beschneidungsgegnern des Forums bezeichnen möchte..“
Wenn sie ihn so nett loben, wird er sie doch sicher weiter „beliefern“, oder?
„Nein, so ehrlich ist das alles nicht, was hier „gesagt und untersagt“ wird. “
Sie unterstellen also den anderen Diskutanten hier ganz unverhohlen Unredlichkeit.
Das ist schon ein starkes Stück, was sie sich da erlauben, Herr Grebe!
Sie können doch bestimmt rechnen, Herr Grebe. Wenn mehr als 2/3 der Menschen in diesem Land religiös sind, und 70% der Bevölkerung den §1631d BGB ablehnen, was sagt ihnen das?
Wie kommt man mit 1/3 (wobei konfessionslose Menschen keineswegs unbedingt a-theistisch sind) auf 70%? Das Kunststück müssen sie mir erklären!
„Der rational denkende Zeitgenosse weiß, daß Religion niemals abzuschaffen ist…“
Da würde ich ihnen sogar mal zu 100% Recht geben, und das ist evtl. ein Problem von Herrn Kammermeier – ABER DAS IST HIER TOTAL OFF-TOPIC!
Es geht darum, Genitalverstümmelung von Kindern zu erschweren und zu bestrafen – wie alle anderen Verbrechen, wie auch sonstige Kindesmisshandlungen lässt sich das nie völlig „abschaffen“.
Da man hier offenbar etwas „befreiter“ schreiben kann – die Trennung der Threads finde ich gut – möchte ich speziell an den unbelehrbaren V. Grebe ein paar Worte richten.
Beschneidung ist aus sehr vielen Gründen abzulehnen. Letztlich gibt es kein einziges stichhaltiges Argument, das dafür spricht, auch wenn Sie es gebetsmühlenartig wiederholen.
1. Die Knabenbeschneidung wurde ca. 600 v. Chr. nicht eingeführt als Prophylaxe gegen was für Geschlechtskrankheiten auch immer. Beweis: Die Juden begannen im Exil Babylons damit, WEIL die zahlenmäßig viel größere Gruppe der Babylonier sich nicht beschnitten hat. Dabei lebten beide Gruppen im gleichen Klima, unter den identischen hygienischen Bedingungen und entstammten genetisch dem gleichen Volk (falls Letzteres überhaupt eine Rolle spielt).
2. Die ursprüngliche Eindringtiefe war so gering, dass mit ein wenig Langziehen sogar die Eichel bedeckt werden konnte. Der prophylaktische Effekte wäre hierbei Null gewesen, da sich das Smegma weiterhin unter der Vorhaut bilden und halten konnte. D.h. Intimhygiene war weiterhin gefordert, es war „nur“ ein Abschneiden des überstehenden Teiles der Vorhaut.
3. Die Eindringtiefe wurde erst später, zunächst in Griechenland, vergrößert, als Juden mit primitiven Formen der Vorhautrestauration begannen. Seit diesem Zeitpunkt wurde die gesamte Vorhaut mit innerem und äußerem Vorhautblatt (= 50% der Penishaut) radikal entfernt, um weiteren „Restaurierungsbemühungen“ einen Riegel vorzuschieben. Auch hier kann ich keinen Hinweis auf medizinische Prophylaxe erkennen, da dezidiert die Unmöglichkeit der Restaurierung erreicht werden sollte. Mit Hygiene hatte dies nichts zu tun. Weiterhin waren die Juden die einzigen, die beschnitten haben. Die Griechen, in vergleichbarem, mediterranem Klima lebend, fanden Beschneidung sogar lächerlich.
4. Die Gründe für die Beschneidung lagen in der Folgezeit der Radikalbeschneidung (die bis heute anhält) in der Verminderung der Lust des Mannes. Da alle abrahamitischen Religionen ihre Probleme mit Sexualität haben (bis heute ein nicht zu lösendes Problem, ohne die „Morallehre“ aufzugeben), wurde die Beschneidung das erkannte Mittel der Wahl. Beweis: Moses Maimondes im „Führer der Unschlüssigen“ (12. Jh.).
5. Nach der Aufklärung haben verschiedene Juden die Schädlichkeit der Beschneidung erkannt und darauf verzichtet, ihre Kinder zu beschneiden, z.B. Sigmund Freud. Doch bereits damals wurde die Beschneidung als Kampfmittel der aggressiven Religionsvertreter benutzt, um ihr Selbstverständnis, die internen Regeln selbst bestimmen zu können, durchzusetzen, bzw. zu demonstrieren. Bereits damals gab es erbitterte Kontroversen zwischen religiösen Kräften und Autoren, die die „Heiligen“ Schriften mit der historisch-kritischen Methode untersuchten (und deswegen erste Zweifel an der Historizität von Mose oder Abraham anmeldeten).
6. Verschiedene Versuche diverser Machtsysteme (Russland, Hitlerdeutschland etc.), die Beschneidung zu verbieten, um jüdisches Leben zu zerstören, führten zu einer Überladung des Ritus als Symbol der jüdischen Identität und Eigenständigkeit – Motive, die wir bereits in der Anfangszeit, in Babylon, wiederfinden. Großer Druck von außen auf die jüdischen Gemeinden führten zu einem gleichwertigen Gegendruck von Seiten der Rabbiner. Dies ist zwar menschlich verständlich, hat jedoch weiterhin verhindert, dass sachlich über das Thema „Beschneidung“ nachgedacht wurde, wie dies ansonsten eine der Stärken des Judentums ist. Siehe z.B. den Talmud.
7. Derart emotional aufgeladen musste das Kölner Urteil eine heftige Gegenreaktion auslösen. Zwar war hierbei ein muslimischer Junge betroffen, doch das lautestes Echo produzierten die jüdischen Verbände, die hier eine Gefahr für ihre Identität sahen. Inzwischen hatte die Vorstellung, die eigenen Jungen unbeschnitten zu lassen, schon Züge einer Phobie angenommen und wurde zu unerträglichen Parolen, wie „Dann ist in Deutschland kein jüdisches Leben mehr möglich!“ (D. Graumann, C. Knobloch u.a.). Moderatere Stimmen, wie die des jüdischen Historikers Dr. Michael Wolffsohn, wurden schlicht überhört. Die Haut musste ab, auf Teufel komm raus! Sachliche Diskussionen wurden dadurch quasi unmöglich.
8. Und nun wurden Studien aus dem Hut gezaubert, unterstützt und flankiert von der amerikanischen Ärzteschaft, die ein monetäres Interesse daran haben, weiterhin ausreichend Babyvorhäute ernten zu können. Plötzlich empfahl auch die WHO, dass Beschneidungen südlich der Sahelzone in Afrika HIV-Infektionen reduzieren könnten. Als ob wir hier unter diesen klimatischen und infrastrukturellen Bedingungen leben würden. Jedes Argument, egal wie abwegig es war, wurde willkommen geheißen, wenn es darum ging, zu begründen, warum kleinen Babys ihre erogene Zone verstümmelt werden darf.
9. U.a. der Jurist Holm Putzke und der Rechtsphilosoph Prof. Merkel haben den juristischen Teil der Strafbarkeit der Beschneidung blitzsauber nachgewiesen. Gleich mehrere Grundgesetzparagraphen und UN-Konventionen werden missachtet.
10. Viele namhafte Mediziner haben die Schädlichkeit der Beschneidung belegt und den zweifelhaften Nutzen infrage gestellt. Daneben sind Fragen der Betäubung Neugeborener ungeklärt. Anästhesisten bestätigen, dass bei einer wirksamen Narkose für Neugeborene erhebliche Gesundheitsrisiken bestehen, weshalb zumindest im Judentum nach wie vor unbetäubt beschnitten wird.
11. Psychologen haben auf die Spätfolgen der Beschneidung (Schmerzgedächtnis, Bindungsängste und andere Traumata) hingewiesen.
12. Es gibt z.B. dänische Studien, die belegen, dass auch die Partnerinnen von Beschnittenen unter deren verstümmelten Penissen leiden.
13. Oder meine schlichte Überlegung: Man tut Kindern nicht unnötig weh!
All das hat nicht dazu geführt, dass die Stimme der Vernunft in die Reihen der hitzigen Religionsverfechter eingekehrt wäre. Anstatt die Chance beim Schopf zu packen, und die historisch längst überflüssige Unterscheidungsmarkierung im alten Babylon zu hinterfragen und letztlich in Form einer der typischen rabbinischen Anweisungen zu ändern (Ersatz: Brit Shalom), wurde ein unerträgliches Drohszenario aufgebauscht, mit dem üblichen Hinweis auf das 3. Reich und die Gräuel der Nazis. Dadurch haben sich rechte Krakeeler aufgerufen gefühlt, hier mit einer ebenso unerträglichen Portion Antisemitismus in ihre Lieblingskerbe zu schlagen (siehe die NPD-Landtagsabgeordneten im Sächsischen Landtag 2012). Die Politik stand hilflos, wusste nicht weiter, wollte auf keinen Fall in die rechte Ecke gedrängt werden.
Religionskritiker spielten anfangs überhaupt keine Rolle in der Debatte, da es um Kinderrechte ging und um einen Ritus, der objektiv betrachtet nicht religionsstiftend sein kann, wie z.B. Dr. Michael Wolffsohn richtig bemerkte. Doch die scharfen, beleidigenden Töne inzwischen auch von Seiten muslimischer Verbände haben natürlich zu einer Gegenbewegung geführt, die nun auch die Religionen angriff, da diese sich (mal wieder) als lernunwillig erwiesen. Viele dieser Debatten kann man sich als Beweis im Internet anschauen. Selbst der Hinweis versierter Islamkenner, dass der Islam die Beschneidung gar nicht vorschreibe, änderte nichts an der verbohrten Haltung der Verbände.
Dadurch wurde aus der Debatte ein „Clash of Cultures“, der gar nicht nötig gewesen wäre, hätte man sich entspannt am runden Tisch getroffen und zugesehen, wie man ohne Gesichtsverlust für die Religionsgemeinschaften – eher sogar mit einem Imagegewinn – von der überlebten Tradition Abschied nehmen könne.
Die Politik – in der Zwickmühle der Toleranz und Geschichte steckend – ist eingeknickt und hat den 1631d beschlossen, der Kinder nun schutzlos der Willkür ihrer Eltern ausliefert.
Wenn ich Religionen heute etwas deutlicher angehe, als noch vor der Beschneidungsdebatte, liegt dies genau an dieser hochnäsigen, unverbesserlichen und komplett beratungsresistenten Haltung der führenden Vertreter der Religionen, inkl. der christlichen. Wenn Religion nichts dazu lernen will, dann muss sie die Konsequenzen tragen und sei es nur, dass mehr und mehr Bürger auf Distanz zu ihr gehen. Schließlich gibt es neben der Beschneidung noch etliche weitere wunde Punkte in ihrem Auftreten…
Ich möchte noch etwas ergänzen: Die ganze historische Debatte geht mir am Allerwertesten vorbei, weil sich sonst etwas erklären und rechtfertigen ließe, was wir – mit heutigem Recht – unter Strafe stellen. Wäre es religiös zu rechtfertigen, wenn Eltern, mit Berufung auf „heilige“ Tempelprostitution, ihre Töchter auf den Strich schicken würden? Es gibt Eltern, die ihre Kinder absichtlich verkrüppeln, um sie dann zum Betteln zu schicken. Fände sich dafür eine religiöse Begründung? Wer sado-masochistisch veranlagt ist, soll das für sich und Andere, wenn deren Einverständnis da ist, ausleben, es aber nicht an seinen Kindern, mit einem angeblichen Verweis auf religiöse Überlieferung, ausüben.
Meine Oma hat mich zum Kirchgang gezwungen, durch Schläge mit einem nassen Waschlappen ins Gesicht, durch Kneifen in die Haut, und hat nie begriffen, daß diese Taten nicht gottgefällig waren. In der Bibel heißt es ja auch nicht: Lasset die Vorhäute zu mir kommen, etc. pp. Wer sein Kind wirklich liebt, der züchtigt und verstümmelt es nicht, mit allen Folgen und Nebenwirkungen dessen späteren Lebens.
Zu Beitrag 1 Bernd Kammermeier am 5. Dezember 2014 um 12:16:
Dort verweisen Sie auf einen Beitrag von Dr. Kahl, der in diesem als auch in einem weiteren, in dem er direkt zur Beschneidung Stellung bezieht, https://www.youtube.com/watch?v=FyqPsj7zkM4 fordert, auch die Taufe zu verbieten. Das Thema wurde schon auf der ursprünglichen Seite angerissen. http://www.frblog.de/traurige-allianzen/
Mir ist Ihre Haltung zum Verbot der Taufe aufgrund der rein ideellen Gemeinsamkeit mit der Beschneidung noch nicht ganz klar.
J. Körting Beiträge 11. und 12.
Ich sehe es im Endeffekt ja wie Sie. In Ausübung meines Rechts auf Selbstbestimmung stehe in der Reihe derjenigen, die eine prophylaktische Beschneidung für sich und eigene Schutzbefohlene ablehnen. Allerdings, und das ist der Streitpunkt hier, sehe ich keine Möglichkeit, Eltern die Entscheidung für eine prophylaktische Beschneidung ihres männlichen Kindes zu entziehen. In Abwägung der Argumente pro und contra sehe ich keine andere Chance.
Für Sie sind alle Argumente, die das Contra unterstützen, die einzig wahren. Alles andere reduzieren Sie in der Bedeutung auf Null. Das ist der Gesamttenor der Anti-Beschneidungsveranstaltung. Und das ist auch ihr Problem.
Es gibt nur eine Wahrheit, und nur wir (die Anti-Beschneidungsfront) halten sie in Händen.
Schon die „Amputation“ ist ja keine wirkliche. Schon die „Genitalverstümmelung“ ist ja keine wirkliche. Und Eltern, die im vorweggenommenen Interesse ihrer Kinder handeln, können nur „Zwang“ ausüben ? Und nichts anderes ? Nicht ihre eigenen Erfahrungen auf die Entscheidung für das Kind anwenden dürfen ?
Wenige Beispiele dafür, daß die Bewegung der Anti-Beschneidungskrieger vor allem an ihrer eigenen Hybris krankt, ihrer notorischen Selbstüberhebung, sich zum Maß der Welt machen zu wollen. Höre ich da eine Art von „Fundamentalismus“ heraus ? Wer sich mit allen und allem anlegt, die Welt regelrecht umkrempeln, nicht weniger als von allen religiös-ethnisch-kulturell und medizinisch unterlegten Motiven gleich befreien will, um zum Endziel der Beschneidungsächtung zu gelangen, der darf sich nicht wundern, wenn ihm in seinem Größenwahn die Luft ausgeht.
Und was St. Wasmund (Beitrag 9.) schreibt, macht mir schon ein wenig Angst, Zitat:
„…Die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland, geschaffen als herausragende Lehre aus dem Holocaust, kann sich eben nicht selbst beschützen, auch das Verfassungsgericht ist letztlich nicht dazu in der Lage…“
und
„…Was heute bereits am Recht auf körperliche Unversehrtheit umgesetzt ist, kann sich morgen schon auf die Ewigkeitsklausel nach Art. 79 Abs. 3 GG allgemein erstrecken. Es müssen sich nur genügend Menschen finden, die das so wollen…“ Zitat Ende.
Es fehlt der Bewegung die Bescheidenheit, um klug zu sein.
Warum wirbt die Bewegung nicht einfach dafür, einige Quadratzentimeter an erotisch sensibler Haut mehr zu belassen ? Die Resektion also sparsamer auszuführen ? Einen Teilerfolg dem totalen Scheitern ihres Anliegens vorzuziehen ?
Es ist natürlich das Alles-oder Nichts-Denken, was in die Quere kommt, nicht wahr ?
Sie schreiben, Herr Körting, Zitat: „…Es scheint die neue Taktik jener, die sich gegen ein kindliches Recht auf genitale Intaktheit engagieren zu sein, nicht mehr über das, was eigentlich passiert – die Amputation einer erogenen Zone an wehrlosen Kindern – zu diskutieren, sondern – über diejenigen herzuziehen, die sich für ein Recht auf kindliche genitale Autonomie einsetzen, diese mit Unterstellungen zu überziehen, sich über sie lustig zu machen…“
Ich bin nicht „jene“, wer immer das sein soll. Ich analysiere nur und komme zu Schlußfolgerungen. Ich höre mir beide Seiten an („audiatur et altera pars“). Wahrscheinlich komme ich deshalb zu anderen Schlußfolgerungen als die Bewegung !!! Allerdings kann ich Art des Auftretens und Diktion der Anti-Bescheidungsbewegung aus der Betrachtung ja wohl kaum auslassen, nicht wahr, Herr Körting ?
Herr B. Kammermeier (Beitrag 13.), hätten Sie wohl die Güte, im Sinne des „audiatur et altera pars“ auch einmal die Argumente der Gegenseite hier einzustellen ? Genauso schön und übersichtlich aufgeschlüsselt ? Damit wir der Synopsis endlich näher kommen, aus der man dann eine Handreichung für die Eltern herausdestillieren könnte ?
@V.Grebe
Zitat V.Grebe
„Warum wirbt die Bewegung nicht einfach dafür, einige Quadratzentimeter an erotisch sensibler Haut mehr zu belassen ? Die Resektion also sparsamer auszuführen ?“
Nur kurz, über Religion und Beschneidung will ich mich eigentlich nicht unterhalten.
Als ich einen Arzt nach meiner Beschneidung um Hilfe bat und ihn fragte, ob eine Beschneidung so radikal wie bei mir gemacht, und innere Vorhaut und Frenulum komplett entfernt werden müsse, sagte er, er sei schon bei jüdischen Beschneidungszeremonien dabeigewesen, und da werde penibelst darauf geachtet, dass das so wie bei mir gemacht werde. Eine Antwort auf meine eigentliche Frage bekam ich nicht.
J. Körting Beitrag 16 „Schon die “Amputation” ist ja keine wirkliche.“
Doch sicher ist es eine Amputation. Als Amputation bezeichnet man das abtrennen eines Körperteils.
http://flexikon.doccheck.com/de/Amputation
Zitat:“1 Definition
Unter einer Amputation versteht man die operative oder traumatische Abtrennung eines Körperteils.“
http://de.wikipedia.org/wiki/Amputation
Die Vorhaut ist ein Teil des Penis, sie wird ganz oder Teilweise entfernt bzw. amputiert.
Zitat J. Körting Beitrag 16: Schon die “Genitalverstümmelung” ist ja keine wirkliche.
Sehe ich anders:
http://de.academic.ru/dic.nsf/dewiki/813162
Verstümmelung (lat. mutilatio) bezeichnet die als nachteilig bewertete, radikale Veränderung der Gestalt durch äußere Einwirkung. Der Begriff kann sowohl für den Vorgang wie auch für das Ergebnis stehen. Verstümmelung kann mit Verlust von Funktion oder wichtiger Bestandteile einhergehen
Der Penis wird radikal verändert und die Funktion eingeschränkt bei manchen Männern mehr bei anderen evl. auch gar nicht. Männern aber einfach abzusprechen sich verstümmelt zu fühlen ist genauso falsch wie zu behaupten alle Männer würden sich verstümmelt fühlen wenn ihnen die Vorhaut abgetrennt wurde. Sieht man sich die Argumente Afrikanischer Frauen an, so fühlen sich auch diese keinesfalls immer verstümmelt, es gibt aber Menschen die sich verstümmelt fühlen und das sollte Anerkennung finden.
Wie man Eltern dazu bekommt damit aufzuhören ist eigentlich gar nicht so schwer. Ärzte sollten aufhören so zu tun, als hätte die Vorhautamputation keinerlei Auswirkungen. Bessere Aufklärung über Funktion auch beim Studium der Medizin währen hilfreich. Auch stünde es den Medien ganz gut, wenn sie selbst etwas mehr Recherche in das Thema setzten würden als immer nur das zu schreiben was gerade „in“ ist. Eine bessere Ausbildung in Alternativen zur Zirkumzision wäre ebenfalls wünschenswert. Denn seit der Paragraph §1631d BGB besteht, ist es so das alle Eltern aus welchen Gründen auch immer ihre Söhne beschneiden lassen können und auch tun. In Elternforen tritt dann zutage das Mama das schöner findet, das Mama was gegen Selbstbefriedigung hat, das Mama der Meinung ist, das der sich sowieso nicht wäscht und viele fiese Gründe mehr. Das sollte nicht sein, ist aber so. Hinzu kommen die vielen Jungen die beschneidungswütigen Ärzten in die Hände fallen. Da wird schon drei Jährigen bei denen die Vorhaut noch mit der Eichel verklebt ist, gesagt die Vorhaut muss ab. Medizinisch hat die Vorhaut aber Zeit bis in die Pubertät sich von der Eichel zu lösen. Das muss besser werden. Wenn Eltern besser aufgeklärt werden und alternativen zur Amputation aufgezeigt werden, dann endet dieser Irrsinn auch irgendwann.
Zu Beitrag 16 V. Grebe am 6. Dezember 2014 um 11:01:
„Warum wirbt die Bewegung nicht einfach dafür, einige Quadratzentimeter an erotisch sensibler Haut mehr zu belassen ? Die Resektion also sparsamer auszuführen ? Einen Teilerfolg dem totalen Scheitern ihres Anliegens vorzuziehen ?“
Natürlich, weil auch diese völlig unnötige Operation mit allen Risiken jeder Operation verbunden ist, und ebenfalls, genau so wie andere Varianten der Genitalverstümmelung, mit absoluter Sicherheit immer wieder zu weitergehenden schwerwiegenden Komplikationen bis hin zum Tod des Kindes führen wird. Aber dies scheint Ihnen offensichtlich unwichtig zu sein.
„Es ist natürlich das Alles-oder Nichts-Denken, was in die Quere kommt, nicht wahr ?“
Auch diese Form der Beschneidung ist eine Amputation (was denn sonst: Am|pu|ta|ti|on, die; -, -en (operative Abtrennung eines Körperteils) Duden), die in den „abwägungsresistenten Intimbereich“ nach Art. 2 Abs. 1 GG mit Art. 1 Abs. 1 GG eingreift und demnach die Menschenwürde verletzt. (Siehe dazu schon hier http://www.frblog.de/traurige-allianzen/#comment-47057 )
Hinzu kommt natürlich noch die Entwürdigung durch die Nichtachtung der Rechtsgleichheit. Jungen dürfen beschnitten werden, Mädchen unter keinen Umständen. „Achtung elementarer Rechtsgleichheit. Zur Garantie der Menschenwürde gehört auch die elementare Rechtsgleichheit. Daher verstoßen Sklaverei, rassischen Diskriminierungen und ähnliche demütigende Ungleichbehandlungen auch gegen Art.1 I“ (Gröpl, Windthorst, von Coeln Art. 1 GG Rn. 34) Damit verstößt die Beschneidung auch gegen § 1631 Abs. 2 BGB. „(2) Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig.“
Hier hat in der Tat ein „Alles-oder Nichts-Denken“ zu gelten. Oder wollen Sie Ihre Menschenwürde ein bisschen antasten lassen und das Maß dazu nach Ihren eigenen Kriterien, welche die Schranken der Vernunft überschreiten, ermitteln lassen? http://www.frblog.de/traurige-allianzen/#comment-47022
Das hatten wir schon mal.
Bela 2012 Beitrag 18.
Stimmt leider nicht. Eine Amputation führt immer zum Totalverlust einer Gliedmaße körperfern von der Schnittstelle. Bei der Beschneidung bleibt immer Vorhautgewebe zurück. Geht gar nicht anders. Schon von daher kann es keine Amputation sein. Die Totalentfernung der Vorhaut setzte voraus, daß der Penis selbst amputiert würde. Lassen Sie sich bitte nicht vom Jargon oder unterliegenden Absichten in die Irre führen.
Die Beschneidung ist auch keine Verstümmelung. Es ändert sich nur – und das geringfügig – die Kontur. Es soll sogar Leute geben, denen dies gefällt, und das nicht wenigen. Beiderlei Geschlechts.
Dürfen Ärzte nicht auch mal anderer Meinung sein als Sie ? Sie kennen noch nicht mal grundlegende Begriffe, wissen aber alles besser ?
@ v. Grebe: natürlich wird die Vorhaut amputiert. Selbst wenn noch ein Ministückchen drangelassen werden sollte (es gibt ohnehin unterschiedliche Beschneidungsstile) handelt es sich um eine Amputation der übrigen Vorhaut. Man kann auch ein Fingerglied amputieren, es muß nicht der ganze Finger sein. Der Begriff ist zutreffend und im Übrigen neutral. „Beschneidung“ ist euphemistisch. Man beschneidet Kirschbäume, aber keine Sexualorgane. „Verstümmelung“ ist unter Betroffenen, die ihren Zustand unkritisch sehen, ein umstrittener Begriff.
Ich führe gerade einen Rechtsstreit, in dem ich einer Mutter gerichtlich untersagen ließ, ihrem Sohn die Vorhaut zu amputieren. Gericht und Jugendamt übernahmen sofort genau diesen Begriff: „Vorhautamputation“.
Das stimmt genau so, wie es ist.
Es ändert sich nicht nur geringfügig etwas? Der Sex ist hart mit beschnittenen Partner und schmerzt. Mit unbeschnittenen Partner gibt es solche Probleme nicht. Es ist auch nicht wichtig ob sie das klasse finden oder ich nicht. Wichtig ist, das es Menschen gibt die darunter leiden und das man solche Eingriffe eben nicht an unmündigen Kindern vornehmen lassen sollte. Wer als Erwachsener darauf steht, kann das ja machen lassen. Ich weiß von Männern, die radikal beschnitten wurden und die so gut wie kein Gefühl mehr haben. Die Stelle an der die Narbe sitzt ist überempfindlich aber im negativen Sinne. Das ist auch nach ihrer Definition eine Amputation, weil der Verlust der Vorhaut in der Tat komplett ist. Ja ich weiß wie der Penis meines Partners aussah, den ich damals hatte. Orgasmen gab es nicht eine Ejakulation war möglich.
Betroffene Männer:
https://www.beschneidungsforum.de/index.php?page=Board&boardID=4
https://www.youtube.com/watch?v=TkDr51___Jc
Es geht nicht um Vorlieben von Erwachsenen. Keiner ist gegen Beschneidung wenn sie von Erwachsenen gewollt ist. Es geht um unnötige Vorhautamputationen von Kindern.
Auswirkungen:
http://www.drmomma.org/2010/05/the-perils-of-plastibell-circumcision.html
http://www.circumstitions.com/death.html
@ #20V. Grebe am 6. Dezember 2014 um 12:50:
„Eine Amputation führt immer zum Totalverlust einer Gliedmaße“
Wenn das richtig lese, sind Sie also Arzt? Dann belegen Sie bitte, wo diese Definition zu finden ist. Und wie ist der „Totalverlust“ definiert, wo fängt er an, wo hört er auf?
Auf der Webseite der Frankenlandklinik steht z. B.:
Amputation: operative Entfernung eines Körperteils
http://www.frankenland-klinik.de/SharedDocs/de/Inhalt/Servicebereich2/Lexikon/Functions/Lexikon.html?nn=137704&cms_lv2=146770&cms_lv3=146714 zB
Hier steht nichts von „Totalverlust“ oä. Und ob total oder nicht, die Betonung des Wortes liegt sowieso auf VERLUST.
„Die Beschneidung ist auch keine Verstümmelung. Es ändert sich nur – und das geringfügig – die Kontur. Es soll sogar Leute geben, denen dies gefällt, und das nicht wenigen. Beiderlei Geschlechts.“
Und hiermit zeigen Sie wieder die „Härte und Unbarmherzigkeit“, die Sie anderen vorwerfen.
Es soll auch Menschen geben, die sich gerne schlagen lassen und sogar dafür bezahlen. Es stellt auch niemand in Frage, dass es Menschen gibt, denen ein beschnittener Penis gefällt und die sich einer Vorhautamputation (teilweise oder vollständig) unterziehen. Aber das entscheiden sie SELBST. Und um darum geht es und um nichts anderes.
Mit der Aussage „Es soll sogar Leute geben, denen dies gefällt, und das nicht wenigen.“ bestätigen Sie im Übrigen, dass andererseits eben Leute gibt, denen es eben NICHT gefällt. Das ist das perfide: es wird immer nur auf die Menschen verwiesen, die keine Probleme haben. Ich hatte mit einem Urologen genau diesen Dialog:
„Die Mehrheit unserer Patienten kann nicht über die Probleme berichten, die Sie haben“
„Aha, und was ist mit der Minderheit?“
„…..Wie gesagt, die Mehrheit…
„Ja trotzdem, was ist mit der Minderheit?“
„Also ich kenne keinen!“
Wenn es eine Mehrheit gibt, gibt es auch eine Minderheit. Und deren Belange und Rechte müssen ebenfalls berücksichtigt werden, eher noch, sie setzen das Maß, denn speziell diese Menschen müssen geschützt werden.
Ebenfalls spannend: „Beiderlei Geschlechts“. Soll das etwa heißen: man lässt seinen Sohn beschneiden, weil es FRAUEN gefällt? Oder meinten Sie, dass Frauen sich ebenfalls gerne beschneiden lassen? Vielleicht können Sie hierauf etwas näher eingehen.
Ich warte im Übrigen immer noch auf die Antworten meiner vielen Fragen aus dem anderen Thread. Stattdessen verstecken Sie sich hinter allgemeinen Aussagen, ohne konkret zu werden.
Zum Abschluss: Warum bitten Sie eigentlich Herrn Kammermeier, „die Argumente der Gegenseite“ darzustellen? Warum machen Sie das nicht?
Beitrag 20 # V. Grebe am 6. Dezember 2014 um 12:50:
„Dürfen Ärzte nicht auch mal anderer Meinung sein als Sie ? Sie kennen noch nicht mal grundlegende Begriffe, wissen aber alles besser ?“
Definition der Amputation
Amputatio, Amputation
Syn.: Ablatio
das krankhaft spontane (z.B. infolge Nekrose, durch Amnionstränge) sowie
das verletzungsbedingte (= „traumatische A.“) oder aber operative Abtrennen
eines endständigen Körper- oder Organabschnittes
(ROCHE-LEXIKON DER MEDIZIN)
Amlpultaltilon f (Eamputation): Syn: Abnahme, Absetzung,
Entfernung; operatives, spontanes oder traumatisches Abtrennen
eines endständigen Körper- oder Organteils
Amputat
(lat. amputa̲re ringsum abschneiden) n: (engl.) amputated limb;
Definition: durch traumat. od. chirurgische Amputation abgetrennter Teil eines Organs od. einer Extremität;
(Pschyrembel)
Amputationsbegriff bei Teilentfernung von Organen (Springer Klinisches Wörterbuch)
Hemiglossektomie f: operative Entfernung/
Amputation einer Zungenhälfte
Karpektomie f: teilweise oder vollständige
Amputation eines Mittelhandknochens
Exphallatio f (Ephallectomy): Syn: Phallektomie, Penektomie,
Penisentfernung, Penisamputation; operative (Teil-)
Entfernung des Penis, z.B. bei Peniskarzinom
Sie liegen noch nicht mal richtig, wenn Sie nur ein Buch aufschlagen müssen.
V. Grebe: „Die Beschneidung ist auch keine Verstümmelung. Es ändert sich nur – und das geringfügig – die Kontur. Es soll sogar Leute geben, denen dies gefällt, und das nicht wenigen. Beiderlei Geschlechts.“
Na jetzt kennen wir jedenfalls Ihre – dahinterliegende – Motivation.
zu V.Grebe, #16
„“Warum wirbt die Bewegung nicht einfach dafür, einige Quadratzentimeter an erotisch sensibler Haut mehr zu belassen ? Die Resektion also sparsamer auszuführen ? Einen Teilerfolg dem totalen Scheitern ihres Anliegens vorzuziehen ?
Es ist natürlich das Alles-oder Nichts-Denken, was in die Quere kommt, nicht wahr ?““
Aus meiner Sicht wäre das das Gleiche, wie für „etwas“ Diskriminierung, „etwas“ Rassentrennung oder „etwas“ Folter zu werben. Oder bei Neonazis dafür zu werben, doch nur einzelne Stockwerke oder Anbauten abzufackeln, statt das ganze Asylbewerberheim. Oder seinem Kind beim Züchtigen nur „ein paar“ Narben und gebrochene Knochen zuzufügen.
Klingt krass? Ja, tut es. Soll es auch. Grund- und Menschenrechte sind nicht teilbar, verhandelbar oder gar nur Empfehlungen. Und bei der körperlicher Unversehrtheit und sexueller Selbstbestimmung geht es um solche Rechte – und nicht anderes.
Hier ist mit „etwas weniger“ nichts gewonnen – diese Idee ist in meinen Augen zynisch und verniedlichend. Die Rechte eines Kindes sind nichts, was „halb gewahrt auch noch ausreicht“.
Mein – ganz bewusst überzogener – Vergleich soll nur begreiflich machen, wie absurd dieser Vorschlag ist, ohne eine der genannten Menschenrechtsverletzungen mit einer anderen gleichsetzen zu wollen. Und das geht nun mal am bildhaftesten, wenn man so eine Argumentation auf Vorgänge umlegt, die wir lange schon geächtet haben, und wo ein „Teilerfolg“ für niemanden mehr hinnehmbar wäre.
🙂 Bela und ich hatten uns über den Begriff „Amputation“ ausgetauscht. Wir kennen uns. Daher haben wir jetzt beide aus Versehen die gleiche Definition gepostet. *smile*
Nein, ich kann beim besten Willen nicht erkennen, warum das nur die Amputation des gesamten Penis erfassen sollte. Dafür gibt es überhaupt keine Grundlage. Ich könnte mir sogar vorstellen, dass der Begriff „Vorhautamputation“ im allgemeinen Sprachgebrauch mehr Anklang finden wird. Ich finde ihn sehr präzise und wissenschaftlich neutral. Wie bereits erwähnt, wird er von externen Stellen schnell angenommen.
@V. Grebe
„Ich sehe es im Endeffekt ja wie Sie“
Sie belieben zu scherzen! Sie sehen das diametral anders.
„Für Sie sind alle Argumente, die das Contra unterstützen, die einzig wahren. Alles andere reduzieren Sie in der Bedeutung auf Null. “
Nein! Aber jedes Individuum kann beizeiten selbst entscheiden, ob es sich aus „prophylaktischen“ Gründen“ etwas amputieren lassen möchte.
Rund 90% der Männer hier haben intakte Genitalien, und so gut wie keiner von denen lässt sich aus prophylaktischen Gründen die Vorhaut amputieren. Die erwachsenen Männer, wo das gemacht wird haben andere Gründe.
Und auch die Eltern, die ihren Kindern ohne medizinische Notwendigkeit einen wichtigen Teil ihres Genitals rauben machen das ja nicht der Prophylaxe wegen, wenn man Umfragen glauben schenken kann. Sie machen es aus „traditionellen“ oder religiösen Gründen.
„Wenige Beispiele dafür, daß die Bewegung der Anti-Beschneidungskrieger vor allem an ihrer eigenen Hybris krankt, ihrer notorischen Selbstüberhebung, sich zum Maß der Welt machen zu wollen..usw… “
Sie können es nicht lassen unsachlich zu werden? Geht bei ihnen mangels Argumenten nur noch „ad hominem“? Schwaches Bild!
„Warum wirbt die Bewegung nicht einfach dafür, einige Quadratzentimeter an erotisch sensibler Haut mehr zu belassen ? Die Resektion also sparsamer auszuführen ?“
Sie haben offenbar von der Anatomie der Vorhaut keine Ahnung, ich vermute stark sie haben ihre schon in der Kindheit „verloren“.
Gerade die Spitze der Vorhaut, das sogenannte „ridged band“ besitzt besonders viele Nervenenden und ist besonders sensibel. Soll man aus der Mitte etwas herausschneiden, und dann wieder zusammennähen oder wie stellen sie sich das vor?
Außerdem haben sie sich jetzt wunderschön verplappert – ihr Kartenhaus „Prophylaxe“ ist gerade zusammengebrochen. 🙂
Diejenigen, die für die Vorhaut-Amputation als HIV-Prophylaxe trommeln betonen immer wieder, dass unbedingt die KOMPLETTE Vorhaut, auch die komplette innere Vorhaut amputiert werden müsste, sonst würde das nichts nützen.
Und sie unterstellen den Forenten hier Unredlichkeit!
„Ich bin nicht “jene”, …“
Doch genau das sind sie, sie plädieren gegen ein Recht des Kindes auf genitale Vollständigkeit. Denn Menschenrechte müssen für alle gleich sein. Das gilt dann nicht nur für ihre Kinder sondern für alle.
„eine prophylaktische Beschneidung“
So etwas gibt es nicht. Jedenfalls nicht bei Kindern. Es gibt keine „prophylaktischen Amputationen“ (eine „Beschneidung“ ist das nicht, denn das, was da zerstört wird wächst nicht mehr nach) bei Kindern. Das ist eine Erfindung von ihnen und ihresgleichen.
Es mag so etwas in seltenen Fällen bei Erwachsenen geben. Wenn z.B. eine Frau ein genetisch bedingt extrem erhöhtes Brustkrebs Risiko hat. Dann kann aber niemand anders entscheiden als jene Frau SELBST!
Niemals würde man erlauben, bei einem Mädchen (oder auch Jungen, auch Männern können Brustkrebs bekommen) wegen einer entsprechenden Veranlagung die Brustdrüsen zu entfernen. Auch nicht bei Jungen, die ja Brüste nicht unbedingt zum Stillen brauchen.
Man würde logischerweise sagen – „das können die später selbst entscheiden!“
Eine „prophylaktische Amputation“ von gesunden Körperteilen von gesunden Kindern ist eine schlechter Witz, eine Perversion des Denkens.
Denn die seltenen Krankheiten, denen angeblich (man kann da sehr wohl Zweifel haben, das wurde ja schon beschrieben) vorgebeugt würde treten allesamt nicht in der Kindheit auf.
Das könnte der Betroffene also selbst entscheiden.
Eine Ausnahme bilden Harnwegsinfektionen innerhalb des ersten Lebensjahres. Das betrifft aber nur ca. 1% der Jungen. Da wäre es völlig daneben, deswegen 99% kerngesunde Jungen zu verstümmeln. Und selbst bei dem 1% Betroffenen gibt sich i.d.R. keine Notwendigkeit, weil diese Infektionen praktisch immer medikamentös beherrscht werden können.
Also nochmal für sie, zum merken:
1. Eine medizinisch nicht notwendige Amputation von gesundem, nervendurchzogenem Gewebe von den Genitalien eines gesunden Kindes IST IMMER EINE VERSTÜMMELUNG.
2. Die Genitalien eines Kindes sind seine Intimsphäre, eine psychologisch höchst bedeutsame und sensible Zone.
Ein Hochsicherheitsgebiet. Erwachsene haben sich nicht daran zu schaffen zu machen, es sei denn zum Zwecke des Waschens, oder im Krankheitsfall.
3. Die Genitalien eines Kindes gehören nicht den Eltern, sondern dem Kind.
Es hat ein Recht auf seine kompletten Genitalien, auf seine komplette sexuelle Sensorik
4. Es gibt keine „prophylaktischen Amputationen“ von gesunden Körperteilen bei Kindern
werte Kontrahentin(en) von Beitrag 21. – 27.
Wissen Sie, i c h muß Sie nicht überzeugen, aber Sie m ü s s e n ! S i e haben sich den Zwang selber auferlegt, andere überzeugen zu m ü s s e n, und deshalb werden sie auch immer auf den Bauch fallen. I m m e r ! Sie haben sich auf eine Kampfvokabel versteift, eine ganzes Kampfvokabular, und da macht man sich die Definitionen passend. Wenn Ahnungslosigkeit sich mit Sendung paart, ja da ist Holland in Not. Danke für das Bombardement und die schein-munitionierten Belehrungen. Sie sind im Hamsterrad von Belehren ohne Bekehren gefangen, und Sie kommen einfach nicht von der Stelle.
Wie schrieb ich doch in meinem Beitrag 16 ?
Es fehlt der Bewegung die Bescheidenheit, um klug zu sein.
Es fehlt der Bewegung aber auch die Klugheit, um bescheiden zu sein !!!
Warum ich Herrn Kammermeier aufgefordert habe, auch einmal die Argumente der Pro-Seite hier einzustellen ? Weil er und andere dann lernen könnten, sich mit Gegenargumenten auseinanderzusetzen ! Learning by doing, sozusagen.
Mit Verlaub, Herr Grebe, ihr Auftritt hier hat etwas von „Nebelwerfer auf Hochtouren“
Steffen H. schrieb weiter oben:
„Ich warte im Übrigen immer noch auf die Antworten meiner vielen Fragen aus dem anderen Thread. Stattdessen verstecken Sie sich hinter allgemeinen Aussagen, ohne konkret zu werden. “
Ich muss jetzt doch mal deutlich werden: Herr Grebe – sie kneifen!
Und das ist nicht nur unhöflich, das ist auch hinderlich für die Diskussion hier.
Z.B. wurden sie bereits im anderen Thread gefragt, (von „Steffen H.“ und „Fridtjoff“)
nach den GRÜNDEN, warum sie in einem Abschneiden der Vorhaut bei ihren Söhnen keinen Sinn sehen.
Reden sie doch mal Tacheles, erklären sie uns doch BITTE! endlich mal KONKRET auf der von ihnen vielfach beschworenen „medizinisch-prohylaktischen“ Ebene, die Pros und Contras in Bezug auf ihre eigenen (vorhandenen oder fiktiven) Söhne!
Ich bin sicher, dann kämen wir hier mit Sieben-Meilen-Stiefeln weiter!
Aber bitte Nebelwerfer auf „off“!
Ach Herr Grebe, jetzt fordern Sie auch noch den Umkehr der Beweislast.
Die Evolution hat dem Manne, wie übrigens den Säugetieren überhaupt, die Vorhaut belassen…
Also haben Sie sich zu erklären, warum die Vorhaut ein Problem ist.
Und … diese Frage ist eine Frage der Qualität und nicht der Quantität. Insofern wird sie nicht Millimeter-weise entschieden werden, wie Sie sich zu wünschen scheinen.
Eventuell kann man so das Rauchen aufhören (jeden Tag eine weniger), aber beschnitten ist beschnitten.
Herr Körting (Beitrag 18),
im Unterschied zu Ihnen will ich nicht missionieren.
Sie müssen sich also selbst auf die Suche begeben, warum die Anti-Beschneidungskampagne gescheitert ist, scheitern mußte. Persönliche Erklärungen duch mich nützen Ihnen nichts. Und jeder Versuch, Ihnen etwas erklären zu wollen, würde sofort auf heftigste Zurückweisung stoßen, wie Sie am Beispiel der Begriffsbestimmung „Amputation“ und „Verstümmelung“ gesehen haben sollten. Ich ziehe Grenzen, was das persönliche Bekenntnis in einem offen zugänglichen Forum anbelangt, und das inquisitorische Befragen und Belauertsein kann daran nichts ändern. Hinweise durch mich (oder andere) müssen genügen, und im übrigen muß sich jeder selber kümmern. Servierte man Ihnen die Kost noch so mundfertig, Sie könnten nicht anders als den Mund verziehen und sagen – igitt. Machen Sie sich also selber schlau.
Was mich eigentlich hier interessierte, war die Stoßrichtung gegen Religion, die Teil oder sogar Hauptteil der Kampagne gegen die Beschneidung ist. Ich halte das Anrennen gegen Religion für irrational, und dazu wollte ich mich äußern. Nun ist das Thema Religion hier aber nach den Attacken derjenigen, die die Aussichten ihres Ansinnens durch die Einbeziehung des Themas Religion geschmälert sehen (s. Beitrag Fridtjof im Primärforum zum Thema „Ausstellung“), ziemlich „out“.
Es handelt sich, wie ich bereits in meinem persönlichen Beitrag im Thread „Traurige Allianzen“ beschrieben habe, weniger um ein religiöses als um ein familiäres und ein Generationenproblem.
In den „Beschneidungsfamilien“ ist die Vorhautamputation über Generationen unantastbares Ritual. Die Väter der für die Vorhautamputation bestimmten Jungen sind i.d.R. selbst als Kinder vorhautamputiert worden. Auch ihnen haben die engsten Bezugspersonen diese Verstümmelung angetan. Das macht einen kritischen Zugang schwierig, der mit ähnlich massiven Traumata einhergehen kann wie die Realisierung der Tatsache, als Kind von einem nahen Angehörigen sexuell mißbraucht worden zu sein. Also lieber nicht hinterfragen …
Die Leugnung, daß es sich überhaupt um ein Trauma handeln könnte, spiegelt sich darin wieder, daß jenseits jeglicher anatomisch-physiologischer Realitäten und der Erkenntnisse der Schmerzforschung unbeirrt behauptet wird, es handele sich irgendwie um einen ganz anderen Eingriff, wenn die Vorhaut aus religiösen Gründen amputiert wird, als wenn sie aus sogenannten „medizinischen“ Gründen amputiert wird. Die Leugnung des Traumas spiegelt sich darin wieder, daß hoffnungslos unzulänglichen Scheinbetäubungsmethoden (z.B. EMLA, Paracetamol und Zuckerwassernuckeln) eine Wirkung gegen einen Operationsschmerz angedichtet wird, die diejenigen, die diese Wirkung behaupten, für keine andere Operation postulieren würden.
Wenn es sich nur um ein religiöses Problem handelte, dann würden gerade die Religionsgemeinschaften nicht so viele scheinwissenschaftliche Begründungen für die Beibehaltung ihres Rituals suchen (z.B. angebliche Vorteile als Prophylaxe für Krankheiten des sexuell aktiven Erwachsenenalters). Studien, die unter den fragwürdigsten ethischen Methoden entstanden sind, würden nicht zur Untermauerung der Behauptungen herangezogen. Es würde nicht so intensiv versucht, die Komplikationen und Folgen und die schmerzhafte Durchführung zu leugnen.
Es handelt sich eben nicht um ein religiöses Problem. Selbst der Gesetzgeber hat das realisiert, indem er die Religion in seinem § 1631d BGB unerwähnt ließ.
Das archaische verstümmelnde Ritual der Vorhautamputation, das bis zum Sommer 2012 weitgehend unbeobachtet von der deutschen Öffentlichkeit praktiziert wurde, mußte in der Folge plötzlich seine Rechtfertigung im 21. Jahrhundert begründen. In einem Land, das unter anderem die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen unterzeichnet hat und darüber diskutiert, Kinderrechte ins Grundgesetz aufzunehmen. In einem Land, das die gewaltfreie Erziehung von Kindern im BGB verankert hat.
Es ist verständlich, daß die Religionsgemeinschaften, die die Vorhautamputation Neugeborener und kleiner Jungen praktizieren, nicht auf das Entsetzen der Menschen des 21. Jahrhunderts vorbereitet waren, das die offene Diskussion 2012 ausgelöst hat – und das mit Antisemitismus und Antiislamismus wenig zu tun hat. Dieses Entsetzen hat vielmehr seine Basis in der Empathie für das Leiden von Kindern und den irreversiblen Verlust für die Sexualität der späteren Erwachsenen.
@ V. Grebe:
Ich seh’s ein, sie können den Nebelwerfer nicht ausschalten. Sie können offensichtlich nicht anders.
Deswegen flechten sie flugs auch mal die Stichwörter „Religion“ und „missionieren“ ein, wohl in der Hoffnung, Herr Kammermeier möge darauf anspringen, und sie könnten noch mehr Nebelkerzen zünden.
Wenn man sich auf dieses demagogische Niveau einlassen würde könnte man ebensogut sagen sie „missionierten“ gegen ein kindliches Recht auf einen vollständigen Körper, bzw. für ein elterliches Recht auf Abtrennung von kindlichen Körperteilen.
Herr Grebe, wie Herr Sinden bereits ganz richtig schrieb – sie fordern die Umkehrung der üblichen Beweislast.
Derjenige der das Messer in die Hand nimmt, der sticht und schneidet und ein Körperteil abtrennt und sogar ein Risiko für schwere Komplikationen, sogar den Tod eines bis dato kerngesunden Kindes verursacht – DER ist beweispflichtig.
Und wenn da tatsächlich ZWEIFEL bestünden – dann muss es im Zweifel FÜR die körperliche Unversehrtheit heißen – denn die ist ein Grundrecht des Kindes.
Hier haben viele Leute etwas persönliches geschrieben. Vieles davon war bewegend, erschütternd.
Sie – sie wischen das einfach weg. Deswegen müsste man nicht mit der auslösenden Tat aufhören, könnte man ruhig weiter zulassen.
Nach dem Motto: kann man ja behandeln.
Das ist mies.
Davon kommt keine neue Vorhaut, kein neues Frenulum.
Sie haben auch ungefragt etwas persönliches geschrieben, nämlich über ihre Söhne. Dass sie denen nicht die Vorhaut amputieren lassen wollen.
Das haben sie uns wissen lassen – aber sie wollen uns nicht wissen lassen, warum.
Diese Frage wäre „inquisitorisch“.
Nein, es ist offensichtlich, warum sie kneifen.
Die Beantwortung dieser Frage würde sie in große Verlegenheit bringen.
Denn dann müssten sie erklären warum diese „medizinisch-prophylaktischen“ Contra-Gründe ihren Söhnen ein Körperteil nicht zu entfernen bei ihren Söhnen zutreffen, bei anderen Jungen mit gleichem Gesundheitszustand aber NICHT zutreffen.
Wohlgemerkt, auf der medizinisch-prophylaktischen Ebene.
Warum ihre Söhne mehr Recht auf einen vollständigen Körper hätten als andere Jungen.
Also bei der Beantwortung dieser Frage käme ich auch ins Schwitzen, da kann ich sie schon verstehen!
„Sie sind im Hamsterrad von Belehren ohne Bekehren gefangen…“
Ich sehe hier eher einen anderen in einem Hamsterrad gefangen. Der versucht erst gar nicht zu „belehren“ besser gesagt zu argumentieren, weil er keine Argumente auf der Hand hat. Stattdessen schimpft, diffamiert, unterstellt er unablässig wie ein Rohrspatz bzgl. einer „Bewegung“. Wie in einem Hamsterrad. Man möchte ihm ja gerne da heraushelfen, aber offenbar kann er nicht.
Liebe Leute,
ich nehme mir für den Rest dieses Sonntags frei, d.h. ich werde nicht am Rechner sitzen, um Kommentare freizuschalten. Ich bitte um Verständnis dafür, dass ich mir ein paar Stunden Freizeit gönne. Ihr könnt natürlich trotzdem Kommentare schreiben. Die werden aber frühestens Montag Vormittag veröffentlicht, wenn ich mich wieder darum kümmern kann.
Einen schönen zweiten Advent Ihnen allen
Bronski
Herr Körting (Beitrag 33),
ich bitte Sie herzlich, endlich zur Kenntnis zu nehmen, was ich hier mehrfach !!! ausgeführt habe. Nämlich, daß ich die Entscheidung für die prophylaktische Beschneidung als im zulässigen medizinisch-rechtlichen Ermessensspielraum erziehungsberechtigter Eltern liegend ansehe. Auf deutsch: Eltern dürfen sich für oder gegen die Beschneidung ihres männlichen Nachwuchses entscheiden. Und genauso hat der Bundestag entschieden. Und findet dmit voll meine Billigung.
Zu Beitrag 32 (Fr. Dr. Pabst) möchte ich sagen, daß ich mal gehört habe, daß eine Hautfalte „reseziert“ und nicht „amputiert“ wird. Die Vorhaut ist eine Hautfalte. Daß die Beschneidung keine „Verstümmelung“ ist, weder intendiert noch herbeigeführt, bedarf keiner näheren Erläuterung. Auch Ärzte verwechseln mal Begriff und Kampfparole.
Zu den Beiträgen:
28 V. Grebe am 7. Dezember 2014 um 09:07:
31 V. Grebe am 7. Dezember 2014 um 12:22:
30 Guy Sinden am 7. Dezember 2014 um 12:10:
V. Grebe: „Wissen Sie, i c h muß Sie nicht überzeugen, aber Sie m ü s s e n ! S i e haben sich den Zwang selber auferlegt, andere überzeugen zu m ü s s e n, und deshalb werden sie auch immer auf den Bauch fallen. I m m e r !“
V. Grebe hat ja recht. Die Beschneidungsgegner befinden sich in der Situation, überzeugen zu müssen. Diese Überzeugungsnotwendigkeit besteht mit der Zielsetzung eine Gesetzesänderung herbeizuführen natürlich, und zwar gegenüber dem Gesetzgeber also den Menschen gegenüber, welche die Gesetze erlassen, den Parlamentariern. Ein weiterer Adressat ist derjenige Bürger, der sich noch in der Meinungsbildung befindet. In der Bevölkerung steht das Urteil zugunsten eines Verbotes mehrheitlich fest.
31 V. Grebe: „Sie müssen sich also selbst auf die Suche begeben, warum die Anti-Beschneidungskampagne gescheitert ist, scheitern mußte.“
Auch hier hat V. Grebe recht. Diesen Grund müssen wir uns klar machen.
Warum die Überzeugungsarbeit noch nicht gelungen ist, geht aus der Rede von Frank-Walter Steinmeier (SPD) hervor:
Video: http://www.spdfraktion.de/themen/beschneidung-geregelt
Abschrift des Textes: http://dip21.bundestag.de/dip21/btp/17/17213.pdf
Steinmeier: „Offen gesagt – das zum Schluss –: Ich fühle mich ausgesprochen unwohl mit der Vorstellung, dass ausgerechnet wir Deutsche unseren jüdischen Mitbürgern beibringen, was Inhalt von Lebensschutz und Kindeswohl ist. Dasselbe gilt für Muslime.“
und (Bronski wird mein nicht veröffentlichter Beitrag möglicherweise verständlicher)
„Ich fände es sogar unerträglich, wenn wir das erste Land in Europa wären, das nichtärztliche oder ärztliche jüdische Beschneider mit dem Staatsanwalt verfolgt und mit Strafrecht sanktioniert, und das ab morgen, nach mehreren Tausend Jahren Geschichte.“
Deutschland soll also nur nicht „das erste Land in Europa“ sein, das „jüdische Beschneider mit dem Staatsanwalt verfolgt“. Und „ab morgen“ soll es nicht geschehen.
„der rest des sonntags“
lieber bronski.
sicher macht es „spass“, bringt es anregung, anerkennung, inspiration undwasweissich, in diesem forum mitzureden/-schreiben…aber der, der das alles inszeniert ( = bronski = und von allen so „selbstverständlich-präsent-moderierend“) am laufen hält… wenn der sich dann masl entschuldigt, dass er an einem sonntag um 14 uhr mal nicht am „blog-ball“ sein kann…da fängst ’s doch wieder mit der selbstausbeutung aus… und alle schauen zu…“
bitte ernst nehmen!!!!!
Zitat V. Grebe
„Die Eltern allein befinden demzufolge auch in der Beschneidungsfrage darüber, wie das Kindeswohl zu definieren ist. Der Bundestag konnte nicht anders entscheiden“
Der Bundestag entschied, dieses Gesetz kam zustande, aber wie? Mit der Begründung, Elternrechte zu stärken für das Kindswohl? So habe ich es damals nicht verstanden. Abgeordnete begründeten ihre Entscheidung damals meist damit, das könne man erlauben, da es ja keine Auswirkungen habe. Auch Oppositionelle, die sonst jedes Haar in der Suppe finden und sich daran aufhängen, meinten: „ das können wir nicht verbieten, alle machen das, wir würden uns lächerlich machen“. Das ist es, was mich am Beschneidungsgesetz am meisten stört. Nicht, dass es dieses gibt, sondern, WIE es zustande kam. Durch bagatellisieren und verharmlosen. Durch Unwissenheit bzw. nicht hören wollen. Und das ist es auch, was mich an der Ausstellung „Haut ab“ stört. Nicht die Ausstellung an sich, es ist ein Teil der Geschichte, warum nicht Zeugnis davon geben? Aber die absolute Verharmlosung dieses Eingriffes, das Ausblenden nahezu alles Negativem.
Zitat V. Grebe
„… die medizinischen Fragen der prophylaktischen und therapeutischen Beschneidung von solchen Medizinern zu beurteilen sind, die auf diesem Sektor nicht nur sporadisch tätig sind (der mehrfach erwähnte Urologe Stehr ist dann nur einer unter vielen Tausenden weltweit)“
Da gebe ich Ihnen Recht, das können nur Fachleute. Aber welche? Solche, die auf ihren Internetauftritten rituelle Beschneidungen bewerben bzw. die Beschneidung als einzig mögliche operative Lösung bei einer Phimose anbieten, die eine Salben- und Dehntherapie oder eine Erweiterungsplastik als problematisch oder nicht sicher darstellen, immer eine radikale Beschneidung empfehlen? Die diesen Eingriff als Teil ihres täglichen Broterwerbs ansehen? Oder solche, die auf ihren Internetauftritten groß darauf hinweisen, dass Sie keine rituelle Beschneidungen durchführen, und Beschneidungen nur als allerletztes Mittel anwenden, wenn die Vorhaut durch Entzündung, Krankheit oder Verletzung nicht mehr zu retten ist, wenn also weitreichendere Gefahren für den Patienten bestehen, ein wahrer Amputationsgrund besteht und dann nur so viel entfernen, wie nötig ist, nur eine Teilbeschneidung machen ? Letztere Gruppe ist leider in der absoluten Minderheit, aber es gibt sie.
Zitat V. Grebe
„… die Folgen der Beschneidung für die Betroffenen zu erfassen, medizinisch und sexologisch, statistisch zu verwerten, Verfahren zu prüfen und bei Problemen für Abhilfe zu sorgen (Abhilfe als Verbesserung, nicht als Über-Bord-Werfen gesehen)“
„Keine Komplikation, sondern die notwendige Folge einer kompletten Beschneidung ist die bleibende Beeinträchtigung der Gefühlsempfindung beim Geschlechtsverkehr, die jedoch selten als wirklich störend empfunden wird“ (Zitat aus einem Aufklärungsbogen zur Beschneidung)
Tja, und wenn man die Beeinträchtigungen als wirklich störend empfindet? Was für Abhilfe?
Ich suche seit bald 15 Jahren nach Abhilfe, habe aber noch keine gefunden. Ich finde bei Medizinern nicht einmal Glauben an meine Geschichte, meine Probleme. Weisen Sie doch mal so was wie sexuelle Befriedigung, einen Orgasmus nach? Alles sei nur psychisch, ich sei Hypochonder, ich hätte Verlust- und Kastrationsängste. Meine Probleme lägen an dem psychisch noch nicht verarbeiteten Umstand, dass mir ein unnützer Hautlappen entfernt wurde und daran, dass ich immer noch der Meinung sei, dieser habe was mit meinem Empfinden zu tun gehabt.
Ich rutschte in Depressionen ab, hatte suizidale Gedanken. Also ab zu den Psychologen. Aber auch dort nur Unverständnis, keiner wollte meinen Worten Glauben schenken. Man gab mir verschiedene Erklärungsversuche, mit solch starken Depressionen könne es beim Sex nicht klappen, oder, mein Favorit: „Eine psychosexuelle Entwicklungsstörung aufgrund eines urologischen Problems, das aber inzwischen operativ behoben wurde“. Mit diesen Worten überwies mich mein Psychiater nach meinem ersten Suizidversuch in die geschlossene Psychiatrie…
Abhilfe. Gibt es die bei so einem Problem? Ist Sexualität nicht etwas Interaktives, Selbstständiges? Mein Innerstes verlangt danach, aber mein Körper kann es nicht mehr befriedigen. Ich habe sogar von Männern gelesen, die versuchten, über den Weg einer chemischen Kastration dieser Unerfüllbarkeit aus dem Weg zu gehen.
Im Prinzip ist mir dieses Beschneidungsgesetz egal. Wenn Menschen ihre Kinder beschneiden lassen wollen, werden sie Mittel und Wege finden, dies zu tun. Ich bin auch nicht so naiv zu glauben, nur weil das Schlagen von Kindern bestraft werden kann, würden weniger Kinder geschlagen und misshandelt werden. Eltern die ihr Kind beschneiden lassen, glauben, sie tun ihm etwas Gutes, sie schaden ihm nicht.
Und dieser (Irr)Glaube, dass die Eichel das einzig stimulierbare am männlichen Glied ist, das die Vorhaut ein Fehler der Natur ist, an dem sich Mediziner nach Lust und Laune zu schaffen machen können, gehört bekämpft. Keine Tradition und keine Religion.
@V. Grebe:
„ich bitte Sie herzlich, endlich zur Kenntnis zu nehmen, was ich hier mehrfach !!! ausgeführt habe. Nämlich, daß ich die Entscheidung für die prophylaktische Beschneidung als im zulässigen medizinisch-rechtlichen Ermessensspielraum erziehungsberechtigter Eltern liegend ansehe.“
Schon wieder drei Ausrufezeichen – offenbar ihr Markenzeichen – schon zum fünften mal in diesem Thread. Meinen sie multiple Ausrufezeichen ersetzen Argumente?
Ich nehme etwas zur Kenntnis, ja!
Nämlich, dass sie gänzlich diskussionsresistent sind.
Wie soll man mit jemandem diskutieren, wenn der permanent seine Meinung in den Raum stellt diese aber auch auf zahlreiche Bitten hin par tout nicht begründen will? Wenn er auf alle Argumente, die von der anderen Seite vorgetragen werden nicht eingeht, stattdessen nur die Gegenseite beschimpft, pauschalisiert und diffamiert?
Gemeinhin sieht man das als „Troll-Verhalten“ an.
@V. Grebe:
„Leider richten sich alle schönen Empfehlungen an Eltern bzw. Ehepaare, die durchweg selbst betroffen sind von der prophylaktischen Beschneidung, …“
Wie soll man das verstehen? Sind die Eltern selbst „prophylaktisch“ genitalmodifiziert worden? Sogar die Mütter? Haben die vorhautlosen Väter denn in der Regel überhaupt eine Vergleichsmöglichkeit gehabt, wie schön Sex mit einem vollständigen Genital sein kann?
Es gibt überhaupt keine prophylaktisch motivierten, nicht-indizierten Vorhaut-Amputationen, die sind ein Ammenmärchen. Es gibt welche aus religiösen, und welche aus traditionellen Gründen, und möglicherweise auch aus „puritanischen“ (Masturbationserschwernis, „der Junge versündigt sich!“) aber wegen „Prophylaxe“ machen das keine Eltern die selbst die Freuden der intakten Vorhaut kennen gelernt haben (Vater, Mutter indirekt) oder wo Vater und die Brüderlein intakt waren (Mutter). Das mit der Propyhlaxe ist Bullshit, ein Alibi, eine faule Ausrede.
Die Propaganda mit den „medizinischen Vorteilen“ geht schon seit hunderten von Jahren so, sollte das sogar gegen Gehirnerweichung, Lähmungen, Epilepsie. usw., usw. helfen – bei Mädchen übrigens auch, z.B. gegen „Hysterie“. Nein, nicht die Klitoris-Eichel, sondern deren Vorhaut. Ja, ja, Mädchen haben nämlich auch eine Vorhaut!
Sicher ist die Zirkumzision eine Verstümmelung. Wenn sie das nicht wäre, wäre es auch die Entfernng der Klitorisvorhaut bei Mädchen nicht. Wir benutzen gleiche Begriffe für das gleiche Körpergewebe. Arme von Jungen sind das gleiche Gewebe wie Arme von Mädchen. Und bei Mädchen wird jeglicher Eingriff, der am Genitale etwas abschneidet, „Verstümmelung“ genannt. Wem es nicht paßt, daß für das gleiche Vorhautgewebe die gleiche Vokabel benutzt wird, möge halt mit denjenigen zu einem Konsens kommen, die jeglichen Eingriff am weiblichen Genitale „Verstümmelung“ nennen.
„Resezieren“ heißt „abschneiden“. Der Begriff gilt auch für Gewebe, das nachwächst. Das tut die Vorhaut nicht. Daher ist der Begriff „Amputation“, d.h. die Entfernung von endständigem Gewebe, das nicht nachwächst, korrekt.
Hallo zusammen,
folgender Hinweis für Sie alle: http://frblog.de/in-eigener-sache-2/
Viele Grüße
Bronski
Zitat Bernd Kammermeier
“ Die Gründe für die Beschneidung lagen in der Folgezeit der Radikalbeschneidung (die bis heute anhält) in der Verminderung der Lust des Mannes.“
Wird die Lust beschnitten, die Libido? Oder eher die Möglichkeit, diese zu befriedigen? Die männliche Libido zur Unerfüllbarkeit verdammt?
War die Beschneidung früher nicht auch ein Zeichen der Unterdrückung, Unterwerfung und Demütigung, die Kennzeichnung von Unterworfenen und Sklaven? Vielleicht führte ein unterworfenes Volk die Säuglingsbeschneidung nur ein, um ihren erwachsenen Männern dieses (bewusst erlebte) Trauma zu ersparen? Wer weiß?
Mir ist es egal was damals war, ich sehe nur wie es heute ist, und es ist schlecht. Und ich hoffe, das ich noch irgendwann lesen werde, und es allgemein gültiges Wissen sein wird, die Vorhaut ist kein Fehler der Natur, sie ist wichtig für das sexuelle Empfinden und Erleben beim Mann. Und kein Junge oder Mann sich mehr Gedanken machen muss, was da unten passiert ist, ob man ihm einen Teil seines Lebens, ein Teil dessen, warum wir hier sind, genommen wurde…
J. Körting 8.Dez.2014 11:02
J. Körting 8.Dez.2014 11:05
Vielleicht bitten Sie den Herrn Kammermeier selbst einmal, die Argumente der Gegenseite (pro Recht auf prophylaktische Beschneidung) ins Forum einzustellen, und zwar in genauso übersichtlicher Form, wie er das mit den Argumenten contra Beschneidung gemacht hat. Ich kann ihm das nur empfehlen, Sie aber können ihn darum bitten, denn Sie gehören zu seiner Seite.
Zu Ihren Anmerkungen möchte ich sagen, daß Sie sich schon selbst um die nötigen Informationen kümmern müssen. Die Zeit des „Frontalunterrichts“ ist vorbei. Selber recherchieren ist an dessen Stelle Stelle getreten. Und die Erwartung, der Gegenpart müsse immer gleich den Beweis mitliefern, sonst nehme man ihn nicht ernst, verkennt, daß die Welt so nicht funktioniert. Ich nehme ihren 2. Beitrag als das, was er signalisiert. Nämlich Trotz statt Nachdenklichkeit. Mit Ignoranz kommen Sie nicht weiter, sondern Sie werden scheitern.
Nehmen Sie doch den Ball als vom Bundestag „zurückgespielt“ (was er nicht wirklich ist). Er liegt wieder im Feld der Beschneidungsgegner wie ein großer, unverdaulicher Brocken, der sich nicht regt und rührt, egal, wie stark sich die Bewegung abmüht. Denn sie überhebt sich. Sie hat eben die falschen „Instrumente“, das riesige Ding vom Acker zu kriegen. Übersetzt: die falschen Argumente.
Ich selbst habe hier nur summarische Hinweise geben wollen. „Sparringspartner“ für alle zu sein macht meine Argumente nicht besser, jedoch auch nicht schwächer (die vielen Spitzen gegen mich nehme ich nicht krumm). Ich glaube, daß sich die Anti-Beschneidungsbewegung von innen heraus neu orientieren muß, und zwar durch Entradikalisierung, mit weniger Schaum vorm Mund. Von außen ist das mit Argumenten nur sehr bedingt zu leisten, denn Hilfe zur Selbsterkenntnis muß man annehmen wollen. Und da hapert es gewaltig, wenngleich schon 2 Kommentatoren (St. Wasmund 7.Dez.2014 14:54; H. Waldorf 8.Dez.2014 8:50) sich zu einer ersten und vorsichtigen Bestätigung meiner Ermahnungen durchgerungen haben.
Dr. B. Pabst 8.Dez.2014 19:06
1. Der Sinn der weiblichen Circumcision (auch nicht in der Minimalform, auf die Sie hier reflektieren) erschließt sich so gut wie niemandem auf der Welt und ist ein einhellig geächtetes Verbrechen. Von daher verbietet sich jede Gleichsetzung mit der männlichen Circumcision und damit auch die Anwendbarkeit/Übertragbarkeit eines Verdikts wie „Verstümmelung“. Die männliche Circumcision ist schon in ihrer Grundwirkung nicht verstümmelnd (sonst hätte sie auch nie, dafür hätten die Männer schon gesorgt, ihren Siegeszug rund um die Welt angetreten !). Sie ist Kosmetik. Striptease ist auch nicht verstümmelnd, sondern enthüllt nur.
2. Meine Recherche hat folgendes ergeben. Wenn man Ihrer Diktion folgen wollte, müßte es korrekt „Teilamputation“ heißen, denn es bleibt immer Vorhautgewebe zurück. Die Vorhaut ist jedoch genauso wenig permanent „endständig“ (Zurückstreifbarkeit) wie eine Speckfalte im Sitzen, die im Liegen wieder verschwindet. Hier wird Haut aus einem größeren Areal herausgeschnitten, also „reseziert“ oder „exzidiert“. Aber die Nase verschwindet nicht im Liegen, ein Bein nicht beim Kopfstand, und deshalb werden sie amputiert, weil permanent endständig. Ich bleibe dabei. Die Verwendung der Begriffs „Amputation“ für die Vorhautteilentfernung ist eine gezielte sprachliche Übertreibung mit dem Ziel der Diskreditierung, also eine Kampfvokabel.
@ Jan Körting (8.Dez., 11:02, 11:05) u.a.
Ich halte Ihre Geduld, Diskussionsbereitschaft selbst – wie hier schon mehrfach festgestellt – mit einem „diskussionsresistenten“ Gegenüber zu zeigen, der „nur die Gegenseite beschimpft, pauschalisiert und diffamiert“ durchaus für beachtlich. Allerdings frage ich mich, was es bringen soll, sich auf „Nebelwerfer“ zu fixieren, deren Absicht und beschränkte Wirkung zumindest hier längst offenkundig ist.
Der Rückzug auf schwammige Begriffe wie „prophylaktische“ Beschneidung ohne konkrete Bestimmung wofür (medizinisch, sozialintegrativ, „moralisch“ oder „religiös“ motiviert im Sinne von unfähig machen, ein aufgezwungenes religiöses Bekenntnis jemals in Frage stellen zu können?) ist ebenso ein Indiz dafür, wer hier der „Brechstange“ bedarf (vgl. Äußerung 5.Dez.12:18), wie die von Ihnen festgestellte „Umkehrung der üblichen Beweislast“, nach der Menschenrechte der Rechtfertigung bedürften und nicht deren Verletzung. Ein drittes wäre die Weigerung konkreten Ausführung der Gegenposition – schon mehrfach angemahnt – etwa zu Herrn Steffen (um nur einige zu nennen).
@ all:
Es erscheint mir sinnvoller, sich auf konkrete und weiterführende Argumente zu beziehen und ich richte daher an meine Mitdiskutanten einige Fragen:
1. Pädagogisch-religiöse Dimension:
In dem von St.Wasmund (6.Dez.,9:53) verlinkten Vortrag unterscheidet Dr. J. Kahl zwischen „Recht auf religiöser Unterweisung“ und „religiöser Unterwerfung“. Ersteres ist durch das Erziehungsrecht legitimiert, letzteres nicht. „Beschneidung“ ist unzweideutig letzterer zuzuordnen. Dies nicht nur durch Schaffung irreversibler Tatbestände. Sie verwehrt dem Betroffenen auch auf Dauer die Möglichkeit einer selbstbestimmten Ausübung des Grundrechts der „Religionsfreiheit“, das zu schützen sie vorgibt.
(https://www.youtube.com/watch?v=FyqPsj7zkM4 )
Meine Fragen:
– In welchem Maße sehen sich die Betroffenen nicht nur psychisch und hinsichtlich ihrer körperlichen Integrität, sondern auch in ihrem Grundrecht auf religiöse Selbstbestimmung verletzt?
– Welche konkreten Abwägungen hätten Erziehungsberechtigte nach ihren Erfahrungen vor einem solch schwer wiegenden Eingriff zu treffen?
– In welchem Maße ist der Bundestag mit § 163,1d einem falschen Verständnis von Erziehungsrecht und „Religionsfreiheit“ aufgesessen, d.h. hat sich von bestimmten religiösen Verbänden die Interpretation als „religiöse Unterwerfung“ aufoktroyieren lassen?
Juristische Dimension:
Dr. Kahl verweist auf den Widerspruch von Art. 163,1d zu GG, Art. 140, der auch „negative Religionsfreiheit“ einschließt. Im Zwang zur Unterwerfung unter tradierte Riten sieht er eine Verletzung dieses GG-Artikels.
Meine Fragen:
– Wie ist der genannte Widerspruch juristisch zu bewerten?
– Wie ist die Abwägung „Elternrecht“ und „Religionsfreiheit“ vs. „Menschenrecht“ juristisch und menschlich zu bewerten?
– In welchem Maße hat sich der Bundestag durch Reduzierung der „Religionsfreiheit“ auf eine von fundamentalistischen religiösen Kreisen vorgegebene Interpretation vor deren Karren spannen lassen? – So etwa, indem innerreligiöser Diskussion, z.B. um Alternativen wie der „Brit Schalom“ (analog zum Ritus der Namensgebung bei Mädchen), der Boden entzogen wird?
– Kann diese Vermutung durch Entwicklungen nach dem Erlass des Gesetzes verifiziert werden?
– In welchem Maße ist mit der vom Bundestag getroffenen Entscheidung ein Sonderrecht zugunsten der gesellschaftlichen Verantwortung entzogener, sich selbst legitimierender religiöser Interessenvertreter und zu Ungunsten schutzbedürftiger Minderheiten geschaffen, das zu Missbrauch einlädt?
Gesellschaftliche Dimension:
Es ist m.E. deutlich erkennbar, dass sich der Bundestag aufgrund historischer Belastungen und daraus resultierendes schlechtes Gewissen durch gezielt erhobene „Antisemitismus“-Vorwürfe und Holocaustassoziationen hat erpressen lassen. Er ist damit auch mitverantwortlich dafür, wenn (so in der im Thread „Traurige Allianzen“ geschilderten Ausstellung) eine solche spaltende und die gesellschaftliche Diskussion vergiftende Ebene der Auseinandersetzung fortgeführt, Verdrängung von Empathie und Relativierung von Menschenrechten befördert und Freiräume für weiteres Erpressungspotential geschaffen wird.
Der Methode, „Erziehungsrecht“, „Religionsfreiheit“ und „Menschenrechte“ gegeneinander auszuspielen, ist aber m.E. nicht primär durch Zuspitzung auf die juristische Ebene, sondern vor allem auf einer umfassenden und zugleich konkreten Ebene zu begegnen.
In der Art, dass (vor allem für Erziehungsberechtigte) Verdrängungsmechanismen aufgedeckt, Einsichten in reale Auswirkungen geschaffen und Verantwortungsbewusstsein geschärft wird. Dies setzt zugleich eine umfassende Kenntnis und Berücksichtigung aller Aspekte voraus.
Eine Einengung auf einzelne Aspekte, vor allem der religiösen Dimension (aber auch ausschließlich medizinische Sicht) ist m.E. selbst Teil einer „Nebelwerfer“-Strategie, der entgegenzuwirken wäre.
Meine Frage hierzu:
– In welcher Weise wäre dabei an den von Betroffenen geschilderten Erfahrungen anzuknüpfen?
Ich verzichte hier, da m.E. schon ausreichend erörtert, auf eine Vertiefung der medizinischen Dimension.
Stellungnahmen zu den von mir aufgeworfenen Fragen erscheinen mir sehr wünschenswert.
P.S.: Die Durchsicht und Bezugnahme auf vorangegangene Diskussionsbeiträge (vor allem in anderen Threads) und die Erstellung eines gedanklichen Leitfadens wird m.E. durch das neue Lay-out unter Wegfall der durchgehenden Nummerierung sehr erschwert.
Ich plane daher demnächst eine etwas umfassendere Stellungnahme zu diesem Problem unter dem Thread „In eigener Sache“.
Der § 1631d BGB hat eine offizielle Begründung, zu der ich auf der Seite
http://www.beschneidung-von-jungen.de/home/medizinisches-grundwissen/schmerzen/uebersicht.html
unter Beibringung der notwendigen Literaturzitate Informationen einstellen durfte. Die juristischen Fragestellungen hängen zum Teil mit den medizinischen Sachverhalten zusammen.
Ich stimme Herrn Körting zu, daß es keinen Sinn macht, mit Menschen zu diskutieren, die ihre Behauptungen nicht belegen. Ich werde daher auf die unbelegten Behauptungen von Herrn Grebe nicht mehr antworten.
Juristische Beweislastumkehr vs. Überzeugungsnotwendigkeit gegenüber der Politik
V. Grebe: „Und da hapert es gewaltig, wenngleich schon 2 Kommentatoren (St. Wasmund 7.Dez.2014 14:54; H. Waldorf 8.Dez.2014 8:50) sich zu einer ersten und vorsichtigen Bestätigung meiner Ermahnungen durchgerungen haben.“
Die juristische Beweislastumkehr ist von der (nun entstandenen) Überzeugungsnotwendigkeit gegenüber der Politik (wie in meinem Beitrag „Steffen Wasmund 7. Dezember 2014 14:54“ dargestellt) zu trennen.
Die juristische Beweislast stellt Dr. Eschelbach, Richter am Bundesgerichtshof, so dar: „Nicht Beschneidungsgegner müssen nach dessen Maßstab den Beweis der Gefährlichkeit führen, sondern Beschneidungsbefürworter sind dazu aufgerufen, ihre These der generellen Harmlosigkeit zu belegen, was nicht gelingen kann.“
Quelle: http://www.beschneidung-von-jungen.de/home/gesellschaftliche-aspekte-der-beschneidung/beschneidung-und-recht/eschelbach-kommentar-zu-223-stgb.html
Auch in der Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Kinderchirurgie (DGKCH) zu „Beschneidung von Jungen – Eckpunkte einer Regelung“ vom 24. September 2012 führt man es so aus: „Wer eine medizinisch nicht notwendige Zirkumzision vornehmen will. trägt die Beweislast für die Harmlosigkeit und Ungefährlichkeit des Eingriffs.“
Quelle: http://gruene-berlin.de/sites/gruene-berlin.de/files/stellungnahme_kinderchirurgen.pdf
Wenn diese Beweislastkonstellation die rechtlich notwendige ist, und bei Einhaltung dieser Vorgabe das Beschneidungsgesetz niemals hätte in Kraft treten können, ist die nun vorhandene Überzeugungsnotwendigkeit gegenüber der Politik, die einzig auf der faktischen Machtverteilung beruht, also Folge eines Rechtsbruches durch die Politik und nicht etwa mangelnden Argumenten der Beschneidungskritiker geschuldet.
V. Grebe: „1. Der Sinn der weiblichen Circumcision…“
Dass es nicht auf den Sinn der Beschneidung, sondern auf ihre physischen Auswirkungen ankommt, hatte ich ja schon ausgeführt. http://frblog.de/traurige-allianzen/#comment-33228
St. Wasmund 10.Dez.2014 15:23
(Nr. 48) Der SINN einer Prophylaxe ist die Vorbeugung von Krankheiten. Auch Sie sollten wissen, daß die Prophylaxe in der Medizin eine wichtige Rolle spielt. Prophylaxe ist Medizin !
Es ist schwer vorstellbar, daß deutsche Kinderchirurgen geübte Prophylaxe nicht als Medizin ansehen sollten. Ich könnte mir das jedenfalls nicht erklären. Können Sie vielleicht ? Ich darf Sie erinnern, daß ich immer von (medizinisch)-prophylaktischer Beschneidung gesprochen habe. Jede medizinische und (medizinisch)-prophylaktische Maßnahme ist auf das Verhältnis von Nutzen zu Risiko zu prüfen. Und da liegt der Dissens. Anti-Beschneider wie Sie sehen in der Beschneidung keinen vernünftigen Nutzen, und Pro-Beschneider sehen die Risiken im Verhältnis zum Nutzen als tragbar an. Und deshalb ist dem Ermessen erziehungsberechtigter Eltern in dieser Frage der Vorrang einzuräumen. Und so sieht es auch der Bundestag. Und so sehe ich es auch.
Es war da mal eine berühmte Frau, die sinngemäß gesagt hat: ich teile Ihre Meinung nicht, aber ich verteidige Ihr Recht, sie zu sagen.
Ersetzen Sie, Herr Wasmund, jetzt „sagen“ durch „beschneiden“, und schon ist alles gesagt. Darum geht es nämlich, um genau diesen Sachverhalt.
Sie zitieren einen Juristen am Bundesgerichtshof, der gesagt haben soll, die Beweislast liege bei den Beschneidungsbefürwortern, aber der Beweis können gar nicht gelingen („… was nicht gelingen kann“).
Dieser Jurist hat sich von künftigen Verfahren selbst exkludiert, und zwar hochkant.
Ich zitiere mich selbst aus meinem vorigen Beitrag.
1. Die Zeit des „Frontalunterrichts“ ist vorbei. Selber recherchieren ist an dessen Stelle getreten. Und die Erwartung, der Gegenpart müsse immer gleich den Beweis mitliefern, sonst nehme man ihn nicht ernst, verkennt, daß die Welt so nicht funktioniert.
2. Ich selbst habe hier nur summarische Hinweise geben wollen. „Sparringspartner“ für alle zu sein macht meine Argumente nicht besser, jedoch auch nicht schwächer (die vielen Spitzen gegen mich nehme ich nicht krumm). Ich glaube, daß sich die Anti-Beschneidungsbewegung von innen heraus neu orientieren muß, und zwar durch Entradikalisierung, mit weniger Schaum vorm Mund. Von außen ist das mit Argumenten nur sehr bedingt zu leisten, denn Hilfe zur Selbsterkenntnis muß man annehmen wollen. Und da hapert es gewaltig. Eigenzitate Ende.
Es wäre sicher gut, wenn sich die Pro-Beschneider auch mal mit anderen „Sparringspartnern“ beschäftigen würden. Wie wär´s mal mit untereinander ?
letzter Beitrag (Nr. 48) mit Fehlerkorrektur im letzten Satz. Es soll heißen: Es wäre sicher gut, wenn sich die „Anti“-Beschneider auch mal mit …..
Zunächst möchte ich ausdrücklich nochmals festhalten, dass ich ein Verbot der Taufe nicht unterstütze. Wenn es ein religiöses Gebot gibt, dass in seinem Mangel an Folgen schwer zu überbieten ist, so ist das die Taufe.
In 06:25 min nimmt Kahl Bezug auf Art. 140 GG i.V.m. Art. 136 Abs. 4 WRV: „Niemand darf zu einer kirchlichen Handlung oder Feierlichkeit oder zur Teilnahme an religiösen Übungen oder zur Benutzung einer religiösen Eidesform gezwungen werden.“
Dies zeigt, dass dieser Absatz nicht in Bezug auf die elterliche Sorge mit ihrer Wirkung auf das Kind angewendet werden kann. Denn die elterliche Sorge ist ein Freiheitsrecht, das gegenüber den allgemeinen Freiheitsrechten sogar eine spezielle Erweiterung enthält. Mit Hilfe der elterlichen Sorge darf ein Mensch einen anderen Menschen, und zwar das Kind zu Handlungen zwingen. Selbst Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit sind grundsätzlich erlaubt, bspw. das Haareschneiden. Und gerade weil die elterliche Sorge diese spezielle Erweiterung, mit allen Missbrauchsgefahren enthält, ist ihr das Wächteramt des Staates, die staatliche Gewalt nach Art. 6 GG Abs. 2 an die Seite gestellt. http://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_6.html
Da nun wie gezeigt (http://frblog.de/traurige-allianzen/#comment-33228 ) die Festlegung der Erziehungsziele in besonderer Weise freiheitsrechtlich bestimmt ist und sie auch über Zwang erreicht werden dürfen (Eltern zwingen ihr Kind zum Klavierunterricht, oder zum Religionsunterricht), ist der ideelle Wert des Erziehungsziels (Motivation religiös oder nicht) nicht relevant, auch der Zwang ist es nicht von vornherein, nicht einmal die Körperverletzung allgemein, sondern nur die Erreichung der Kindeswohlverletzung. Und diese findet auf der körperlichen Ebene statt und leitet sich aus den nicht freiheitsrechtlich bestimmbaren oder beeinflussbaren wissenschaftlichen Definitionen der Begriffe Gesundheit und körperliches Wohl ab. Zum Begriff der Gesundheit gehört auch die psychische Gesundheit.
Für einen Überblick über die gesundheitlichen, rechtlichen und gesellschaftlichen Aspekte der Beschneidung siehe auch: http://genitale-autonomie.de/videos-der-vortraege/index.html
„Wie ist die Abwägung „Elternrecht“ und „Religionsfreiheit“ vs. „Menschenrecht“ juristisch und menschlich zu bewerten?“
Die Religionsfreiheit allein(!) berechtigt nicht zur Beschneidung. Personen ohne Sorgerecht für ein Kind können dieses auch nicht nach § 1631d BGB beschneiden lassen. Deshalb gibt es auch keine Abwägungsmöglichkeit zwischen Religionsfreiheit und Rechten des Kindes. Nur das Sorgerecht soll auch nach § 1631d Abs. 1 BGB den Eingriff legitimieren.: „Die Personensorge umfasst auch das Recht…“
Dass der „innerreligiöser Diskussion […] um Alternativen wie der „Brit Schalom“ […] der Boden entzogen“ entzogen wurde, würde ich bezweifeln. Ich denke auch religiös motivierte Beschneidungsbefürworter haben – jedenfalls wahrscheinlich mehrheitlich – verstanden, dass die Beschneidung einen Widerspruch zu den Menschenrechten des Kindes darstellt. Dieser Stern-Artikel zitiert „die Ausstellung“ http://www.stern.de/panorama/haut-ab-neue-ausstellung-zum-thema-beschneidung-2147432.html
>>„Der Sohn fragt, wie der Vater reagieren würde, wenn er sein Kind nicht beschneiden ließe. Der Vater […]“Ich wäre unglücklich“, sagt er. „Aber ich würde deine Entscheidung respektieren.“<<
Diese Darstellung relativiert die Hauptbegründung der Beschneidung, die Unhinterfragbarkeit der biblischen Anweisung, und die absolute Abhängigkeit der jüdischen Identität von der Beschneidung. Ihre Grundlage ist die Wählbarkeit und damit die Beurteilung einer als zuvor göttlich zwingend verstandenen Anweisung. Auf welchen Auslegungen sie auch immer beruhen mag. Mir scheint sie eine Grundsatzerklärung zu sein.
Könnten Sie mal alle „(medizinisch)-prophylaktische Maßnahme“, die Ihrer Meinung nach rechtfertigend sein sollen, auflisten?
Sehr geehrter Herr Grebe,
, der Sinn der männlichen Circumcision (auch nicht eine Teilbeschneidung, die Sie empfehlen) erschließt sich immer weniger Menschen auf der Welt und sollte auch ein einhellig geächtetes Verbrechen werden.
Kann die weibliche Circumcision in ihrer Grundwirkung verstümmelnd sein (hätte sie sonst, dafür hätten die Frauen schon gesorgt, ihren Siegeszug durch ihre Verbreitungsgebiete angetreten )?
Die Vorhaut des Mannes wird in Innenblatt und Außenblatt eingeteilt. Sie sind nicht miteinander verwachsen, sondern gegeneinander verschiebbar. Was nach einer radikalen Circumcision zurückbleibt ist die Penisschafthaut.
Kann man also, wenn Innen- und Außenblatt komplett entfernt werden, nur von einer Teilamputation sprechen?
Prophylaktische OP’s an Kindern? Ist nicht Ihr Ernst?
St. Wasmund 10.Dez.2014 19:34
Nein. Begeben Sie sich selbst auf die Entdeckungsreise nach Quellen. Die Arbeit müssen Sie sich schon selber machen. Ich bin nicht Ihr „Brötchenlieferant“, dem man mal schnell seine Bestellung in den Laden bringt. Ich habe dies mehrfach hier ausgeführt (siehe unter Punkt 1. und 2. meines letzten Beitrags).
1. Der Sinn der weiblichen Circumcision (auch nicht in der Minimalform, auf die Sie hier reflektieren) erschließt sich so gut wie niemandem auf der Welt und ist ein einhellig geächtetes Verbrechen. Von daher verbietet sich jede Gleichsetzung mit der männlichen Circumcision und damit auch die Anwendbarkeit/Übertragbarkeit eines Verdikts wie “Verstümmelung”.
Das Abschneiden /Rezisieren am männlichen Genital ist keine Amputation und am weiblichen ist es ne Verstümmelung.
Obwohl beim männlichen mehr abgeschnitten wird?
Faszinierend.
Ab wann hat denn der männliche Mensch das Recht selber zu entscheiden ob er seine Vorhaut behalten möchte?
Der Junge hat es nicht, der Erwachsene hat es, dieses Recht muss ja irgendwann von den Eltern auf das Kind übergehen.
Irgend eine Idee?
Und wenn sie schon am recherchieren sind, auf welche Körperteile hat der Junge auch kein Recht und erwirbt die Verfügungsgewalt erst irgendwann später.
Denn das ganze wirkt wie ‚Es gibt ein Grundrecht auf Körperliche Unversehrtheit, außer es ist ein Junge und es geht ums Genital‘.
PS: Das laut gefestigter Rechtsprechung des BGHs der Intimbereich zur unveräußerlichen Menschenwürde gemäß §1 GG gehört und nicht unter den Gesetzesvorbehalt des §3 GG fällt ist ihnen sicherlich bekannt, sie haben sich ja informiert.
Gehört das Aussehen des Penis für sie zum durch die in §1GG geschützten Intimbereich?
Es war da mal eine berühmte Frau, die sinngemäß gesagt hat: ich teile Ihre Meinung nicht, aber ich verteidige Ihr Recht, sie zu sagen.
Ja das war ‚Frau‘ Voltaire.
Recherchieren sie immer so gut?
Ich fürchte das ist nicht mal das falscheste an ihrem Text.
Ganz im Ernst, wenn es auch prophylaktische Vorteile hätte Frauen zu beschneiden fällt die Entscheidung in die Gewalt der Eltern?
Oder gilt das nur für Jungs, und nur den Penis?
Denn Jungs bekommen auch Brustkrebs, darf ich meinem Sohn die Brustwarzen entfernen lassen zur Brustkrebsprophylaxe?
Das Problem mit ihrer Position ist doch das sie die Beschneidung anders behandeln als jede andere Operation. Weil jede andere Operation so zu behandeln wie eine Beschneidung absurd wäre.
@ V. Grebe
Warum soll Stefan Wasmund Tatbestände recherchieren, die Ihre Sicht der Dinge stützen? Wenn Sie für prophylaktische Beschneidungen eintreten, müssen Sie das schon selbst machen.
Herr Grebe,
ich habe mich auf Entdeckungsreise gemacht, an mir selber, und ich kann Ihnen versichern, ich habe keinerlei Vorteile durch meine Beschneidung finden können.
Sie reden von Prophylaxe, medizinischen Vorteilen durch eine Beschneidung, so als ob sie mit einer Impfung vergleichbar wäre.
Eine Beschneidung hat keinerlei Vorteile. Der einzige Vorteil für die Medizin(er) ist finanzieller Art…
Vielleicht wäre es an der Zeit für Sie, sich selber auf Entdeckungsreise zu begeben. Es gibt sicher viele Urologen die Ihnen auf praktische Art helfen würden, schön stramm, zu kurz gibt es nicht, und die Narbe direkt an der Glans wegen der besseren Optik…
@ Dr. Birgit Pabst, 10. Dez.,12:19
Ich danke Ihnen für den Link zu §1631d.
Mehrere Hinweise stützen meine im Beitrag 10.Dez, 11:10 geäußerte Skepsis. So, wenn unter „gesellschaftliche Aspekte der Beschneidung“ ausgeführt wird:
„Die eher lächerliche Regierungsbegründung, in der belastbare wissenschaftliche Erkenntnisse außen vor gelassen wurden, um das – aufgrund des vorherrschenden politischen Notstands -gewünschte Ergebnis nicht zu gefährden, überzeugt so wenig wie die schwer nachvollziehbare und teilweise widersprüchliche Formulierung.“
Unter „Anforderungen des § 1631d BGB“ wird auf „eine ordnungsgemäße und besonders umfassende Aufklärung des Rechtsgutsinhabers bzw. seines gesetzlichen Vertreters“ verwiesen. Es findet sich aber kein Hinweis auf die tatsächlichen Inhalte solcher „Aufklärung“. Insbesondere nicht darauf, ob diese auch langfristige Traumata umfasst und inwiefern die diesbezügliche Fachkenntnis (und das erforderliche „emotionale Wissen“) vorausgesetzt werden kann bzw. wie sie zu sichern sind.
Unter „Psychologische Aspekte der Beschneidung“ fällt auch das Stichwort „Trauma“, und es wird dazu ausgeführt:
„Der alte Glaube, dass Kinder, besonders jüngere Kinder, sich später nicht mehr an medizinische Eingriffe wie Beschneidungen, die sie in jungen Jahren durchmachen müssen, erinnern würden, genauso wie die Vorstellung, dass Säuglinge keinen Schmerz fühlen könnten, gelten heute als überkommen und widerlegt.“
Diese Ausführungen legen einen Vergleich mit einem – trotz aller Schwierigkeiten – besser erforschten Gebiet der Kriegstraumata nahe. Ich möchte daher im Folgenden darauf eingehen:
2005 fand in Frankfurt der 1. Kriegskinderkongress statt (ich habe selbst daran teilgenommen), 2013 folgte ein zweiter in Münster.
(Dazu: http://www.aerzteblatt.de/archiv/136946/Kriegskinder-Erst-im-Alter-wird-oft-das-Ausmass-der-Traumatisierungen-sichtbar)
Hinweise auch in der Rezension zu Sabine Bode, Die vergessene Generation (http://www.zeit.de/2004/22/P-Bod) und in Zeit-online: „Die Kriegskinder sind unter uns“
(http://www.zeit.de/2009/20/L-P-Kriegskinder)
Anlass war die Feststellung, dass bei bis zu 30 % der ca. 60 jährigen Traumata als Spätfolge von Kriegserlebnissen in früher Kindheit (Bomben, Flucht u.a.) ausbrechen, dass also die ursprüngliche Annahme, diese seien „vergessen“, sich als falsch erwiesen hat. Anlässe für den Ausbruch sind Veränderungen der Lebensumstände (z.B. Tod des Partners, Eintritt in Rente u.a.), aber auch Wiederbegegnungen. So erlitt meine älteste Schwester (inzwischen verstorben) beim Wiedersehen ihres Heimatorts in Tschechien nach 50 Jahren eine Panikattacke. (Sie hatte dort als junges Mädchen miterleben müssen, wie unser Vater misshandelt wurde.)
Es wurde auch festgestellt, dass Traumata sogar auf die nachfolgende Generation übertragbar sind (z.B. durch Erzählungen der Großeltern), ohne dass diese selbst unmittelbar von traumatisierenden Ereignissen betroffen sein muss.
Es wurde also ein Teufelskreis in Gang gesetzt, der nur sehr schwer therapierbar und zu durchbrechen ist. Auf jeden Fall setzt dies die aktive Auseinandersetzung mit dem traumatisierenden Ereignis voraus. So erfolgte bei dieser Generation der „Kriegskinder“ in diesen Jahren ein Boom an literarischen Verarbeitungen von Kriegserlebnissen, die zumindest für die Betroffenen eine Art Selbsttherapie bedeutete.
Aus den genannten Forschungsergebnissen lässt sich schließen, dass es sich bei Traumata durch „Beschneidung“ ähnlich verhält – wenn nicht schlimmer. Denn anders als bei den geschilderten, vorwiegend psychisch verankerten Ereignissen ist hier durch die körperliche Beeinträchtigung ein persönliches Verdrängen so gut wie unmöglich, der Leidensdruck vermutlich entsprechend eher höher.
Die im Thread „Traurige Allianzen“ dokumentierten persönlichen Zeugnisse, die Bereitschaft zu solchen „Bekenntnissen“, welche die Überwindung zahlreicher psychischer Hindernisse voraussetzt, verweisen in diese Richtung. Daher sei Bronski an dieser Stelle noch einmal für diese Möglichkeit gedankt.
Freilich ist mit einer solchen einmaligen „Aussprache“ der oben genannte Teufelskreis nicht außer Kraft gesetzt. Insbesondere beseitigt sie nicht den Verdrängungsmechanismus der für das traumatisierende Ereignis Verantwortlichen, auf die Sie in Ihrem Beitrag vom 3.12.,19:34 im Nachbar-Thread eindrucksvoll verwiesen haben.
Es ergibt sich eine weitere Parallele: Auch die Beschäftigung mit Kriegstraumata war bzw. ist massiven Verdächtigungen ausgesetzt, so der Unterstellung, eine „Opferkonkurrenz“ entfalten zu wollen. Offenbar geboren aus der –durchaus zutreffenden – Befürchtung, dass die Beschäftigung mit diesem Thema (also die Bemühung, psychische Leiden – egal welcher Herkunft – ernst zu nehmen) geeignet ist, auch „Riten“ und „Traditionen“ in Frage zu stellen. Genauer gesagt: deren „narkotisierende“ Wirkung (um im Bild zu bleiben). Eben darauf sind sie zur Aufrechterhaltung aber angewiesen.
Dies gilt im Falle der „Beschneidung“ in erhöhtem Maße: Ist eine persönliche Verdrängung unmöglich, muss die sozial bedingte an deren Stelle treten. In der Form, dass der Betroffene durch Akzeptanz solcher „Riten“ und „Traditionen“ Linderung erfährt und damit den circulus viciosus wieder vervollständigt.
Die aggressive Abwehr solcher Beschäftigung liegt demnach in der Natur der Sache und ist nicht erst hier zu beobachten. Ein Sachverhalt aber, den man gelassen sehen kann angesichts der Tatsache, dass selbst Friedensnobelpreisträger (-innen), die sich für Kinderrechte einsetzen, massiven Angriffen ausgesetzt sind (Gleiches gilt für Ärzte in Afrika).
Eine Ihrer Äußerungen möchte ich dennoch relativieren:
Ich meine nicht, dass die „nicht beteiligte Zivilgesellschaft“ für die Überwindung solcher Traumata den Ausschlag gibt. Sie schafft m.E. lediglich die Rahmenbedingungen dafür.
Entscheidend dürfte wohl der Mut und die Befähigung der direkt Betroffenen sein, sich den eigenen Traumata zu stellen, sich ihrer Weitergabe zu entziehen und so den „Teufelskreis“ zu durchbrechen.
@bronski
Es geht nicht darum, meine Sicht der Dinge zu stützen. Ich bin Herrn Wasmund gegenüber nicht bringschuldig. Wenn er für seine Sache wirksam streiten will, muß er sich auch mit den Argumenten der Gegenseite beschäftigen, und zwar in ausreichender Weise. Er tappt sonst in die Falle seiner Einseitigkeit in der Faktenwahrnehmung und wundert sich, daß er am Ende unterlegen ist. Zudem ist nicht von der Hand zu weisen, daß Herr Wasmund (wie andere seiner Mitstreiter(Innen) auch, ihren Standpunkt aus einer relativen Uninformiertheit heraus entwickelt haben. Ich sehe es jedenfalls so, denn ich komme ja zu einem anderen Resultat. Aus diesen Gründen, nicht zuletzt auch aus pädagogischen, gibt es keine andere Wahl, als daß sich Herr Wasmund selbst auf die Entdeckungsreise begibt.
PS Das Grundproblem scheint mir zu sein, die die Mitglieder der Bewegung so extrem überzeugt sind von der Richtigkeit ihrer Sicht, daß sie allen Selbstzweifel so gut wie ausgerottet haben. Wenn das Kern im Selbstverständnis der Bewegung ist, und ich sehe es als Kern, dann argumentiert man in Abwehrflexe hinein. Daher auch die so einhelligen bis wütend zu nennenden Zurückweisungen, die meine Beiträge hier erfahren haben.
Danke Bronski für den Beistand.
V. Grebe, ich wollte Sie nicht als “Brötchenlieferant” einsetzen. Ich wollte nur verhindern, Ihnen die Befürwortung irgendeiner Maßnahme zu unterstellen, die Sie überhaupt nicht als rechtfertigend ansehen. Andere als von Ihnen selbst erstellte Listen beinhalten dieses Risiko.
Wer sich einen Überblick über Maßnahmen ohne medizinische Indikation machen will, die immer wieder als eingriffsrechtfertigender Vorteil angeführt wurden, dem ist zunächst die von Holm Putzke verfasste Festschrift für Rolf Dietrich Herzberg empfohlen.
http://www.holmputzke.de/images/stories/pdf/2008_fs_herzberg_beschneidung.pdf
Dort wird ab Seite 688 die Frage aufgeworfen „Fraglich ist, inwieweit ein nicht notwendiger, vielmehr rein vorsorglicher Eingriff als gerechtfertigte Heilbehandlung gelten kann.“, die in dem Ergebnis mündet „Eine der reinen Vorbeugung dienende Zirkumzision ist demnach grundsätzlich keine Heilbehandlung. Ein solcher Eingriff entspricht nicht dem Kindeswohl, weshalb eine Einwilligung der Personensorgeberechtigten unwirksam ist, also nicht rechtfertigend wirkt.“
Weiterhin der aktuelle Vortrag von Prof. Dr. Maximilian Stehr. http://genitale-autonomie.de/videos-der-vortraege/stehr/index.html Auch dieser kommt zu dem Ergebnis, dass eine Beschneidung an gesunden Kindern wegen fehlender Vorteile nicht zu rechtfertigen ist.
Die Definition des jetzt bestehenden § 1631d BGB legt „das Recht, in eine medizinisch nicht erforderliche Beschneidung“ fest. Dass die Beschneidung nach § 1631d BGB erforderlich sein könnte, um irgendeine medizinischen Vorteil zu erreichen, ist also logisch ausgeschlossen. Dieser Paragraph wurde geschaffen, um Zielsetzungen zu ermöglichen, die frei von jeder medizinischen Vorteilsargumentation sind.
Der medizinische und kindeswohlverletzende Schaden durch die Beschneidung tritt hingegen immer ein. Nachweis: http://frblog.de/traurige-allianzen/#comment-33228
@ V.Grebe
Das Problem ist, dass Sie keine Argumente bringen. Sie bringen Behauptungen, und wenn Sie aufgefordert werden, diese mit Argumenten zu stützen, sagen Sie: Recherchiert doch selbst? Merkwürdiger Stil. Dabei würde mich wirklich interessieren, wie Sie Ihre Haltung argumentativ untermauern.
Was die Wut der Beschneidungsgegner betrifft: Damit habe auch ich meine Erfahrungen. Trotzdem scheint es mir, als hätten diese die besseren Argumente.
V. Grebe, wenn Sie grundsätzlich verweigern, Ihre Behauptungen belegen zu wollen, könnte man vermuten, Sie wüssten möglicherweise, dass Ihre Behauptungen unwahr sind. Ich sähe es ungern, wenn Sie Ihrer Reputation derart schaden. Auch Ihrem Anspruch, aus „Gründen [zu handeln, die] nicht zuletzt auch aus pädagogischen“ Zielsetzungen bestehen, entziehen Sie damit jede Grundlage.
Ich stimme Ihen zu, daß der Mut der direkt Betroffenen, sich dem eigenen Trauma zu stellen, entscheidend ist. Die Rahmenbedingungen dafür sind aber ein offenes Klima. Das meinte ich mit der von mir postulierten „nicht beteiligte Zivilgesellschaft“. Wenn die Deutungshoheit bei den Gemeinschaften derer bleibt, die das Ritual weiterführen wollen, und diejenigen, die traumatisiert wurden, so behandelt werden, als seien sie mit ihren Problemen „allein auf der Welt“, dann wird die Bearbeitung des Traumas schwierig. In dem Moment, wo die Rahmenbedingungen so sind, daß man ergebnisoffen über das reden kann, was man empfindet und was einem geschehen ist, wird es für die Betroffenen leichter. Diese Rahmenbedingungen werden nicht die beteiligten Glaubensgemeinschaften schaffen.
Danke Werner Engelmann für die vielen Fragen und die sehr interessanten Analysen. In Bezug auf die juristischen Frage fühle ich mich natürlich irgendwie angesprochen. 😉
Ich greife daher folgende Fragestellungen auf:
– Wie ist der genannte Widerspruch juristisch zu bewerten?
– Wie ist die Abwägung „Elternrecht“ und „Religionsfreiheit“ vs. „Menschenrecht“ juristisch und menschlich zu bewerten?
Zunächst möchte ich mich von den Ausführungen dieses Dr. Kahl in aller Deutlichkeit distanzieren. Ein Erziehungsrecht, wie es diesem Mann vorschwebt, wäre ein Rückfall in eine staatliche Reglementierungsmacht, wie sie etwa in Diktaturen üblich ist. Einem demokratischen Staat ist es grundsätzlich eigen, verfassungsrechtlich zu garantieren, dass Eltern ihre Kinder nach ihren eigenen Wertvorstellungen erziehen dürfen und der Staat diese Werte keinesfalls vorgeben darf. Doch wo liegen die Grenzen?
Obwohl vom Fach, möchte ich jemand anderen zu Wort kommen lassen, nämlich den Vorsitzenden Richter des 2. Strafsenats des BGH, Prof. Dr. Thomas Fischer. In dem von ihm herausgegebenen Kommentar zum Strafrecht, der praktisch von allen Juristinnen und Juristen Deutschlands benutzt wird, führt Fischer zunächst aus, dass die in Abwägung zu bringenden Grundrechte diejenigen von zwei Personengruppen sind – nämlich die der Eltern (Religionsfreiheit, Erziehungsrecht) und die des Kindes (er geht nur auf das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit ein, während der in dieser Kammer beisitzende Richter Dr. Eschelbach auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht, die sexuelle Selbstbestimmung und – sehr wichtig – die verletzte Menschenwürde der Jungen anspricht). Es geht als NICHT um religiöse Ansprüche des Kindes. Das Kind ist eine andere Person als die Eltern und damit ein „Dritter“ im rechtlichen Sinne. Also muss man sich fragen, ob die eigene Religionsfreiheit dazu befugt, einem Dritten einen Teil vom Körper abzuschneiden. Hierzu führt Fischer aus:
§ 223 StGB Rdnr.45a
„(…) Ebenso unzutreffend ist die Gegenüberstellung des Rechtsguts der körperlichen Unversehrtheit (Art 2 II GG) und der Religionsfreiheit (Art. 4 I GG). Denn weder haben wenige Wochen oder Monate alte Kinder eine Religion, noch vermögen sie verantwortlich hierüber oder über ihre Rechtsgüter zu bestimmen. Es geht vielmehr um Rechtsgüter und Interessen verschiedener Rechtsgutinhaber. Eine „Abwägung“ zwischen der Religionsfreiheit von Gläubigen und der körperlichen Integrität von (noch nicht) Gläubigen gibt es nicht, denn das Grundrecht auf Religionsfreiheit rechtfertigt keinesfalls absichtliche Körperverletzungen an Dritten. Daher darf z.B. niemand eigene oder fremde Kinder mit religiösen Bildern tätowieren (lassen) oder sie zur Austreibung von Teufeln physisch quälen.(…)“
Das ist also relativ eindeutig. Religionsfreiheit endet, wie es Prof. Reinhard Merkel (Universität Hamburg) so schön auf den Punkt brachte, an der Nase des anderen (auch hier wird von körperlicher Unversehrtheit gesprochen, nicht von Bagatellen wie etwa der Taufe und nicht von Wertvorstellungen).
Nun sind also die einzelnen Grundrechte miteinander in Abwägung zu bringen; ein Vorgang, den Juristen manchmal als „praktische Konkordanz“ bezeichnen. Dabei hat man sich vor Augen zu halten, dass wir über die Entscheidung der Eltern sprechen, ihrem Kind etwas vom Körper abzuschneiden, was nicht mehr nachwächst.
Rdnr.48
„Das Argument, beim Beschneiden handele es sich um „Religionsausübung“, ist unzutreffend: Aus Art.4 GG ergibt sich kein Anspruch, den eigenen religiösen Glauben durch medizinisch sinnlose, im Einzelfall riskante Verstümmelungen anderer Menschen zu praktizieren. Mit Religion hat die Frage daher nur mittelbar zu tun. Da ein Bezug zur Religionsausübung (oder Nicht-Ausübung) der betroffenen Kinder selbst fehlt (aA Schwarz JZ 08, 1125, 1128), weil diese gar nicht religionsmündig sind, geht es in Wahrheit allein um eine „Abwägung“ zwischen der körperlichen Integrität von Kindern und dem Erziehungsrecht von Sorgeberechtigten. Ob diese ihren Erziehungsmaßnahmen religiöse, weltanschauliche, philosophische oder sonstige „Prinzipen“, Lehren oder Forderungen zugrunde legen, ist in den Grenzen des Rechts (…) ihnen überlassen und gleichgültig, Religion spielt hierbei nur eine mittelbare Rolle. (…) Es geht [beim Erziehungsrecht] nicht um Verwirklichung der Selbstbestimmung der Sorgeberechtigten, sondern um das Kindeswohl (§ 1631 I, § 1666 BGB); dieses ist aber nicht eine Mischung aus elterlicher Selbstverwirklichung, Glaubens- und Weltanschauungsfreiheit bei staatlicher Notzuständigkeit, sondern eine eigenständige, an der physischen und psychischen Integrität des kindlichen Individuums ausgerichteten Position. (…)“
Ich denke, dass Prof. Fischer die einzelnen Prinzipien hier sehr deutlich und gut verständlich herausgearbeitet hat, daher habe ich mich für eine Zitierung entschieden. Wir haben also zwei Rechtsgüter, auf die sich Eltern berufen können: nämlich Religionsfreiheit und Erziehungsrecht. Die Religionsfreiheit geht aber niemals so weit, andere Menschen körperlich verletzen zu dürfen. Im Falle der Zeugen Jehovas (Bluttransfusion) oder Naturreligionen spielen religiöse Ansichten oder alte Traditionen überhaupt keine Rolle, wenn es um die Frage geht, ob einem Kind eine gefährdende und/oder verletzende Handlung zugefügt wird oder nicht.
Das Erziehungsrecht geht im Grunde sehr weit, vor allem viel weiter, als es einem Dr. Kahl und seiner Anhängerschaft lieb sein mag. Der Staat kann und darf nicht entscheiden, welche Wertvorstellungen gut für ein Kind sind und welche schlecht. Und ob das Kind nun Mitglied einer Glaubensgemeinschaft oder eines Fußballvereins wird: Eltern treffen prinzipiell viele Entscheidungen im Rahmen ihres Erziehungsrechts. Sowohl aus der Kirche als auch aus dem Fußballverein wird das Kind später austreten können.
Die Amputation von gesundem Körpergewebe, noch dazu im intimsten Bereich, gehört hingegen keinesfalls mehr in einen Rahmen, der vor Inkrafttreten des § 1631d BGB in irgend einer Weise gerechtfertigt oder gesetzlich gedeckt gewesen wäre. Und im Moment? § 1631d BGB ist verfassungswidrig und die Einwilligung der Eltern in diese Prozedur dürfte zumindest als sittenwidrig einzuordnen sein. Die Rechtswissenschaft diskutiert die Thematik heiß. Klar ist jedoch, dass es sich bei diesem Paragraphen um einen Fremdkörper in unserem bisherigen Rechtssystem handelt, um einen Rückschritt von allem bislang Erreichten, um eine Umkehrung aller Prinzipien, wie wir sie bislang kannten.
Ich hoffe, das war nicht zu akademisch und einigermaßen gut zu verstehen. Fragen hierzu beantworte ich gerne.
Sehr schön und interessant finde ich allerdings auch den von Ihnen ins Spiel gebrachten psychologischen Ansatz.
@Bronski,
Herr Wasmund freut sich über Ihre Unterstützung. Ja, das freut mich auch für ihn. Aber im Ernst, lieber Bronski, ein schöner Versuch, mich zu provozieren. Sie wissen natürlich, daß ich hier Einschätzungen bringe, Meinungen, Argumente, Empfehlungen. Und alles speist sich aus einer Vielzahl von Beobachtungen, Umständen, Fakten und Ereignissen. Zuviele, als hier auch nur im Ansatz dargstellt werden zu können. Und zu einer Lebensbeichte wollten Sie mich doch wohl nicht auffordern, oder ? Also, nicht ernst gemeint, aber schöner Versuch.
Allerdings, recherchiert habe ich über die reißerische Verwendung der Begriffe „Amputation“ und „Verstümmelung“. Das Resultat ist, die Verwendung ist sachlich inkorrekt damit reißerisch.
Ganz allgemein, Bronski. Die Übersichtlickeit leidet, wenn Unterdiskussionen dieses Umfangs laufen. Wenn irgendjemand irgendwo noch einen Kommentar als „Antwort“ nachschiebt, kriegt man das doch gar nicht mit. Ich schließe die Unterdiskussion für mich hier jetzt ab.
Danke für Ihre Kritik. Mir geht es ums Thema, nicht um Sie als Person. Es geht auch nicht darum, Sie zu provozieren. Für derlei Spielchen ist dieses Thema viel zu ernst. Zudem ist die Diskussion über Beschneidung als Prophylaxe keine „Unterdiskussion“, sondern von zentraler Bedeutung für das Thema. Ich hätte Ihre Position gern besser verstanden. Das ist alles.
Vielleicht interessiert es hier, daß ich die Beschneidung mal ursprünglich ziemlich kompromißlos abgelehnt habe (abgesehen von therapeutisch notwendigen Circumcisionen). Als regelmäßiger Leser der Kommentare der BBC („Have Your Say“) bin ich dann auf das Thema „Beschneidung“ aufmerksam geworden und habe die Beiträge einer weltweiten Leserschaft verfolgt. Zunächst waren die Kommentare dominiert von einem regelrechten Verriß der Beschneidungspraxis, und zwar insbesondere mit dem Zusatzziel, mit der Diskreditierung der Beschneidung die Religion(en) selbst zu diskreditieren. Dann aber meldeten sich empört die Gescholtenen und Beschnittenen zu Wort, indem sie eine Gegensicht darlegten, gespickt mit Hinweisen auf gesundheitliche Vorteile der Beschneidung, unterlegt auch mit persönlichen Zeugnissen über selbstempfundene sexuelle Vorteile der Beschneidung. Einhellig war die Empörung darüber, einer Diffamierungskampagne ausgesetzt zu sein, die aus einem kulturellen Bereich stammt, in dem es eine Beschneidungstradition nie gegeben hat. Wer will, lese bei der BBC nach.
Ich bin dann nachdenklich geworden, habe gelesen und recherchiert, und bin zu der Überzeugung gekommen, daß wir die Beschneidungstraditionen von Juden und Muslimen zu tolerieren haben. Und zwar unabhängig davon, was wir für uns individuell selber wünschen. Heutzutage lassen sich die Effekte der kindlichen Beschneidung auf die Gesundheit von Männern und Frauen bestens beschreiben, denn es stehen riesige Vergleichskollektive zur Verfügung. Unser abendländisches Problembewußtsein bezüglich von Erkrankungen der Vorhaut und ihren Folgen für Männer und Frauen erschien und erscheint (massiv) unterentwickelt, weil als Tabuthema behandelt, während jüdisch-muslimische Traditionen diese Dinge längst aus der Schmuddelecke geholt und sogar in das reinigende Licht religiös begründeten Erfordernisses gehoben hatten. Es ist evident, daß mit dem Finger, der auf die jüdische Beschneidungstradtion in Europa gerichtet war, die Juden sich als ethnisch-religiös definierte Gemeinschaft selbst gemeint fühlen mußten.
In der Beschneidungskritik ist das anti-jüdisch-anti-muslimische Moment von allen anderen kritischen Aspekten nicht (mehr) zu trennen. Die Anti-Bewegung hat die größte Dummheit begangen, die sie nur begehen konnte. Sie hat gegen Religion selbst agitiert, Religion gemeint, wenn sie ihre „Stehreotypen“ und „Putzkisten“ sprechen ließ. Wer soll es ihr denn abnehmen, Religion neuerdings nicht mehr zu meinen, wenn weiter gegen Beschneidung agitiert wird ? Niemand selbstverständlich, und am allerwenigsten Juden und Muslime ! Wenn Ärzte, die sich zur Anti-Bewegung zählen, nicht in der Lage sind, einem wissenschaftlich abgesicherten Vergleich beschnittener und unbeschnittener Großkollektive das Wort zu reden und deren Ergebnisse dann sprechen zu lassen, dann stimmt etwas nicht mit der deutschen „Schrumpelperspektive“.
Mäßigung, Mäßigung, Mäßigung. Verbal abrüsten, leiser auftreten, Maximalismus abschwören, sich nicht als Weltretter aufspielen. Und dergleichen mehr. Und da schrauben sie sich empor, die Weltmeister im Empören, und schon wird die Beschneidung des jüdischen Säuglings mit einem Kriegstrauma verglichen ? Geht mal raus in die Welt und lernt Bescheidenheit. Erst dann kommt zurück.
Zitat: ‚Unser abendländisches Problembewußtsein bezüglich von Erkrankungen der Vorhaut und ihren Folgen für Männer und Frauen erschien und erscheint (massiv) unterentwickelt,…‘
Sie haben also Daten die von gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch die Vorhaut zeugen?
Interessant, vor allem da die europäischen Ärtzte diese nicht zu kennen scheinen und Erwachsene quasi nie beschnitten werden.
Welche sind denn das?
PS: Die Vorhaut ist der empfindlichste Teil des Penis, das ist ja messtechnisch nachgewiesen und sie haben sich ja informiert, darum gehe ich davon aus das sie dieses Faktum in ihre Abwägung einbezogen haben.
Gehört diese Information nach ihrer Meinung in die Patientenaufklärung vor dem Eingriff?
Und glauben sie das dieser Aufklärungspflicht genüge getan wird?
Ich habe auch die internationalen Medien während der Debatte verfolgt. The Guardian, The Washington Post, The New York Times, BBC, CNN, The Times Of Israel, Haaretz und viele, viele mehr. Wo waren denn da bitte antisemitische und antiislamische Kommentierungen? Hab nie welche gesehen. Wirklich nie. Ich bitte daher höflichst um Nachweise konkreter Natur.
Ein paar Anti-Theisten haben die Debatte für ihre Ansichten genutzt, als das Thema aufkam. Na und? Wie Herr Körting weiter oben vollkommen richtig bemerkte, sind von den 70% der deutschen Bevölkerung, die die Legalisierung der Vorhautamputation von Minderjährigen ablehnen, die wenigsten areligiös. International wird das nicht anders aussehen. Eine Verallgemeinerung diesbezüglich ist logisch nicht nachvollziehbar.
„…diese Dinge längst aus der Schmuddelecke geholt und sogar in das reinigende Licht religiös begründeten Erfordernisses gehoben hatten“
Das reinigende Licht…
Herr Grebe, das ist irgendwie schade.
Ab da kann man Sie nicht mehr so ganz ernst nehmen.
Zu Beitrag V. Grebe 12. Dezember 2014 10:26
Meine Wahrnehmung der Entwicklung der öffentlich geführten Beschneidungsdebatte war und ist eine andere. Die überwiegende Zahl an Presseartikel sind pro Beschneidung. http://www.zwangsbeschneidung.de/presse.html
Da Sie den Begriff „Putzkisten“ verwenden (wie originell und sachlich) sollen auch zwei Auftritte betrachtet werden, an denen Prof. Dr. Holm Putzke teilnahm.
1. Phönix-Diskussion vom 4. Juli 2012 https://www.youtube.com/watch?v=welh43izX0A
Die Verfolgung des „Zusatzziel[s]“ die Religion(en) selbst zu „diskreditieren“ kann ich hier nicht erkennen. Putzkes Darstellungen und Meinungsäußerungen sind im Einhalten des Rahmens der Sachlichkeit kaum zu überbieten. Selbst als er auf die speziell im Judentum bewusst betäubungslos durchgeführte Beschneidung hinweist, die Prof. Dr. Reinhard Merkel als „nicht nur schmerzhaft, sondern qualvoll“ sowie als „rechtlich wie ethisch inakzeptabel“ einstuft, wird der Zustand emotionaler Unaufgeregtheit keine Sekunde verlassen.
Merkel: http://www.ethikrat.org/dateien/pdf/plenarsitzung-23-08-2012-merkel-ppt.pdf
Den mehrfachen Hinweis von Holm Putzke auf die „nicht nur schmerzhaft[e], sondern qualvoll[e]“ und „rechtlich wie ethisch inakzeptabel[e]“, speziell jüdisch-religiös motivierte, betäubungslose Beschneidung kommentiert der Jude Rafael Seligmann mit einem „Na und?“.
2. Anne Will, „Streit ums Beschneidungs-Urteil – Religionsfreiheit ade?“ (11.07.2013)
An dieser Sendung nahm Holm Putzke ebenfalls Teil. Auch dort kann sein Auftreten nur als herausragend beispielhaft für ein thematisch sachliches und emotional neutrales Argumentationsverhalten gewertet werden.
https://www.youtube.com/watch?v=XrjA0YMeHHA
Sehen wir uns im Gegenzug das Verhalten religiöser Beschneidungsbefürworter an. Den Tiefpunkt des Vorstellbaren erreicht sicher Rabbiner Ehrenberg, wenn er auf der Berliner Veranstaltung “Auf Messers Schneide”, nachdem er auf die Vernichtung von Kindern in einem Konzentrationslager Bezug genommen hat, folgendes sagt: „…bis dass die Kinder erwachsen sind, bis 18 dann die wollen alleine Entscheidung, ob die wolle Briz oder nicht, das ist in der Religion noch schlimmer als physische Vernichtung.“ http://gbs-berlin.org/auf-messers-schneide-das-video/
Diese Veranstaltung hat auch Walter Otte kommtentiert http://hpd.de/node/14033 und spricht „die Totalverweigerung gegenüber dem Rechtsstaat“ an. Auch er sieht fast nichts als pauschalierende Diffamierung der Beschneidungskritiker.
Möglicherweise „diskreditieren“ Mitglieder von Religionsgemeinschaften ihre eigene Religion ja vorwiegend selbst?
§ 1631d BGB ist religiös motiviert zustande gekommen. Er soll ein verfassungswidriges religiöses Ritual erlauben. Die Befürwortung von § 1631d BGB wird von allen Religionsvertretern geteilt. Juden, Muslime, katholische Christen, evangelische Christen. Für mich ist daher natürlich auch die Frage zwingend, aus welchem religiösen Mechanismus heraus es möglich ist, die Menschenwürde außer Kraft zu setzen. Und die anschließende ebenso zwingende Frage: Kann dieser Mechanismus dann auch andere rechtsstaatliche Regeln eliminieren oder den gesamten Rechtsstaat angreifen?
Das Zustandekommen und der Inhalt von § 1631d BGB, der in Abs. 2 einen ausdrücklichen religiösen Bezug enthält, verknüpfen diesen Paragrphen objektiv mit der Religion. Wer ein Verbot von § 1631d BGB fordert, fordert auch ein Verbot der korrelierenden religiösen Handlung. Dass hier nicht das Kindeswohl, sondern die Religionskritik im Vordergrund steht, habe ich schon hier zurückgewiesen. http://frblog.de/traurige-allianzen/#comment-33205
@ Dr. Birgit Pabst 11.12.,18:22, Maria Werner 11.12., 21:13
Danke für Ihre Antworten, vor allem die ausführliche Stellungnahme von Maria Werner, auch die rückblickenden Links von Steffen Wasmund, die m.E. keiner Kommentierung mehr bedürfen. Ich möchte lieber nach vorne schauen. Sehr nachdenklich machen mich allerdings neuere Tendenzen mit deutlichem Kulturkampfcharakter, wie unter http://www.zwangsbeschneidung.de einzusehen ist.
Dr. Birgit Pabst:
Ich stimme völlig mit Ihnen überein. Das Gefühl der Isolierung Betroffener zu durchbrechen, war u.a. meine Absicht. Bez. der „Deutungshoheit“ der „Gemeinschaften, die das Ritual weiterführen wollen“ wäre m.E. zur Klarstellung hinzuzufügen, dass diese nicht von einer religiösen „Gemeinschaft“ an sich okkupiert wird, sondern von fundamentalistisch orientierten Interessenvertretern, die sich zu deren Sprecher aufschwingen. Wichtiger als diese für einen anzustrebenden Dialog erscheinen mir aufgeschlossene Vertreter z.B. des Judentums, wie der von Walter Otte zitierte Dr. Tuvia Ben-Chorin. (Link Steffen Wasmund: http://hpd.de/node/14033)
Näher zu bestimmen wäre auch, was mit „offenem Klima“ gemeint ist. Es kann m.E. nur heißen, einen sachlichen, nicht diskriminierenden Dialog mit Andersmeinenden zu führen, der aber nicht „ergebnisoffen“ in dem Sinne sein kann, dass Menschenrechte im Sinne partikularer Sicht bestimmter Religionsvertreter zur Disposition stehen könnten.
Maria Werner:
Zugegeben, es ist als Nicht-Jurist nicht ganz einfach, die konkrete Bedeutung hinter den fachwissenschaftlichen Formulierungen zu erkennen. Dennoch ist es verständlicher als vieles, was sonst zu lesen ist.
Wichtig erscheint mir der Hinweis von Prof. Fischer: „Religion spielt hierbei nur eine mittelbare Rolle.“ Ich werde dennoch den Verdacht nicht los, dass es sich bei § 1631d BGB um ein Sondergesetz handelt, das dem Missbrauch von Bestimmungen wie „Elternrecht“ im Sinne bestimmter dogmatisch-religiöser Sehweisen (und nicht nur diesen) Tür und Tor öffnet.
Es wäre daher hilfreich, wenn Sie sich dazu äußern könnten, was Sie unter „Fremdkörper in unserem bisherigen Rechtssystem“ verstehen.
Ein weiteres Problem scheint mir die juristische Fixierung auf Detailfragen. Es ist wohl kein Zufall, dass die Rechtfertiger der Beschneidungspraxis (so unter obigen Link zur Zwangsbeschneidung einzusehen) sich mit Vorliebe darauf stürzen (so etwa die medizinisch „korrekte“ Durchführung), entscheidendere Aspekte wie langfristige Traumatisierung aber völlig außer Acht lassen. In dieser Weise lassen sich „Elternrecht“ und juristisch Formulierungen sehr wohl in dogmatisch-religiöser Hinsicht instrumentalisieren.
Eben dies meine ich mit meinem Hinweis auf „umfassende Kenntnis und Berücksichtigung aller Aspekte“ (10.Dez.11:10), und zwar nicht nur bei Elternberatung, sondern mehr noch bei gesetzlichen Festlegungen und Deutungen. Und langfristige, gar lebenslange Auswirkungen erscheinen dabei bedeutsamer als die Diskussion um schmerzreduzierende Durchführung.
Ich schätze diesen Blog u.a. deshalb, weil er Möglichkeiten bietet, nicht nur solche u.a. essentielle Fragen zu erörtern, sondern sich auch mit Gegenpositionen zu konfrontieren. Und ich sehe seine Funktion u.a. darin, Möglichkeiten und Grenzen für einen sinnvollen gesellschaftlichen Dialog zu eruieren und ggf. Beispiele dafür zu liefern. Dazu bedarf es freilich auch eines seriösen, Gegenpositionen vertretenden Gegenübers.
Als jemand, der sich bereits an der ersten Diskussion zu diesem Thema hier im Blog beteiligt hat, bin ich mir der Grenzen bewusst. Als Beispiel möchte ich die Diskussion mit Herrn Abraham nennen (den ich besonders wegen seiner Kompetenz immer noch schätze), leider nur noch teilweise rekonstruierbar, da Herr Abraham letztlich die Entfernung aller seiner Beiträge verlangt hat.
So hat er, bez. der Bedeutung der Brit Mila für die Aufnahme in die jüdische Gemeinschaft, darauf verwiesen, dass diese bei Mädchen in Form der Namensgebung „Sarah“ erfolgt. Von mir wiederholt befragt, warum ein ähnliches Verfahren bei Jungen nicht möglich erscheine, blieb er mir leider die Antwort schuldig. Dabei scheint die von Victor Schiering eingangs angesprochene und in jüdischen Kreisen diskutierte „Brit Shalom“ in eine ähnliche Richtung zu gehen.
In diesem Zusammenhang ein Wort an Bronski:
Erscheint es Dir nicht möglich, Herrn Abraham (der ja weiterhin Leserbriefe schreibt) wieder als Gesprächspartner für diesen Blog zu gewinnen? Es wäre sicherlich für alle ein Gewinn.
Abschließend ein Link zur Reflexion für Leute, die meinen, mit der Veränderung der Brit Mila das Ende des Judentums beschwören zu müssen:
Ein Bild von Max Ernst aus dem Jahr 1926, genannt „Maria züchtigt das Jesuskind vor 3 Zeugen“. Dieser künstlerische Verweis auf Historizität, also die Einbettung christlich-religiöser Vorstellungen in gesellschaftliche Zusammenhänge, rief damals freilich Proteste bestimmter christlicher Kreise hervor. Aber das Christentum hat es überlebt.
http://www.bildindex.de/obj05020089.html#|home
Vielen Dank für Ihre positive Rückmeldung, ebenso für Ihre offenbar kritische Anmerkung zu meinen Seiten.
Den Begriff „Kulturkampfcharakter“ kann ich hier natürlich nicht gelten lassen. Als Kritik kann er sich nur auf die unterstellte Zielsetzung beziehen, diesen Kulturkampf herbeiführen zu wollen. Denn als echter Demokrat und Gegner von politisch motivierter Zensur würden Sie natürlich niemals verlangen, das Aufzeigen und Darstellen tatsächlich existierender Anzeichen eines objektiv vorhanden Kulturkampfes zu unterdrücken.
Der Begriff „Kulturkampfcharakter“ kann von jedem Leser mit beliebigen, seinen eigenen Zielen dienenden Attributen bestückt werden. Bspw. mit der Unterstellung fehlerhafter Grundlagenbehauptung, oder der unterstellten fehlerhaften Schlussfolgerung innerhalb einer Argumentation oder mit der Behauptung, menschenrechtswidrige Zielsetzungen zu verfolgen.
Diese beliebig erweiterbare Sammlung von Unterstellungen eignet sich dann auch ganz vorzüglich, um jedes beliebige Ziel zu erreichen, bspw. ein Verbot der Kritik an der Beschneidung nach § 1631d BGB.
So forderte der Strafrechtler Prof. Dr. Reinhard Böttcher auf dem 70. Deutschen Juristentag im Rahmen der Diskussion um die Beibehaltung des § 166 StGB: „Ein richtig verstandener innerer Friede sei beispielsweise auch dann bedroht, wenn hierzulande Kampagnen gegen jüdische oder muslimische Glaubensriten initiiert würden. Denn der innere Frieden, so Prof. Dr. Reinhard Böttcher, sei nicht nur dann gefährdet, wenn Gewalt drohe. Vielmehr sei auch ein Kernbestand von existenzieller Sicherheit für die Angehörigen von Weltanschauungen zu gewährleisten.“
http://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__166.html
http://www.djt.de/nachrichtenarchiv/meldungen/artikel/abteilung-strafrecht-kultur-und-religion/
Die öffentlich dargestellte Kritik an der Beschneidung, bspw. im Internet, könnte dann mit bis zu drei Jahren Haft bestraft werden. Dies bewerte ich in der Tat als Angriff auf die rechtsstaatliche „Kultur“. Und meine Frage: „Kann dieser Mechanismus dann auch andere rechtsstaatliche Regeln eliminieren oder den gesamten Rechtsstaat angreifen?“ scheint mir berechtigt zu sein.
http://frblog.de/rund-um-das-thema-beschneidung/#comment-33380
Siehe auch https://www.beschneidungsforum.de/index.php?page=Thread&threadID=5216
Danke für Ihre Hinweise und Klarstellung. Sie scheinen meinen, zugegeben verkürzenden Begriff des „Kulturkampfcharakters“ in seinem Bezug missverstanden zu haben. Ich verzichte auch gern darauf, wenn er die Diskussion behindert.
Diese Assoziation bezog sich auf die in „Zwangsbeschneidung.de“ angesprochenen Forderungen der Legalisierung und Anwendung auch von Mädchenbeschneidung. Betroffen macht mich dies insofern, als daran deutlich wird, dass die Ausweitung und Instrumentalisierung der Problematik zu ideologisch bedingten Zwecken eben nicht nur in der emotionalisierten Debatte von 2012 erkennbar war, sondern auch weiterhin betrieben wird (wie ja auch der doppeldeutige Titel „Haut ab!“ erkennen lässt). Konkret: Dass es Kräfte gibt, die nicht – wie sie vorgeben – einen uralten „Ritus“ und „Tradition“ verteidigen, sondern damit auch machtpolitische Ansprüche verbinden, die an den „Kulturkampf“ zur Zeit Bismarcks erinnern, wo (nach Wikipedia) den Bestrebungen nach Trennung von Kirche und Staat (in Frankreich ja realisiert) wie folgt begegnet wurde:
„Religiöse Kräfte, die überwiegend der katholischen Kirche angehörten, stemmten sich dagegen; sie setzten sich für den Einfluss des Religiösen in Öffentlichkeit und Politik sowie einen Primat von Kirche und Religion über Staat und Wissenschaft ein.“
Das heißt: Es ist zu bezweifeln, dass manchen, die von „Religionsfreiheit“ reden und zugleich mit allgemeinen Verdächtigungen Öl ins Feuer gießen, überhaupt an einer Lösung gelegen ist (was sicher nicht für alle gilt).
Sich auf einen Scheindialog in dieser Richtung einzulassen, halte ich für kontraproduktiv. Daher auch mein Hinweis auf einen mit seriösen Gesprächspartnern zu führenden Dialog.
Einen wunderschönen Tag allerseits,
zunächst einmal möchte ich auf ein Thema eingehen, das hier schon mehrfach besprochen wurde, nämlich der Einfluß der Religionsgemeinschaften auf die Politik und die Besorgnis eines möglichen „Kulturkampfes“. Hierüber haben alle Beteiligten unterschiedliche Meinungen und ich vertrete nur meine persönliche Meinung. Zunächst einmal haben wir in Deutschland generell keinen rein säkularen Staat, was ich persönlich klar missbillige. Andererseits sehe ich keinen Grund zur übermäßigen Besorgnis oder Angst. In aller Regel muten wir es Religionsgemeinschaften zu, sich an die Grenzen des Rechts zu halten. So ist es etwa üblich, beim Bau einer Moschee den Muezzin-Ruf zu untersagen – was noch nicht zu größeren öffentlichen Konflikten geführt hat, wiewohl ja nun dieser Ruf – anders als die Vorhautamputation – im Koran gefordert wird. Bei allem zu missbilligendem Einfluß von Religionsgemeinschaften auf den Staat sehe ich auch keinen Grund, jetzt die Nerven zu verlieren. Das Legalisierungsgesetz kam eindeutig unter dem Eindruck zustande, dass man in Deutschland, einem Land, in welchem die Shoah stattgefunden hatte, keine Juden mehr strafrechtlich verfolgen wollte wegen einer Handlung, die in dieser Gemeinschaft allgemein üblich ist. Ich denke, das ist unstreitig. Die Muslime dienten in der politischen Diskussion- und damit möchte ich keinen Moslem persönlich abwerten! – nur als Feigenblatt.
Nur informationshalber möchte ich an dieser Stelle darauf hinweisen, dass von Seiten der Beschneidungskritiker hauptsächlich gefordert wurde, über das Thema sachlich und dezidiert zu DISKUTIEREN. Bezüglich der Frage der Abtreibung von Frauen hatte man sich zwei Jahre Zeit gelassen, um die einzelnen Positionen zu erörtern. Hätte man einen zweijährigen Dialog an einem runden Tisch mit adäquaten Anhörungen von Experten zugelassen, anstatt dieses unselige Legalisierungsgesetz im Rahmen einer Sondersitzung zur Finanzkrise (!) mir-nichts-dir-nichts von der Stange zu brechen, so wäre dies ein Tor zur Aufklärung, national wie international, in nie gekanntem Ausmaß gewesen. Anliegend verlinke ich die entsprechende Pressekonferenz der Beschneidungskritiker zu dieser Forderung, die nach wie vor ausgesprochen sehenswert ist:
https://www.youtube.com/watch?v=J2bn-_-jbeo
Weiterhin beantworte ich gerne, so gut ich kann, die Frage von Herrn Engelmann:
„Es wäre daher hilfreich, wenn Sie sich dazu äußern könnten, was Sie unter „Fremdkörper in unserem bisherigen Rechtssystem“ verstehen.
Ein weiteres Problem scheint mir die juristische Fixierung auf Detailfragen. Es ist wohl kein Zufall, dass die Rechtfertiger der Beschneidungspraxis (so unter obigen Link zur Zwangsbeschneidung einzusehen) sich mit Vorliebe darauf stürzen (so etwa die medizinisch „korrekte“ Durchführung), entscheidendere Aspekte wie langfristige Traumatisierung aber völlig außer Acht lassen. In dieser Weise lassen sich „Elternrecht“ und juristisch Formulierungen sehr wohl in dogmatisch-religiöser Hinsicht instrumentalisieren.“
Zunächst einmal möchte ich etwas in den Vordergrund stellen, was uns allen geläufig ist, aber es ist hilfreich, sich diesen Punkt immer mal wieder vor Augen zu halten: nämlich die Tatsache, dass die Judikative völlig anders funktioniert als die Legislative. WIE dieses Gesetz zustandegekommen ist, ist letztenendes egal, wenn es dann um seine Anwendung durch die Gerichte geht. Das Gesetz selbst ist religiös neutral gehalten, auch wenn selbstverständlich die „Mohel-Klausel“ ausschließlich zur Absicherung des jüdischen Rituals der Brit Milah geschaffen wurde. Die Gerichte sind zudem an Gesetz und Recht gebunden. Richter können nicht einfach sagen, dass sie die Vorschrift nicht in Ordnung finden. Politik ist Sache der Legislative. Grundsätzlich haben sie die Norm anzuwenden und auszulegen. Unter bestimmten Umständen könnten sie in einem konkreten Fall, der vor Gericht anhängig sein muss, das Bundesverfassungsgericht mit einem sog. „Vorlagebeschluss“ anrufen zu der Frage, ob § 1631d BGB verfassungswidrig ist oder nicht. Man nennt diesen Vorgang „konkrete Normenkontrolle“. Dazu müssen aber zwingend sehr viele Voraussetzungen vorliegen, wie etwa diejenige, dass es auf diese Frage in einem Verfahren entscheidend ankommen muss. Wird die Befugnis zu einer Amputation aus anderen Gründen abgelehnt, darf der Vorlagebeschluss nicht erfolgen. Ich denke, es ist wichtig, das erst einmal alles zu verstehen und sich vor Augen zu halten.
Zusammengefasst haben wir also das Problem, dass die Politik – mit Unterstützung weiter Teile der Medien – eine sachliche Diskussion und valide Expertenmeinungen mit aller Gewalt unterdrückt hat und in diesem Rahmen die Befürworter der Amputation durchaus auf Detailfragen wie die „sachgerechte Ausführung“ des Eingriffs ausgewichen sind. Ja, in den Formulierungen spiegeln sich sehr wohl dogmatisch-religiöse Ansichten wieder. Zeitlich und gedanklich sollten wir das jedoch dem Rahmen der Legislative zuordnen.
Im juristischen Alltag setzt sich die Manipulation des Gesetzgebers dadurch fort, dass er die Regierungsbegründung bewußt (!) mit wissenschaftlich unhaltbaren Behauptungen ausstaffiert hat. Die Gerichte sind zwar an die Regierungsbegründung nicht gebunden, aber sie orientieren sich daran.
Wie sieht es nun aber im Alltag aus? Strafverfolgungen oder Ermittlungen werden gar nicht erst eingeleitet und die Minderjährigen können ihre Rechte nicht selbst geltend machen. Die werden durch die Sorgeberechtigten vertreten. Gerichtlich anhängig werden Fragen zu § 1631d praktisch überhaupt nicht.
Was passieren kann – und solch einen Fall betreue ich gerade – ist, dass ein Elternteil die Beschneidung vollziehen möchte und der andere nicht. Dann darf sie grundsätzlich nicht einfach so aus rituellen Gründen vollzogen werden und der Elternteil, der das durchsetzen will, beruft sich auf medizinische Schein-Argumente wie die „Phimose“. Das ist der Alltag. Von den Vorschriften her bewegen wir uns dabei ausschließlich im Rahmen des § 1666 BGB, also das Legalisierungsgesetz spielt keine wirkliche Rolle. Von der Faktenlage her bin ich in keiner Weise gehindert, Butter bei die Fisch zu geben. Letztlich entscheidet ein Sachverständiger über die „Phimose“, und das muss auch so sein, weil das Gericht keine medizinischen Sachverhalte beurteilen darf. Und der Sachverständige ist ein Arzt. Ein Urologe. Hier schließt sich der Kreis.
§ 1631d sorgt für eine subtile Rechtlosstellung des Jungen. Niemand macht etwas, niemand greift ein, niemand schützt das Kind. Juristische oder tatsächliche Einzelfragen kommen gar nicht erst auf den Tisch.
…ach so, warum verstehe ich das Legalisierungsgesetz als Fremdkörper im Rechtssystem? Weil § 1631 (ohne Buchstaben) bis dahin die gesetzliche Klarstellung einer langen gesellschaftlichen Entwicklung manifestierte dahingehend, dass Körperverletzungen kein Mittel des elterlichen Erziehungsrechts sind. Die Vorschrift lautet:
§ 1631 Inhalt und Grenzen der Personensorge
(1) Die Personensorge umfasst insbesondere die Pflicht und das Recht, das Kind zu pflegen, zu erziehen, zu beaufsichtigen und seinen Aufenthalt zu bestimmen.
(2) Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig.
(3) Das Familiengericht hat die Eltern auf Antrag bei der Ausübung der Personensorge in geeigneten Fällen zu unterstützen.
Nachtrag zu dem von mir weiter oben verlinkten Video der Pressekonferenz der Beschneidungskritiker im Jahre 2012:
Nicht jeder kann den englischsprachigen Ausführungen von Eran Sadeh (Protect The Chield, Israel) problemlos folgen. Daher verlinke ich hier noch eine Übersetzung seiner Rede auf deutsch:
http://pro-kinderrechte.de/statement-von-eran-sadeh/
Danke für Ihre ausführliche Antwort und den Link zur Stellungnahme von Erdan Saleh. An letzterem liegt mir noch mehr. Das möchte ich aber, verbunden mit historischen Aspekten, lieber auf einen zweiten Beitrag verschieben, um diesen nicht zu überfrachten.
Hier also erst mal zu § 1631d. Ganz klar sind mir die Widersprüche noch nicht. Ich versuche, die mir bedenklich erscheinenden Punkte zu benennen und bitte Sie mich ggf. zu korrigieren.
1. Verhältnis Gesetz – juristischer Alltag
„Gerichtlich anhängig werden Fragen zu § 1631d praktisch überhaupt nicht.“
Oberflächlich könnte man sagen: Dann ist ja alles klar, wozu die Aufregung?
Danach wäre die Bedeutung des Gesetzes und auch Diskussion darüber zu relativieren. Dies kann nicht die zentrale Frage sein. Relativierend wäre auch (ich hoffe, ich sehe das richtig), dass es weniger um die Regelung des Problems selbst geht als um die Festlegung der Umstände für Strafverfolgung. Insoweit könnte man dafür Verständnis haben.
Man kann aber auch fragen: Wozu dann ein Gesetz, das faktisch keine Folgen hat, und dazu noch im Schnellverfahren?
Danach hat sich der Bundestag in doppelter Weise unglaubwürdig gemacht: Erstens, da so der geltend gemachte Handlungsbedarf widerlegt ist, zweitens, weil er sich selbst als Gesetzgebungsorgan selbst schädigt, wenn er meint, gesetzliche Vorgaben für Probleme machen zu müssen, die vermutlich auf dem Gesetzgebungsweg gar nicht zu regeln sind.
2. Interne Widersprüche:
„§ 1631d sorgt für eine subtile Rechtlosstellung des Jungen.“
Ich sehe wie Sie das Hauptproblem im direkten Widerspruch zu §163, Abs.2. Geradezu zynisch erscheint, „körperliche Bestrafungen“ unter Strafe zu stellen, eine körperliche Verstümmelung dagegen nicht. (Als ähnlich zynisch empfinde ich den Ausstellungstitel „Haut ab!“)
Erschwerend tritt hier natürlich der Widerspruch zur Kinderrechtskonvention hinzu.
3. „Ja, in den Formulierungen spiegeln sich sehr wohl dogmatisch-religiöse Ansichten wieder.“
„Die Gerichte sind zwar an die Regierungsbegründung nicht gebunden, aber sie orientieren sich daran.“
Ist Ihnen bekannt, ob und in welcher Form Stellungnahmen wie die von Eran Saleh (die man schwerlich als antireligiös diffamieren kann) eine Rolle gespielt haben?
Es erscheint augenfällig, dass der Bundestag nicht nur die Frage von Menschenrechten mit religiösen Positionen vermischt und zugunsten letzterer relativiert hat. Darüber hinaus erhebt sich der Verdacht, dass er auch nicht im Sinne von „Religionsfreiheit“ gehandelt, sondern auch dieses Prinzip durch Bedienen einer bestimmten religiösen Fraktion als Klientel verletzt hat. Dies ist m.E. auch nicht mit einem (verständlichen) Besorgnis über möglichen außenpolitischen Schadens im Verhältnis zu Israel zu rechtfertigen.
So weit meine Überlegungen zu § 1631d. Das aber halte ich, wie oben angedeutet, für die Diskussion nur als ein Teilproblem. Zur Stellungnahme von Eran Saleh und historischen Überlegungen dann in einem anderen Beitrag.
Maria Werner 14. Dezember 2014 13:21
„Wie sieht es nun aber im Alltag aus? Strafverfolgungen oder Ermittlungen werden gar nicht erst eingeleitet und die Minderjährigen können ihre Rechte nicht selbst geltend machen. Die werden durch die Sorgeberechtigten vertreten. Gerichtlich anhängig werden Fragen zu § 1631d praktisch überhaupt nicht.“
Könnte man laienhaft sagen, wo kein Kläger, da kein Richter?
Eltern, die ihr Kind beschneiden ließen, werden sich kaum selber verklagen.
Hallo Herr Engelmann,
zunächst einmal, da ich unterwegs bin, möchte ich nur kurz auf Frage 1 eingehen. Gerne schreibe ich später mehr.
Selbstverständlich hatte das Legalisierungsgesetz einen enormen Einfluss auf das geltende Straf- und Zivilrecht. Ich habe mich da vielleicht nicht ganz deutlich ausgedrückt. Ohne dieses neue Gesetz wäre die Vorhautamputation nach wie vor strafbar und auch zivilrechtlich läge eine eindeutige, unzweifelhafte Haftung vor.
Mit der praktischen Durchsetzung meinte ich: wenn geklärt werden sollte, ob das Legalisierungsgesetz verfassungswidrig ist oder nicht, müsste erst mal ein Fall vor Gericht anhängig werden, wo sich jemand beschwert. Und diese Möglichkeit sehe ich im Augenblick noch nicht. Wer soll sich denn beschweren? Die Eltern, die den Eingriff veranlassen? Sicher nicht. Die Staatsanwaltschaft wird auch nicht tätig, ebensowenig das Jugendamt. Den Eltern kann auch nicht vom Familiengericht das Sorgerecht in Bezug auf eine Entscheidung über die Amputation entzogen werden (dabei geht es NICHT darum, ihnen das Sorgerecht insgesamt zu entziehen, sondern nur für die Frage über die Vorhautamputation einen Ergänzungspfleger zu bestellen. Der Rest des Sorgerechts bliebe unangetastet). Ist der Junge erwachsen, sind die strafrechtlichen Ansprüche verjährt (weil er kein Mädchen ist. Wäre er ein Mädchen bzw. eine Frau, könnte er auch als Erwachsener noch Anzeige erstatten; 78b Abs.1 S.1 iVm. 226a StGB). Zivilrechtlich ist das so eine Sache mit der faktischen Durchsetzung der Ansprüche, die Aussichten wurden jedenfalls stark minimiert. Und vor allem: die gesamten Schutzmechanismen dem Kind gegenüber, über die der Staat verfügt, wurden außer Kraft gesetzt. Das Kind ist hilf- und schutzlos. Und genau DAS war und ist die Wirkung des Legalisierungsgesetzes.
Ganz genau, Hans Waldorf.
Gehen wir mal davon aus, daß es rund 1 Milliarde an beschnittenen Männer auf der Welt gibt, die es für richtig gehalten haben, 1 Milliarde an Knaben zu beschneiden (ca. 30 % der Weltbevölkerung sind beschnitten). In der Diktion der Anti-Beschneidungsbewegung geistig umnachtete Kinderschänder, die es nicht nur ungerührt hinnehmen, die eigene Sexualität ruiniert zu sehen, sondern ihren Frust auch noch in verbrecherischer Weise an ihrem männlichen Nachwuchs auslassen. 1 Milliarde Männer, die das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit ihres männlichen Nachwuchses mit Füßen treten.
Aberwitz ist nichts dagegen. Wieviele Anti-Beschneidungsaktivisten gibt es eigentlich ? 1 Milliarde beschnittener Männer jedenfalls stehen zur Praxis der Knabenbeschneidung. Über das Warum fehlt es den Kritikern an schlüssigen Antworten. Besser erst gar nicht fragen, die 1 Milliarde. Dagegen lautet die Aufforderung der Beschneidungsgegner, fühlt Euch schlecht, sexuell unzufrieden, bekennt Euch zu Rohheit, Unbarmherzigkeit und Erziehungsversagen, bekennt Euch dazu, Kinderverletzer und damit schlechte Eltern zu sein, und distanziert Euch gefälligst von Eurer Religion. Aberwitz ist nichts dagegen. Das Gewicht von 1 Milliarde beschnittenen Männern steht gegen eine Gegnerschaft, wobei unklar bleibt, ob sie zahlenmäßig schon eine Dimension jenseits der Vernachlässigbarkeit erreicht hat.
Besser nicht fragen, die Beschnittenen, denn sie haben ja gesprochen. 1 Milliarde beschnittener Männer haben mit der Beschneidung ihres Nachwuchses ihre eigene Beschneidung nachträglich legitimiert, sollte jemand an der Legitimität gezweifelt haben. Jeder beschnittene Vater, der heutzutage seinen Sohn der Beschneidung zuführt, legitimiert nachträglich die eigene und gibt zugleich darüber Auskunft, was er über die Einflüsterungssoffensive der Anti-Beschneidungsbewegung hält. Nämlich nichts.
Es lohnt sich, noch einen Blick auf den § 1631d BGB zu werfen. Hierin wird die Personenfürsorge auch auf eine “medizinisch nicht erforderliche Beschneidung” ausgedehnt. Es ist gegenwärtig jedoch nicht zu sehen, ob dieses Exklusivrecht jemals zur Anwendung kommen müßte. Für den rein hypothetischen Fall, daß die Beschneidung einmal in ferner Zukunft von keinerlei medizinischen Vorteilen mehr unterlegt sein sollte (Vorbeugung von Urogenitalkrankheiten bei Männern und Frauen), würde hier tatsächlich ein Recht entstehen, eine Beschneidung allein auf dem Boden religiöser Überzeugungen vorzunehmen. Der Paragraph beschreibt mithin lediglich einen hypothetischen Sonderfall. Er ist insofern reine Rechtsprophylaxe, um den gesellschaftsabträglichen Kanpf über die Definitionshoheit zu beenden, der letztlich gegen die Beschneidungsreligionen gerichtet ist. Die Entscheidung des Bundestages stellt damit den Rechts- und Gesellschaftsfrieden weitgehend wieder her (Toleranzedikt). Ob es eine kluge Entscheidung war, den Gebrauch dieses Rechts jedoch von der Bedingung abhängig zu machen, daß das Kindeswohl nicht gefährdet ist, kann nur die Zukunft zeigen. Hier könnte im Absatz (1) zweiter Satz ein Einfallstor für selbsternannte Sittenwächter und Denunzianten geschaffen sein, die in der Beschneidung einen generellen Verstoß gegen das Kindeswohl sehen und sich dementsprechend als “Hexenjäger” betätigen wollen. Das Kindeswohl ist entweder im Einklang mit der Beschneidung oder aber nicht. An welche Tatbestände der Gesetzgeber bei der Formulierung von Absatz (1) gedacht hat, bleibt offen.
Dürfen 1 Milliarde beschnittener Männer als Kinderschänder bezeichnet werden ? Nein, sicherlich nicht. Führt die Beschneidung männlicher Nachkommen überhaupt zu einer “Versehrtheit” im Grundrechtssinne ? 1 Milliarde Männer weltweit sieht dies nicht so. Weder fühlen sie sich selbst “versehrt” noch würden sie sich unterstellen lassen, sie “versehrten” ihre Kinder. Wenn diese Meinungs- bzw. Definitionsmacht von wenigstens 1 Milliarde Erdbewohnern keine Rolle spielen soll, wer dann maßt sich an, Weltgericht über ein rundes Drittel der Erdbevölkerung zu sein ?
Die Vorhaut ist der empfindlichste Teil des Penis, das ist ja messtechnisch nachgewiesen und sie haben sich ja informiert, darum gehe ich davon aus das sie dieses Faktum in ihre Abwägung einbezogen haben.
Glauben sie das die Männer die als Kinder beschnitten wurden das wissen.
Gehört diese Information nach ihrer Meinung in die Patientenaufklärung vor dem Eingriff?
Und glauben sie das dieser Aufklärungspflicht genüge getan wird?
Vielen Dank, Herr Grebe, für Ihre erhellende Stellungnahme. Danke auch, dass Sie so melodramatisch die Zahl 1.000.000.000 hervorgehoben haben (in Zifferform wirkt sie noch wesentlich imposanter, finden Sie nicht?)
Nur ein kleiner Einwurf meinerseits:
Ein Blick auf die Webseite von Terre de Femmes liefert ein paar Zahlen:
In Indonesien sind ca. 220 Millionen Frauen und Mädchen von Genitalverstümmelung betroffen.
Im Sudan sind es ca. 16,8 Millionen, in Ägypten ca. 40 Millionen. Alleine in diesen Ländern sprechen wir also von ca. 280 Millionen Frauen, die an ihren Genitalien verstümmelt sind. Tatsächlich wird diese grausame Praxis allerdings in weiten Teilen Afrikas und Asiens durchgeführt. Insgesamt sind also mehrere hundert Millionen von Frauen und Mädchen davon betroffen.
Sie sind doch sicherlich der Meinung, dass die Verstümmelung der weiblichen Genitalien keinesfalls mit der der männlichen Genitalien gleichgesetzt werden darf. Auch der bloße Vergleich dürfte sich in Ihren Augen verbieten, da FGM doch um so vieles schlimmer ist. Wie kann es also sein, dass es weibliche Genitalverstümmelung noch immer gibt, wo diese doch so schlimm, so nachteilig und so grausam ist?
Sie wissen sicher ebenso wie ich, wie hartnäckig diese Barbarei von den betroffenen Frauen und Müttern verteidigt wird, dass Mütter ihre Töchter zu den Beschneiderinnen bringen bzw. zu den Ärzten, die den „Eingriff“ dann vornehmen.
Ich frage Sie nun
Wie kann es sein, dass HUNDERTE MILLIONEN verstümmelter Frauen ihre offensichtliche Verstümmelung an ihre Töchter weitergeben, diese so vehement verteidigen?
Finden Sie den Fehler in Ihrer Argumentation?
Lange habe ich gezögert, mich an dem Thread Beschneidung zu beteiligen, weil mir das hohe Maß an Erregung – kein anderes Thema im Bronskis Blog bekommt über 80 Posts in nur 10 Tagen – unverständlich bleibt. Geht es wirklich um Kinderschutz? Warum weckt die physische, psychische und sexuelle Gewalt gegen Kinder, die leider hundert- und tausendfach alltäglich ist, nicht die gleichen Emotionen?
Rechtfertigen die Risiken der Beschneidung diese obsessive Gegnerschaft? Kaum, wie die Studie von Wiswell und Geschke (Pediatrics. 1989 Jun;83(6):1011-5) zeigt: „The records of 136,086 boys born in US Army hospitals from 1980 to 1985 were reviewed for indexed complications related to circumcision status during the first month of life. For 100,157 circumcised boys, there were 193 complications (0.19%). These included 62 local infections, eight cases of bacteremia, 83 incidences of hemorrhage (31 requiring ligature and three requiring transfusion), 25 instances of surgical trauma, and 20 urinary tract infections. There were no deaths or reported losses of the glans or entire penis. By contrast, the complications in the 35,929 uncircumcised infants were all related to urinary tract infections. Of the 88 boys with such infections (0.24%), 32 had concomitant bacteremia, three had meningitis, two had renal failure, and two died. The frequencies of urinary tract infection (P less than .0001) and bacteremia (P less than .0002) were significantly higher in the uncircumcised boys.” Die Zahlen belegen, dass die Knabenbeschneidung nur mit einem geringen Risiko verbunden ist, gleichzeitig aber das Risiko schwerer Schäden durch Harnwegsinfektionen verringert. Die vermiedene letale Rate der Harnwegsinfektionen von 5,6 pro 100.000 rechtfertigt möglicherweise nicht, die Beschneidung zur Prophilaxe zu empfehlen. Allein in Bezug auf Harnwegsinfektionen halten sich also die gesundheitlichen Risiken und die gesundheitlichen Vorteile der Beschneidung zumindest die Waage. Eltern, die sich aus nicht medizinischen Gründen für die Beschneidung ihres Sohnes entscheiden, kann man schon deshalb nicht die Missachtung des Kindeswohls vorhalten.
Stimm dann, dass die Beschneidung negative sexuelle Folgen hat – und dies auch so religiös erwünscht ist? Als jüdischer „Kronzeuge“ wird Rabbiner Moses Maimonides (12. Jahrhundert) zitiert, der als einen Grund für die Beschneidung die erwünschte Beschränkung der sexuellen Aktivität des Mannes nennt. Dies entspringt dem negativen Menschenbild von Maimonides, der die Menschen im Allgemeinen als „wilde Tiere“ sieht, die erst durch die Gebote diszipliniert werden müssen. Die rabbinische Literatur aus 1.000 Jahren davor und 800 Jahren danach steht allerdings im Widerspruch zu Maimonides: In der jüdischen Tradition ist die sexuelle Lust keineswegs verpönt, sondern lustvoller Sex ist „gottgefällig“, auch wenn er nicht der Zeugung dient. Sexuelle Lust ist auch keineswegs das Vorrecht des Mannes, vielmehr hat der Ehemann die „Pflicht“ zur sexuellen Befriedigung seiner Frau. Sexualität ist im Judentum kein Tabu – was bis heute Werke jüdischer Schriftsteller wie Philipp Roth oder Filmemacher wie Woody Allen bestätigen. Die Beschneidung ist, anders als sie es manche (christliche) puritanische Befürworter erhofft haben, auch kein Mittel gegen Onanie, die bei den mehrheitlich beschnittenen US-amerikanischen Jungen und Männern nicht weniger als bei ihren mehrheitlich unbeschnittenen Geschlechtsgenossen in Europa verbreitet ist. Schließlich sind in keiner der großen Studien zum Sexualverhalten (Masters und Jones, Kinsey-Report) signifikante Unterschiede zwischen beschnittenen und unbeschnittenen Männern bei dem Auftreten sexueller Probleme oder bei der Zufriedenheit ihrer Sexualpartner festgestellt worden.
Im Übrigen gibt es auch keine seriöse Untersuchung, die eine verdrängte traumatische Beschneidungserfahrung belegen kann, die angeblich jüdische und muslimische Väter dazu zwingt, ihren Söhnen das anzutun, was ihnen von ihren Vätern angetan wurde. Diese rein spekulative These eignet sich aber gut dazu, die Erfahrungen jüdische und muslimische Erfahrung mit der Beschneidung zu ignorieren.
Je häufiger also das durchgeführte Unrecht, desto größer das Recht, dieses weiterhin durchführen zu dürfen? Ab welcher Größenordnung wird eine durchgeführte Handlung automatisch Recht? Ein sehr häufig durchgeführtes Unrecht war die Judenvernichtung. Reichen sechs Millionen schon für Sie aus, um eine Art Gewohnheitsrecht festzustellen, das in verbrieftem Recht festzuhalten ist?
V. Grebe: „Jeder beschnittene Vater, der heutzutage seinen Sohn der Beschneidung zuführt, legitimiert nachträglich die eigene …“
Auch bei der Mädchenbeschneidung führen vorwiegend Beschneiderinnen also Frauen, die selber beschnitten worden sind, den Eingriff durch und die Mütter – ebenso Frauen, die selbst beschnitten worden sind – halten die Mädchen fest. Die von Ihnen dargestellte Selbstlegitimation muss dann auch hier gelten. Jetzt müssten Sie nur noch darlegen, ob die Anzahl der weltweit beschnittenen Mädchen ausreicht, um daraus Recht entstehen zu lassen. Wenn nicht, würde ich gerne die zahlenmäßige Grenze von Ihnen mitgeteilt bekommen. Und wenn diese existiert, warum es gerade diese ist.
V. Grebe: „Dürfen 1 Milliarde beschnittener Männer als Kinderschänder bezeichnet werden ?“
Niemand bezeichnet die Opfer von Beschneidung als Kinderschänder, weil sie Opfer dieses Vorganges wurden.
Ob die Beschneidung selbst eine Kinderschändung ist, mag jeder selbst beurteilen.
http://tarekfatah.com/shrieking-in-pain-indian-muslim-boy-gets-circumcised-as-crowd-howls-in-laughter/
Für mich ist das eindeutig die Schändung eines Kindes. Ein Kommentar lautet: „Disgusting that adults watch this and laugh. No wonder that these poor little boys grow up to become suicide bombers.”
Diese Frage stellt sich auch mir:
http://www.focus.de/politik/ausland/koerperteilamputationsreligion-video-veroeffentlicht-kommentar_id_6072467.html
V. Grebe: „Führt die Beschneidung männlicher Nachkommen überhaupt zu einer “Versehrtheit” im Grundrechtssinne ? 1 Milliarde Männer weltweit sieht dies nicht so.“
Das ist richtig. Und wenn wir die gesamte Weltbevölkerung betrachten, müssen wir feststellen, dass der größte Teil dieser Weltbevölkerung die Menschenrechte nicht nur nicht kennt und sie deshalb auch nicht vertreten kann, sondern diese mit Füßen tritt. Müssten wir den Verstoß gegen die Menschenrechte jetzt der Massenhaftigkeit wegen nicht geradezu zur Pflicht erheben? Und wenn nein, warum nicht?
Vielen Dank, Frau Werner, für die klare – und leider sehr ernüchternde – Antwort bez. der „Wirkung des Legalisierungsgesetzes“. Wenn ich recht verstehe, hat man sich des Problems in der Art entledigt, dass man Unmündige rechtlos und Berechtigte als unzuständig (also gewissermaßen unmündig erklärt).
Unklar ist mir noch, worauf die Unterschiede bez. strafrechtlicher Ansprüche bei Jungen und bei Mädchen Worauf gründen.
Wichtiger erscheint mir aber die Frage, wie sich dies in Zukunft auswirkt: Wer nicht befürchten muss, für sein Verhalten (so lange es sich in dem durch dieses Gesetz festgelegten Rahmen bewegt) jemals zur Rechenschaft gezogen werden kann, hält de facto einen Freibrief in der Hand, unabhängig davon, ob religiös begründet oder nicht. Was also heißt, dass das Gesetz nicht nur im Sinne der Bestätigung, sondern auch der Ausweitung einer Beschneidungspraxis wirkt.
Mein Eindruck: Auf rein juristischer Ebene wenig Hoffnung für gegenwärtig wie künftig Betroffene.
Ich warte gerne noch auf Ihre Antworten zu Punkt 2. und 3. Inzwischen möchte ich mich im Hauptbeitrag mit dahinter stehenden religiösen Positionen und Problemen eines Dialogs befassen.
Wie in meinem Beitrag vom 13.12.,0:14 angesprochen, halte ich es für unumgänglich, „Möglichkeiten und Grenzen für einen sinnvollen gesellschaftlichen Dialog zu eruieren“. Dies umso mehr, als die rein medizinische Argumentation zu kurz gegriffen und eher in das „Wie“ als das „Ob“ zu münden scheint, die juristische Ebene – wie vor allem die Beiträge von Maria Werner deutlich machen – eher in eine Sackgasse führt.
Bezüglich eines anzustrebenden Dialogs halte ich zwei zu beobachtende Sachverhalte für misslich:
1. die a priori vorgenommene Einteilung in „Befürworter“ und „Gegner“ (ich bemühe mich zumindest, meine Meinung nach Argumenten zu bilden und nicht umgekehrt)
2. die unzureichende Kenntnis von Gegenpositionen, oft auch fehlende Bereitschaft, sich darauf einzulassen (wobei ich mich selbst nicht ausschließe).
Um bereits vorhandene Erfahrungen auszuwerten, habe ich bei dem in diesem Blog 2012 geführten Dialog recherchiert (Archiv, Kat. „Schlagseite“, „Verletzung der körperlichen Unversehrtheit“, 30.Juni 2012, 185 Beiträge).
Mein allgemeiner Eindruck:
Auf medizinischer Ebene scheint inzwischen ein erheblich klareres Bewusstsein zu herrschen. Die juristische Ebene, obwohl durch Urteil des Landgerichts Köln ausgelöst, spielte damals nur eine untergeordnete Rolle. Die Diskussionsebene wurde weitgehend von der religiösen Ebene (vorwiegend die jüdische Praxis) bestimmt (wobei bei weitem nicht der Grad an Verallgemeinerung und Aggressivität erreicht wird, wie oft behauptet).
Ich dokumentiere hier in Auszügen Positionen zur Bedeutung des Ritus, an denen der Dialog an Grenzen stieß:
Stiller 9. Juli 2012, 1:14
Ich möchte meine Frage nach dem Sinn der Beschneidung wiederholen. Auf welcher Forderung in den Schriften beruht diese und warum muß es eine solche unwiderrufliche Handlung sein, die den Eintritt in den Bund bekräftigt?
Abraham 11. Juli 2012 15:00
Seit 4000 Jahren ist die männliche Beschneidung ein wesentlicher Bestandteil unseres Bundes mit dem Ewigen. (…) Im Führer der Verirrten (Teil III, Kapitel 49) erläutert er (Maimonides): „Unser Glaube an Gott und die Erfüllung der Tora können ohne Beschneidung nicht vollständig sein.“
Michael Schöfer, 10. Juli 2012, 19:18
„Die Thora, der Schabbat und die Beschneidung sind die Herzstücke jüdischen Lebens”, sagt die jüdische Philosophin Almut Bruckstein Çoruh. Die Beschneidung sei „das überlieferte Zeichen der Zugehörigkeit zur jüdischen Gemeinschaft (…). Das hebräische Wort dafür ist ‚Brit’, gewöhnlich übersetzt als ‚Bund’. Die Beschneidung besiegelt diesen Bund nicht, sondern konstituiert ihn.”
Abraham 10. Juli 2012 21:28
Religionsrechtlich ist derjenige Jude (oder diejenige Jüdin), der (die) von einer Jüdin geboren wurde oder durch ein Rabbinatsgericht ins Judentum aufgenommen wurde. Dies ist für „geborene” Juden vom Willensakt der Eltern oder des Kindes unabhängig (wie bei der Staatsangehörigkeit, die durch Geburt erworben wird). Die Beschneidung vollzieht den Bund auf der rituellen Ebene. Für Mädchen (für die es in der Spätantike, als das rabbinische Judentum entstand, kein entsprechendes Ritual gab) geschieht dies durch die Namensgebung, traditionell an dem der Geburt folgenden Schabbat.
Werner Engelmann, 18. Juli 2012, 17:48
Verstehe ich recht, dass das rabbinische Judentum sehr wohl in der Lage war, die eigenen Rituale den gesellschaftlichen Gegebenheiten der jeweiligen Zeit anzupassen? Wieso soll dann für Jungen unmöglich sein, was für Mädchen offenbar praktiziert wird, nämlich die Aufnahme in den religiösen Bund rituell auf eine Weise zu praktizieren, die ihn körperlich unversehrt lässt? Und wäre das nicht die logische Konsequenz einer Entwicklung vom ursprünglichen Menschenopfer hin zu humaneren, also symbolischen Ritualen?
Abraham 18. Juli 2012, 23:12
Wer bestreitet, dass es unter Juden auch Gegner der Beschneidung gibt? In den USA, wo es mehrere Tausend jüdische Gemeinden und Gruppen (darunter auch Jews for Jesus oder jüdische Buddhisten) gibt, werden Sie für jede Meinung ein paar jüdische „Kronzeugen“ finden. Das ändert nichts daran, dass die Mehrheit der religiösen Juden aller Richtungen die Knabenbeschneidung als ein grundlegendes Ritual des Bundes betrachten.
Um zu bestimmen, woran dieser Dialog letztlich scheitert, sind m.E. 2 Punkte festzuhalten:
(1) Die Frage nach der absoluten Verbindlichkeit der Beschneidung wird widersprüchlich beantwortet: Sie wird erst als unumgänglicher „Bestandteil des Bundes mit dem Ewigen“ gesehen, dann wird dies als bloße Mehrheitsmeinung eingestanden, Folgen für Abweichung davon werden nicht thematisiert.
(2) Die Frage nach der Möglichkeit einer Fortentwicklung hin zu einem symbolischen Ritual analog zum Ritual bei Mädchen (im Verlauf mehrfach gestellt) wird nicht beantwortet.
Herr Wieckmann, man kann sich ja auf „Argumente“ von Werbestrategen herausreden: „Millionen Käufer können nicht irren!“ –
Dumm nur, dass solches durch historische Erfahrungen widerlegt wurde.
Zu den Beiträgen JaM 15. Dezember 2014 21:25 und Werner Engelmann 16. Dezember 2014 1:19
JaM: „Geht es wirklich um Kinderschutz? Warum weckt die physische, psychische und sexuelle Gewalt gegen Kinder, die leider hundert- und tausendfach alltäglich ist, nicht die gleichen Emotionen?
Sie weckt dieselben Emotionen. Sie ist im Gegensatz zur Beschneidung nur nicht per Gesetz erlaubt, sondern verboten und wird strafrechtlich verfolgt. Genau das wird hier diskutiert.
Da Sie hier schon lange mitlesen, kennen Sie ja die Antwort zur Harnwegsinfektionen.
JaM: „Stimm dann, dass die Beschneidung negative sexuelle Folgen hat – und dies auch so religiös erwünscht ist? Als jüdischer „Kronzeuge“ wird Rabbiner Moses Maimonides (12. Jahrhundert) zitiert, der als einen Grund für die Beschneidung die erwünschte Beschränkung der sexuellen Aktivität des Mannes nennt.“
Die Ausstellung „Haut ab“ bezieht sich selbst auf Maimonides. Also heute.
http://www.jmberlin.de/main/DE/01-Ausstellungen/02-Sonderaustellungen/2014/brit-mila.php
Was den Schaden der Beschneidung anbelangt, argumentiert Maimonides vor allem objektiv medizinisch anatomisch. Er war auch Arzt. Er stimmte also schon damals mit der heutigen medizinischen Schadensfeststellung überein. Sein subjektives Menschenbild spielt hierbei also keine Rolle.
http://www.de.chabad.org/library/article_cdo/aid/2751817/jewish/Die-Mizwa-der-Beschneidung-1-Teil.htm
„2.Die Beschneidung zügelt das sexuelle Verlangen …“ Eine weiter heutige Quelle, wo aufgezeigt wird, dass die objektive Schaden auch das gewünschte Ziel ist.
Zum Risiko der Beschneidung. Nur ein aktuelles Beispiel:
Beschneidung verpfuscht: „Schneidet mir den Penis ab!“ fleht vierjähriger Junge
http://genderama.blogspot.de/2012/11/beschneidung-verpfuscht-schneidet-mir.html
Warum beschneiden Juden ihre Knaben, welche spirituelle Hintergründe hat die Beschneidung? Vortrag von Dr. Samuel Adler, ein bedeutender [heute lebender] europäische Mohel (religiöse Beschneider).
https://ariefolger.wordpress.com/2012/10/18/warum-beschneiden-juden-ihre-knaben-multimedia-vortrag/
Zu den gewollten sexuellen Einschränkungen ab ca. 11:30 min.
Und zur Frage von Werner Engelmann „woran dieser Dialog letztlich scheitert“. Na ja. Der ganze Beitrag.
Nachtrag zur angesprochenen Studie von Wiswell und Geschke aus dem Beitrag von JaM 15. Dezember 2014 21:25
http://www.beschneidung-von-jungen.de/home/argumente-fuer-beschneidung/schutz-vor-harntraktinfektionen/beschneidung-und-hti.html
Herzlichen Dank, JaM, für die Teilnahme an diesem Gespräch. Ich werde mich gerne noch zu den von Ihnen aufgeworfenen Fragen im Einzelnen äußern, möchte aber eines vorwegnehmen. Ich wünsche mir eine Diskussion, die von gegenseitigem Respekt geprägt ist und bei der man sich in der SACHE austauscht – gerne auch streitig – ohne persönlich zu werden. Die meisten Befürworter der Beschneidung ziehen sich mehr oder weniger darauf zurück, die Kritiker persönlich zu beleidigen. Sachargumente für die eigene Position hört man selten; zumindest keine zureichende Begründung dafür. Es wird diffamiert, unterstellt, verleumdet, beleidigt und persönlich angegriffen, was das Zeug hält. Die sachliche Ebene wird regelmäßig nur marginal gestreift; in der Regel werden blosse Behauptungen aufgestellt, die unbegründet bleiben, um dann wieder wie vom wilden Affen gebissen alle denkbaren Keulen zu schwingen gegen jeden, der die eigene Meinung nicht teilt. Ich begrüße – und zwar mit Nachdruck – Ihre Gegenmeinung und habe hierbei den Eindruck, dass Sie Ihre Position nachvollziehbar und sachlich darlegen möchten. Dazu ermutige ich ausdrücklich. Noch einmal die Bitte: wir können alle respektvoll miteinander umgehen und unsere Positionen mit Argumenten unterlegen. Dann wird das Gespräch interessant für alle Beteiligten.
Sie geben sich bereits selbst die Antwort, indem Sie schreiben:
„Warum weckt die physische, psychische und sexuelle Gewalt gegen Kinder, die leider hundert- und tausendfach alltäglich ist, nicht die gleichen Emotionen?“
Sie implizieren hiermit, dass Sie die Beschneidung (genauer: Abschneidung) demnach nicht als Gewalt anerkennen. Und genau diese Empathieverweigerung erregt Betroffene wie mich.
Ansonsten erkenne ich nicht, dass andere Gewalt an Kindern oder an Menschen nicht die gleichen Emotionen und Empörungen hervorruft. Ein aktueller Blick in die Medien genügt, um Ihre Aussage zu widerlegen, siehe die Fälle Edathy und Tuğçe. Wenn Fälle sexuellen Missbrauchs oder Vernachlässigung von Kindern an die Öffentlichkeit gelangen, habe ich nicht den Eindruck, als ob keine Empörung aufkeimt, eher im Gegenteil.
Es besteht trotzdem ein qualitativer Unterschied: In diesen Fällen herrscht gesellschaftlicher und politischer Konsens, dass es sich um Gewalt handelt, was sich auch in entsprechenden Gesetzen widerspiegelt.
Das ist bei der „Beschneidung des männlichen Kindes“ nicht so. Abgesehen davon, dass der Eingriff (genauer: Übergriff) und die daraus resultierenden Folgen durch viele Menschen weiterhin verharmlost werden, ist man auf der gesetzlichen Ebene sogar einen Schritt zurück gegangen, indem man Eltern ausdrücklich das Recht zur „Beschneidung des männlichen Kindes“ zugesteht.
Damit kein Missverständnis aufkommt:
Der von mir erwähnte „qualitative Unterschied“ bezieht sich ausschließlich auf den Umgang mit dem Thema „Beschneidung des männlichen Kindes“, nicht auf die jeweilig erlebte Gewalt.
Es wurde die Frage gestellt:
„Warum weckt die physische, psychische und sexuelle Gewalt gegen Kinder, die leider hundert- und tausendfach alltäglich ist, nicht die gleichen Emotionen?“
Als Vorstandsmitglied eines Vereins, der von Betroffenen sexuellen Kindesmissbrauchs gegründet wurde, möchte ich hier antworten:
die Gleichgültigkeit gegenüber der Missachtung von Kinderrecht allgemein ist in der Tat ein riesiges Problem.
Aber es entsteht zwischen den von ihnen genannten Themen und Vorhautamputationen an nichteinwilligungsfähigen Jungen ein entscheidender Unterschied:
sie sind nicht per gesetzlichem Eilverfahren zum Teil der elterlichen Personensorge erklärt worden.
Und dies per explizitem Ausschluss der Zeugnisse negativ Betroffener, deren bloße Anwesenheit bei der Verkündung der Gesetzeseckpunkte und ein Rederecht im Rechtsausschuss verhindert wurde.
Dass Betroffene auf diese Negierung ihres Leides, das mittlerweile vielfach von wissenschaftlicher Seite dokumentiert wird, nicht mit einem Achselzucken reagieren, sondern dass da auch emotionale Äußerungen aufkommen, kann so nicht überraschen.
Es ist schlichtweg eine Frage des Respektes, den negativ Betroffenen zuzuhören und sie ernstzunehmen.
Wer sich mit den anatomischen Fakten einer Vorhautamputation beschäftigt und dann Studien verlangt, die Auswirkungen auf die Sexualität nachweisen müssten, scheint Maßstäbe anzusetzen, die er/sie vermutlich bei keiner anderen Amputation von gesundem, funktionellem und höchst sensiblen Körpergewebe stellen würde (und ganz sicher nicht bei solchem an Mädchen und Frauen).
Ich wiederhole es hier aber nochmal:
Bei einer Vorhautamputation wird 50% der gesamten am Penis befindlichen Haut inkl. des aufgrund der epidermischen Struktur sensibelsten Teils des Penis abgeschnitten. Der verbliebene Rest des Innengewebe keratisiert sich zwingend (Eichelhaut). Die natürliche Physiologie des Penis bestehend aus Innen- und Außengewebe sowie die Gleitfunktion sind damit zerstört.
Keiner würde behaupten, man könne mit einem Auge genauso viel sehen, wie mit zweien.
Auf Vorhautamputationen übertragen behauptet man es einfach – wider jede Logik.
Also stellt sich die wichtige Frage nach den – oft sehr nachvollziehbaren – Gründen für diese Realitätsverweigerung.
Niemand hat das Recht, allen Betroffenen einen Opferstatus aufzudrücken. Das gilt übrigens auch für Betroffene sexuellen Kindesmissbrauchs, unter denen es Menschen gibt, die sich nicht als Opfer sehen.
Dies darf aber nicht dazu führen, dass Kindern in der Wahrung von Grundrechten jeglicher staatliche Schutz entzogen wird.
Und genau das ist geschehen: nur für Jungen, und nur für ihren Intimbereich, auf den eigentlich niemand Zugriff haben darf als: sie selbst.
Es geht in der Beschneidungsdebatte letztlich um die Herrschaft der Definition. Mit der Bundestagsentscheidung hat der Gesetzgeber den Definitionsanspruch einer in Deutschland kleinen, im Weltmaßstab jedoch wahrscheinlich winzigen bis vernachlässigbaren Minorität zurückgewiesen. Die Unbeirrbarkeit derjenigen, die gegen eine weltweite Beschneidungspraxis anrennen, wäre es indes wert, einmal gesellschaftswissenschaftlich untersucht zu werden. Ihren beredten Ausdruck findet diese Unbeirrbarkeit auch darin, in argumentativer Not (siehe Vorbeiträge) auf eine Gleichsetzung der männlichen mit der (sog.) “weiblichen Beschneidung” zurückgreifen zu müssen. Ich hatte schon in einem Vorbeitrag ausgeführt, daß die “weibliche Beschneidung” ein durch nichts zu rechtfertigendes Verbrechen ist. Mit keinem juristischen oder medizinischen Kunstgriff ist eine irgendwie geartete Vergleichbarkeit herzustellen, wie im Blog schon hier und da versucht worden ist. Es handelt sich um ein archaisches Stammesritual ohne jede medizinische oder religiöse Grundlage, Begründung oder Begründbarkeit. Die ganze Welt sieht es so und hat dementsprechend diese Praxis einhellig geächtet.
Es ist ein Phänomen zu sehen, daß ÄrzteInnen, die sich unter die Beschneidungsgegner gereiht haben, offenkundig nicht in der Lage sind, neben den Nachteilen der Beschneidung auch einmal die Vorteile der Beschneidung für die Verhinderung von Krankheiten der Männer und ihrer SexualpartnerInnen wahrzunehmen. Man sieht hieran, wohin weltanschauliche Selbstverblendung führen kann. Infolgedessen kann mein noch im Parallelfaden gemachter Vorschlag (stellvertretend an Herrn Kammermeier gerichtet), eine Synopsis des medizinischen Pro und Contra aufzustellen und daraus eine Handreichung für Eltern zu destillieren, die die Entscheidungsfindung noch vor sich haben, zu keinem Erfolg führen. Weltanschauliche Einseitigkeit ist durch Sachargumente eben nicht erschütterbar.
Victor Schiering 16.Dez.2014 10:55
Sexualität läßt sich nicht durch Bestimmung von erotisch sensiblen Flächen ausrechnen. Dazu ist Sexualität viel zu komplex. Außerdem spielt auch das Gehirnn noch eine Rolle mit seinen Kompensationsmöglichkeiten (das Gehirn wird sogar als das wichtigste Sexualorgan bezeichnet). Überlassen Sie doch einfach die Bestimmung darüber, was Sexualität ist und ob sie den individuellen Ansprüchen genügt, den beschnittenen Männern auf der Welt selbst. Die brauchen Interpreten wie Sie und andere einfach nicht. Die können für sich selber sprechen. Und für ihre Kinder. Und die Kinder als Erwachsene wieder für sich. Und wenn Sie mit Erwachsenen reden, so reden sie mit früheren Kindern.
Verehrter Werner Engelmann,
die Begründung für Ihre Klage, „der Dialog (zur Bedeutung des Beschneidungsritus im Judentum, JaM) an Grenzen“ stößt, liefern Sie selber. Zum einen reißen Sie die einzelnen Beiträge aus dem Zusammenhang und stellen Bezüge her, die in der ursprünglichen Diskussion (an die ich mich gut erinnern kann) nicht bestanden haben. Zum anderen ist Ihr Religionsverständnis offensichtlich so katholisch geprägt, dass Sie die völlig andere Struktur des Judentums nicht wahrnehmen können (oder nicht wahrnehmen wollen).
Im Judentum gibt es keine zentrale „Glaubensinstanz“, jede Gemeine ist autonom in ihrer Entscheidung, sich einer der religiösen Richtungen (die es in einer breiten Palette von Schattierungen gibt) anzuschließen oder sich einer rabbinischen Autorität unterzuordnen. Zu jeder Mehrheitsmeinung gibt es auch eine Minderheitsmeinung oder gar mehrere voneinander abweichende Minderheitsmeinungen. In Bezug auf die Beschneidung von männlichen Säuglingen sind die Mehrheitsverhältnisse aber klar: Nur eine winzige Minderheit lehnt die Beschneidung strikt ab. Einige wenige Rabbiner und Gemeinden in den USA halten zwar an der Beschneidung fest, akzeptieren aber auf den Wunsch der Eltern die Zeremonie des „Brit Shalom“ als Alternative zur Beschneidung. Eine überwältigende Mehrheit im religiösen Judentum (vermutlich deutlich über 90 %) hält die Beschneidung weiterhin für ein unverzichtbares Ritual des Eintritts in den Bund. Auch viele religiös indifferente oder nicht-religiöse Juden (vermutlich die Mehrheit, Statistiken dazu sind mir nicht bekannt) praktizieren die Beschneidung als ein Zeichen der Zugehörigkeit zum jüdischen Volk.
Historisch betrachtet ist es richtig, dass sich das Judentum in seiner vermutlich 4000-jährigen Geschichte mehrfach gewandelt hat. Der wohl größte Einschnitt war die Formung des rabbinischen Judentums nach der Zerstörung des Jerusalemer Tempels. Hätten Juden die Erfahrung gemacht, dass die Beschneidung die Gesundheit oder gar das Leben der männlichen Säuglinge gefährdet oder ihr Sexualleben beeinträchtigt, hätte die Beschneidung diese Wandlungen nicht überstanden. Spätestens im 19. Jahrhundert, als viele Rituale in Frage gestellt wurden, hätte das Reformjudentum die Beschneidung zur Disposition gestellt. Das ist aber nicht geschehen, trotz einiger eher am Rande geführten Debatten, bei den weniger die Folgen für Gesundheit oder Sexualität angesprochen wurden, sondern eher der Wunsch der Anpassung an die Mehrheitsgesellschaft eine wesentliche Rolle spielte.
Die jüdischen Eltern, die sich freiwillig für die Beschneidung ihres Sohnes entscheiden, können sich sowohl auf die jüdische Tradition als auch auf die Meinung eines wesentlichen Teils der medizinischen Experten berufen, ihrem Kind nicht zu schaden. Das sich in diesem Punkt nicht alle Mediziner einig sind, ist kein ausreichender Grund, staatlicherseits die Beschneidung zu verbieten.
P.S.: Die Beschneidung beeinträchtigt auch nicht die Religionsfreiheit des Kindes. Mir ist keine Religion bekannt, die ein beschnittener Mann nicht annehmen könnte.
Herr Grebe, bitte machen Sie nicht den Fehler, mir das Wort im Munde umzudrehen!
Ich habe mit keinem Wort FGM und MGM verglichen oder gleichgesetzt. Im Gegenteil, ich habe – auf dem Niveau Ihrer Argumentation bleibend – versucht, Ihnen anhand der Barbarei der FGM vor Augen zu führen, dass die Verbreitung einer Praxis nichts über deren Harmlosigkeit oder Schädlichkeit aussagt.
Obwohl die betroffenen Frauen und Mädchen schlimmste Qualen erleiden, verteidigen und negieren sie ihre Leiden und erklären sie, indem sie ihren Töchtern dieselben Torturen zumuten, scheinbar zu etwas scheinbar harmlosem, erstrebenswertem.
DAS war die Intention meines Postings vom 15. Dezember 2014 20:01
Und nichts anderes.
Ein Nachtrag noch:
Sie schreiben: „Die ganze Welt sieht es so und hat dementsprechend diese Praxis einhellig geächtet.“
Das ist unzutreffend, uns Sie wissen das. Mit Äußerungen wie diesen negieren sie das unbeschreibliche Leid der Mädchen und Frauen, die in vielen Ländern dieser Welt täglich diesen Qualen ausgesetzt sind. Eben weil diese NICHT weltweit geächtet sind.
„Zum einen reißen Sie die einzelnen Beiträge aus dem Zusammenhang und stellen Bezüge her, die in der ursprünglichen Diskussion (an die ich mich gut erinnern kann) nicht bestanden haben.“ –
Verehrter JaM,
ich fordere Sie auf, diese beleidigende Äußerung über mich zurückzunehmen resp. den Beweis hierfür anzutreten.
Ganz im Gegensatz zu Ihrer Unterstellung habe ich sorgfältig darauf geachtet, dass Inhalt und Bezug mit Rede und Gegenrede exakt erhalten bleiben. Und im Gegensatz zu Ihnen nehme ich nicht eine wilde Spekulation über Ihre Sozialisation zum Ausgangspunkt und Kriterium meiner Beurteilung.
Ihr Gedächtnis scheint offenbar nicht so gut zu sein, um die Lächerlichkeit zu erkennen, mich über Sachverhalte belehren zu wollen, an deren Diskussion ich mich selbst beteiligt habe. Von der Sorgfaltspflicht zu schweigen, Behauptungen, deren man sich nicht sicher ist, erst zu überprüfen.
Was solches über die eigene Glaubwürdigkeit aussagt, brauche ich nicht näher auszuführen.
Im Übrigen hat Maria Werner (16. Dezember 2014 7:56) hierzu alles Nötige gesagt. Ich schließe mich dem uneingeschränkt an.
@ Werner Engelmann, JaM
Meine Herren, ich bitte um Haltung!
Zitate sind per Definition aus dem Zusammenhang gerissene Teile größerer Textstücke. Problematisch wird das nur dann, wenn sie im neuen Zusammenhang, in den sie gestellt werden, zweckentfremdet und sinnentstellend eingesetzt werden. Dass Sie den Vorwurf erheben, JaM, Ihre Worte seien aus dem Zusammenhang gerissen, legt die Deutung nahe, dass Sie sich fehlinterpretiert fühlen. JaM, Sie können das sicher aufklären.
Zum Beitrag V. Grebe 16. Dezember 2014 14:16
Was ist ein Vergleich?
„Der Vergleich (auch: Komparation) bezeichnet eine grundlegende, auf Wahrnehmung basierende Methode, die zur Erkenntnis von Gemeinsamkeiten/Gleichheit oder Unterschieden zwischen Objekten der Realität führen soll.“
http://de.wikipedia.org/wiki/Vergleich_(Philosophie)
Somit ist Ihre Behauptung, dass es keine Gemeinsamkeiten zwischen männlicher und weiblicher Beschneidung gibt, die also nur Unterschiede feststellt, nichts anderes als die Durchführung eines Vergleiches. Sie selbst vergleichen also männliche und weibliche Genitalverstümmelung.
Die Behauptung, dass es keine Gemeinsamkeiten gibt, ist natürlich und vollständig offensichtlich falsch.
Mädchen und Jungen sind Menschen. Diese Gleichheit fordert die rechtliche Gleichbehandlung unabhängig vom Geschlecht.
Bei beiden Eingriffen findet „tatbestandlich eine Körperverletzung im Sinne der Körperverletzungsdelikte des Strafgesetzbuches“ statt. (Dettmeyer et al.)
Im Fall der Klitorisvorhautamputation sind im Vergleich zur männlichen Beschneidung sogar homologe Organe betroffen. (Gleichheit) In dieser Fallkonstellation wird in der Regel bei der männlichen Beschneidung sogar deutlich mehr Gewebe entfernt. (Unterschied, schwererer Schaden bei männlichen Kindern)
http://www.beschneidung-von-jungen.de/home/maennliche-und-weibliche-beschneidung/sind-maennliche-und-weibliche-beschneidung-vergleichbar.html
Dettmeyer et al., auf die sich auch die Bundesregierung in Ihrem Gesetzentwurf bezieht, führen dann in ihrem ersten Teil „Teil I: Weibliche Genitalverstümmelung“ auch aus: „Im Hinblick auf die Eingriffsintensität sind die überwiegenden Formen der weiblichen Beschneidung nicht mit einer Zirkumzision vergleichbar.“ Das heißt also eindeutig, dass es auch Formen gibt, die auf medizinischer Ebene vergleichbar sind. Die Darstellung im Gesetzentwurf der Bundesregierung: „Die Verstümmelung weiblicher Genitalien, die vor allem im westlichen, östlichen und nordöstlichen Afrika sowie einigen Ländern Asiens und des Nahen Ostens praktiziert wird, unterscheidet sich grundlegend von der männlichen Beschneidung (vgl. Dettmeyer/Laux/Friedl/Zefler/Bratzke/ Parzeller, ArchKrim 227 , 1 ff.).“, die alle Formen als grundlegend unterschiedlich betrachtet, ist demnach eine Verfälschung.
Dettmeyer in Teil 1 zu den rechtlichen Gemeinsamkeiten: „Bei der rechtlichen Bewertung bestehen Gemeinsamkeiten und Unterschiede, weshalb ebenfalls eine getrennte Darstellung vorgenommen wird.“ Die Eindeutigkeit der Formulierung, lässt meiner Ansicht nach nur zu, auf eine bewusste Falschdarstellung von Seiten der Bundesregierung zu schließen.
Im zweiten Teil „Teil II: Die rituelle Zirkumzision“ kommen Dettmeyer et al. dann auch zu dem Schluss: „Die weltanschaulich-religiös begründete Zirkumzision ist wie die rituelle weibliche Genitalverstümmelung tatbestandlich eine Körperverletzung im Sinne der Körperverletzungsdelikte des Strafgesetzbuches. Das Verlangen einer Zirkumzision bei einwilligungsunfähigen Minderjährigen durch die Sorgeberechtigten kann rechtlich als Gefährdung des Kindeswohls gesehen werden, die Vornahme des Eingriffs mangels eines akzeptablen Rechtfertigungsgrundes als Straftat.“
Es gibt also eine weitere Gemeinsamkeit, der Mangel „eines akzeptablen Rechtfertigungsgrundes“.
Gesetzentwurf: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/112/1711295.pdf
Dettmeyer Teil 1: http://www.netzwerk-integra.de/dokumente/recht-deutschland/
Dettmeyer Teil 2 mit Autorenliste und Quelle: http://frblog.de/traurige-allianzen/#comment-33228
Bis 23 Uhr werden hier heute keine Kommentare mehr freigeschaltet, denn ich hab Feierabend. Der endet um 23 Uhr. Mal schauen, was dann freizuschalten ist.
Beste Grüße
Bronski
Herr Grebe es ist ihre Idee das Abschneiden von Haut am Genital des Mannes als Rezision und nicht als Amputation zu benennen. Ist für sie auch das Abschneiden von Haut am weiblichen Genital eine Rezision?
Es hat schon seinen Sinn, gleiche Sachen gleich zu benennen, und wenn das eine eine Rezision und dadurch nicht schlimm ist sollte es das andere auch sein, oder nicht?
Und wenn man sich vor Augen hält das der eine ‚Hautlappen‘ der empfindlichste Teil des Genitals zusätzlich zur Schutzfunktion ist und der andere nur die Schutzfunktion hat.
Aber sie wissen das ja, sie haben sich ja informiert und was sind schon objektive Messergebnisse wenn es auch Einbildung gibt.
Aber wie schon vorher gefragt, gehören diese objektiven Fakten in die Patientenaufklärung?
Oder darf man das gar nicht erwähnen, am besten auch nicht in der Ärzteausbildung, dem Aufklärungsunterricht und so?
@ all Auf Anregung von Bronski möchte ich klarstellen, dass ich an der von Werner Engelmann zitierten Diskussion unter dem Nick Abraham teilgenommen habe (und mich wegen des Ausschlusses von Mitblogger Heinrich unter Protest für längere Zeit zurückgezogen habe).
@ Werner Engelmann
Ich habe Sie keineswegs persönlich angegriffen, sonder inhaltlich die Art Ihrer Zusammenfassung der Diskussion kritisiert. So ist mein Beitrag vom 11. Juli 2012 die Antwort auf Stillers Frage vom 9. Juli 2012 nach dem Sinn der Beschneidung. Mein Beitrag vom 10. Juli 2012 hat aber einen völlig anderen Bezug; es ist die Antwort auf eine von einem anderen Threadteilnehmer gestellte Frage, ob nur ein beschnittener Mann Jude sei. Schließlich ist mein Beitrag vom 18. Juli 2012 nicht die Antwort auf Ihren Beitrag vom gleichen Tag (zumindest nicht auf den von Ihnen aufgeführten Teil Ihres Beitrags, auf den zu antworten ich wohl bei der Vielzahl der Beiträge und Aspekte nicht Zeit gefunden habe). Wenn Sie die unterschiedlichen Ebenen – Bedeutung des Rituals, religionsrechtliche Aspekte und Praxis – nicht wahrnehmen, dann reden wir zwangsläufig aneinander vorbei. Eine der Ursachen für das Misslingen des Dialogs ist, dass die jüdische Religion (und zum Teil auch der Islam) andere Struktur als die christlichen Religionen (vor allem die Katholische Kirche) haben. Das „katholische Denken“ bildet für viele Menschen, auch wenn sie nicht religiös sind, den „Filter“, mit dem sie auch andere Religionen wahrnehmen. Ein solches Religionsverständnis nehme ich aus Ihren Äußerungen wahr, womit ich in keiner Weise auf Ihre persönliche „Sozialisation“ anspiele, die mir ohnehin nicht bewusst war.
@Frank Wieckmann/Steffen Wasmund
Der Unterschied zwischen der (weiblichen) Genitalverstümmelung und der (männlichen) Vorhautbeschneidung besteht auch darin, dass die Entfernung der Klitoris und der Schamlippen auch bei Zustimmung einer volljährigen Frau in Deutschland und in zahlreichen anderen Ländern strafbar wäre. Hingegen ist mir kein Land bekannt, in dem es nur eine Diskussion über die Strafbarkeit der Vorhautbeschneidung zustimmungsfähiger Männer gäbe.
Erwachsene Frauen dürfen in eine Labioplastik, die auch die Reduktion, Modifizierung, Rekonstruktion oder Entfernung jedenfalls der inneren Schamlippen umfasst, einwilligen.
http://de.wikipedia.org/wiki/Labioplastik
Selbiges gilt offenbar auch für die Klitorisvorhautreduktion, die „anatomisch vergleichbar mit der männlichen Zirkumzision“ ist.
http://de.wikipedia.org/wiki/Klitorisvorhautreduktion
Ob eine erwachsene Frau in die Entfernung der Klitoris einwilligen kann, ist mir nicht bekannt. Der entsprechende Vorgang beim Mann ist in diesem Fall nicht die Beschneidung der Vorhaut. Das homologe Organ zur Klitoris ist die Eichel. Ich kann mir nicht vorstellen, dass in Deutschland ein Mann ohne medizinische Indikation in die Entfernung seiner Eichel einwilligen kann.
Wie Sie aber richtig feststellen, bezieht sich Ihr „Einwand“ auf erwachsene Menschen. Diese sind hier nicht Gegenstand der Diskussion.
„Sexualität läßt sich nicht durch Bestimmung von erotisch sensiblen Flächen ausrechnen. Dazu ist Sexualität viel zu komplex. Außerdem spielt auch das Gehirnn noch eine Rolle mit seinen Kompensationsmöglichkeiten (das Gehirn wird sogar als das wichtigste Sexualorgan bezeichnet).“
Hierzu 2 Kommentare zu einem Artikel auf queer.de (der Artikel dürfte in Ihrem Sinne sein, Herr Grebe. Die Kommentare sagen wieder was anderes…)
http://www.queer.de/detail.php?article_id=22287&antwort_zeigen=ja#c47
„Es gibt einen einfachen Versuch um zu testen wie viel ein Beschnittener Mann empfindet.
Man umfasst beim Partner wenn er schläft den Penis, mit Vorhaut wird er durch die Berührung steif, beim radikal beschnittenen Mann tut sich nichts, da ist Sex reine Kopfsache.“
oder
http://www.queer.de/detail.php?article_id=22287&antwort_zeigen=ja#c58
„Wenn man mal zu dem Genuss gekommen ist, mit Sex jemand zu wecken, ist es ziemlich endtäuschend wenn dies nicht mehr geht.
Ich hatte einige beschnittene Männer, bei keinem hat es funktioniert, man muss sie anders wecken und alle waren mürrisch beim schlafen gestört zu werden.
Auch die Höhepunkte waren bei diesen Beschnittenen nicht so intensiv, es fehlt einfach an der Vielfälltigkeit die man mit Vorhaut hat.
Ich bevorzuge auf jeden Fall Männer mit Vorhaut, wenn es riecht, kann man Waschen aber eine Vorhaut kann man nicht ersetzen, weg ist weg, gut für den der damit keine Probleme hat aber die mit Komplikationen tun mir echt leid, sie müssen damit Leben und reden sie über ihre Probleme, werden sie oft noch verspottet.“
Zitat V.Grebe „Überlassen Sie doch einfach die Bestimmung darüber, was Sexualität ist und ob sie den individuellen Ansprüchen genügt, den beschnittenen Männern auf der Welt selbst“
Was ist, wenn ein Mann sagt, seine beschnittene Sexualität genügt seinen individuellen Ansprüchen nicht mehr? Abhilfe? Wie?
Und für meine Söhne werde ich sprechen. Und ich warte nur darauf, dass ein Arzt eine „Behandlung“ anrät…Denn ich darf glaub behaupten das ich weiß, was durch so eine Behandlung verloren gehen kann…
So, ich bin ja nun ein wenig in Verzug geraten mit den Fragen von Herrn Engelmann und möchte das zunächst einmal aufgreifen, bevor es um die vielen weiteren Themen geht.
Frage 2
„2. Interne Widersprüche:
„§ 1631d sorgt für eine subtile Rechtlosstellung des Jungen.“
Ich sehe wie Sie das Hauptproblem im direkten Widerspruch zu §163, Abs.2. Geradezu zynisch erscheint, „körperliche Bestrafungen“ unter Strafe zu stellen, eine körperliche Verstümmelung dagegen nicht. (Als ähnlich zynisch empfinde ich den Ausstellungstitel „Haut ab!“)
Erschwerend tritt hier natürlich der Widerspruch zur Kinderrechtskonvention hinzu.“
Ja, das sehe ich ganz genau so. Es ist ein völliger Widerspruch einmal zu der bisherigen Definition des „Kindeswohls“ in § 1666 BGB als auch zu § 1631 Abs.2. Daneben widerspricht es den Grundsätzen der Verfassung und der UN-Kinderrechtskonvention.
„3. „Ja, in den Formulierungen spiegeln sich sehr wohl dogmatisch-religiöse Ansichten wieder.“
„Die Gerichte sind zwar an die Regierungsbegründung nicht gebunden, aber sie orientieren sich daran.“
Ist Ihnen bekannt, ob und in welcher Form Stellungnahmen wie die von Eran Saleh (die man schwerlich als antireligiös diffamieren kann) eine Rolle gespielt haben?
Es erscheint augenfällig, dass der Bundestag nicht nur die Frage von Menschenrechten mit religiösen Positionen vermischt und zugunsten letzterer relativiert hat. Darüber hinaus erhebt sich der Verdacht, dass er auch nicht im Sinne von „Religionsfreiheit“ gehandelt, sondern auch dieses Prinzip durch Bedienen einer bestimmten religiösen Fraktion als Klientel verletzt hat. Dies ist m.E. auch nicht mit einem (verständlichen) Besorgnis über möglichen außenpolitischen Schadens im Verhältnis zu Israel zu rechtfertigen.“
Ich kenne einige Einzelheiten aus dem Gesetzgebungsverfahren. Wie schon oben angesprochen, wurde ja erst – im Rahmen einer Sondersitzung zur Finanzkrise – der Beschluss gefasst, dieses Gesetz zu erlassen und im Anschluss daran wurde alles, was dieses Gesetz stützen könnte, geradezu handverlesen.
Im Übrigen darf ich die damalige Bundestagsabgeordnete Marlene Rupprecht zitieren (aus: „Die Beschneidung von Jungen – ein trauriges Vermächtnis“, Hrdg. Prof. Dr. Matthias Franz, „Das Recht, alles zu glauben – nicht aber, alles zu tun“, S.421 ff.):
„Ich habe früh bemerkt, dass die Fragestellung auch von einschlägigen Fachleuten bislang gar nicht in Bezug zu Kinderrechten gesetzt worden ist, und mich deshalb entschlossen, zunächst keine öffentlichte Stellungnahme dazu abzugeben, um das Thema nicht konfrontativ zu besetzen.“
(…)
„Die ersten, sehr heftigen öffentlichen Reaktionen von Religionsgemeinschaften machten jedoch schon deutlich, dass die Verfechter der religiös begründeten Beschneidung sich massiv angegriffen fühlten. Darafu folgten erste Politikerinnen und Politker, die durchwegs Urteilsschelte betrieben und das Gericht teilweise als inkomoetent abqualifizierten.“
Dieses Phänomen ist interessant und wird auch heute noch von vielen Journalistinnen und Journalisten weitergeführt. Das LG Köln wird einfach gebasht, wobei die bashende Person in der Regel nicht die geringte Ahnung hat – und sich auch nicht dafür interessieren würde – warum dieses Bashing betrieben wird. Da die Religionsgruppen sich beschwert haben – nicht irgendwelche Religionsgemeinschaften, sondern die jüdische – erscheint das Bashing eines Urteils „richtig“.
„Ich habe ganz bewußt keine Forderung einer raschen, rechtssicheren Regelung aufgestellt, sondern einen Diskurs angeregt, um das offenbar gewordene Missverhältnis zwischen Rechtsprechung und gängiger Praxis sorgfältig und differenziert aufzuarbeiten. Dazu ist es jedoch nicht mehr gekommen.“
Es wird dann die Beschlussfassung in der Sondersitzung zur Eurorettung während der parlamentarischen Sommerpause dargestellt. Anlass für den Beschluss war die Idee, dass jüdisches Leben in Deutschland ohne die Legalisierung der Vorhautamputation „unmöglich“ sei. Diese Idee, und nichts anderes, war Ursache für das Legalisierungsgesetz. Expertenmeinungen waren und sind daneben völlig gleichgültig.
„Es ging also von vornherein nicht um einen ergebnisoffenen Diskurs, sondern um ein Bekenntnis, dem die klare Zielsetzung zugrunde lag, die Beschneidung zu erlauben bzw. straffrei zu stellen.“
Jetzt habe ich leider keine Zeit mehr, um den Rest zu schlidern, aber zusammengefasst kann man sagen, dass diesem Ziel alles andere strikt untergeordnet wurde. Die Bundestagsabgeordneten hatten beispielsweise sämtlich den Film „It’s A Boy“ mit deutschen Untertiteln von dem israelischen Regisseur Victor Schonfield zugespielt bekommen, in dem über alle Fakten aufgeklärt wurde. Das interessierte so wenig wie alle anderen validen Expertenmeinungen. Man suchte sich ganz explizit nur „Experten“ mit Mindermeinungen heraus, deren Ansichten geeignet schienen, das Gesetz zu unterstützen, auch wenn sie fachlich völlig unhaltbar waren.
Frank Wieckmann 15.Dez.2014 20:01 und 16.Dez.2014 16:17
´Die Botschaft hör ich wohl, allein, mir fehlt der Glaube.` Wie soll ich Ihre Beteuerung verstehen, Herr Wieckmann, Sie hätten nicht weibliche und männliche Beschneidung “verglichen oder gleichgesetzt” ? Sie verwenden die Kürzel FGM und MGM, bezeichnen also auch die männliche (!) Beschneidung als “mutilation”, also Verstümmelung, was ich nicht nur für geschmacklos halte, sondern für geradezu ungeheuerlich, wenn man weiß, worum es bei der weiblichen Genitalverstümmelung (die eine echte Verstümmelung ist) wirklich geht. Im Rahmen des Disputs über die Zulässigkeit der Begriffe “Amputation” und “Verstümmelung” für die männliche Circumcision schrieb Frau Dr Pabst am 8.Dez.2014 um 19:06, ich zitiere:
„Sicher ist die Zirkumzision eine Verstümmelung. Wenn sie das nicht wäre, wäre es auch die Entfernng der Klitorisvorhaut bei Mädchen nicht. Wir benutzen gleiche Begriffe für das gleiche Körpergewebe. Arme von Jungen sind das gleiche Gewebe wie Arme von Mädchen. Und bei Mädchen wird jeglicher Eingriff, der am Genitale etwas abschneidet, “Verstümmelung” genannt. Wem es nicht paßt, daß für das gleiche Vorhautgewebe die gleiche Vokabel benutzt wird, möge halt mit denjenigen zu einem Konsens kommen, die jeglichen Eingriff am weiblichen Genitale “Verstümmelung” nennen.“
Diese Stellungnahme bringt die Entsetzlichkeit des Eingriffs an Mädchen in eine gedankliche Nähe zum Eingriff am männlichen Kind. Alle, die gegen die männliche Beschneidung agitieren und den Begriff “Verstümmelung” für dieses Geschehen gebrauchen, tun dies.
Eine Vergleichbarkeit wäre, wie ich erfahren habe, nur auf der Ebene frühester Embryonalentwicklung gegeben. Die Gewebe differenzieren sich in der weiteren Entwicklung von männlichen und weiblichen Embryonen hin zu vollständiger anatomischer, physiologischer und funktioneller Unvergleichbarkeit.
Es geht bei der Verwendung des Begriffs “Verstümmelung” für die männliche Circumcision um etwas sehr bestimmtes. Beim Adressaten der Botschaft soll der Gedanke selbst aufkeimen, hier sei eine reale Vergleichbarkeit gegeben. Der Vergleich wird nahe gelegt. Die Urheber der Botschaft können selber immer leugnen, derartiges gemeint zu haben, aber der Verdacht wurde gesät, und darauf kam es ja an. Ich nenne das eine subtile, eine heuchlerische Taktik, derer sich die Bewegung bedient.
Die weibliche “Beschneidung” ist ein Beispiel dafür, wie sich archaische Traditionen verbunkert haben, tief eingegraben als schwer aurottbares Lebensmuster, dem es an jeder Begründbarkeit in einem selbst weit gefaßten humanistischen Sinne fehlt. Sie ist damit in jeder, in absolut jeder Hinsicht mit der männlichen Circumcision unvergleichbar.
Überprüfen Sie einmal die Zahlen, die Sie zur Häufigkeit der weiblichen Genitalverstümmelung gebracht gaben, Herr Wieckmann. 220 Millionen betroffene Frauen in Indonesien bei einer Gesamtbevölkerung (auswärtiges Amt) von 250 Millionen geht einfach nicht. Im übrigen ist für mich die Diskussion über die weibliche Genitalverstümmelung hiermit nun endgültig beendet. Sie hat mit der männlichen Circumcision nicht das geringste zu tun. Dies ist auch eine Botschaft an den Moderator.
Herr Grebe,
Sie tun das, was Sie ganz offensichtlich am besten können: Sie weichen aus.
Noch immer haben Sie mir nicht darauf geantwortet, was ich mit meinen Aussagen zur FGM darstellen wollte:
Eine Praxis, die überaus schmerzhaft ist und die Frauen und Mädchen für deren restliches Leben schädigt, wird von den Betroffenen selbst verharmlost, verteidigt und als erstrebenswert erklärt, indem die betroffenen Mütter ihre eigenen Töchter verstümmeln lassen.
Ich wollte Ihnen vor Augen führen, dass selbst diese überaus grausame Praxis in den Augen der Betroffenen als positiv geschönt und dadurch weiter verbreitet wird.
Warum sollte das also mit der Verletzung männlicher Genitalien, die vielfach die betroffenen Männer ebenfalls seelisch und körperlich schädigt, anders sein?
Warum antworten Sie mir hierauf nicht? Warum weichen Sie hier aus?
Sei schreiben (unter anderem):
„Sie verwenden die Kürzel FGM und MGM, bezeichnen also auch die männliche (!) Beschneidung als “mutilation”, also Verstümmelung, was ich nicht nur für geschmacklos halte, sondern für geradezu ungeheuerlich, wenn man weiß, worum es bei der weiblichen Genitalverstümmelung (die eine echte Verstümmelung ist) wirklich geht.“
„Die weibliche “Beschneidung” ist ein Beispiel dafür, wie sich archaische Traditionen verbunkert haben, tief eingegraben als schwer aurottbares Lebensmuster, dem es an jeder Begründbarkeit in einem selbst weit gefaßten humanistischen Sinne fehlt. Sie ist damit in jeder, in absolut jeder Hinsicht mit der männlichen Circumcision unvergleichbar.“
Sie streiten also ab, dass die „Beschneidung“ von Männern in schlimmster Verstümmelung enden kann?
Auch hier wurden Männer „beschnitten“.
http://www.ulwaluko.co.za/Photos.html
(Vorsicht, die Bilder sind überaus deutlich!)
Sind diese Männer verstümmelt? Ich meine: ja.
Doch halt! Hier werden Riten aus dem afrikanischen Busch herangezogen, das geht doch nun wirklich nicht!
Doch genau das machen Sie selbst, wenn Sie die extreme Grausamkeit der Verstümmelung der weiblichen Geschlechtsteile meinen. Dann denken Sie an rostige Klingen und dreckige Glasscherben. Kann man die oben gezeigten Bilder nicht mit dem vergleichen, was Mädchen in den selben Gegenden angetan wird?
Dass die weitaus meisten Genitalverstümmelung an Mädchen in Indonesien und Ägypten in Arztpraxen und Krankenhäusern stattfinden, unter hygienischen Bedingungen und nach den „Regeln der ärztlichen Kunst“ (welch Zynismus!), verschweigen Sie, wie gewohnt, Herr Grebe.
Stellen Sie sich einfach mal vor, es würden WEDER die Genitalien von Jungen, NOCH die von Mädchen verletzt. Das könnte man dann sogar in Ihren Augen vergleichen, ja gleichsetzen.
Versuchen Sie es mal!
Wenn Sie redlich argumentieren würden und die Entfernung der KlitorisVORHAUT gemeinsam mit der der PenisVORHAUT betrachteten, in Kliniken durchgeführt und unter Schmerzbetäubung…
Aber das würde Ihre Argumentation stören.
Lieber bauen Sie ein Schreckgespenst auf indem Sie in Bezug auf FGM mit Superlativen argumentieren und im Gegensatz dazu die „Circumdision des Mannes“ als etwas darstellen, dessen medizinischer und religiöser Segen gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann.
Beim Thema der Zahlen in Indonesien haben Sie tatsächlich recht, die Angaben auf der Seite von TdF waren hier leider etwas verwirrend. Korrekt ist die Hälfte, also 110 Millionen Frauen und Mädchen.
Achtung: Die Bilder, auf die Frank Wieckmann verlinkt, sind nichts für schwache Nerven. Sie können aber vielleicht wirklich hilfreich bei der Klärung der strittigen Frage sein, ob man von Verstümmelung reden kann. Einige der Fotos dokumentieren nach meiner Einschätzung allerdings vor allem die himmelschreienden hygienischen Verhältnisse bei der Operation und der „Nachbehandlung“. Wurde da wohl gar mit rostigen Schneidegeräten gearbeitet?
Eine Vergleichbarkeit wäre, wie ich erfahren habe, nur auf der Ebene frühester Embryonalentwicklung gegeben. Die Gewebe differenzieren sich in der weiteren Entwicklung von männlichen und weiblichen Embryonen hin zu vollständiger anatomischer, physiologischer und funktioneller Unvergleichbarkeit.
Quellen haben sie ja wie immer nicht. Unterschiede gibt es natürlich, die Vorhaut beim Jungen ist größer als beim Mädchen und und anders als bei Frauen der empfindlichste Teil am Genital.
Das sind physiologische Fakten über die Anatomie des Menschen.
Gehören diese physiologischen Fakten in die Patientenaufklärung?
Oder wollen sie das nicht beantworten?
Es gibt im übrigen auch Phimose Lichen sklerosis an der Klitoris, und die wird auch ähnlich behandelt wie bei Jungs.
Nur so als medizinisches Detail.
Gehört das verboten?
Stichwort Prophylaxe.
http://o.b5z.net/i/u/10023334/i/surgery_for_clitoral_phimosis.pdf
Denkverbote helfen nicht weiter, mit welchen Superlativen auch immer vorgetragen.
Mag sein, dass für manche Menschen die Diskussion damit beendet ist.
Man sollte aber zur Kenntnis nehmen, dass Frauenrechtsorganisationen das offensichtlich oft anders sehen.
„Denken heißt vergleichen“ sagte schon Walther Rathenau.
Verteidiger von Kinderrechtsverletzungen behaupten immer, dass das was sie mit Kindern tun, nichts mit dem zu tun habe, was andere mit ihren Kindern tun.
So wie jüngst die indonesische Regierung, die eine der weniger gravierenden Formen weiblicher Genitalverstümmelung unter Ärztevorbehalt mit dem Hinweis legalisieren wollte, „dies hätte nichts mit dem zu tun, was man Mädchen in Afrika antut“.
Ich schlage vor, mit Soraya Mire ein Opfer von weiblicher Genitalverstümmelung selbst zu Wort kommen zu lassen:
https://www.youtube.com/watch?v=Ggqa6CCTR-4
Und diese Zeugnisse männlicher Genitalverstümmelung sprechen wohl für sich:
http://ulwaluko.co.za/Photos.html
Kriterium bei einem Vergleich ist nicht das Geschlecht des Kindes.
Sondern welche Rechte des Kindes verletzt werden.
Und was mit dem einzelnen Kind unter welchen Bedingungen geschieht.
Kinder sind Träger eigener Rechte und gehören somit um ihrer selbst willen geschützt.
Dies ist die einzige Perspektive, die zählt:
die Perspektive derer, die allein die Vorhautamputation zu erdulden und lebenslang die Folgen zu tragen haben.
Die hygienischen Bedingungen der Amputationen bei Mädchen und Jungen sind jeweils regional sehr ähnlich. Dort, wo Mädchen mit einer Glasscherbe zugesetzt wird, behandelt man die Jungen natürlich nicht plötzlich im Krankenhaus. Überall dort, wo Mädchen beschnitten werden, werden auch Jungen beschnitten. Bei der Amputation der Jungen nach dem jeweils lokalen Ritus können extreme Missstände herrschen. In Südafrika versterben jährlich hunderte junger Männer an den Folgen des Ulwaluko-Rituals. http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/afrika/beschneidung-grausame-mutprobe-in-den-bergen-13066014.html
Herr Wieckmann, Ihre wütende Reaktion zeigt mir, daß ich ins Schwarze getroffen habe. Es ging übrigens nicht um das Thema Komplikationen und ihre Verursachung. Es ging um die Eingriffe als solche, Ziel, Durchführung und um die Unvergleichbarkeit der Eingriffe am weiblichen und männlichen Genitale. Ich habe präzise formuliert und lasse es dabei nun bewenden.
Daß nahezu alle indonesichen Frauen und Mädchen (ca. 110 Millionen, wie Sie schreiben) „beschnitten“ sein sollen, halte ich für ein Märchen. Wer hat denn da so großzügig ins Blaue spekuliert ?
Sie halten diese Zahlen für ein Märchen?
Mutig, Herr Grebe, wirklich mutig. Oder eher übermütig?
http://www.frauenrechte.de/online/index.php/themen-und-aktionen/weibliche-genitalverstuemmelung2/allgemeine-informationen/fgm-in-asien/1352-indonesien
Zitat aus dieser Seite:
Zahlen:
Bevölkerung: 251.160.124
muslimische Bevölkerung: 88 %
davon betroffen: bis zu 99%
Ich rechne vor:
251.160.124
davon weiblicher Anteil (von mir angenommen) 50%
125.580.062
davon muslimische Bevölkerung: 88%
110.510.455
davon betroffen: 99%
109.405.350
Ich war so frei, diese Zahl mit „ca. 110 Millionen“ anzugeben.
Eventuelle Beschwerden bezüglich des Wahrheitsgehaltes dieser Zahlen bitte ich an Terre de Femmes zu richten.
Ich warte übrigens noch immer auf eine Antwort auf diese Frage: Eine Praxis, die überaus schmerzhaft ist und die Frauen und Mädchen für deren restliches Leben schädigt, wird von den Betroffenen selbst verharmlost, verteidigt und als erstrebenswert erklärt, indem die betroffenen Mütter ihre eigenen Töchter verstümmeln lassen. Warum sollte das also mit der Verletzung männlicher Genitalien, die vielfach die betroffenen Männer ebenfalls seelisch und körperlich schädigt, anders sein?
V.Grebe, dass Menschen, die von Beschneidung betroffen sind, auf Ihre Provokationen empfindlich reagieren, ist nichts als selbstverständlich und menschlich. Der höhnische Tonfall, in dem Sie sich äußern, ist völlig fehl am Platz. Wenn Sie wirklich nicht in der Lage sind, sich in diese Leidsituation – und sei sie auch „nur“ eine subjektiv empfundene – hineinzuversetzen, halten Sie sich von nun an wohl besser raus. Ihr Zynismus ist dem Thema ebensowenig angemessen wie Ihre Methode, die Argumentation umzudrehen: Sie erklären ein Statement für ein Märchen, sagen aber weder, warum Sie das tun noch welche Fakten Sie für Ihre Einschätzung anführen, und erklären die andere Seite großzügig für Spekulanten. Selbst bleiben Sie aber alle Argumente schuldig, und wenn man Sie auffordert, diese Argumente beizubringen, erklären Sie die „Unterdiskussion“ für beendet. Immer wieder das gleiche Verhaltensmuster! Sie hatten Gelegenheit, Ihre Position zu vertreten und bekannt zu machen. Das reicht. Ich bin eher an JaMs Positionen interessiert – und an deren Konfrontation mit den Positionen der Beschneidungsgegner.
Weitere Zitate von Marlene Rupprecht, a.a.O., zur Verdeutlichung der Problematik des Gesetzgebungsprozesses:
S. 432:
„Als Anfang November 2012 der Gesetzesentwurf der Bundesregierung vorlag und in die Ausschüsse zur Beratung ging, habe ich fraktionsunabhängig bei vielen Kolleginnen und Kollegen das Unwohlsein bemerkt, das mit dem Ignorieren all dieser Erkenntnisse einherging. In vielen Fällen war das Beratungsverhalten wie auch die spätere Entscheidung nicht geprägt von innerer Überzeugung, sondern von einer großen Angst, sich als Antisemit/-in oder Islamhasser/-in verunglimpft zu sehen.“
(…)
S. 433
„In den darauf folgenden Anhörungen und Ausschlussberatungen habe ich erneut meine Erfahrungen aus Gesprächen mit vielen Kinderärzten und -ärztinnen wiedergegeben, wonach bei acht Tage alten Babys ein großes Problem beim Narkotisieren besteht, weil die Gefährlichkeit der Narkose exorbitant hoch ist und nur eine lokale Anästhesie infrage kommt. Die in diesem Zusammenhang immer wieder als probates Mittel genannte EMLA-Betäubungssalbe ist jedoch laut Beipackzettel eindeutig ungeeignet, auch wenn dies unter anderem auch in der Begründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung erneut referiert wird (…).
Ich bot Kolleginnen und Kollegen, die das Narkose- bzw. Betäubungsproblem durch die Salbe für erledigt erklärt hatten, im Bundestag an, einen Selbsttest zu machen und einen – bezogen auf eine Beschneidung vernachlässigbaren – Schnitt in eine Fingerkuppe durch Auftragen einer von mir mitgebrachten Salbe zu betäuben. Niemand stellte sich zur Verfügung!“
Ich denke, das beantwortet einigermaßen die Fragen, was die Abgeordneten gewußt haben, dass sie die Augen verschlossen haben und welche Motive dahinterstanden, die Sache zu tabuisieren.
Ich zitiere mal aus der Regierungsbegründung zum Legalisierungsgesetz (Drucksache 17/11295, S.7):
„Bekannt sind Beschneidungen auch aus Australien und aus Teilen des südlichen Afrikas. Zumeist stellt die Beschneidung dabei einen Initiationsritus dar, der im Rahmen von
Reifezeremonien den Übergang von der Kindheit zum Mann markiert. So berichtet etwa Nelson Mandela, der der südafrikanischen Volksgruppe der Xhosa entstammt: „In meiner Tradition kann ein Unbeschnittener nicht die Güter seines Vaters erben, er kann nicht heiraten, er kann keine Stammesrituale leiten. … ein nichtbeschnittener Mann gilt überhaupt nicht als Mann, sondern als ein Knabe.“ (Mandela, Der lange Weg zur Freiheit, 1994, S. 41 ff.).“
Wir sprechen hier vom Ulwaluko-Ritual, zu dem oben Bilder und ein Artikel verlinkt wurde.
Gratulation Herr Grebe. Sie sind ja in der Tat ein Meister darin, eloquent zu schreiben, ohne auch nur ein plausibles Argument anzuführen.
Wenn Sie schreiben:
„Die weibliche “Beschneidung” ist ein Beispiel dafür, wie sich archaische Traditionen verbunkert haben, tief eingegraben als schwer aurottbares Lebensmuster, dem es an jeder Begründbarkeit in einem selbst weit gefaßten humanistischen Sinne fehlt. Sie ist damit in jeder, in absolut jeder Hinsicht mit der männlichen Circumcision unvergleichbar.“,
dann fragt man sich bei dem ersten Satz, worin denn jetzt der Unterschied zur männlichen Beschneidung bestehen möge, denn etwas anderes als ein tief eingegrabenes Lebensmuster, dem es an jeder Begründbarkeit im humanistischen Sinne fehlt, kann ich darin auch nicht erkennen. Die medizinischen (Pseudo-)vorteile können es jedenfalls nicht sein, zumindest nicht, solange man die Nachteile unterschlägt und die Entscheidung nicht demjenigen überlässt, dem der Körper gehört. Sie ignorieren nach wie vor, dass auch die Verteidiger der weiblichen Beschneidung mit vermeintlichen gesundheitlichen Vorteilen argumentieren. Um es deutlich zu sagen: beiden Praktiken fehlt im humanistischen Sinne jede Begründbarkeit und ich habe auch noch nicht wahrgenommen, dass sich Humanisten für die Beschneidung von Jungen stark gemacht hätten. In Ihrem zweiten Satz wird dann auch überdeutlich worum es Ihnen geht: Das Dogma der Unvergleichlichkeit. Dass das für Sie ein solches ist, wird alleine dadurch offenbar, dass Sie bereits ausgehend von einem von Ihnen identifizierten, vermeintlichen, nicht näher begründeten und somit auf tönernden Füßen stehenden Unterschied zu dem Schluss kommen, dass das „in absolut jeder Hinsicht“ etwas anderes sei. Ebenso durchschaubar und unplausibel sind Ihre Versuche, sich gegen Begriffe wie Amputation und Verstümmelung zu wehren. Auch da ignorieren Sie, dass auch genitalverstümmelte Frauen sich genauso gegen diese Begriffe wenden, schlicht weil eben niemand verstümmelt sein möchte. Man kommt aber schlicht nicht umhin, festzustellen dass beide Begriffe sowohl auf die männliche wie die weibliche Beschneidung zutreffend sind. Da es bei der Frage, ob etwas eine Verstümmelung ist oder nicht, vornehmlich auf die subjektive Wertung des Betroffenen ankommt, ist der einzige, der die Beschneidung vom Vorwurf der Verstümmelung befreien könnte, derjenige, dem ein Körperteil abgetrennt wurde. Ein Beschnittener hat ebenso wie eine beschnittene Frau jedes Recht, sich nicht verstümmelt zu fühlen, aber bitte, ebenso hat ein jeder, dem ein Körperteil ohne Not und ohne ausdrückliche und selbstverantworliche Zustimmung abgeschnitten wurde, das Recht sich als verstümmelt anzusehen.
Es wäre schön, wenn Sie an den entscheidenden Stellen nicht nebulös und allgemein, sondern endlich einmal konkret argumentieren würden und auf die adressierten Widersprüche in Ihren Argumenten auch einmal eingehen würden.
Vielen Dank, Maria Werner, für das Zitat Nelsons Mandelas aus der Gesetzesbegründung.
Es gibt weitere Hinweise direkt aus „beschneidenden“ Communities, dass Jungen, Männer und Eltern Diskriminierungen ausgesetzt sind, wenn sie mit unverletzten Genitalien leben bzw. sich dazu entscheiden, auch ihren Söhne eine Eigenentscheidung über die Vollständigkeit ihres Körpers bzw. über die Teilnahme an religiösen und kulturellen Riten zu überlassen.
Dr. Ilkilic schreibt im Katalog der Ausstellung „Haut ab!“:
„Wenn man in diesem Zusammenhang von einem Kindeswohlbegriff im breiteren Sinne ausgeht, kann die Knabenbeschneidung nicht zwingend als eine medizinische Maßnahme bewertet werden, die notwendigerweise gegen das beste Interesse des Kindes ist. Im Gegenteil, das Kind würde innerhalb der eigenen Kultur- und Religionsgemeinschaft Diskriminierungen und Ausgrenzungen erleben.“
Ähnliches schilderte Stephan Kramer, damaliger Generalsekretär des Zentralrates der Juden in Deutschland, in seiner Stellungnahme für die Sitzung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages am 26.11.2012:
„Konsequenzen bei Nichtdurchführung der Brit Milah
Gesellschaftlich besteht die Gefahr, in der jüdischen peer group stigmatisiert und ausgegrenzt zu werden.“
Eine Gesellschaft muss sich nun entscheiden: unterstützt sie die Diskriminierung oder die Menschen, die ihr offensichtlich ausgesetzt sind?
Der Deutsche Bundestag hat sich für die Unterstützung der Diskriminierung entschieden.
Dass dies weitgehend unbeachtet blieb und bleibt, stellt weitere Fragen zur gesellschaftlichen Opferwahrnehmung von Jungen und Männern.
Ich möchte hier Önder Özgeday zitieren, Mitglied des Facharbeitskreises Beschneidungsbetroffener im MOGiS e.V.:
„Es heißt oft, Moslems und Juden sollten die Frage von männlicher Genitalverstümmelung unter sich klären. Ist meine körperliche Unversehrtheit in diesem Land also weniger wert, weil ich türkischer Herkunft bin?
Dann sind meine Grundrechte also Privatsache des Kulturkreises, aus dem ich stamme, bestenfalls ein Zufallsprodukt – und ihre mögliche Verletzung ein Kollateralschaden „gelungener Integration“?“
Vielen Dank, Frau Werner, für die Mühen, die Sie sich gegeben haben.
Natürlich ist mir klar, dass es auch bei juristischen Texten eine Subebene gibt, die evt. mehr Auskunft gibt über die eigentliche Intention als explizite Äußerungen. Aber diese zu erfassen, setzt eben Kenntnis des Kontextes (den Sie so schön eingebracht haben) und viel Praxis voraus. (Bei literarischen Texten fällt mir das erheblich leichter.)
Fazit: Meine Bedenken sind wohl weitgehend bestätigt, Mut daraus schöpfen kann man freilich nicht. Natürlich entstehen daraus neue Fragen, vor allem die nach Handlungsmöglichkeiten und deren Aussichten. Aber da werden Sie vermutlich auch überfragt sein und es scheint wohl zu früh für eine solche Analyse, auch wenn man der Meinung ist, dass sich ein solches Gesetz auf Dauer nicht halten lässt. Zudem wäre sicher zu bedenken, ob, wenn man dagegen anrennt, nicht vielleicht noch schlimmere Alternativen herauskommen.
Ich möchte es in dieser Hinsicht erst einmal damit bewenden lassen und mich einem anderen Problem zuwenden, zu dem Sie mich auch durch Ihren Link zu Erdan Sadah angeregt haben, wie auch durch Ihre folgende Äußerung:
“Es ging also von vornherein nicht um einen ergebnisoffenen Diskurs, sondern um ein Bekenntnis, dem die klare Zielsetzung zugrunde lag, die Beschneidung zu erlauben bzw. straffrei zu stellen.”
Eben dies ist m.E. unausgesprochen mehr oder weniger bei allen, die hier schreiben, auch der Fall. M.E. erfordert ein „ergebnisoffener Diskurs“ aber, auch die dahinterstehende Haltung (ob religiös oder ideologisch bedingt) deutlich zu machen.
Da nun von Seiten der Verteidiger hier alles andere als überzeugende Argumente vorgebracht wurden, möchte ich mich im nächsten Hauptbeitrag mit einem anderen Pro-Statement befassen – das einzige, das mich bisher nachdenklich gemacht hat.
Die „Stigmatisierung des Kindes innerhalb des Kernumfeldes“ bei fehlender Beschneidung bestätigt auch Ünal Yalçın, Richter am Arbeitsgericht in Stuttgart/Aalen in seiner Publikation „Zur Strafbarkeit der Beschneidung Ein Plädoyer für die elterliche Sorge“
http://www.zwangsbeschneidung.de/archiv/uenal-yalcin-richter-nrv.pdf
Hierzu ein Auszug aus meinem 2012 entstanden Kommentar:
>>Ünal Yalçın: „Es sollte zumindest anerkannt werden, dass mit der Beschneidung eine Stigmatisierung des Kindes innerhalb des Kernumfeldes verhindert wird. […] Die Ausgrenzung innerhalb des Kernumfelds ist für die Entwicklung und Förderung des Kindes schädlicher, während im Vergleich dazu die Nachteile durch eine lege artis durchgeführte Beschneidung zu vernachlässigen sind.“
Zu danken ist Yalçın allerdings dafür, dass er die Ausgrenzung und die Stigmatisierung des Kindes bei fehlender Beschneidung als Schaden darstellt und bezeichnet und nicht nur ihr Fehlen als Vorteil ausgibt. Dies erleichtert die Frage danach, wer denn diese Schädigung des Kindes ausführt, wer sie in Auftrag gibt und wie sie in konkreter Vorgehensweise umzusetzen ist. Ausführende dieser Schädigung können in erster Linie nur die Eltern sein oder eben die Religionsmitglieder. Als Auftraggeber kommen nur die Religionsgemeinschaften und die Religionsvertreter in Frage. Ist es denkbar, dass muslimische Eltern ihre Kinder schädigen, weil diese nicht beschnitten sind? Ist es denkbar, dass muslimische Religionsvertreter den Eltern und den Religionsmitgliedern den Auftrag erteilen, die eigen Kinder zu schädigen, weil diese nicht beschnitten sind? Ist die Frage nach der Denkbarkeit, dass jüdische Eltern ihre Kinder vorsätzlich schädigen, weil sie nicht beschnitten sind, überhaupt möglich? Nein! Natürlich nicht! Da die soziale Schädigung des Kindes also nur eintreten könnte, wenn diese Schädigung durch die Eltern oder die Religionsgemeinschaft tatsächlich selbst veranlasst und selbst durchgeführt würde, dies, wie eben gezeigt, aber natürlich unmöglich ist, kann ein sozialer Schaden auch nicht entstehen. Ihn in eine Abwägung zur Ermittlung der Kindeswohlverträglichkeit einzubeziehen, schließt sich von selbst aus.
Das Einkalkulieren des sozialen Schadens hätte ein Menschenbild von Muslimen und Juden zur Grundlage, welches wir in unserer Gesellschaft selbstverständlich überwunden haben.<<
http://www.zwangsbeschneidung.de/presse.html#sozialer-schaden-nichtbeschneidung
Diesen „illegitimen Nötigungsdruck“ betrachtet Jörg Scheinfeld:
„Unter Muslimen gilt der Unbeschnittene zum Teil als "unrein".[53] Und der israelische Mohel Menachem Fleischmann sagt in einem Dokumentarfilm: "Die Vorhaut ist etwas Verabscheuungswürdiges, und deshalb schneiden wir sie ab."[54] Die soziale Botschaft ist hier keine bessere als bei der angeblich nötigen Reinigung des Mädchens. Sie lautet: Du hast etwas Schmutziges an dir, das weg muss; ohne den (verletzenden) Beschneidungsakt bist Du nicht "vollwertig"! Das führt in Sachen "sozialer Botschaft" zu einem weiteren Punkt: Eine Religionsgemeinschaft, die für die Vollwertigkeit ihrer minderjährigen Mitglieder einfordert, sie mögen sich erst einmal im Intimbereich verletzen lassen und eine erogene Zone opfern, übt illegitimen Nötigungsdruck aus.“
http://www.hrr-strafrecht.de/hrr/archiv/13-08/index.php?sz=8
Bronski, für mich erwecken Ihre Einlassungen über mich den Eindruck, daß Sie mehr Partei als Moderator sind. Es gibt hier nur einen Zynismus, und genau den lassen Sie durch, nämlich die Gleichsetzung. Insofern habe ich mit Erfolg „provoziert“. Die Maske ist runter. Die Bemäntelung der Gleichsetzung hat nun ein Ende gefunden.
Maria Werner 14. Dezember 2014 13:21
„Was passieren kann – und solch einen Fall betreue ich gerade – ist, dass ein Elternteil die Beschneidung vollziehen möchte und der andere nicht. Dann darf sie grundsätzlich nicht einfach so aus rituellen Gründen vollzogen werden und der Elternteil, der das durchsetzen will, beruft sich auf medizinische Schein-Argumente wie die “Phimose”. Das ist der Alltag. Von den Vorschriften her bewegen wir uns dabei ausschließlich im Rahmen des § 1666 BGB, also das Legalisierungsgesetz spielt keine wirkliche Rolle. Von der Faktenlage her bin ich in keiner Weise gehindert, Butter bei die Fisch zu geben. Letztlich entscheidet ein Sachverständiger über die “Phimose”, und das muss auch so sein, weil das Gericht keine medizinischen Sachverhalte beurteilen darf. Und der Sachverständige ist ein Arzt. Ein Urologe. Hier schließt sich der Kreis.“
Wird hier der Bock zum Gärtner gemacht?
Wie die Mehrheit der Schulmediziner über Beschneidungen denkt, dazu der Hilferuf einer Mutter, deren Sohn ein Vorhautproblem hat, bei http://www.phimose-info.de/phimose-forum/viewtopic.php?f=3&t=2803
„Ich habe versucht, Informationen zu Erweiterungsplastiken und der Triple Inzision zu finden, aber das scheint hier im Umfeld einfach nirgendwo Thema zu sein. Auch scheinen die Ärzte auf Nachfragen diesbezüglich sehr genervt zu reagieren. Niemand ist überhaupt daran interessiert, auf diese Option einzugehen und man behandelt mich sehr von oben herab. Ein Arzt sagte, es sei anstrengend, mit medizinischen Laien zu diskutieren, die meinen das Internet würde ein Medizinstudium ersetzen. Eine andere Ärztin sagte, das sei doch nicht mein Ernst – eine komplette Beschneidung sei doch viel hygienischer und vor allen Dingen ästhetischer. Mein Sohn sei später bestimmt enttäuscht…“
Man muss sich bei der Regierungsbegründung vor Augen halten, dass dies als Beispiel dafür aufgeführt wurde, warum es keine Alternativen zu einer Legalisierung der Vorhautamputation gebe. Die interne Nötigungssituation in einer Gesellschaft wird also zur Rechtssetzung herangezogen.
In Israel lassen etwa ein Drittel der Eltern die Amputation ausschliesslich aus „sozialen Gründen“ heraus vornehmen:
http://www.haaretz.com/weekend/magazine/even-in-israel-more-and-more-parents-choose-not-to-circumcise-their-sons-1.436421
Die möglichen Folgen für das intakte Kind – soziale Ausgrenzung etc. – sind im Alltag jedoch zumeist deutlich weniger dramatisch, als gerne schwarz gemalt wird. Eltern, die sich in solchen Kulturkreisen gegen die Verletzung ihrer Söhne entscheiden, schließen sich aus guten Gründen meistens zu Selbsthilfegruppen zusammen. Ich spreche hierbei von den USA und von Israel, nicht von MGM nach muslimischem Brauch. Die Strukturen sind dort oftmals noch viel schwerer zu durchbrechen. Ich habe zudem noch von keinem intakten jüdischen Jungen gehört, der aus seiner Religionsgemeinschaft ausgeschlossen wurde. Die bekommen ganz normal ihre Bar Mizva und alles andere, was zu ihrem religiösen Leben dazugehört.
Kommentar Hans Waldorf: „Wird hier der Bock zum Gärtner gemacht?“
Ich habe die Akte dermaßen mit Fakten und Belegen vollgestopft, dass der Bock einigermaßen nervös zu sein scheint. Aber man weiß nie, wie’s ausgeht. Dass diese eine Urologin ihre persönlichen, möglicherweise wohl auch sexuellen Vorlieben an den Kindern ausleben will („eine komplette Beschneidung sei doch viel hygienischer und vor allen Dingen ästhetischer. Mein Sohn sei später bestimmt enttäuscht…”) ist für einen solchen Beruf beschämend.
Womit wir bei der medizinischen Seite sind. Ich möchte JaM keinesfalls im Regen stehen lassen mit seiner Argumentation, aber hier haben wir ja gerade so einiges an Baustellen. 😉 Für den medizinischen Aspekt und seine Hintergründe in den USA nehme ich mir aber etwas Zeit.
Ich begrüße es, dass die Debatte auch auf die Situation der Beschneidung in außereuropäischen Ländern (Südafrika, Indonesien) sowie auf Probleme von FGM eingeht und dass dabei auch die sozialen Aspekte in den Blick kommen. Dies erleichtert es, dem spezifisch deutschen Diskurs die richtige Relation zuzuordnen.
Ich möchte dennoch auf die von Dr. Birgit Pabst (11. Dezember 2014 18:22) angesprochenen „Rahmenbedingungen“ für „ein offenes Klima“ zurückkommen.
Deren Bedeutung zeigt sich auch an ähnlichen Tendenzen im europaweiten und US-amerikanischen Diskurs. So etwa bei der generell deutlich abnehmenden Tendenz zu Beschneidung. Auch bei der im Europarat in der Resolution zur Beschneidung ausgedrückten „Besorgnis“ (http://www.zeit.de/politik/ausland/2013-10/israel-kritik-beschneidung-resolution
Es zeigen sich aber auch Unterschiede. So machen z.B. in den USA Christen, besonders Evangelikale, den Hauptanteil religiös begründeter Beschneidungen aus (Wikipedia).
Die Zuspitzung auf „jüdische Identität“ im deutschen Diskurs (mit den bekannten Antisemitismus-Vorwürfen) ist demnach spezifisch. Dies bedingt auch spezifische Barrieren, die latent auch den Diskurs auf medizinischer oder juristischer Ebene mitbestimmen. Ein „offener“ Dialog erscheint unmöglich, ohne dies mit zu bedenken. Er erfordert aber auch die Bereitschaft aller Seiten dazu.
Im folgenden möchte ich daher auf unterschiedliche Zeugnisse Betroffener eingehen.
Aus kritischer Sicht bedürfen die Stellungnahme von Eran Sadeh (http://pro-kinderrechte.de/statement-von-eran-sadeh/, vgl. Maria Werner, 14.12.,14:51) und die entsprechenden Beiträge Betroffener im Thread „Traurige Allianzen“ kaum einer Ergänzung.
Wesentlich erscheint mir bei Eran Sadeh, dass er der Bedeutung der Beschneidung als „notwendiger Voraussetzung für die jüdische Identität“ ausdrücklich widerspricht. Alan Posener spricht außerdem von der „Last des Gruppendrucks“, der man aber auch widerstehen könne. (http://www.welt.de/kultur/article108264046/Danke-Vater-dass-ich-nicht-beschnitten-wurde.html)
Zum Nachdenken gebracht hat mich aber auch eine differenzierte Stellungnahme pro Beschneidung von Lorenz S. Beckhardt.
(http://www.fr-online.de/kultur/beschneidung-beschnitten-und traumatisiert,1472786,16945268.html)
Ich zitiere daraus wesentliche Passagen:
„Die Schoah unterbrach den Weg der Juden in die Moderne, auch darum halten sie an der Beschneidung fest. (…) Die Beschneidung ist ein Sieg über Hitler. Wir sind noch da. Wir leben. (…)
Deutschland ist der Geburtsort jener Ideen, die das Judentum in die Moderne geführt und den Juden den Weg zur rechtlichen Gleichstellung geebnet haben. (…) Hätte man uns diesen Weg weitergehen lassen, gäbe es heute mit hoher Wahrscheinlichkeit eine moderne Alternative zur Beschneidung. (…) Doch der Weg des deutschen Reformjudentums endete nicht in der Moderne, sondern in Auschwitz.“
Statt der üblichen Beschwörung „jüdischer Identität“ die „seit Jahrtausenden“ existiert (Michael Brumlik) Anerkennung historischer Veränderung, Bekenntnis zur eigenen existentiellen Not, zu einem fortwirkenden traumatischen Erbe, das existentieller Zeichen der Selbsterhaltung bedarf und Abgrenzungsbedürfnis hervorbringt. Ein persönliches Zeugnis von seltener Offenheit, das zweifellos Respekt verdient.
Aber dennoch auch ein Zeugnis, welches das Erbe von „Opfern“ und „Tätern“ festschreibt, „Normalität“ ausschließt oder zumindest auf eine unabsehbar ferne Zukunft verschiebt – und damit auch einen vernünftigen Dialog. Und das, indem es ein „Grundrecht“ für sich einfordert, zugleich das der nachfolgenden Generation beschränkt.
Wie lange dauert Abgrenzung, die sich selbsttätig fortlaufend zeugt?
Eine Hannah Arendt (die sich zeit Lebens dagegen wandte, als „Philosophin“ tituliert zu werden) hat die Kehrseiten eines solchen Abgrenzungsbedürfnisses in Form massivster Schmähungen von der eigenen Seite erfahren. Sie hat als Beobachterin des Eichmann-Prozesses nicht dem Bedürfnis entsprochen, in der Person Eichmann das Mensch gewordene Monster zu sehen. Sie hat in ihm, nüchtern analysierend, „nur“ die „Banalität des Bösen“ erkannt. Eine Nüchternheit, die ihre Umgebung offenbar überfordert hat.
Soll es ein Trost sein für Menschen, die einen offenen Dialog suchen, dass auch ein solch herausragender Mensch an dem Bedürfnis nach Barrieren scheiterte? – Zwischen den bitteren Erfahrungen einer Hannah Arendt und unserer heutigen Diskussion liegt immerhin ein halbes Jahrhundert.
V. Grebe 16. Dezember 2014 14:16
„Außerdem spielt auch das Gehirnn noch eine Rolle mit seinen Kompensationsmöglichkeiten“
Also nur eine Psychotherapie, nur die Version Sex 2.0 aufspielen, und alles ist wieder gut? Das eingeschränkte körperliche Empfinden so kompensieren? Das soll Abhilfe sein?
Ein Therapeut, der Hilfe anbietet
http://www.w-a-praxis.de/beschneidung-genitalverstummme/beschneidung-genitalverstummmelung-psychotherapie-in-berlin.html
„Bei der Beschneidung bzw. Genitalverstümmelung werden entweder zeitnah nach der Geburt oder zu einem späteren Zeitpunkt Operationen am Genital des Kindes bzw. des Jugendlichen ohne dessen vollgültiges Einverständnis vorgenommen. Die Gründe werden teilweise religiös ummäntelt, fussen aber in der Regel auf Traditionen aus vorhistorischer Zeit und haben zum Ziel, die sexuelle Erregbarkeit, die Ausbildung von erotischen Phantasien zu hemmen oder ganz zu unterdrücken. Die psychosexuelle Entwicklung wird auf diese Weise nicht nur gestört sondern teilweise ganz unterbunden, sodass eine Autonomieentwicklung der Betroffenen nur eingeschränkt oder kaum möglich ist.
Die Beschneidung bzw. Genitalverstümmelung stammt also aus vorhistorischer Zeit und hatte zum Ziel, mit steinzeitlichen Methoden, die Unterwerfung der einzelnen Mitglieder einer Ethnie unter den Zwang des Kollektivs zu erleichtern. In manchen Ethnien war und ist nur die Beschneidung des männlichen Gliedes mit Abtrennung der Vorhaut (Zirkumzision) üblich, in anderen Ethnien werden die weiblichen Genitalien (Klitoris und Schamlippen) ganz oder teilweise entfernt.“
Besonders interessant finde ich die Aussage, dass eine Autonomieentwicklung der Betroffenen nur eingeschränkt oder kaum möglich ist. Das verhindern der Entwicklung zu einer eigenständigen Persönlichkeit, damit sich diese leichter unterwerfen lässt? Sich die Betroffenen anpassen und einfügen müssen? Sieht so Identitätsfindung aus?
Herr Grebe, Abhilfe gibt es anscheinend. Aber bei den Vorteilen, da such ich immer noch, und kann keine erkennen. Und mir prophylaktisch alles zu entfernen, was nicht lebensnotwendig ist, um irgendwas zu verhindern, was wahrscheinlich eh nie eintritt, sehe ich nicht als Vorteil.
Es ist ja nicht nur die Meinung dieser Urologin, für die meisten Schulmediziner/Urologen ist die Vorhaut nur ein nutzloser Hautlappen, und es ist egal wie viel „reseziert“ wird, das einzige was am männlichen Glied der sexuellen Stimulation diene, sei nur die Glans…
Auch hier wieder ein Beispiel eines Mannes, der seine bitteren Erfahrungen erzählt…
http://doch-noch.de/peniswochen-folge-3/#comment-3487
“ Ich kann mich dem Bericht von Niel Juhl nur anschliessen. Seit meiner Beschneidung ist das berauschende sprudelnde Gefühl beim Sex und beim Onanieren unwiederbringlich abhanden gekommen. Kleine Berührungen an der Vorhaut waren vorher stimmulierend und Onanie gab mir die nötige Entspannung. Die Vorhaut war ein elementarer Bestandteil des Vorspiels umd beim Orgasmus durchzuckte es meinen ganzen Körper bis un die Zehenspitzen. Ich fühlte mich tiefenentspannt. Jetzt ohne Vorhaut fühlt es sichbeim Hin- und Herschieben der Schafthaut so an, als ob ich eine Socke über einen Besenstiel schiebe. Nur im Bereich der Narbe verspühre ich noch etwas Gefühl. Die Eichel ist nicht so empfindlich, wie der beschneidende Arzt mir versuchte einzureden. Seiner Meinung nach, ist nur die Eichel wirlich empfindlich. Er empfahl mir, die komplette Vorhaut aus ästhetischen Gründen zu entfernen, so dass die Narbe direkt in der Eichelfurche verborgen bleibt. Heute bin ich froh, dass ich darauf bestanden habe, zumindest etwas von der inneren Vorhaut stehen zu lassen. Das Onanieren ist zu einer Zwangshandlung verkommen, in der Hoffnung vielleicht doch noch einmal ein für immer verloren gegangenes Gefühl herauf zu beschwören.“
Er bezieht sich anscheinend auf diesen Artikel
http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=wi&dig=2012%2F09%2F15%2Fa0021&cHash=02144a15759b23ea7f6826fe96ab15c9
Ja, das Wissen um Bedeutung und Funktion der männlichen Vorhaut ist in aller Regel innerhalb der Ärzteschaft komplett unterentwickelt, was auch mit der Einflußnahme der USA in die medizinische Fachliteratur zusammenhängt. Dr. Kupferschmid vom Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte hat diese Mißstände und ihre Ursachen bereits im Detail beschrieben. Nur so erklärt sich zum einen, warum studierte Urologen zu dieser Amputation meist nichts anderes zu sagen wissen als „sexy“ und „sauber“. Zum anderen spielen Scheindiagnosen eine große Rolle in Deutschland. Mehr als jeder zehnte Junge oder Mann erleidet hierzulande eine Vorhautamputation. Statistisch gesehen fällt die jüdische Amputationspraxis dabei überhaupt nicht ins Gewicht. Auch die Amputation nach muslimischem Ritus nimmt nur eine untergeordnete Rolle ein. Den weitaus größten Teil machen Vorhaut-Amputationen von Kindern aufgrund der Scheindiagnose „Phimose“ aus, die regelmäßig im Kindesalter überhaupt keine Krankheit ist, sondern ein Normalzustand.
Sehr gerne, Herr Engelmann. Ganz kurz darf ich noch etwas klarstellen: Bei der Aussage
“Es ging also von vornherein nicht um einen ergebnisoffenen Diskurs, sondern um ein Bekenntnis, dem die klare Zielsetzung zugrunde lag, die Beschneidung zu erlauben bzw. straffrei zu stellen.”
handelte es sich um ein Zitat von Frau Marlene Rupprecht. Ich glaube, ich habe das nicht verständlich genug hervorgehoben. Rupprecht war damals Kinderbeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion.
Frau Werner,
Sie haben es durchaus klar gestellt und ich habe es auch richtig registriert. Entschldigen Sie bitte die Ungenauigkeit aus dem Zwang, sich möglichst kurz zu fassen.
Sehr geehrter Herr Engelmann,
offensichtlich halten Sie in Bezug auf die Frage der Zulässigkeit der Vorhautbeschneidung die Abwägung für relevant, ob ein Verbot die „jüdische Identität“ tangiert. Sonst würden Sie nicht nach jüdischen Zeugen suchen, die dem Widersprechen.
Dieses Anliegen offenbart allerdings eine Vorstellung von einer einheitlichen „Identität“, die es im Judentum nicht gibt. Wenn Eran Sadeh die Beschneidung nicht als „notwendige Voraussetzung für die jüdische Identität“ sieht, hat er jedes Recht dazu, spricht aber nur über seine eigene Identität und die einer (winzig) kleinen Gruppe säkularer jüdischer Israels. Dies ändert nichts daran, dass die überwiegende Mehrheit der nicht-religiösen und fast ausnahmslos alle religiösen (von der Reformbewegung bis zu den ulraorthodoxen Haredim) Juden in Israel (sowie in der Diaspora) die Beschneidung als einen (mit)konstituierenden Faktor ihrer jüdischen Identität betrachten. Auch in Deutschland repräsentiert Alan Posener eine (sehr kleine) Minderheit der Juden, während Micha Brumlik (der Ihre Belehrung über historische Veränderungen des Judentums gewiss nicht benötigt) die überwiegende Mehrheit vertritt. Dabei ist letztlich nicht entscheidend, welche Position die Mehrheit oder Minderheit hat. Im Judentum, trotz des gelegentlichen scharfen Streits unter den verschiedenen Richtungen, werden im Allgemeinen auch Minderheitsmeinungen respektiert. Im Übrigen schützt das Grundrecht der Religionsfreiheit auch die religiösen Minderheiten.
Völlig auf dem Holzweg befindet sich Lorenz S. Beckhardt mit seiner Einschätzung, „die Schoah unterbrach den Weg der Juden in die Moderne, auch darum halten sie an der Beschneidung fest“. Falsch ist bereits die Behauptung „der Weg des deutschen Reformjudentums endete nicht in der Moderne, sondern in Auschwitz“. Es ist die tragische Tatsache, dass bedeutende Persönlichkeiten des deutschen liberalen Judentums und unter den sechs Millionen auch viele liberale Juden in der Schoa umgebracht wurden. Doch glücklicherweise könnte Tausende von deutschen Juden in die USA, und nach England flüchten, wo sie für viele Jahrzehnte die Entwicklung des Reformjudentums zu der weltweit führenden Kraft unter dem religiösen Judentum entschieden mitgeprägt haben. Seit Mitte der 1990er Jahre ist das liberale Judentum auch wieder in Deutschland durch aktive Gemeinden vertreten.
Genauso falsch ist die Unterstellung, der „Weg in die Moderne“ würde das Festhalten an der Beschneidung beenden. Die Debatte über die Verbindlichkeit des Beschneidungsritus, in dem zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Deutschland entstandenen religiös-liberalen Judentum anfänglich tatsächlich geführt, wurde bereits in den 1850-er Jahren entschieden. Auch mit Zustimmung des von Beckhard in dem verlinkten FR-Artikel erwähnten Rabbiners Abraham Geiger (trotz seiner gegenüber der Beschneidung privat geäußerten Vorbehalte) beschloss eine der ersten Rabbinerversammlungen, die Beschneidung zu den unveränderlichen Grundlagen der jüdischen Religion zu zählen. Soweit ich weiß, fiel dieser Beschluss einmütig. Seitdem hat das Reformjudentum viele Veränderungen erfahren (wie die vollständige religiöse Gleichstellung der Frauen im Gottesdienst, Ordination von Kantorinnen und Rabbinerinnen, Akzeptanz der Homosexualität), und diskutiert heftig über weitere Themen (wie die gleichgeschlechtliche Ehezeremonie) – an der Beschneidung hält aber die überwältigende Mehrheit der Reformgemeinden weiterhin fest. Die World Union for Progressive Judaism, die rund 1.200 Gemeinden der liberalen, reform- oder rekonstruktionistischen Richtung auf sechs Kontinenten mit über 1,8 Millionen Mitgliedern vertritt, hatte auch entschieden Stellung bezogen gegen des Kölner Beschneidungsurteil und gegen die Bestrebungen, die Knabenbeschneidung in Deutschland zu kriminalisieren.
Mir ist klar, dass Sie diese Haltung nicht akzeptieren und dass Sie sich weiter auf (einzelne) negative Erfahrung Betroffener und auf ablehnende (medizinische) Expertisen berufen werden. Vielleicht können Sie aber zumindest akzeptieren, dass eine Vielzahl der Betroffenen die negativen Erfahrungen nicht teilt und dass es auch Experten gibt, die mit ihren Studien eine andere Einschätzung der Beschneidungsfolgen stützen.
Nur noch am Rande: Die (nicht nur jüdische) heftige Kritik, die Hannah Arendts Berichte vom Eichmann-Prozess hervorgerufen haben, entzündete sich nur zum Teil an Ihrem Diktum „Banalität des Bösen“, das als Verharmlosung der NS-Verbrechen empfunden wurde. (Inzwischen meinen auch viele Historiker, dass Arendt tatsächlich ein Fehlurteil unterlaufen ist und sie Eichmann auf seine Verteidigungsstrategie hereingefallen ist, sich als ein blinder, gehorsamer Bürokrat darzustellen.) Der Hauptgrund für das Zerwürfnis auch mit einigen engen jüdischen Freunden waren ihre harschen Vorwürfe der Kollaboration an die von den Nazis eingesetzten jüdischen Funktionäre in den jüdischen Gemeinden in Deutschland und in den Nazi-besetzten Ländern sowie an die „Judenräte“. Dazu schreibt Wikipedia. „Gershom Scholem, der mit Arendt seit 1939 in regelmäßigem Briefwechsel stand, äußerte im Juni 1963 eine scharfe Kritik an dem Buch, die – gemeinsam mit Arendts Replik – wenig später mit ihrer Zustimmung veröffentlicht wurde. Hinsichtlich der Judenräte vermisste er ein abgewogenes Urteil. ‚In den Lagern wurden Menschen entwürdigt und, wie Sie selber sagen, dazu gebracht, an ihrem eigenen Untergang mitzuarbeiten, bei der Hinrichtung ihrer Mitgefangenen zu assistieren und dergleichen. Und deswegen soll die Grenze zwischen Opfern und Verfolgern verwischt sein? Welche Perversität! Und wir sollen da kommen und sagen, die Juden selber hätten ihren ‚Anteil‘ an dem Judenmord.‘“
Zum Beitrag: Werner Engelmann 18. Dezember 2014 0:15
Die „Rahmenbedingungen“ für „ein offenes Klima“.
Ich stimme mit Dr. Birgit Pabst überein. „Diese Rahmenbedingungen werden nicht die beteiligten Glaubensgemeinschaften schaffen.“
Um die Begründung zu finden, müssen wir uns ansehen, was die Beschneidung für die Glaubensgemeinschaften eigentlich bedeutet. Rabbiner Andrew Aryeh Steiman stellt dies eindeutig klar, wenn er die Beschneidungsgegner als „totalitäre“ „erklärte Feinde des Judentums“ bezeichnet, die in einer „Tradition“ des „Todes“ Seite an Seite mit „Osama bin Laden“ und den Hitlerfaschisten von vor nicht „einmal ein[em] volle[n) Jahrhundert“ ausziehen, um den Juden einen massenvernichtungshaften Kulturkampf aufzuzwingen.
Im Gegensatz dazu seine Wahrnehmung über die Qualität der Beschneidung und die Qualität dessen, der beschneidet.
http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/14678
„Der achte Tag steht nach dem Schöpfungsakt, der sieben Tage dauerte. Die Beschneidung signalisiert: Wir vollenden, was der Schöpfer uns vorgibt. Und wir fangen bei uns selbst an, ganz zu Beginn eines menschlichen Lebens. Ein kleiner Schnitt für den kleinen Menschen bedeutet einen Riesenschnitt für die riesige Menschheit. Gerade deswegen wird er wohl auch umso hartnäckiger bekämpft.“
(…)
Auch die Unterteilung in Reine und Unreine, (http://frblog.de/rund-um-das-thema-beschneidung/#comment-33483 ) in Menschenkategorien, die Menschen an naturgegebenen verabscheuungswürdigen Merkmalen identifizieren zu können behauptet, ist eine Vorgehensweise, die uns von genau jenen bekannt ist, die Andrew Aryeh Steiman zuvor in die Tradition des Todes einordnet.
So ist es denn auch kein Wunder wenn Lorenz S. Beckhardt seinen Beitrag mit der Schlussfolgerung enden lässt: „Das Ausmaß der demgegenüber offenbarten Gleichgültigkeit schockiert mich. Sie war schon 1933 der Nährboden, auf dem unsere Mörder gewachsen sind. Die Mehrheit war nie antisemitisch. Sie war und ist gleichgültig. Ihr fehlt es an Empathie. „Juden misshandeln ihre Kinder,“ heißt ihre Sorge. Mich fröstelt.“
http://www.fr-online.de/kultur/beschneidung-beschnitten-und-traumatisiert,1472786,16945268.html
Was die Glaubensgemeinschaften anbelangt, ist nur eines von wesentlichem Rang. Die Beschneidungskritik stellt die absolute Verbindlichkeit von Gottesbefehl und Glaubensanweisung in Frage. Dies kollidiert direkt mit der jüdischen Weltanschauung und ebenso mit dem (offiziell vertretenen) Verfassungsverständnis der hier lebenden Muslime: „Die Respektierung der Menschenrechte steht und fällt (…) letztlich mit dem Glauben an Gott.“ http://islam.de/17531
Die Kommentierung des Vorsitzende des Zentralrates der Muslime Aiman Mazyek zum Beschluss des Bundestages zur Beschneidung ist dann auch zwingend folgerichtig: „Endlich ist dem Spuk mit dem Kölner Fehlurteil ein würdiges Ende gesetzt worden.“ http://www.zentralrat.de/21548.php
Die Äußerungen katholischer und evangelischer Christen lesen sich entsprechend.
(…) Passage gelöscht, Anm. Bronski
Nachtrag:
In Auschwitz endete zwar nicht der Weg des deutschen Reformjudentums in die Moderne, doch es ging dort endgültig die Illusion unter, das Judentum könne durch eine möglichst weitgehende Anpassung an die christliche Gesellschaft die Akzeptanz oder gar die Anerkennung der Mehrheit der deutschen Bevölkerung erreichen. Das hohe Maß an Anpassungsbereitschaft demonstriert die Namensgebung des „Central-Vereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens“, der – welch eine Ironie der Geschichte – nicht als Frucht der Erfolge der bürgerlichen Emanzipation entstand, sondern 1893 als Reaktion auf den wachsenden Antisemitismus im Kaiserreich gegründet wurde. Dass die Anpassungsstrategie erfolglos bleiben wird, hat sich bereits im ersten Weltkrieg mit der „Judenzählung“ gezeigt. Die von der Heeresleitung angeordnete Erhebung, wie viele Juden im Feld dienten, wie ihr Anteil in der Etappe und wie viele sich vom Dienst gedrückt haben, empfanden die zu Fahnen geilten deutschen Patrioten jüdischen Glaubens als ungeheure Schmähung. Die Zahlen der Zählung wurden nie offiziell veröffentlicht, weil sich zeigte, dass der Anteil jüdischer Soldaten im Feld, der Gefallenen und Verwundeten höher war als der Anteil der Juden an der deutschen Bevölkerung. Das schützte die jüdischen Kriegsveteranen nicht vor der NS-Verfolgung, Vertreibung und Vernichtung.
Nach Auschwitz gehört zu jüdischem Selbstverständnis, das Recht auf Anderssein zu beanspruchen (das z.B. in den USA nie in Frage gestellt war). Deshalb verteidigen die Beschneidung auch diejenigen, die keineswegs „die absolute Verbindlichkeit von Gottesbefehl und Glaubensanweisung“ (Steffen Wasmund) vertreten. Den Vorwurf, damit das das Erbe von „Opfern“ und „Tätern“ festzuschreiben (Werner Engelmann), halte ich für geschmacklose Chuzpe, um keinen der Netiquette widersprechenden Ausdruck zu verwenden.
@ JaM
Aus diesem Recht auf Anderssein, das eigentlich jeder Mensch ganz selbstverständlich für sich in Anspruch nehmen können sollte, leiten Sie das Recht ab, ein Grundrecht aller Menschen zu verletzen, nämlich das Recht auf körperliche Unversehrtheit?
Lieber Bronski,
diese Antwort ist deutlich unter Ihrem Niveau! Mit dem Recht auf Anderssein (das in der deutschen Gesellschaft keineswegs so selbstverständlich akzeptiert wird, wie die Tausende Pegida-Anhänger und auch ihre zahlreichen Versteher im Nachbarthread belegen) habe ich lediglich begründet, warum die überwiegende Mehrheit der Juden nicht bereit ist, nur der Anpassung wegen auf grundlegende Rituale zu verzichten. Das Recht der Eltern auf die Beschneidung ihrer Söhne vertrete ich deshalb, weil diese nach meiner Auffassung keine Grundrechtsverletzung ist. Bei der Beschneidung eines Mannes handelt es sich um einen einwilligungsfähigen, geringfügigen Eingriff, der nach der Meinung zahlreicher medizinischer Experten (z.B. der WHO) und nach der Erfahrung einer überwiegender Mehrzahl der Betroffenen bei Säuglingen nach menschlichem Ermessen nur zu geringen, behebbaren gesundheitlichen Risiken führt, die durch die Vermeidung anderer Risiken kompensiert werden, und der die Sexualität nicht beeinträchtigt. Daher können, auch nach Auffassung führender Verfassungsexperten, Eltern nach Abwägung auch der nicht medizinischen Aspekte (zu denen die Wahrung der jüdischen Identität des Kindes gehört) diesem Eingriff wirksam zustimmen. Die Tatsache, dass dieser Eingriff von anderen Experten und (mit einer Ausnahme) von den Mitdiskutanten in diesem Thread anders bewertet wird, macht meine Einschätzung nicht ungültig. Wenn Sie sich aber im alleinigen Besitzt der Wahrheit wähnen und nicht einmal bereit sind, andere Argumente zu Kenntnis nehmen, dann brauchen wir auch nicht weiter diskutieren.
@ JaM
Mein Kommentar von 9:51 Uhr war keine Antwort, sondern eine Frage. Die Sie auch beantwortet haben. Ich dachte an die Mitleser und wollte Ihnen lediglich Gelegenheit geben, einen missverständlichen Inhalt klarzustellen. Ich nehme andere Argumente durchaus zur Kenntnis. Um diese zu erfahren, frage ich Sie ja.
Beschneidung von Säuglingen ist Ihrer Auffassung nach keine Grundrechtsverletzung. Andere Teilnehmer an dieser Diskussion haben dargelegt, warum es sich möglicherweise doch um eine Grundrechtsverletzung handeln könnte. Sollten neue Erkenntnisse (in diesem Fall über den Sinn und Wert der Vorhaut) nicht auch zu einer Neubewertung tradierter Vorstellungen führen? Es wäre nicht das erste Mal in der Menschheitsgeschichte.
Zusatz zu meinem Kommentar von 13:34 Uhr
Ich möchte zum allgemeinen Verständnis und für den Hintergrund meiner vorangegangenen Frage hinzufügen, dass ich für das erste Quartal 2015 einen Blogtalk mit einem jüdischen Beschneidungskritiker plane. Ich habe noch niemanden angefragt, aber der Entschluss steht. Das wird natürlich wieder eine kribbelige Angelegenheit, so wie auch der Beschneidungs-Talk vom April 2014 viel Vorbereitung gefordert hat. Meine oben gelistete Frage zielt nur darauf, die Bereitschaft zur Modernisierung der eigenen Anschauungen in einer Wertegemeinschaft zu erfragen, die sich selbst als liberal bezeichnet.
Vorher müsste allerdings eigentlich die Frage geklärt werden, ob die Notwendigkeit zur Modernisierung tatsächlich besteht. Dazu wäre ein Gang vor das Verfassungsgericht ausgesprochen hilfreich. Da gibt es aber erhebliche Probleme, denn so ein klärender Prozess wäre wohl nur möglich, wenn ein ausreichend großer Teil des Bundestages das Verfassungsgericht anrufen würde. Menschen, die vom aktuell gültigen Beschneidungsparagrafen betroffen sind, können sich – wenn überhaupt – erst in zwei Jahrzehnten in eine juristische Auseinandersetzung begeben. Das Thema steht also weder auf der Agenda der Bundestagsabgeordneten und damit auch nicht auf der des Verfassungsgerichts. Die juristische Frage muss wohl zunächst ungeklärt bleiben.
Trotzdem frage ich, denn hier steht der Verdacht im Raum, dass in Deutschland ein Menschenrecht verletzt wird.
Im Talk mit dem Politikwissenschaftler Professor Markus Rhomberg haben wir herausgearbeitet, dass Journalisten ihre Positionen transparent machen sollten. Über meine persönliche Position zur Beschneidung haben wir noch nicht geredet. Ich selbst bin nicht beschnitten. Als schwuler Mann habe ich aber im Lauf vieler Jahre sexuellen Kontakt mit beschnittenen Männern gehabt, darunter auch mit Muslimen und Juden. Ich kann das bestätigen, was im benachbarten Thread in mehreren Kommentaren von Frauen über ihren Sex mit beschnittenen Männern geschrieben wurde: Sex erfolgte sehr kontrolliert, auf den Höhepunkt musste hingearbeitet werden, das Ganze hatte weniger mit Lust zu tun, mehr mit Sport. Okay, mancher mag das vielleicht. Ich habe bei diesen Gelegenheiten die Beschneidung meiner Partner nicht thematisiert und weiß daher nicht, ob sie sie als Vor- oder Nachteil erlebt haben. Ich persönlich mag lieber unbeschnittene Männer als Sexpartner.
Dass hier möglicherweise eine Menschenrechtsverletzung vorliegen könnte, war mir – und auch diesen Männern vermutlich – nicht bewusst. Erst das Kölner Urteil von 2012 hat mir eröffnet, dass es ein Problem gibt. Das Thema stand einfach nicht auf meiner Agenda. Zum Kölner Urteil habe ich damals viele, viele Leserbriefe bekommen und auch veröffentlicht; es gab eine intensive Debatte auch hier im FR-Blog. Die meisten der Zuschriften begrüßten das Urteil, in der Blog-Debatte dominierten die Befürworter der Beschneidung. Die FR, also mein Auftraggeber, hat zu meiner Erschütterung sofort kommentiert, dieses Urteil sei antisemitisch, korrespondierend zu Wortmeldungen jüdischer Mitbürger, künftig sei jüdisches Leben in Deutschland nicht mehr möglich. Damit war eine offene Auseinandersetzung über diese Menschenrechtsfrage nicht mehr möglich. Der Gesetzgeber verabschiedete dann sehr rasch ein Gesetz, das Beschneidung an nicht-einwillungsfähigen Menschen erlaubte.
Dies ist der Hintergrund, mit dem ich an dieses Thema herangehe. Ich bin inzwischen ziemlich überzeugt von dem Argument, dass die Vorhaut einzig und allein dem Säugling gehört, der beschnitten werden soll, denn sie ist ein Teil seines Körpers. Die Entfernung dieses Körperteils ist irreversibel. Also sollte er allein darüber bestimmen dürfen, ob sie entfernt wird oder nicht. Gibt es gute Gegenargumente?
Ok, Bronski, Erklärung akzeptiert.
Eine Auseinandersetzung mit den Argumenten, die gegen die Beschneidung vorgebracht werden, fand in der jüdischen Gemeinschaft statt. Ich selber habe eine Rehe der im Internet zugänglichen Stellungnahmen und Studien angesehen und kenne einige, die sich damit ebenfalls intensiv befasst haben. Mich haben diese Studien nicht überzeugt, weil sie auf zu geringer Fallzahl basieren und zum Teil rein spekulativ sind. Mein Eindruck ist: Je schriller die Argumente vorgetragen werden, umso weniger überzeugend sind sie. Das gilt insbesondere für die von Ihnen explizit angesprochenen „Sinn und Wert der Vorhaut“. Sagt wirklich die Empfindlichkeit des Gewebes etwas über die sexuelle Funktion? Ich erinnere mich an eine Studie, bei der die Empfindlichkeit der Penis-Eichel (mit klaren individuellen Unterschieden) gemessen und die Probanden dann nach ihrem Sexualleben befragt wurden – eine signifikante Korrelation ist nicht festgestellt worden. Einige Diskutanten hier stilisieren die Vorhaut zu einem eigenen Sexualorgan, der Klitoris vergleichbar. Ich habe bisher keinen Mann gefunden, der hätte berichten können, durch alleinige Stimulation der Vorhaut zum Orgasmus gekommen zu sein.
Selbstverständlich führen auch im Judentum, zumal in seinem nicht orthodoxen Teil, neue Erkenntnisse auch „zu einer Neubewertung tradierter Vorstellungen“, was sich z.B. an der inzwischen im nicht-orthodoxen Judentum selbstverständlichen Akzeptanz von Schwulen und Lesben zeigt. Selbst Teile der Orthodoxie, die an dem biblischen Verbot des homosexuellen Geschlechtsverkehrs nicht rütteln können, versuchen in der Praxis, sich mit dem Schwulsein ihrer Gemeindemitglieder irgendwie zu arrangieren. Zudem nimmt auch in der jüdischen Gemeinschaft die Bindungskraft der Religion deutlich ab. In Bezug auf Beschneidung kann ich allerdings weder in Deutschland noch international eine nennenswerte Änderung erkennen.
Lieber Bronski, auf Ihren Nachtrag, insbesondere die Frage der Verfassungskonformität des Beschneidungsgesetzes und des Kölner Urteils, kann ich aus Zeitgründen nicht antworten; vielleicht später. Kurz nur folgendes: Es kommt nicht darauf an, Sie oder andere Gegner zu überzeugen. Die entscheidende Frage ist, ob Ihre Argumente ausreichen, um die Beschneidung zu verbieten.
@ JaM
Widerspruch: Es kommt sehr wohl darauf an, mich zu überzeugen. Denn nur dann, wenn ich sicher bin habe, dass hier kein Unrecht geschieht, werde ich das Thema sausen lassen. Das ist FR-Tradition.
Ok, in Bezug auf den Blog bestimmen Sie.
Zitat: Einige Diskutanten hier stilisieren die Vorhaut zu einem eigenen Sexualorgan, der Klitoris vergleichbar. Ich habe bisher keinen Mann gefunden, der hätte berichten können, durch alleinige Stimulation der Vorhaut zum Orgasmus gekommen zu sein. Zitatende
Ich fühle mich einfach mal angesprochen und finde es interessant das sie das nicht überzeugt.
Weil das eigentlich das interessanteste ist was ich über die Beschneidung und die Vorhaut in der Debatte gelernt habe.
Und auch wenn sie das nicht überzeugt, die Leute die ihr Kind beschneiden lassen sollten das eigentlich wissen, oder nicht?
Wenn sie das nicht überzeugt gut, aber eine Entscheidung ohne dieses Wissen ist keine informierte Entscheidung.
Und um es mal frank & frei auszusprechen, ich glaube nicht das Leute, die die Vorhaut für abscheulich halten, die Eltern darüber unterrichten das die Vorhaut der empfindlichste Teil ist, und das als Kind beschnittene Männer das wissen verbietet sich ja eigentlich von selber.
Wo sollen die Leute die die Entscheidung treffen informiert werden?
Finden sie das nicht bezeichnend das in fast allen der Beschneidung zustimmenden Artikeln die Funktion der Vorhaut überhaupt nicht thematisiert wird, obwohl alle Säugetiere eine haben?
Grad neulich gab es ne Kindersendung über den Tastsinn, und da kam dann wieder das neben den Fingern auch die Lippen sehr viele Tastkörper haben. Der 3. Körperteil der ähnlich viele Tastkörper hat wurde nicht erwähnt.
Und so zieht sich diese nicht vorhandene Information durch die Diskussion.
@JaM
Als ungewollt vorhautloser Mann kann ich nicht anders, als Ihre Ausführungen als zynisch zu bezeichnen. Von Ihnen, aber auch von V. Grebe, kommt ja immer wieder der Einwand, dass es sich bei den negativ Betroffenen (oder zumindest denen, die sich negativ äußern) um eine Minderheit handelt, woraus gefolgert wird, dass die Mehrheit zwangsläufig das Maß setzt und deswegen Recht hat. Die Geschichte zeigt an vielen Stellen, dass die Mehrheit nicht immer „Recht“ gehabt hat, das Gegenteil trifft eher zu. Andererseits schreiben Sie wiederum von dem „Recht auf Anderssein“, gestehen aber Menschen wie mir dieses Anderssein nicht zu und marginalisieren unsere Meinung und vor allem unser Empfinden, sie marginalisieren uns als Menschen. Das Verständnis, dass Sie von uns erwarten, bringen Sie uns im Gegenzug keinen Millimeter entgegen.
Ganz ehrlich, mich interessieren irgendwelche Studien nicht. Mich interessiert auch nicht, ob der Eingriff harmlos ist oder nicht, mich interessiert auch nicht ob es sexuelle Folgen gibt oder nicht. Wobei falsch, mich interessiert das alles schon, denn der Eingriff IST schmerzhaft (das hat selbst Stephan Kramer vom ZdJ zugegeben, siehe http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2012-10/beschneidung-gesetzentwurf) und mindestens die kosmetischen (freiliegende Eichel), physiologischen (trockene Eichel im Gegensatz zu einer feuchten) und mechanischen (keine oder eingeschränkte Gleitfunktion ergo kein „Mütze-Glatze“) Folgen sind offensichtlich. Aber zuallererst müssen wir doch feststellen: Hier wird ein Teil des Körpers ABGESCHNITTEN. Selbst wenn Sie und „Experten“ der Meinung sind, dass dieser Teil des Körpers keine Funktion hat, warum überhaupt einen Teil des Körpers ABSCHNEIDEN? Würden wir hier über Ohrläppchen reden, würden Sie das genau so sehen? Welche Funktion erfüllen denn Ohrläppchen? Ich kenne keine lebensnotwendige, höchstens dass ich abgehe wie Sau, wenn meine Sexualpartnerinnen sie liebkosen (und alleine deswegen möchte ich sie nicht missen). Aber ich kann mir kaum vorstellen, dass Sie und andere es toll finden würden, wenn man Ihnen kurz nach der Geburt ein oder beide Ohrläppchen entfernt hätte. Und bevor Sie jetzt von den sog. hygienischen und prophylaktischen Gründen anfangen: Im Umkehrschluss bedeutet das doch, dass alle intakten Männer in Deutschland unhygienisch und permament von Entzündungen und Krankheiten im Genitalbereich bedroht sind. Alle Männer mit Vorhaut dürfen sich hier jetzt gerne zur Wort melden und diese These widerlegen.
Zu Ihren letzten Ausführungen noch ein paar Anmerkungen:
„Ich selber habe eine Rehe der im Internet zugänglichen Stellungnahmen und Studien angesehen und kenne einige, die sich damit ebenfalls intensiv befasst haben. Mich haben diese Studien nicht überzeugt, weil sie auf zu geringer Fallzahl basieren und zum Teil rein spekulativ sind.“
Meine Leben ist nicht spekulativ, mein Leben ist real. Hinter Studien, wer auch immer sie in Auftrag gegeben hat, kann man sich eben gut verstecken. Aber eine Studie darüber, dass von 10 sexuell missbrauchten Kindern 9 über dieses Trauma hinweg kommen, hilft dem einen Kind auch nicht weiter.
„Mein Eindruck ist: Je schriller die Argumente vorgetragen werden, umso weniger überzeugend sind sie. Das gilt insbesondere für die von Ihnen explizit angesprochenen „Sinn und Wert der Vorhaut“
Ich weiß nicht, was daran „schrill“ sein soll, wenn hier über „Sinn und Wert“ eines Teil des Körpers diskutiert wird. Finden Sie den Vortrag und die Argumente von zB Professor Stehr und dem BVKJ etwa „schrill“? Dann widerlegen Sie doch bitte konkret von Prof. Stehr aufgeführten Punkte und belegen diese mit Quellen, dann können wir gerne weiterdiskutieren:
– Verlust des Präputiums als erogene Zone
– Minderung der Glanssensibilität
– Mangelnde Gleitfähigkeit (straffe Haut, verm. Lubrifikation)
„Sagt wirklich die Empfindlichkeit des Gewebes etwas über die sexuelle Funktion?“
Wenn man die Funktion auf Penetration und Ejakulation beschränkt, dann funktioniert mein Penis ohne Einschränkung. Aber mein Penis bereitet mir leider nicht die schönen und lustvollen, die er mir verschaffen könnte, wenn man ihn in Ruhe gelassen hätte. Die Eichel ist trocken und unempfindlich und die Vorhaut als erogene Zone ist nicht vorhanden. Unter diesem Aspekt ist seine Funktion eingeschränkt. Ohne Hilfsmittel sind Masturbation, Handjobs und Fellatio ein Krampf, weil die natürliche Gleitfunktion der Vorhaut fehlt, was sich im Übrigen auch auf den Verkehr auswirkt, da ich härter und schneller zustoßen MUSS, um halbwegs intensive Gefühle zu erleben.
Mal so nebenbei: Welcher Mann möchte eigentlich weniger empfinden? Warum soll ich ein schönes Gefühl beschneiden, nur um irgendwie länger zu können oder die Vorliebe einiger Frauen zu bedienen? Gibt es hier jemanden, der bewusst weniger empfinden möchte, um länger zu können? Länger zu können UND mehr zu empfinden, das wäre doch mal was! Wie machen das denn die ganzen intakten Männer in diesem Lande, sind das alles Zufrühkommer?
„Ich habe bisher keinen Mann gefunden, der hätte berichten können, durch alleinige Stimulation der Vorhaut zum Orgasmus gekommen zu sein.“
Darf es ein Mann eigentlich auch einfach nur schön finden, an einer Stelle seines Körpers liebkost und stimuliert zu werden? Warum muss es immer gleich zum Orgasmus kommen? Ich habe Frauen im Bett gehabt, die sind allein durch die orale Stimulation der Brustwarzen abgegangen wie ein Zäpfchen, bei anderen konnte ich nuckeln wie ich wollte, da tat sich nichts. Das ist aber auch nicht schlimm, jede Frau, jeder Mensch. Und jeder Penis ist anders. Aber niemand außer dem Penisträger hat das Recht, sich anzumaßen, ob die Vorhaut oder sonst irgendein Teil des Körpers wichtig für ihn ist oder nicht. Ich werde nie herausfinden, ob ich durch Stimulation der Vorhaut zum Orgasmus kommen kann, weil andere Menschen entschieden haben, mir die Vorhaut zu entfernen. Eine Frau sagte einmal zu mir: „Aber es gibt doch noch so viel anderes!“ Sicher gibt es das, aber diese Aussage gilt doch für alle Männer. Ich hingegen muss ich auf dieses „andere“ beschränken. Na vielen Dank!
@JaM
Ich kann Ihrer Argumentation nicht ganz folgen. Sie selbst haben keine Vorhaut mehr seit Ihrem 8 Lebenstag. Dennoch wollen Sie wissen, wie sensitiv die innere Vorhaut ist, wie stimulierbar sie ist? Maßen Sie sich hier nicht etwas zu viel Kompetenz an?
Es ist keine Erfindung der Menschen, die sich gegen die „Beschneidung“ von Kindern einsetzen, dass die innere Vorhaut hoch innerviert ist, dass sie dicht mit hochsensiblen Tastkörperchen durchsetzt ist. Diese Erkenntnisse sind durch Studien belegt, z.B. hier: http://www.cirp.org/library/anatomy/winkelmann/
Seit meiner Vorhautrekonstruktion kann ich auch im Ansatz nachvollziehen, welchen sensitiven Wert die innere Vorhaut hat. Zum einen wird der mir verbliebene Rest der inneren Vorhaut permanent vor Reizung geschützt und feucht gehalten, wodurch er schon um einiges sensibler geworden ist. Zudem habe ich durch die spezielle Dehntechnik schon ein gutes Stück an innerer Vorhaut hinzugewonnen und kann feststellen, dass dieser Bereich wesentlich sensibler ist als die restliche Schafthaut.
Und – zu guter Letzt – weiß ich aus Berichten von Frauen, die den Vergleich kennen, dass Männer an ihrer inneren Vorhaut sehr viel sensibler sind als ich, der ich nur meine ausgetrocknete Eichel und diesen winzigen Rest an innerer Vorhaut habe.
Sie können versuchen, das alles wegzudiskutieren und Ihre Augen vor diesen Tatsachen verschließen. Doch wie bei einem Kind, das sich die Augen zuhält: Die Wahrheit bleibt bestehen, auch wenn man sie nicht sehen will.
„Ich habe bisher keinen Mann gefunden, der hätte berichten können, durch alleinige Stimulation der Vorhaut zum Orgasmus gekommen zu sein.“
Daraufhin hin muss ich, nicht zum ersten Mal, offen über intimste Details schreiben, was mir nicht leicht fällt und eigentlich niemanden etwas angeht.
Aber das kann ich nicht so stehen lassen – wenn man zum Ziel hat, Bagatellisierungen entgegen zu wirken und auf diesem Wege auch Jungen in ihren Grundrechten geschützt zu wissen.
Ich habe Glück im Unglück gehabt und trotz Vorhautamputation durch puren Zufall das Frenulum behalten. Das Frenulum gehört zur Vorhaut und ist somit ja Teil des gesetzlich auf Elternwunsch frei zu amputierenden Gewebes, was leider häufig passiert.
Allein durch Stimulation des mir gebliebenen Frenulums komme ich zum Orgasmus. Mein Mitgefühl gilt allen, denen sogar das für immer genommen wurde.
JaM, 19.Dez 16:31:
„Ich habe bisher keinen Mann gefunden, der hätte berichten können, durch alleinige Stimulation der Vorhaut zum Orgasmus gekommen zu sein.“
Lieber JaM, soeben haben Sie einen gefunden – mich.
Ich bin intakt, und kann Ihnen versichern, daß dieses nicht nur möglich, sondern auch nicht einmal sonderlich schwierig ist. Sowohl die Vorhaut als als das Frenulum haben ausreichend Sensibilität, um für sich jeweils genug Stimulation für einen guten Orgasmus erzeugen zu können.
Ich kann aus eigener Erfahrung berichten, daß die reine Stimulation der Eichel (unter Aussparung des Frenulums) weit weniger Stimulation erzeugt als die anderen beiden es jeweils vermögen.
Auf die Gefahr hin, daß das jetzt im Rahmen eines Blogs etwas schräg klingen mag:
Ich habe mir im Laufe der Beschneidungsdebatte mehr als einmal die Zeit genommen, das in Selbstversuchen genauer zu untersuchen. Dazu habe ich versucht, auf verschiedene Arten zum Orgasmus zu kommen – durch die mir vertraute „normale“ Masturbation und durch reines Stimulieren bestimmter Stellen mit und ohne der Zuhilfenahme von Gleitmittel oder Babyöl. Ich habe auch etwas ausgefallenere Versuche mit einem Watenbergrad, einem TENS-Gerät und EMLA-Creme zur Betäubung/Reizdämpfung der Vorhaut gemacht, und bin zu folgenden Schlüssen gelangt:
das Frenulum und das gefurchte Band sind die mit Abstand sensibelsten Stellen und tragen bei der Stimulation – zumindest für mich – unzweifelhaft die Hauptlast an Gefühl bei.
Die Vorhaut rangiert an zweiter Stelle, die Eichel abgeschlagen an dritter.
Letztere unterscheidet sich zudem in der Art der entstehenden Gefühle erheblich von Vorhaut und Frenulum, dahingehend daß sie deutlich mehr dazu neigt, auch unangenehme Gefühle (bis hin zu Schmerzreizen) zu erzeugen, was an der unterschiedlichen Zusammensetzung der Sinneszellen im Vergleich zu Vorhaut und Frenulum liegt. Eine reine Eichelstimulation mit der Hand ohne ein wie auch immer geartetes Gleitmittel ist zudem – aus meiner Erfahrung – nicht geeignet, zum Orgasmus zu führen.
Ich kann zwar nicht ausschließen, daß es jemanden gibt, der ebenfalls intakt ist das u.U. völlig anders empfindet, meine Erfahrungen jedoch decken sich völlig mit dem, was man nach der theoretischen Betrachtung der Anatomie und Sinneszellenverteilung bereits vermuten würde.
Neugeborenenbeschneidung
Zum Aspekt der Körperverletzung möchte ich noch auf einen Umstand hinweisen, der den Zeitpunkt der Neugeborenenbeschneidung am achten Lebenstag betrifft. Sogar der Gesetzgeber forderte im § 1631d ausdrücklich „eine effektive Schmerztherapie“. Eine Allgemeinanästhesie, die für den operativen Eingriff der Beschneidung in jedem anderen Kindesalter bei einer medizinischen Indikation durchgeführt wird, ist für Neugeborene allerdings wegen der Umstellungen der fetalen Kreislaufverhältnisse und der Funktionsunreife der Organsysteme nach der Geburt so risikoreich, daß nur dringliche Operationen in diesem Lebensalter durchgeführt werden. Dazu gehören z.B. lebensbedrohliche Mißbildungen, aber sicher nicht die Befolgung einer religiösen Vorschrift.
Das Schmerzempfinden Neugeborener wird inzwischen auch von den religiösen Beschneidungsbefürwortern nicht mehr in Abrede gestellt. Die Schmerzforschung der letzten 30 Jahre ist eindeutig. Sie belegt auch, daß die bei älteren Studien herangezogenen Parameter Blutdruck, Herzfrequenz und Adrenalinspiegel im Blut keine Beweise für die Abwesenheit von Schmerz sind (Ledowski T, Wenk M: Effects of acute postoperative pain on catecholamine plasma levels, hemodynamic parameters and cardiac autonomic control. Pain 153 (2012) 759-764). Die Anwendung des Oberflächenanästhetikums EMLA vor einer Beschneidung wurde von der EMA als “ethisch inakzeptabel” bezeichnet.
So sind die religiösen Befürworter der Neugeborenenbeschneidung dazu übergegangen, den Eingriff „kleinzudefinieren“, ihn in angeblich etwas ganz anderes als die Zirkumzision älterer Jungen umzudeuten.
Dabei werden wesentliche Bestandteile der Operation entweder komplett unerwähnt gelassen oder für „unnötig“ erklärt. Die bei Neugeborenen nahezu regelhaft vorhandenen Vorhautverklebungen werden vor dem eigentlichen Ritual in einem Nebenraum gelöst. Eine Prozedur, die für das Neugeborene extrem schmerzhaft ist. Eine Blutstillung und Vernähung der Wundränder unterbleibt trotz des daraus resultierenden größeren Blutungsrisikos, weil das Neugeborene jede Blutgefäßkoagulation und jeden Nahtstich mit gellendem Geschrei quittieren würde. Und damit die Illusion beenden würde, es handele sich um etwas, das „ganz schnell geht“ und „nur ganz kurz weh tut“.
Auch die Amputation eines Beines kann übrigens „ganz schnell gehen“. Es würde dennoch niemand auf die Idee kommen, daß dafür keine Anästhesie nötig wäre …
Zitat JaM 19. Dezember 2014 um 16:31 Uhr:
„Ich selber habe eine Rehe der im Internet zugänglichen Stellungnahmen und Studien angesehen und kenne einige, die sich damit ebenfalls intensiv befasst haben. Mich haben diese Studien nicht überzeugt, weil sie auf zu geringer Fallzahl basieren und zum Teil rein spekulativ sind.“
Ich selbst kann das ausnahmslos über sämtliche „Studien“ behaupten, die die angebliche Harmlosigkeit oder sogar Nützlichkeit der Vorhautamputation belegen sollen. Zunächst einmal bin ich ganz bei Ihnen, was Studien betrifft – generell – die auf einer zu geringen Fallzahl basieren und rein spekulativ anmuten (ich kenne keine einzige Studie, die die angebliche Harmlosigkeit oder Nützlichkeit der Vorhautamputation belegen soll, auf die diese Kritik nicht vollumfänglich zutreffen würde).
Ich darf Sie deshalb dazu einladen, den Blick einmal auf Dinge zu richten, die man mit dem Mikroskop sehen kann. Hiermit vermeiden wir die oben aufgeführten Probleme (wiewohl ich eine gute Anzahl von Studien kenne, welche die Schädlichkeit der Amputation wie auch ihre negative Auswirkung auf die männliche Sexualität belegen und hierbei bezüglich Fallzahl und Schlussfolgerungen m.M.n. ausgesprochen hohen Anforderungen genügen).
Zunächst einmal wird hier in diesem Video – neben anderen Effekten – die Innervierung des gefurchten Bandes (englisch: „ridged band“) gezeigt. Das gefurchte Band befindet sich an der Spitze der Vorhaut und wird daher bei jeder Amputation, unabhängig von Art und Stil, unweigerlich entfernt. Auf Minute 1:16 können Sie sich die mikroskopische Aufnahme der entsprechenden Nervenzellen anschauen (schwarze Punkte). Das Video ist leider in englischer Sprache, ich hoffe, Sie sind des Englischen ausreichend mächtig. Es zeigt zudem die primären Geschlechtsorgane des Mannes; wer hierauf empfindlich reagiert, möchte sich das Video bitte nicht anschauen.
https://www.youtube.com/watch?v=VkBsrBHpbDs
Wichtig ist nicht nur die enorm hohe Anzahl der in der Vorhaut enthaltenen Nervenzellen, sondern auch ihre Art. In oben genanntem Video wird aufgeführt, dass es sich bei den gezeigten Nervenendigungen um die sog. Meißnerschen Tastkörperchen handelt, die wir auch auf der Innenseite unserer Handflächen ertasten können. Hierzu kann man sich mit dem Finger die Handinnenflächen streichen.
In Bezug auf die in der Vorhaut enthaltenen spezialisierten Tastkörperchen führen Prof. Dr. Maximilien Stehr und Dr. med. Matthias Schäfer näher aus:
„(…) Die Aufnahme von mechanischen Reizen erfolgt in einer Reihe von spezialisierten Nervenendigungen, die sich in großer Anzahl in der Vorhaut finden. Meißner-Tastkörperchen reagieren vor allem auf schnelle, Merkel-Körperchen auf langsame Druckveränderungen, Vater-Pacini-Körperchen sind verantwortlich für das Vibrationsempfinden. Freie Nervenendigungen (Nozizeptoren) in der Vorhaut sind verantwortlich für das Schmerzempfinden. Im Verhältnis zur Vorhaut ist die Eichel relativ arm an Tastkörperchen, was nahelegt, dass die Vorhaut zum Erleben sexueller Empfindungen eine wichtige Rolle spielt.“
(Stehr/Schäfer, in: „Die Beschneidung von Jungen – ein trauriges Vermächtnis. Hrsg. Prof. Dr. Matthias Franz. „Zur medizinischen Tragweite einer Beschneidung“, S.109, 111)
Daneben verfügt die Eichel eben auch über andere Arten von Tastkörperchen.
In diesem Video führt Prof. Stehr aus, dass die in der Eichel enthaltenden Tastkörperchen vor allem für die sog. „Tiefensensibilität“ verantwortlich sind, aber ich kann gerade aus Zeitgründen nicht die genaue Stelle herausfischen und bitte dies zu entschuldigen:
https://www.youtube.com/watch?v=6uPibcokpUs
Ich möchte natürlich nicht behaupten, dass ohne Vorhaut überhaupt keine Sexualität erlebbar sei, dies wäre falsch. Aber sie KANN denknotwendig nicht gleich sein im Verhältnis zur Sexualität mit Präputium. Wir können darüber diskutieren, um wie viel weniger oder eingeschränkter das sexuelle Empfinden ohne Vorhaut sein mag, aber DASS es weniger ist, kann in Anbetracht der Anzahl und der Art der mitamputierten Nervenendigungen schlichtweg nicht in Abrede gestellt werden.
Auf Minute 16:45 des zweiten von mir verlinkten Videos weist Stehr übrigens darauf hin, dass all diejenigen Männer, die sich erst als Erwachsene beschneiden ließen, „unisono“ berichten, dass sie eine andere, weil verminderte Sensibilität erfahren haben; das müsse man ernst nehmen.
Stehr ist Chefarzt der Abteilung für Kinderurologie in der Cnopf’schen Kinderklinik in Nürnberg, 1. Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Kinderurologie der Deutschen Gesellschaft für Kinderchirurgie (DGKCH) und Fellow of the European Academy of Paediatric Urology (FEAPU).
@ Steffen Wasmund 18. Dez. 15:48
„Die „Rahmenbedingungen“ für „ein offenes Klima“. Ich stimme mit Dr. Birgit Pabst überein. „Diese Rahmenbedingungen werden nicht die beteiligten Glaubensgemeinschaften schaffen.“ –
Ich möchte Ihnen ja nicht widersprechen. Allerdings ist zu bedenken, dass es sich hier um eine sehr allgemeine Aussage mit weitreichenden Folgen handelt, die nur gerechtfertigt ist, wenn alles versucht wurde, um einen Dialog zu ermöglichen und die negativen Erfahrungen umfassend und eindeutig sind.
Ich muss Ihnen allerdings zugestehen, dass die hier gemachten Erfahrungen in dieser Hinsicht nicht gerade ermutigend sind.
@ JaM 18. Dez. 15:42, 18. Dez. 19:33
Ich schätze durchaus Ihre Bereitschaft, aufgeworfene Fragen aufzugreifen und auch auf Details dazu einzugehen. Daher möchte ich zur Sache kommen und mich nicht mit dem Vorwurf der „geschmacklosen Chuzpe“ für die Berufung auf sehr seriöse Quellen aufhalten. Dieser disqualifiziert sich von selbst.
Hannah Arendt:
Wie z.B. Steffen Wasmund offenbar verstanden hat, ging es mir bei dem Beitrag 18. Dez. 0:15 in keiner Weise um eine Stellungnahme zu einzelnen Positionen Hannah Arendts (die eines völlig anderen Themas und Kontextes bedürften), sondern um ein Beispiel einer erkennbaren Tradition des Umgangs der „Mehrheitsmeinung“, auf die Sie sich mehrfach beziehen, mit unbequemen „Minderheits“meinungen. Worauf sich die Frage nach den Bedingungen eines „offenen Dialogs“ und – im letzten Satz – die Frage nach Veränderung und Entwicklung in einem Zeitraum von 50 Jahren anschließt. Aber gerade darauf bleiben Sie die Antwort schuldig.
„Mehrheitsmeinung“ und „Recht auf Anderssein“
Hierzu hat sich bereits Steffen H. (19. Dez.19:32) m.E. völlig zutreffend geäußert und ich beziehe mich hierauf.
In der überwiegenden Zahl der Beiträge hier geht es nicht um bloße voluntaristisch erworbene „Meinungen“, sondern um Zeugnisse zu jeweils einzelnen (und als solche zu respektierenden) Schicksalen sowie Fakten und Stellungnahmen dazu, letztlich also um eine Frage der Gerechtigkeit. Mir ist nicht bekannt, dass über deren Richtigkeit per Mehrheitsmeinung, gar einer einzelnen Glaubensgemeinschaft, zu entscheiden wäre. Eine solche ist vielleicht geeignet, die Problematik aus dem öffentlichen Bewusstsein zu verdrängen, keineswegs jedoch, sie aus der Welt zu schaffen.
Bez. des von Ihnen geltend gemachten „Rechts auf Anderssein“ wäre von Interesse zu erfahren, ob und in welcher Weise die „Mehrheitsmeinung“, auf die Sie sich berufen, mit diesen Schicksalen – und damit dem „Recht auf Anderssein“ anderer – auseinandergesetzt hat resp. mit welcher Begründung sie dieses verweigert.
„Jüdische Identität“
Es dient vielleicht der Klarstellung, dass sowohl begrifflich wie inhaltlich die dazu gemachten Äußerungen nicht meiner Feder entstammen, sondern der von Ihnen ins Spiel gebrachten „Mehrheitsmeinung“. Ihre Schelte einer vermeintlich falschen Vorstellung davon wäre demnach nicht an mich, sondern an deren Urheber zu richten. (Im Übrigen bin ich gewohnt, auch einmalige Äußerungen anderer zur Kenntnis zu nehmen und zu bedenken. Mehrfache Wiederholung der gleichen Behauptung bzw. Belehrung – welche den Gegenüber als uninformiert oder unbelehrbar abstempelt – dient kaum einer gedeihlichen Diskussion.)
Der Bezug auf „Minderheitenmeinungen“ bestätigt nicht die „Vorstellung von einer einheitlichen „Identität“, sondern stellt diese im Gegenteil gerade in Frage.
Zudem spiegelt sich diese (mir zum Vorwurf gemacht) in Ihrer eigenen Formulierung von der „Beschneidung als einen (mit) konstituierenden Faktor ihrer jüdischen Identität“ wider. Das Pronomen „ihrer“ bezieht sich dabei auf „die überwiegende Mehrheit der nicht-religiösen und fast ausnahmslos alle religiösen (…) Juden in Israel (sowie in der Diaspora)“.
Es wäre schön, wenn wir uns hier wenigstens auf eine klare Sprachregelung einigen könnten. Freilich lässt sich dies nicht erreichen, wenn zwei gegensätzliche Positionen zugleich gestützt werden.
Bekräftigung des „abrahamitischen Bundes“ per Brit Mila resp. symbolischem Akt
Vorab sei betont, dass mir in keiner Weise daran gelegen ist, ehrlichen religiösen Überzeugungen in irgend einer Weise den Respekt zu verweigern oder die leidvollen historischen Erfahrungen gerade jüdischer Gemeinschaften zu relativieren. Ich sehe auch in der Diskussion in diesem Blog keinerlei Anzeichen dazu. Verständnislosigkeit herrscht nicht gegenüber Ansprüchen des „Andersseins“, sondern gegenüber einer einzelnen Praxis, dieses „Anderssein“ auf Kosten von Grundrechten anderer und in Widerspruch zu international anerkannten Prinzipen (insbesondere der UN-Kinderkonvention) aufrecht zu erhalten bzw. durchzusetzen.
„Die Debatte über die Verbindlichkeit des Beschneidungsritus, in dem zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Deutschland entstandenen religiös-liberalen Judentum anfänglich tatsächlich geführt, wurde bereits in den 1850-er Jahren entschieden.“ –
Ich wiederhole und präzisiere dazu eine bereits mehrfach gestellte und immer noch unbeantwortete Frage. Ich formuliere dabei die Voraussetzungen, welche unstrittig erscheinen, und bitte mich ggf. zu berichtigen.
Voraussetzungen:
(1) Meines Wissens ist das Festhalten an der Verbindlichkeit der Tora (außer bei ultraorthodoxen Positionen) nicht gleichzusetzen mit deren ahistorischen Interpretation. Es negiert nicht die Tatsache, dass auch das Verständnis einer „Offenbarung“ einen historischen Bezug hat, hier z.B. zu gesellschaftlichen Einstellungen zur Sexualität.
(2) Auch Riten, die als „unveränderlich“ deklariert werden, sind historisch entstanden und der Historizität nicht per se entzogen. In diesem Sinne verstehe ich auch Ihre folgende Äußerung: „Für Mädchen (für die es in der Spätantike, als das rabbinische Judentum entstand, kein entsprechendes Ritual gab) geschieht dies durch die Namensgebung, traditionell an dem der Geburt folgenden Schabbat.“ (10. Juli 2012 21:28)
Dies betrifft insbesondere auch die hier zum Gesetz erhobene Ungleichbehandlung von Jungen und Mädchen.
(3) Die Legitimität abweichender Interpretation bez. der Verbindlichkeit der „Brit Mila“ wird in religiöser Hinsicht offenbar auch vom orthodoxen Judentum anerkannt. Sonst müsste dies zwangsläufig den Ausschluss aus der jüdischen Gemeinschaft, etwa hinsichtlich von Riten, zur Folge haben.
(4) In verschiedenen Zeugnissen beklagter „Gruppendruck“ in Hinblick auf Durchsetzung der „Mehrheitsmeinung“ ist offenbar nicht originär religiösen, sondern sozial-kulturellen Ursprungs.
(5) Auch die oben genannte Entscheidung über die „Verbindlichkeit des Beschneidungsritus (…) in den 1850-er Jahren“ liegt vor einer konkreten Menschenrechtsdiskussion und lange vor hier genannten medizinischen und psychologischen Erkenntnissen. Sie fällt zudem in eine Zeit allgemeiner gesellschaftlicher Restauration – auch hinsichtlich des religiösen Verständnisses – als Reaktion auf die Revolution von 1848. Sie kann demnach schon gar nicht als absoluter Maßstab gelten.
(6) Bedeutende historische Ereignisse begründen neue Traditionen und verändern bereits bestehende. Die internationale Erklärung der Menschenrechte als Konsequenz der Erfahrung unvorstellbaren Leids gehört zweifellos dazu.
Angesichts der genannten Voraussetzungen erscheint eine klare Antwort auf die immer noch unbeantwortete Frage bez. einer symbolischen Bekräftigung des „abrahamitischen Bundes“ als unabdingbare Voraussetzung für einen sinnvollen Dialog:
Welche rational nachvollziehbaren Gründe sprechen gegen eine Berücksichtigung gegenwärtiger internationaler Menschenrechtsdiskussion und –standards (und damit Beseitigung eines vorwiegend interpretatorisch bedingten Gegensatzes zu überlieferten „Traditionen“)?
Welche rational nachvollziehbaren Gründe sprechen gegen die internationalen Menschenrechtsstandards entsprechende Gleichbehandlung von Jungen und Mädchen auch in Hinsicht auf religiöse Traditionen und Riten?
@ Steffen H., Victor Schiering, Stefan Schritt
Es liegt mir Fern, Ihre persönlichen Erfahrungen in Frage zu stellen, genauso wenig, wie die den Ihrigen Erfahrungen widersprechenden persönlichen Erfahrungen derer, die sich im Laufe der Beschneidungsdiskussion öffentlich oder privat geäußert haben. Ich kann auch verstehen, dass Sie und andere sich gegen Beschneidung engagieren und Eltern davon überzeugen wollen, auf die Beschneidung ihrer Söhne zu verzichten. Ihre Positionen sind in der Öffentlichkeit sehr präsent; jeder der sich mit dem Thema Beschneidung beschäftigt, kommt nicht umher, sich mit Ihren Argumenten auseinanderzusetzen. Ob Ihre Argumente auch überzeugen, darüber müssen – so ist die Rechtslage nicht nur in Deutschland – letztlich die Eltern entscheiden.
Mir ist natürlich klar, dass Sie mit dieser Rechtslage unzufrieden sind, weil sie die Beschneidung für eine Verletzung der Grundrechte des Kindes halten, worauf auch Bronski in seinem Zusatzkommentar vom 19. Dezember 2014 (15:48) eingeht. Er fordert angesichts dieser Grundrechtsverletzung die „Bereitschaft zur Modernisierung der eigenen Anschauungen in einer Wertegemeinschaft“ an. Interessanterweise konzediert er allerdings, dass zunächst geklärt werden müsste, „ob die Notwendigkeit zur Modernisierung tatsächlich besteht“, wozu „ein Gang vor das Verfassungsgericht ausgesprochen hilfreich“ wäre. Diesen Weg hat allerdings das Kölner Landgericht mit seinem Beschneidungsurteil 2012 selber verbaut. Das Gericht urteilte zwar, dass für eine medizinisch nicht indizierte Beschneidung eines Knaben keine wirksame Einwilligung der Eltern möglich ist und diese daher eine Körperverletzung darstellt, sprach aber den angeklagten Arzt wegen „unvermeidbarem Verbotsirrtum“ frei. Das mit einem Richter und zwei Schöffen (einem Postangestellten und einem Postbeamten) besetzte Landgericht stellte damit die bisherige Rechtsprechung auf den Kopf (mit einer lediglich vier Seiten umfassenden, ziemlich oberflächlicher Rechtsbegründung), konnte aber davon ausgehen, dass keine höhere Rechtsinstanz dieses Urteil überprüfen wird: Vom freigesprochene Arzt war keine Berufung zu erwarten und rechtlich folgte das Urteil der Auffassung der anklagenden Staatsanwaltschaft, sodass auch von ihr kein Widerspruch zu erwarten war. Das Gericht vermied es auch, die Frage der Abwägung der Grundrechte dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen, was in seinem Ermessen lag.
Was entstand, war ein rechtliches Chaos: Das Kölner Urteile, wie jedes Urteil eines eines Landgerichts, war zwar für andere Gerichte (oder Staatsanwaltschaften) nicht bindend, doch reichte es zur Verunsicherung von Eltern, Ärzten und Mohelim aus – so hat z.B. das Jüdische Krankenhaus in Berlin seinen Ärzten empfohlen, sicherheitshalber keine religiösen Beschneidungen durchzuführen. Das war der Grund, weshalb der Gesetzgeber nach einer umfassenden Diskussion, die vor dem Kölner Urteil nicht geführt wurde, mit der Verabschiedung eines Beschneidungsgesetzes eingegriffen hat. Damit wurde der Rechtszustand der Nichtstrafbarkeit der Beschneidung wiederhergestellt, der auch in allen anderen demokratisch und rechtsstaatlich verfassten Ländern gilt. Mir ist jedenfalls in keinem Land ein bestandskräftiges Urteil bekannt, dass die Rechtsauffassung des Kölner Gerichts teilen würde. Es ist mir auch nicht bekannt, dass irgendein Verfassungs- oder Menschenrechtsgericht die Beschneidung als Grund- oder Menschenrechtsverletzung des Kindes eingestuft hätte.
Wie das deutsche Bundesverfassungsgericht die Beschneidung einstufen würde, wissen wir nicht. Wir wissen allerdings aus einem jüngst ergangenen Beschluss, dass die Verfassungsrichter den Eltern bei der Abwägung, was dem Kindeswohl dient, erheblichen Spielraum einräumen. Selbst in „ungewöhnlichen“ Erziehungsmethoden, die nach Mehrheitsauffassung dem Wohl des Kindes nicht dienen, sah das Gericht keinen Grund dafür, den Eltern das Erziehungsrecht zu entziehen. Ich zweifle daran, dass das Bundesverfassungsgericht der Linie des Kölner Gerichts folgen würde, was auch die Äußerungen mehrerer ehemaliger Verfassungsrichter bestätigen.
@ Bronski: Welche Fragestellungen erwarten Sie bei einem Chat mit einem „jüdischen Beschneidungsgegner“ zu klären? Worin sollten sich „jüdische“ Argumente gegen Beschneidung von „nichtjüdischen“ unterscheiden?
@ Werner Engelmann: Für eine Antwort auf Ihren Kommentar brauche ich noch Zeit.
Ich wünsche schönen vierten Advent und den jüdischen Mitlesern (sofern es die gibt) chag chanukka sameach.
Über die Beschneidung, neu Vorhautamputation, habe ich bereits im April genug geschrieben. Zur Zeit geht es in dieser Diskussion wohl eher um den § 1631d und die dadurch gegenüber dem Köllner Urteil legalisierte Kindesmisshandlung.
Auch unsere Bundestagsabgeordneten haben das Problem bis ins Gehirn beschneidungswilliger religiöser Eltern vorzudringen. Was ist die Folge eines Beschneidungsverbots? Einige der Eltern denken vielleicht nach, einige reisen für diesen Glaubensritus ins Ausland und die Mehrzahl bestellt einen der das Geschäft beherrscht ins Haus. Was für Folgen haben diese unerlaubten heimlichen Beschneidungen für die betroffenen Kinder oder Säuglinge? Wenn´s gut geht, einige Tage Schmerzen. Wenn´s nicht gut geht kann man nur hoffen, dass die Eltern trotz der strafbaren Handlung mit dem kleinen schnellstens ein Krankenhaus aufsuchen. Es kann aber auch sein das sich die Kindersterblichkeit ordentlich erhöht. Wer übernimmt dafür die Verantwortung?
Das Problem kann nur durch die Eltern selbst behoben werden, auch wenn ich an deren Verantwortungsbewusstsein gegenüber ihren Schutzbefohlenen nach diesen (inzwischen 3) Blogs so meine Zweifel habe.
Vielleicht liege ich Falsch, aber die Schöpfungsgeschichte gilt wohl im jüdischen, christlichen und islamischen Glauben. Und der Schöpfer (auch Jahwe, Gott oder Allah genannt) hat den Menschen als sein Ebenbild geschaffen.
Bleibt für mich noch eine Frage offen: Wer hat den Schöpfer beschnitten?
Da Sie mich namentlich genannt haben, hätte ich mich gefreut, wenn Sie auch konkret auf meinen Beitrag eingegangen wären. Stattdessen schreiben Sie auf einmal wieder etwas von der Rechtslage etcblablagähn, um abzulenken und sich aus der Affäre zu ziehen, zumindest erwecken Sie diesen Eindruck.
Sie haben zB geschrieben:
“Ich habe bisher keinen Mann gefunden, der hätte berichten können, durch alleinige Stimulation der Vorhaut zum Orgasmus gekommen zu sein.”
Darauf haben drei Männer aus verschiedenen Perspektiven geantwortet. Und Sie gehen überhaupt nicht darauf ein, obwohl Sie mit Ihrer Aussage genau diese Geister gerufen haben. Jetzt setzen Sie sich bitte auch mit ihnen auseinander!
Sind Sie denn jetzt überrascht, dass Herr Schritt durch Vorhautstimulation zum Orgasmus kommt? Nehmen Sie seine Aussage ernst oder erzählt er Stuss? Revidieren Sie Ihre Aussage oder nicht? Denn dass Sie „keinen Mann gefunden“ haben, stimmt seit dem 19. Dezember 2014 20:30 Uhr nicht mehr.
Ich finde es ziemlich enttäuschend, dass Sie erst Aussagen treffen, aber nach Auseinandersetzung der Gegenseite mit diesen Aussagen nicht mehr darauf eingehen. Das stößt bei mir auf absolutes Unverständnis. *
* Passage nachträglich geändert, Anm. Bronski
***Damit wurde der Rechtszustand der Nichtstrafbarkeit der Beschneidung wiederhergestellt, der auch in allen anderen demokratisch und rechtsstaatlich verfassten Ländern gilt.***
Aus Zeitmangel nur in aller Kürze: eine Nichtstrafbarkeit hat es vor 2012 nicht gegeben, auch der angeführte Verbotsirrtum ist kein Beleg in diese Richtung. Vielmehr hatten wir eine „wo kein Kläger, da kein Richter“-Situation.
Tatsächlich gibts es weltweit nur wenige Länder, in denen die Beschneidung explizit erlaubt wäre (im Zirkumpendium findet sich dazu ein komplettes Kapitel). In den meisten erfüllt sie den gleichen Tatbestand der Körperverletzung, wie ihn auch das LG Köln attestiert hat – darunter auch die USA.
Daß es dennoch i.d.R. nicht geahndet wird, liegt an – mEn falscher – Rücksichtnahme auf religiöse Riten oder, wie in den USA, an der durch die Häufigkeit der OP entstandenen „Normalität“ der Beschneidung – was jeder jeden Tag tut wird in der Praxis selten auf seine Legalität abgeklopft, oder schlicht nicht mit den gleichen Maßstäben bewertet wie andere, „exotischere“ Eingriffe in die Kindesrechte.
***Ich wünsche schönen vierten Advent und den jüdischen Mitlesern (sofern es die gibt) chag chanukka sameach.***
Danke, gleichfalls !
Ich wünsche Ihnen ein sehr schönes Fest, JaM! Das Lichterfest – ein schönes und berührendes Fest, wie ich finde. Es hat interessanterweise auch mit Beschneidung zu tun. Ein sehr wichtiger Punkt, wie ich finde, weil es mir zu verstehen half, warum denn überhaupt Beschneidungskritik so oft und nicht selten völlig generell als „antisemitisch“ verunglimpft wird, auch diejenige, die in den USA und in vielen anderen Ländern stattfindet. Vielleicht können wir uns ein bisschen darüber austauschen.
Auf viele andere Punkte, die Sie angesprochen haben, möchte ich auch gerne noch eingehen. Ich möchte nicht unhöflich wirken und Ihre Argumentation unerwidert lassen. Die Fäden greife ich gerne auf, wiewohl ich mich in religiöse Überzeugungen als solche nicht einmische. Das ist Privatsache. Nur der Übergriff auf das Kind steht hier zur Diskussion.
Im juristischen Bereich kann ich Ihnen leider nicht folgen und möchte Ihrer Darlegung gerne einiges entgegenhalten, bitte aber um Nachsicht, wenn ich das erst morgen tun werde.
Ihnen und Ihrer Familie einen sehr schönen Sonntag!
Zum Beitrag: Werner Engelmann 20. Dezember 2014 16:01
http://frblog.de/rund-um-das-thema-beschneidung/#comment-33533
1. „Diese Rahmenbedingungen werden nicht die beteiligten Glaubensgemeinschaften schaffen.“
und
2. „…die nur gerechtfertigt ist, wenn alles versucht wurde, um einen Dialog zu ermöglichen und die negativen Erfahrungen umfassend und eindeutig sind.“
1. Ist eine zeitlich undifferenzierte Angabe und Sie haben recht, für immer wird das nicht so bleiben.
2. Hierzu müssen wir uns verdeutlichen, worum es geht. Es geht um eine medizinisch nicht indizierte Organamputation im Genitalbereich von kleinen Kindern, bei der zudem die ausreichende Betäubung nicht sichergestellt ist. (Dr. Birgit Pabst http://frblog.de/traurige-allianzen/#comment-33257) Diese Organamputation ist mit weiteren Risiken schwerer Komplikationen bis hin zum Tod verbunden. Und dies, weil Eltern dieser Glaubensgemeinschaften über diese Verletzung des Kindes „erzieherische“ „Werte“ vermitteln wollen oder gar einfach nur ihr „Anderssein“ (JaM http://frblog.de/rund-um-das-thema-beschneidung/#comment-33501) „ausdrücken“ möchten.
Mit der Beschneidung werden höchste Rechtsgüter verletzt. Das Recht auf körperliche Unversehrtheit und die Menschenwürde (http://frblog.de/traurige-allianzen/#comment-33228). Die Sicherstellung der Menschenwürde duldet keinen Aufschub und schon gar nicht, wenn die Verhinderung dieser Sicherstellung durch den Staat selbst, über ein verfassungswidriges Gesetz verursacht wurde, das er – jedenfalls in einem ersten Schritt – nur zurücknehmen muss.
Wenn nun aber die „Zirkumzision bei einwilligungsunfähigen Minderjährigen durch die Sorgeberechtigten […] rechtlich als Gefährdung des Kindeswohls gesehen werden [kann], die Vornahme des Eingriffs mangels eines akzeptablen Rechtfertigungsgrundes als Straftat [anzusehen ist], [sich also] derjenige, der einen nicht einwilligungsfähigen Jungen ohne medizinische Indikation zirkumzidiert, sich der gefährlichen Körperverletzung gern. §§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB strafbar macht“ (Dettmeyer et al.], wie könnte dann die Forderung gerechtfertigt werden, dass der Staat nun mit diesen Straftätern in einen „Dialog“ einzutreten hat, in dem er „umfassend und eindeutig“ abklären muss, ob die Täter ihr Verhalten möglicherweise selbst aufgeben?
Dettmeyer et al. http://www.beleke.de/shop/AID/1332/archiv_fuer_kriminologie_band_227_heft_3_und_4_maerzapril_2011/
Nehmen wir an die These wäre berechtigt und prüfen wir sie an einer anderen strafrechtlichen Fallkonstellation. Stellen wir uns dazu einen Rechtsradikalen vor, der eine Vorliebe dafür entwickelt hat, Juden auf der Straße zu ohrfeigen. Er hat sich mit Gleichgesinnten zusammengetan und einen Verein gegründet. Ein Aufschrei müsste sich in der Gesellschaft erheben, wenn bekannt würde, dass der Staat hier auch nur in Erwägung zieht, mit den Tätern zu verhandeln und sich diesen gegenüber quasi als Bittsteller um Einhaltung seiner Normen darbietet. Die sofortige Verhaftung wäre (soweit ich vermute) die einzig richtige (strafrechtliche) Konsequenz.
Aus diesem Grund kann der zu 2. angedachte Punkt nicht richtig sein, was die Zielsetzung der notwendigen Änderung der Gesetzeslage anbelangt. Der Dialog soll und darf allerdings nicht abgebrochen werden. Die Demokratie sollte mit ihrem Wertesystem überzeugen und nur im Notfall zwingen. Weiterhin kann der tatsächliche Schutz der Kinder nur durch die Eltern selbst wirklich sichergestellt werden. Wenn diese das Kind um jeden Preis verletzen wollen, werden sie es auch tun.
Zur Sicherheit sollen aber die Erfolgsaussichten für die keinen Aufschub duldende Sicherstellung der Menschenwürde über einen Dialog mit den Glaubensgemeinschaften geprüft werden. Dazu Dieter Graumann in seinem Grußwort des Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland zu Rosch Haschana:
„Mit der Erfahrung von über 100 jüdischen Generationen vor uns, der Weisheit von Jahrtausenden und dem Anspruch an die Ewigkeit unserer Gebote, werden wir unsere religiösen Traditionen weiterführen und uns dabei durch nichts und niemanden beirren lassen.“
Dieter Graumann: http://www.zentralratdjuden.de/de/article/3805.grußwort-vom-präsidenten-des-zentralrats-der-juden-in-deutschland-dr-dieter-graumann-zu-rosch-haschana.html
Die Kommentierung des Vorsitzende des Zentralrates der Muslime Aiman Mazyek zum Beschluss des Bundestages zur Beschneidung hatte ich auch schon aufgezeigt: „Endlich ist dem Spuk mit dem Kölner Fehlurteil ein würdiges Ende gesetzt worden.“ http://www.zentralrat.de/21548.php
Die Möglichkeit ein zeitnahes Ergebnis zu erzielen, halte ich für ausgeschlossen.
Ich möchte gern noch auf Ihre zitierte Anmerkung „geschmacklosen Chuzpe“ von JaM in dessen Beitrag vom 18. Dezember 2014 19:33 http://frblog.de/rund-um-das-thema-beschneidung/#comment-33501 eingehen, der damit Ihre Formulierung, “Aber dennoch auch ein Zeugnis, welches das Erbe von „Opfern“ und „Tätern“ festschreibt”, welche Sie in Bezug auf den Artikel von Lorenz S. Beckhardt http://www.fr-online.de/kultur/beschneidung-beschnitten-und-traumatisiert,1472786,16945268.html geäußert hatte, kritisiert. Mir ist diese Einschätzung verständlich. Deshalb meine Frage an JaM, warum er diese nicht teilt?
Mir scheint es weiterhin ein inkonsequenter Bezug von „gleichgültig“ innerhalb dieser Passage zu sein, der ein Grundproblem darstellt: “Ich bin traumatisiert von der massivsten Infragestellung jüdischer Existenz seit der Schoah. Der Artenschutz, den wir in der deutschen Nachkriegsgesellschaft genossen haben, ist dahin. Das Ausmaß der demgegenüber offenbarten Gleichgültigkeit schockiert mich. Sie war schon 1933 der Nährboden, auf dem unsere Mörder gewachsen sind. Die Mehrheit war nie antisemitisch. Sie war und ist gleichgültig. Ihr fehlt es an Empathie. „Juden misshandeln ihre Kinder,“ heißt ihre Sorge. Mich fröstelt.”
JaM 19. Dezember 2014 16:31
„Ich habe bisher keinen Mann gefunden, der hätte berichten können, durch alleinige Stimulation der Vorhaut zum Orgasmus gekommen zu sein.“
JaM, da Sie vielleicht die Erfahrungsberichte im Thread „traurige Allianzen“ nicht gelesen haben, möchte ich eine Stelle meines Berichtes hier noch mal hervor heben.
„Ich hatte früher eine relative Phimose, die Vorhaut konnte bei einer Erektion maximal bis zur Hälfte der Eichel gezogen werden. Ich hatte keine Schmerzen und eine Erektion wurde absolut nicht behindert. Nur durch hin- und herschieben der Vorhaut auf Schaft und Eichel gelangte ich problemlos zum Orgasmus (ich hatte nie eine direkte Stimulation der Eichel)“
Seit meine Vorhaut samt Frenulum entfernt wurde, ist es mir nie mehr gelungen, meine Sexualität zu befriedigen. Das was ich bis dahin als Orgasmus empfand, habe ich nie mehr erreicht.
Ein Dialog auf doch-noch, wo die Frage gestellt wurde, ob Man(n) Probleme durch seine Beschneidung hat. Ein Mann schrieb, das er keinerlei Nachteile durch seine im Kindesalter durchgeführte Beschneidung sieht. Er wurde dann gefragt:
„…Wie wurde beschnitten? War dein Operateur gnädig und ließ dir Frenulum und Teile des inneren Vorhautblattes?….“
„…also mein Arzt war wohl gnädig und hat alles “wichtige” drangelassen. …“
„… Musst du auch Gleitmittel einsetzen? Oder reicht das hin- und herschieben der verbliebenen(inneren?) Vorhaut auf dem Schaft?..“
„…also bei mir klappt alles normal. Brauche kein Gleitgel…“
http://doch-noch.de/linda-king-der-schwanz/#comment-2844
Ein beschnittener junger Mann beschreibt seine Masturbationstechnik (ohne seine Eichel zu berühren) aufhttps://www.beschneidungsforum.de/index.php?page=Thread&threadID=5042
„…Ich onaniere schon seitdem ich 13 Jahre alt bin und mein Penis ist seitdem Kindheitsalter beschnitten. Ich habe mir einen immer runtergeholt in dem ich auf meinen Penis gespuckt habe und bei meiner Eichel hoch und runter Bewegungen gemacht habe. Mein erstes mal hatte ich mit 16 und da habe ich so gut wie garnix gespürt. Mitlerweile bin ich 18 Jahre und spüre beim Sex nur dann was wenn ich meine Eichel in ruhe lasse. Ich onaniere ohne meine eichel zu berühren. Also ich mach diese hoch runter bewegungen nur an meinem Penis also da wo noch diese Haut ist aber berühre meine Eichel nicht und so komme ich auch komischerweise auch schon nach 1-2 Minuten. Als ich meine eichel auch stimuliert hatte habe ich länger gebraucht und das Gefühl war nicht so geil wie als wenn ich es ohne meine Eichel zu berühren mache. Ist das normal ???“
Anscheinend war auch sein Operateur gnädig, und ließ im Teile der inneren Vorhaut und des Frenulums. So wie er es beschreibt, vermute ich, masturbiert er in dem er seine Narbe auf dem Penisschaft hin- und herschiebt, und dadurch verbliebene innere Vorhaut und Frenulum stimuliert, ohne Gleitmittel. Wie im vorangegangenem Beispiel, als der Mann beschrieb bei Ihm funktioniere alles normal, er brauche kein Gleitmittel…
Noch mehr Beispiele nötig JaM? Oder werden Sie auch diese ignorieren?
Zu der These, der Gesetzgeber habe eine „ausführliche“ Diskussion geführt, möchte ich eine Gegenthese aufstellen:
Nein, genau das hat er nicht getan, und es gibt keinen einzigen Anhaltspunkt, der dafür spricht, dass er es je tun wollte. Denn das hätte das in der Abstimmung im Juli 2012 beschlossene Ziel, nichttherapeutische Vorhautamputationen innerhalb denkbar kürzester Zeit zu legalisieren, in letzter Konsequenz unmöglich gemacht.
Das Gegenteil ist der Fall. Der Gesetzgeber hat alles getan, um eine ausführliche Debatte zu verhindern.
Dafür sprechen folgenden Fakten:
1) Die angesprochene Juli-Abstimmung legte das Ziel (Legalisierung von Vorhautamputationen an Jungen unter Vermeidung „unnötiger Schmerzen“) der (noch nicht geführten) Debatte bereits fest. Den Abgeordneten wurde in der letzten Sitzung vor der Sommerpause ein Entwurf zur Abstimmung vorgelegt. Nicht einmal innerhalb mancher Fraktionen war eine Diskussion voraus gegangen. Dies führte dazu, dass sich mehrere Fraktionen ersteinmal zurückzogen und schließlich die Abstimmung freigaben.
Der Antrag fand trotzdem eine große Mehrheit. Danach war das Ziel bereits festgelegt, ohne das auch nur irgendeine inhaltlich fundierte Diskussion stattgefunden hatte.
2) Zahlreiche Organisationen (TERRE DES FEMMES, Deutsche Kinderhilfe, Berufsverband der Kinder – und Jugendärzte, MOGiS u.a.) und Wissenschaftler und einzelne Politiker forderten ein zweijähriges Moratorium. DIES hätte die Basis für eine ausführliche Diskussion sein können. Der Vorschlag wurde von weiten Teilen der Politik und den Vertretern der Religionsgemeinschaften entschieden abgelehnt.
3) Dem deutschen Ethikrat, der bei vergleichbar vielschichtigen Themen (z.B. Intersexualität) auch einmal zwei Jahre und umfangreiche Untersuchungen für sich beansprucht, um zu seriösen Ergebnissen zu kommen, und üblicherweise dabei Betroffene miteinbezieht, reichte bei der Frage nichttherapeutischer Vorhautamputationen an Jungen eine einzige Sitzung, um die Pläne des Bundestages ohne entscheidende Einwände abzunicken. Negativ Betroffene wurden in dieser einzigen Sitzung nicht angehört.
4) Bei der Ausarbeitung der Eckpunkte des Gesetzes im Bundesjustizministerium blieb den für dieses Thema zuständigen Ärzten, dem Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte, eine aktive Mitwirkung verwehrt. Negativ Betroffene wurden nicht einmal bei der Verkündung der fertigen Eckpunkte im Gebäude zugelassen, aus angeblichen „Kapazitätsgründen“.
5) Für die entscheidende Sitzung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags wurden 12 Experten eingeladen, davon neun Befürworter des Gesetzesentwurfes und nur zwei, die sich klar auf Seiten der Kinderrechte positionierten.
Ein Antrag der Fraktion der Partei DIE LINKE, auch einen Vertreter von von Vorhautamputation im Kindesalter negativ betroffenen Männern einzuladen, wurde von den Verantwortlichen in FDP und Bündnis90/Die Grünen abgelehnt.
6) Erst am Morgen des 12.12.12, also wenige Stunden vor der letzten Lesung und Abstimmung, wurde mit Alexander Bachl (MOGiS e.V.) ein Betroffener im Familienausschuss angehört. Zu diesem Zeitpunkt waren die Entscheidungsprozesse freilich längst abgeschlossen. Dennoch ist es den damals im Familienausschuss Verantwortlichen hoch anzurechnen, dass sie hier ein Zeichen setzten, wie eine ausgewogenere Debatte in den entscheidenen Gremien hätte stattfinden können, wenn sie gewollt gewesen wäre.
7) Gar nicht in Einzelheiten behandeln möchte ich an dieser Stelle die Erörterung bzw. das Vernachlässigen inhaltlicher strittiger Fragen insgesamt im Gesetzesverfahren, wie z.B. lebenslange mögliche Folgen für die Sexualität, anatomisches Grundwissen, Opferwahrnehmung von Jungen, Schmerzbehandlung, Traumata, Täter-Opfer-Kreisläufe, ausreichende Patientenaufklärung, Folgen für die Kinderrechte insgesamt.
8) Nachdem uns während des Verfahrens immer wieder von Abgeordneten gesagt wurde, zu einer die Kinderrechte in den Fokus stellenden Position fehlten angeblich ausreichende Studien, lehnte der Deutsche Bundestag am 12.12.12 einen Ergänzungsantrag auf eine Evaluation des Gesetzes nach fünf Jahren ab. Deutlicher konnte das offensichtliche Desinteresse, Daten zu erheben, die Gegenstand einer zukünftigen Diskussion sein könnten, wohl kaum zum Ausdruck gebracht werden.
Es ist zu untersuchen, wie sehr dieses offensichtlich undemokratische Vorgehen der politischen Glaubwürdigkeit und Kultur insgesamt schweren Schaden zugefügt hat.
Es hat die beteiligten gesellschaftlichen Gruppierungen auseinander getrieben, anstatt sie an einen Tisch zu bringen.
So wie die momentane politische Landschaft die Konsequenzen ihres Gesetzes für die betroffenen Jungen ignoriert, so wenig liefert sie Impulse, die durch sie mitverursachten gesellschaftlichen Gräben zu überwinden.
Wir werben dafür, den politisch nie gewollten und nie stattgefundenen Dialog endlich zu führen.
So, ich muss zu den juristischen Einlassungen von JaM schon ein bisschen ausholen und teile daher meine Antwort in zwei Teile.
Teil 1
Zitat JaM:
„Was entstand, war ein rechtliches Chaos: Das Kölner Urteile, wie jedes Urteil eines eines Landgerichts, war zwar für andere Gerichte (oder Staatsanwaltschaften) nicht bindend, doch reichte es zur Verunsicherung von Eltern, Ärzten und Mohelim aus – so hat z.B. das Jüdische Krankenhaus in Berlin seinen Ärzten empfohlen, sicherheitshalber keine religiösen Beschneidungen durchzuführen.“
Einspruch. Es entstand überhaupt kein RECHTLICHES Chaos. Es mag für einige Angehörige von Beschneidungskulturen überraschend und neu gewesen sein, dass man kleinen Kindern nicht einfach einen Teil ihrer Sexualorgane abschneiden darf, auch wenn das schon sehr lange zur eigenen Kultur gehörte. Das hängt sicherlich mit der entsprechenden Sozialisierung zusammen. Wenn man von Kindesbeinen an die Vorhautamputation mit positiven Assoziationen vermittelt bekommt, wird man das sicherlich für völlig selbstverständlich und normal halten. Der Blick von außen kann dann schon mal verwirrend oder sogar verstörend wirken.
Auf der juristischen Ebene war jedoch überhaupt nichts chaotisch. Das Chaos haben wir jetzt erst, nach Erlaß der Legalisierung von irreversiblen Körperverletzungen an den Geschlechtsorganen kleiner Kinder und Babys männlichen Geschlechts. JETZT wurde die Sache im rechtlichen Bereich hoch problematisch. Ich kann es weder den Angehörigen der Zwölf Stämme verdenken, dass sie sich darüber beklagen, ihre Kinder nicht aus religiösen Gründen verprügeln zu dürfen, wenn doch Amputationen an primären Geschlechtsorganen kleiner Jungen aus Rücksicht auf die jüdische und die muslimische Religionsausübung erlaubt wurden, noch wird man es wohl aus Gründen des Gleichbehandlungsprinzips auf lange Sicht hin vermeiden können, dass Angehörige anderer Religionsgemeinschaften hier gleich behandelt werden möchten. Der unter manchen Hindus verbreitete Brauch des „Babywerfens“ ist jedenfalls deutlich weniger invasiv.
Zitat JaM:
„Das war der Grund, weshalb der Gesetzgeber nach einer umfassenden Diskussion, die vor dem Kölner Urteil nicht geführt wurde, mit der Verabschiedung eines Beschneidungsgesetzes eingegriffen hat.“
Falsch. Es hatte innerhalb der Ärzteschaft und der Rechtslehre zuvor umfassende Diskussionen gegeben. Dabei wurden beispielsweise die Scheindiagnose „Phimose“, die Bedeutung und Funktion der Vorhaut und die rechtliche Bewertung der Vorhautamputation unter die Lupe genommen. Der Gesetzgeber war hingegen ausschließlich daran interessiert, Diskussionen im Keim zu ersticken. Den Ausführungen von Victor Schiering ist wenig hinzuzufügen.
Zitat JaM:
„Damit wurde der Rechtszustand der Nichtstrafbarkeit der Beschneidung wiederhergestellt, der auch in allen anderen demokratisch und rechtsstaatlich verfassten Ländern gilt.“
Das Gegenteil ist richtig. Körperverletzung ist in allen demokratischen Ländern eine Straftat und wird eigentlich nirgendwo erlaubt, nur weil sie aus religiöser oder kultureller Motivation heraus erfolgt.
Betrachten wir mal nur die demokratischen Staaten in Europa. Was von den folgenden Körperverletzungen an Kindern ist erlaubt:
– Auspeitschen von Kindern mit der Rute (Christentum);
– Amputation von Fingern kleiner Mädchen beim Tod einer bedeutenden Persönlichkeit (ich habe von diesem Brauch gehört, kann ihn jedoch im Moment nicht mehr einem konkreten Volk zuordnen);
– Tätowierungen;
– Anlegen von Halsringen zur Formung eines sog. „Giraffenhalses“ (Volk der Padaung, Nord-Thailand);
– Dauerhafte Körpermodifikationen oder Amputationen jeder anderen Art ohne zwingende medizinische Indikation?
Wenn Sie jetzt sagen: „ja, DAS sind alles GANZ andere Dinge, die ganz schlimm sind. Die einzige irreversible Körperverletzung der Welt, die man an Kindern begehen kann, die überhaupt nicht schlimm ist und daher mit dem Kindeswohl und den Menschenrechten total problemlos zu vereinbaren ist, ist die Amputation der Vorhaut am Penis von Kindern oder Babys“ – dann denken Sie doch bitte mal in Ruhe darüber nach, warum Sie das glauben. Sie brauchen mir in diesem Blog nicht auf diese Frage zu antworten.
Zitat JaM:
„Das Gericht urteilte zwar, dass für eine medizinisch nicht indizierte Beschneidung eines Knaben keine wirksame Einwilligung der Eltern möglich ist und diese daher eine Körperverletzung darstellt, sprach aber den angeklagten Arzt wegen „unvermeidbarem Verbotsirrtum“ frei. Das mit einem Richter und zwei Schöffen (einem Postangestellten und einem Postbeamten) besetzte Landgericht stellte damit die bisherige Rechtsprechung auf den Kopf (mit einer lediglich vier Seiten umfassenden, ziemlich oberflächlicher Rechtsbegründung),“
Mehr als das Gericht hätte man hierzu ja auch gar nicht zu sagen brauchen. Dass Beschneidung eine strafbare und nicht einwilligungsfähige Körperverletzung sei, war zu diesem Zeitpunkt bereits HERRSCHENDE MEINUNG in der Strafrechtslehre. Zudem wurde keine bisherige Rechtsprechung auf den Kopf gestellt. Welche Rechtsprechung meinen Sie denn überhaupt damit? Ich kenne zur Problematik beispielsweise das Urteil des OLG Frankfurt/M aus dem Jahre 2007, in dem die geltend gemachten Ansprüche dem Opfer schon deshalb gewährt wurden, weil der Vater, der die Beschneidung veranlasste, gar nicht sorgeberechtigt war. Interessant sind jedoch auch weitere Ausführungen des Gerichts wie diese hier:
„Der Antragsgegner zu 2) hat mit der Veranlassung des Antragstellers, sich beschneiden zu lassen und mit gegenüber dem Arzt erteilten Einwilligung, in den Schutzbereich des Selbstbestimmungsrecht des Antragstellers als Teil des von § 823 Abs. 1 BGB geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrechts eingegriffen. Die Beschneidung bewirkt eine körperliche Veränderung, die nicht rückgängig gemacht werden kann. Sie kann, auch dann wenn sie keine gesundheitlichen Nachteile mit sich bringt, im Einzelfall für das kulturell-religiöse und das körperliche Selbstverständnis des Betroffenen von Bedeutung sein. Die Entscheidung darüber fällt deshalb in den Kernbereich des Rechtes einer Person, über sich und ihr Leben zu bestimmen.“
Der Beschluss ist hier im Volltext abrufbar.
Im Übrigen wurden bestimmte Nachteile, etwa für die Sexualität, nicht von Seiten des Antragstellers dargelegt und begründet. Hierzu muss man wissen, dass im Zivilrecht nur dasjenige Vorbringen gehört wird, welches in das Verfahren eingebracht wird. Das Gericht ermittelt in diesem Verfahren nicht einfach selber und DARF das auch gar nicht. Es obliegt den Parteien, den Prozeßstoff einzubringen. Heutzutage wäre es dem Gericht allerdings schon versagt, über die Auswirkung der Amputation auf die Sexualität überhaupt irgendeine Aussage zu treffen, ohne hierzu einen Sachverständigen zu hören.
In dem Fall, den ich gerade betreue, werden solche Fehler – toi toi toi – sicher nicht passieren.
Zum unvermeidbaren Verbotsirrtum und der Entwicklung der rechtlichen Wertung der Vorhautamputation äußere ich mich in Teil 2, sonst wird das hier zu voll und ich muss heute erst noch ein paar Weihnachtsvorbereitungen treffen.
Zitat JaM:
„konnte aber davon ausgehen, dass keine höhere Rechtsinstanz dieses Urteil überprüfen wird: Vom freigesprochene Arzt war keine Berufung zu erwarten und rechtlich folgte das Urteil der Auffassung der anklagenden Staatsanwaltschaft, sodass auch von ihr kein Widerspruch zu erwarten war. Das Gericht vermied es auch, die Frage der Abwägung der Grundrechte dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen, was in seinem Ermessen lag.“
Falsch! Zwingende Voraussetzung für eine Vorlage beim Bundesverfassungsgericht ist, dass die Entscheidung unter allen denkbaren Umständen von der Frage abhängt, ob ein bestimmtes Gesetz verfassungsgemäß ist oder nicht. Hierzu eine ganz kurze, stichpunktmäßige Übersicht: http://www.jura-schemata.de/konkrete-normenkontrollklage.htm Mit dem Freispruch wegen Verbotsirrtums entfiel bereits die Voraussetzung der Entscheidungserheblichkeit; darüber hinaus gibt es keinen Zweifel daran, dass der Straftatbestand der Körperverletzung (§ 223 StGB) mit der Verfassung in Einklang steht. Konkrete Normenkontrolle bedeutet aber, dass die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes überprüft wird und nicht diejenige einer Entscheidung. Wer immer Ihnen gegenüber behauptet haben mag, es habe im Ermessen des LG Köln gelegen, den Fall dem BVerfG zur Entscheidung vorzulegen, hat von Jura wirklich nicht die leiseste Ahnung. Das ist ganz einfach völliger Quatsch!
Zum Verbotsirrtum: Hintergrund und Geschichte
Der Verbotsirrtum ist im Bereich der Schuld eines Täters angesiedelt. Die Feststellung, dass ein Verbotsirrtum vorgelegen hat, ändert rein gar nichts an der Tatsache, dass eine Straftat tatsächlich vorliegt und dass sie rechtswidrig begangen worden war. Nach Prüfung des Tatbestandes und der Rechtswidrigkeit wendet sich das Gericht der Frage der Schuld des Täters zu. Hierbei wird ein Verbotsirrtum nur höchst selten angenommen und ich habe mich ehrlich gesagt auch ein wenig darüber gewundert, weil die Prämissen, unter denen eine strafbare Körperverletzung zu bejahen war, recht klar vorlagen. Für einen ehrlichen, unbefangenen Juristen, dem es mit der Gleichbehandlung aller Menschen vor dem Gesetz ernst ist und der nicht aus lauter Angst vor irgendwelchen Antisemitismus- oder Antiislamismus-Vorwürfen bis hin zu fanatisierten Gruppen das Recht beugt, hätte es hier keine wirklich vertretbare Möglichkeit gegeben, an den Schräubchen zu drehen. Dass sich in der juristischen Literatur ein gewisser Herr Schwarz mit wenig überzeugenden Argumenten gegen die Vorhautamputation als Körperverletzung aussprach, machte damals m.M.n. eigentlich wenig aus. Dennoch war die Entscheidungsfindung über den Weg des Verbotsirrtums gewissermaßen elegant. Weder der Arzt noch die Eltern hatten ernsthafte Konsequenzen zu befürchten, dennoch war das Urteil im Hinblick auf Tatbestand und Rechtswidrigkeit eindeutig und stellte den logischen Schlusspunkt einer jahrelangen Entwicklung dar.
Warum tauchte denn ÜBERHAUPT in der juristischen Literatur die Meinung auf, dass die Vorhautamputation KEINE strafbare Körperverletzung sei? Das ist für mich persönlich die spannendste Frage, weil diese Wertung alles andere als logisch oder selbstverständlich ist. Hier wurde schon argumentiert, wenn man einem Kind einen Teil vom Ohrläppchen abschneiden würde, müsste das gleichfalls als Körperverletzung gewertet werden. Das ist vollkommen richtig.
Nun, eine Einwilligung der Eltern kann gerechtfertigt sein, wenn die Handlung zum Wohle des Kindes erfolgt. Über lange Zeit hinweg wurden die Vorteile der Amputation gepriesen, ihre Nachteile wurden verschwiegen oder heruntergespielt. Das hängt hauptsächlich mit der Situation in den USA zusammen; die Schönfärberei des Vorgangs ist dort stark interessengeleitet. Die Geschichte der Beschneidung in den USA ist vielleicht eines der spannendsten Kapitel, die man zu diesem Thema überhaupt aufschlagen kann und der Einfluß der dortigen medizinischen Mythen zur „Circumcision“ auf Europa ist unbestreitbar. Einige glaubten also ernsthaft, es sei für ein Kind vorteilhaft, die Vorhaut amputiert zu bekommen. Dieser Glaube spielte eine sehr wichtige Rolle bei der Interpretation des Begriffs „Kindeswohl“. Gleichwohl war schon von Anfang an klar, dass es sich um die irreversible Amputation eines Körperteils handelte, was eigentlich schon ausreicht, um die Handlung für nicht einwilligungsfähig zu erachten.
Die Praxis der rituellen Vorhautamputation wurde darüber hinaus mit der sog. „Sozialadäquanz“ gerechtfertigt. Diskutiert wurde im Hinblick auf die Sozialadäquanz lange Zeit, ob das „körperliche Züchtigungsrecht“, also etwa das Ohrfeigen durch die Eltern oder durch Lehrer, deswegen nicht als rechtswidrig eingestuft werden könne, weil es gewohnheitsrechtlich in der Gesellschaft anerkannt sei. Der BGH hatte noch 1957 geurteilt, die Befugnis zu Körperverletzungen könnte mit Gewohnheitsrecht begründet werden. Die Idee, eine Körperverletzung könne rechtens sein, weil sie sozialadäquat sei, wurde in hierauf folgenden Diskussionen ganz mehrheitlich abgelehnt. Spätestens mit der Verabschiedung des § 1631 Abs.2 BGB wurde die Frage obsolet.
Historie:
Das sog. Züchtigungsrecht der Eltern gegenüber ihren Kindern wurde ursprünglich aus § 1631 Abs.2 BGB hergeleitet. Diese Vorschrift hat in der zurückliegenden Zeit mehrfache Veränderungen erfahren. Die ursprüngliche Regelung, dass nur dem Kindesvater ein Züchtigungsrecht zustehe wurde 1958 dahingehend abgeändert, dass beiden Elternteilen aus dem allgemeinen Erziehungsrecht ein Züchtigungsrecht zugebilligt wurde. Durch das am 01.01.1980 in Kraft getretene Sorgerechtsgesetz sind den Eltern im Rahmen der Erziehung entwürdigende Erziehungsmaßnahmen untersagt worden. Aufgrund des Kindschaftsreformgesetzes vom 16.12.1998 wurden nach der Vorschrift des § 1631 Abs.2 BGB „entwürdigende Erziehungsmaßnahmen, insbesondere körperliche und seelische Misshandlungen“ als unzulässig bezeichnet. Auch diese Vorschrift schloss leichtere Körperstrafen zu erzieherischen Zwecken nicht aus, da ausdrücklich Misshandlungen ausgeschlossen werden sollten. Erst im Jahr 2000 erfuhr die Vorschrift des § 1631 Abs.2 BGB durch das Gesetz zur Ächtung der Gewalt in der Familie vom 03.11.2000 die heutige Fassung, wonach Kinder ein Recht auf gewaltfreie Erziehung haben, körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen unzulässig sind. Nach geltendem Recht sind damit alle körperlichen Eingriffe der Eltern gegenüber den Kindern, die die Schwelle zur Körperverletzung überschreiten, strafrechtlich relevant.
Warum wandelten sich die Ansichten über die strafrechtliche Wertung der VA?
Weil Juristen wie Holm Putzke anfingen, sich unglaublich dezidiert mit der Materie zu befassen und ausgesprochen gründliche Recherchen durchführten. Etwa zeitgleich mit Putzke kam auch Jerouschek zu dem Ergebnis, dass die VA eine strafbare Handlung sei, ohne dass beide Strafrechtsprofessoren davon gewußt hätten, dass der jeweils andere an demselben Thema arbeitet.
Wenn man sich heute anschaut, welcher Jurist was zur Thematik äußert, kann man immer noch zwei Gruppierungen ausmachen: die einen, die sich unglaublich gründlich in die Materie einarbeiten. Dazu gehört auch Dr. Eschelbach, Beisitzender Richter in der 2. Strafkammer des BGH. Ich habe selten einen dermaßen langen, gründlich erarbeiteten Artikel zur Vorhautamputation gelesen wie von ihm. Und jeder, der sich in der Sache dezidiert mit den zugrunde liegenden Fragen befasst, kommt zu dem Ergebnis, dass § 1631d BGB verfassungswidrig ist. Demgegenüber setzt die Ansicht, bei § 1631d BGB handele es sich um eine verfassungskonforme Vorschrift und bei der Vorhautamputation um eine Bagatelle, vor allem eines voraus: nichts hören, nichts sehen, nichts wissen. Bei der Wertung als „Bagatelle“ muss man sich als Jurist außerdem schon selbst belügen. Es gibt eine Reihe von Fallbeispielen, ab wann ein Vorgang noch als Bagatelle zu werten ist und ab wann nicht mehr. Diese Wertung ist für die Amputation der kindlichen Vorhaut schlichtweg nicht adäquat vertretbar. Man kann alle möglichen Gründe als Jurist haben, das öffentlich sagen zu wollen. Vielleicht steckt wirklich die Angst dahinter, dass jüdisches Leben in Deutschland „unmöglich“ werde, wenn man objektiv und unbefangen an die Sache herantrete. Ich selbst weigere mich, zu lügen. Ich lege großen Wert auf jüdisches Leben in Deutschland, aber ich weigere mich, zu lügen, das Recht zu verdrehen und Menschen anderen Menschen vorzuziehen, nur weil sie einer bestimmten Gruppierung angehören.
Herr Grebe,
Sie schreiben, man solle Ärzte befragen, und zwar:
„Vorausgesetzt, daß die Ärzte überhaupt mit der Circumcision – sei es operativ oder in der Nachbehandlung – in nennenswertem Umfang praktisch (!) betraut sind.“
Nachtigall, ick hör dir trapsen!
Sie denken sicher an Ärzte wie die Dres. Isik, Latasch, Deusel oder Graf, ja? Oder sogenannte „Beschneidungsspezialisten“, die sich mit x-tausend Zirkumzisionen brüsten, die einen erheblichen Teil ihres Einkommens daraus beziehen, (eine VA bringt angeblich bis zu 400€ und dauert nur wenige Minuten) dass sie nicht einwilligungsfähigen Jungen die Vorhaut abschneiden? Wovon ein großer Teil medizinisch nicht indiziert sein dürfte.
Was sollen die denn sagen? „Ja, wir sägen gerne den Ast ab, auf dem wir so bequem sitzen“?
Ebenso gut könnte man Metzger fragen, ob die Leute nicht viel zu viel Fleisch konsumieren, oder im Zigarrenladen, ob nicht zu viel geraucht wird.
Man hat sie ja befragt leider. Ausgerechnet die!
Dr. Leo Latasch – Ethikrat
Das Genital, so behauptet Latasch, erfahre trotz Amputation von der Hälfte seiner erogenen Oberfläche „keinerlei Beeinträchtigung“
Genau, ein Einäugiger kann ja auch sehen, er kann ja „kompensatorisch“ den Kopf schwenken!
Es wurde ja schon von Frau Dr. Papst angesprochen „Ja, hört der denn nichts?“ Man könnte auch fragen: „Ja hört denn der Ethikrat nichts?“ (Immerhin ist eine Frau in Ohnmacht gefallen)
Latasch in seinem Vortrag vor dem Ethikrat, nachdem er zunächst genüßlich-angewidert Parolen wie „ohne sog. Juden hätte es keinen Hitler gegeben“ zitiert hatte: „Wir wissen daher z.B. nicht, ob das Neugeborene aus Hunger schreit, oder weil es festgehalten wird“
In dem Video, das Latasch zeigte ist aber deutlich zu sehen/hören, dass das Baby die ganze Zeit mucksmäuschenstill ist und genau ab 2:44 anfängt zu schreien, als dem Baby die Schenkel weit auseinandergespreizt und in dieser Stellung fixiert werden. Offenbar macht das dem Baby (Kastrations-)Angst. Es kann sich jetzt nicht mehr durch Strampeln gegen Angriffe auf seine Genitalien schützen.
Als die Klemme aufgesetzt wird, schreit es noch heftiger, was sich beim Schnitt in ein Staccato steigert.
Warum sollte just in dem Moment der große Hunger über das Baby hineingebrochen sein?
Offenbar erfolgt das ganze ohne, oder mit völlig unzureichender Betäubung.
Direkt nach dem Schnitt hat jemand (Latasch?) das Video ab-geschnitten, denn in der ungekürzten Version folgt direkt danach das Absaugen des Blutes mit dem Mund des Mohel. Das wollte Latasch (der je sich ja bemühte den Eingriff als etwas Steriles darzustellen „Es erfolgt eine Desinfektion“ dem Ethikrat wohl nicht zeigen)
Lataschs Vesion des Videos bricht also ab „sie werden sehen, der ganze Eingriff hat nur 12 Sekunden gedauert“ – in der Langfassung brüllt und brüllt das Baby aber weiter.
Der „Eingriff“ dauert in Wahrheit mindestens 85 Sekunden, dann schwenkt die Kamera weg und man weiß nicht was passiert.
Das Baby brüllt ca 100 Sekunden wie am Spieß, dann fällt es in eine Art Erschöpfungsstarre.
Latasch zur Entfernung des Blutes nebulös: „Dieses wird dann entfernt“
Anschließend wird dann der „süße Wein“ verabreicht, der für Latasch anscheinend alkoholfrei ist. Für ihn ist er nur ein Träger für Glukose. Warum dann kein Traubensaft?
Dass man einem Baby zwecks Sedierung Alkohol verabreicht kann ein Arzt ja auch schlecht vertreten.
Und man kann sicher vermuten, dass dieses Video schon handverlesen, war, denn es gibt noch wesentlich brutalere. Die sehr schmerzhafte Periah, die Ablösung des inneren Vorhautblatts wird nicht gezeigt.
Dass der derartig manipulierte Ethikrat dann artig eine entsprechende Empfehlung herausgab (nicht mal dessen lächerliche Vorbedingungen wurden dann eingehalten) hat die Abgeordneten des Bundestages natürlich mitbeeinflusst, das war ein wichtiger Meilenstein in der Entstehung des Kinderentrechtungsgesetzes.
Nur eine von vielen Tricksereien die damals gelaufen sind.
@ V. Grebe:
Noch mal zu ihrem Statement, man solle Ärzte befragen, die viel Erfahrung mit Vorhautamputationen haben.
Dr. Antje Yael Deusel – vor dem Rechtsausschuss des Bundestages
Äußert sich kaum zum medizinischen Fragen, dafür als Rabbinerin um so ausführlicher zu spirituellen:
„Reinheit und Geeignetsein für den Ewigen“
„Damit ist die Brit Mila auch
gegenüber der nicht-jüdischen Umgebung nicht verhandelbar, und Juden sind nicht
verpflichtet, rationale Einwände oder gar Entschuldigungen zu suchen, um ihr
Festhalten an der Halacha und damit an der Beschneidung als einem ihrer
grundlegenden Bestandteile zu rechtfertigen.“
Sie gibt es also indirekt zu – mit „rational“ hat das nichts zu tun.
Nicht verhandelbar! EOD! Und genau so kam es – der Bundestag war brav und gehorsam.
Da wurde nichts verhandelt, da wurde ERFÜLLT.
„Wo die Beschneidung verlassen worden war, wurde
sie wieder aufgenommen, wobei hier die enorme Weiterentwicklung innerhalb der
Medizin gerade im 19. Jhdt. hinsichtlich Operationstechniken, Sterilität und
Schmerzbekämpfung mit einbezogen wurde.“
Sterilität? Operationen ohne Latexhandschuhe, ohne Gesichtsmaske in nicht steriler Umgebung…
Schmerzbekämpfung? Oh ja, da gab es im 19.Jh. einen großen Fortschritt, die Einführung der Vollnarkose. Aber dieser Fortschritt geht an den Babys die ihrer Vorhaut beraubt werden vorbei – die müssen weiterhin leiden, die brüllen nicht ohne Grund.
Noch ein kleiner Nachtrag zu Dr. Latasch vor dem sogenannten „Ethikrat“:
Latasch konnte es sich nicht verkneifen das bei Kinderentrechtern beliebte „Hygiene-Argument“ ins Feld zu führen!
„Neulich gab es eine Diskussion, bei Frau Maischberger, aber Tatsache ist einfach – das gilt auch hier in Deutschland – dass nur ein drittel der Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen ordentliche Genitalhygiene machen“
Ach ja? Und wo ist der Zusammenhang zum Thema, möchte man fragen?
Auch bei der Dentalhygiene hapert es des öfteren. Prophylaktisch die Zähne ziehen? Man kann doch auch mit Zahnersatz kauen.
Und Zahnentzündungen durch mangelnde Zahnhygiene können via Eiterbakterien zu schwersten Herzerkrankungen und zum Tode führen! Schon oft genug passiert!
Müssen sich vorhautlose Männer eigentlich ihr Genital nicht waschen, wenn sie sauber, gepflegt und „hygienisch“ sein wollen?
Kommt bei denen Parfüm aus der Harnröhre, oder vielleicht doch Urin? Ist deren Eichel mit Teflon beschichtet?
Dr. Latasch schreibt das so geschlechtsneutral.
Richtig, auch bei der Damenwelt soll sich bei mangelnder Intimhygiene Smegma in den Hautfalten der Genitalien ansammeln können.
Dann müsste man also Mädchen die Klitoris-Vorhaut und die Labien auch entfernen?
Weil Kinder später als Erwachsene nicht in der Lage wären selbst zu entscheiden, was sie für zweckmäßig und angemessen, und was sie für ausgemachten Blödsinn halten? Ist das nicht etwas borniert?
Was kommt den als nächstes? Ein Chip, den man Kindern implantiert, zwecks späterem „zwanghaftem Waschen“?
Zitat JaM am 20. Dezember um 18:48 Uhr im Zusammenhang mit Steffen H., Victor Schiering und Stefan Schritt:
„Ihre Positionen sind in der Öffentlichkeit sehr präsent; jeder der sich mit dem Thema Beschneidung beschäftigt, kommt nicht umher, sich mit Ihren Argumenten auseinanderzusetzen.“
Diese Aussage ist dermaßen erstaunlich, dass ich einige Sekunden lang verwundert davor gesessen bin. Wenn irgend etwas in der Öffentlichkeit völlig unterrepräsentiert ist, dann die Erfahrungsberichte Betroffener. Für gewöhnlich erhalten die Befürworter der Beschneidung eine überaus große Repräsentanz in den Medien; nur in seltenen Fällen wird auch die Haltung der Kritiker gedruckt oder sogar Erfahrungsberichte Betroffener veröffentlicht. Ich glaube nicht, dass mir seit 2012 allzu viele Presseartikel zur Thematik entgangen sind; ich habe mehr oder weniger alle gelesen. Es freut mich aber, dass Sie die Betroffenenberichte schon mal irgendwo wahrgenommen haben.
Ja, und vor den Rechtsausschuss des Bundestages war auch Dr. Hans Kristof Graf als Sachverständiger geladen.
Er berichtet von ca. 760 „Wunschbeschneidungen“. (Wunsch – wessen? Des Betroffenen? Oder seiner Eltern?) an dem Berliner Krankenhaus wo er tätig ist („Kranken“- haus, wirkt irgendwie absurd in dem Zusammenhang – die Behandelten sind ja GESUND (können dort höchstens krank werden, was in Krankenhäusern gar nicht so selten ist).
Davon 385 an Babys. „Wunsch“-Amputationen an Babys – also nicht-indizierte Amputationen am kindlichen Genital, ergo Verstümmelungen.
Dann geht es auch um „Betäubung“. Am besten wäre laut Graf Amputation bis zum 14. Tag. „Betäubung“ dann mit Emla-Salbe. Sagt dem Rechtsausschuß – ein Arzt!
Wobei Emla diesem Zweck „Zirkumzision bei Babys“ gar keine Zulassung hat. Für die es auch keinen Nachweis ausreichender Wirksamkeit in diesem Fall gibt. Wo der Nachweis nicht ausreichender Wirksamkeit regelmäßig durch das Gebrüll des Babys erbracht wird.
Das hat auch damit zu tun, dass der Schmerz von nicht wenigen religiösen Eltern als wesentlicher Teil des Rituals erachtet wird.
Gebrauchsinformation: „Emla sollte nicht auf offenen Wunden angewendet werden“.
Graf: „Eine postoperative Versorgung mit EMLA-Salbe hat sich hierbei als hilfreich für die postoperative Schmerzbekämpfung gezeigt.“
Hat man da nicht eine offene Wunde?
Gebrauchsinformation:
„Emla sollte nicht angewendet werden – bei Kindern unter 12 Jahren auf der genitalen Schleimhaut.“
Das innere Vorhautblatt ist Schleimhaut. Wie soll das betäubt werden? Wie soll die Eichel (Schleimhaut) bei der sehr schmerzhaften Ablösung des inneren Vorhautblatts betäubt werden?
Graf hält übrigens weiterhin an der „Betäubung“ mit Emla fest, die die europäische Arzneimittelkommission EMA als „unzureichend und ethisch inakzeptabel“ bezeichnet hat.
Noch im Vorjahr konnten Eltern in dem Informationsblatt des Krankenhauses in dem Dr. Graf als ärztlicher Direktor tätig ist sogar „ohne Betäubung“ ankreuzen.
Ohne wissenschaftlichen Nachweis kaufte der Rechtsausschuss es Dr. Graf aber offenbar ab, dass Emla für Neugeboren reicht, für ältere Kinder aber nicht – aber dazu hat ja Frau Dr. Papst dankenswerterweise ja schon das notwendige gesagt.
Reingefallen, der Ethikrat, der Rechtsausschuss, der Bundestag.
@ Werner Engelmann
Sie sprechen so viele unterschiedliche Punkte an, dass ich nicht weiß, ob ich tatsächlich alle abhandeln kann.
Hannah Arendt/offener Dialog
Die Kontroverse um „Eichmann in Jerusalem“ sehen Sie als exemplarisch für den Umgang der „Mehrheitsmeinung“ mit der „Minderheitsmeinung“ im Judentum. Das ist sie, aber in anderem Sinne als Sie es verstehen. Schon im Talmud werden Meinungen kontrovers diskutiert, polemisch bekämpft und durch Mehrheiten entschieden. Gleichzeitig werden Minderheitsmeinungen festgehalten, immer wieder aufgegriffen und können irgendeinmal zur Mehrheitsmeinung werden. Dies ist alles andere als ein „Abgrenzungsbedürfnis“, das Minderheitsmeinungen ausgrenzt. Ich kann auch heute nicht erkennen, dass „jüdische Beschneidungsgegner“ innerjüdisch ausgegrenzt werden. Mir sind auch keine „jüdischen“ Schmähungen z.B. gegen Alan Posener oder Prof. Michael Wolfssohn wegen ihrer Haltung in der Beschneidungsdebatte bekannt. Mir ist nicht klar, welche Frage ich in Bezug auf den „offenen Dialog“ nicht beantwortet hätte.
„Mehrheitsmeinung“ und „Recht auf Anderssein“
Ich habe ausdrücklich geschrieben, dass ich unterschiedliche Erfahrungen und Einschätzungen respektiere. Die allgemeinen Rückschlüsse, die daraus gezogen werden, sind keine unumstößliche Wahrheiten, sondern Meinungen, auch die meine. Ich habe auch keiner Religionsgemeinschaft zugestanden, per Mehrheitsmeinung über die „Richtigkeit“ einer Entscheidung zu befinden. Die jüdischen Beschneidungsgegner habe ich den Fakten entsprechend als kleine Minderheit bezeichnet, was nicht bedeutet, dass ich ihnen das Recht absprechen würde, über sich anders als die Mehrheit zu entscheiden. Ich glaube nicht, dass in der Debatte negative Erfahrungen beschnittener Männer ignoriert werden. Sie werden aber mit den eigenen Erfahrungen bewertet. Ist das nicht immer so, wo unterschiedliche Bewertungen möglich sind?
Jüdische Identität
Mir ist nicht entgangen, dass Sie nicht eigene Meinung formuliert, sondern die Position anderer ins Spiel gebracht haben. Diese Positionen habe ich zu entkräften gesucht. Ansonsten habe ich die Situation beschrieben, wie sie ist: Die Mehrheit der jüdischen Israelis und fast alle religiösen Juden in Israel halten die Beschneidung für einen der konstituierenden Faktoren ihrer jüdischen Identität, eine Minderheit tut es nicht. Was bleibt unklar?
Brit Mila als Bestätigung des Bundes
Die religiöse Gleichbehandlung von Frauen und Männern und somit von Mädchen und Jungs, die sich im konservativen und liberalen Judentum (nicht in der Orthodoxie) erst in den letzen etwa 50 Jahren durchsetzt, impliziert nicht, dass ungleiches gleich behandelt wird. Die Beschneidung von Knaben ist ein Gebot (Mizwa) der Tora, Mädchen müssen den Bund nicht bekräftigen. Die Namensgebung ist ein nicht verpflichtender Ritus. Die abstrakte „Gleichbehandlung“ ist sicherlich keine ausreichende Motivation, auf tief in der Tradition verankerte Rituale zu verzichten oder auf die Idee zu kommen, dem Judentum völlig fremdes Ritual der weiblichen Beschneidung (die mit der männlichen unvergleichbar ist) einzuführen.
Zur Verbindlichkeit der Brit Mila: Ein unbeschnittener Jude bleibt Jude, er kann also jüdisch heiraten und jüdisch beerdigt werden. Er ist aber nicht in den Bund eingetreten, sodass er von bestimmten religiösen Handlungen ausgeschlossen ist. Er kann nicht zur Tora gerufen werden, also auch nich die mit 13 vorgeschriebene Bar Mizwa, die religiöse Volljährigkeit, feiern und er kann nicht den Gottesdienst leiten, also auch nicht Kantor oder Rabbiner werden. In der rabbinischen Literatur überwiegt die Meinung, dass er auch nicht zum Minjan, dem für ein öffentliches Gebet vorgeschriebenen Quorum von zehn Betenden, gezählt werden kann. Es mag sein, dass es auch in der Orthodoxie oder im konservativen Judentum Rabbiner gibt, die bei einer Bar Mizwa nicht nach der Beschneidung fragen, um das Kind nicht für Fehler der Eltern zu bestrafen (Was ich nicht weiß macht mich nicht heiß ist tatsächlich ein rabbinischer Grundsatz, um die Härten der Religionsvorschriften gelegentlich mildern zu können). Im liberalen Judentum wird die Zahl der Rabbiner, die nicht fragen, größer sein. Nur eine Minderheit der Rabbiner und der Gemeinden betrachtet die Brit Mila nicht als verbindliche Voraussetzung für den Bund, was nicht heißt, dass sie die Vorhautbeschneidung auch ablehnen.
Meiner Erfahrung nach entscheiden sich die meisten jüdischen Eltern nicht unter sozial-kulturellem Druck für die Beschneidung, sondern aus Überzeugung. Vor allem im Europa geht ein stärkerer sozial-kultureller Druck von der „beschneidungskritischen“ Mehrheitsgesellschaft. In Israel mag das anders sein, trotzdem wird dies nicht der entscheidende Faktor für die Bejahung der Beschneidung sein.
Auf die historische Debatte über Beschneidung im liberalen Judentum bin ich nur deshalb eingegangen, weil sie als Argument für die heutige Debatte eingeführt wurde (etwa „schon im 19. Jahrhundert hat das liberale Judentum die Beschneidung abgelehnt“). Nun konzedieren auch Sie, dass diese vergangene Debatte für die heutige Diskussion nicht relevant ist.
Im Grunde stellen Sie die gleiche Frage, wie Bronski: Kann das Judentum an einer Beschneidungspraxis festhalten, die den Menschenrechten widerspricht? Meine mehrfach wiederholte (und bereits ausführlich begründete) Antwort: Die Mehrheit in der jüdischen Gemeinschaft sieht nicht, dass die Beschneidung menschenrechtswidrig wäre und kann sich dabei auf die internationale Rechtsprechung stützen (denn über die Rechtmäßigkeit der Knabenbeschneidung hat es, auch in Deutschland vor dem Kölner Urteil rechtliche Auseinandersetzungen gegeben). Es fehlt also ein rationaler Zwang, auf eine tief verankerte Tradition zu verzichten, auch wenn diese Tradition (wie viele Traditionen) nicht nur rational begründbar ist. In diesem Punkt kommen wir tatsächlich an die Grenzen des Dialogs.
Nur zur Ergänzung:
Als ich oben im Kommentar um 14:07 geschrieben habe:
„Das Gegenteil ist richtig. Körperverletzung ist in allen demokratischen Ländern eine Straftat und wird eigentlich nirgendwo erlaubt, nur weil sie aus religiöser oder kultureller Motivation heraus erfolgt.“
war mir natürlich schon bewußt, dass es in einigen wenigen europäischen Ländern Ausnahmeregelungen NUR für den Eingriff an Sexualorganen kleiner Kinder NUR männlichen Geschlechts gibt. Hierzu gehört neben Deutschland etwa Schweden. Stefan Schritt hatte oben schon Näheres dazu erläutert.
Gleichwohl müssen wir uns bewußt machen, was für eine Ausnahmeregel dies ist, welche sich diametral allen Grund-, Verfassungs- und Menschenrechten entgegenstellt und auch dem allgemeinen Verbot, kleinen Kindern irreversible Verletzungen oder Körpermodifikationen zuzufügen, ganz grundsätzlich widerspricht. Wenn die große Mehrheit der Bevölkerung in denjenigen Ländern, in denen eine Legalisierung erfolgte oder erfolgen soll, dies empört ablehnt, dann ist das nur normal und natürlich.
@JaM:
„Die Mehrheit in der jüdischen Gemeinschaft sieht nicht, dass die Beschneidung menschenrechtswidrig wäre und kann sich dabei auf die internationale Rechtsprechung stützen..“
Und vor fünfzig Jahren hätten sie mit Fug und Recht schreiben können:
„Die Mehrheit der Deutschen sieht nicht, dass die Diskriminierung Homosexueller menschenrechtswidrig wäre und kann sich dabei auf die internationale Rechtsprechung und auf das Bundesverfassungsgericht stützen“
Die gesellschaftliche Einstellung hat sich aber inzwischen sehr geändert, nicht nur was sexuelle Präferenzen, sondern auch was Kinderrechte und Schutz von Kindern angeht.
Das hat sich auch in der Rechtsprechung niedergeschlagen.
Die große Ausnahme, der Schritt zurück – mit Siebenmeilenstiefeln in die Bronzezeit – ist allein der §1631d BGB.
Man kann sagen der §223StGB, der ja u.a. den Artikel 2. GG umsetzt hat jetzt eine Singularität, einen blinden Fleck, die „Vorhautlücke“.
Das gilt immer – auch für die Vorhäute von Mädchen, aber bei Jungen, da lassen wir den Art 2. mal ein Stück Papier sein!
Zitat: Ob Ihre Argumente auch überzeugen, darüber müssen – so ist die Rechtslage nicht nur in Deutschland – letztlich die Eltern entscheiden. Zitatende
Ja und dazu müßten die Eltern die Argumente auch kennen. Tun sie das?
Leute die die Vorhaut für abscheulich halten informieren die Eltern objektiv? Glauben sie das wirklich?
Wenn jemand sie persönlich fragt, würden sie die Eltern darauf hinweisen?
Der Mohel David Goldberg aus Nürnberg schreibt ja Stand heute (21.12.14) noch auf seiner Homepage das Kinder kein ausgebildetes Schmerzempfinden haben, sagen sie Eltern die sie fragen das dem nicht so ist?
PS: Respekt das sie hier mitschreiben und auch mal auf Argumente eingehen, auch wenn sie hier Gegenwind bekommen.
Frohe Weihnachten
@ Maria Werner 21. Dezember 2014 23:44
Sie behaupten: „Körperverletzung ist in allen demokratischen Ländern eine Straftat und wird eigentlich nirgendwo erlaubt, nur weil sie aus religiöser oder kultureller Motivation heraus erfolgt.“ Das mag sein und es mag auch sein, dass in der (theoretischen) Rechtsdiskussion nicht nur in Deutschland die Meinung vertreten wird, die Vorhautbeschneidung von männlichen Kindern sei eine nicht zustimmungsfähige Körperverletzung. Eine entsprechende verbindliche Rechtsprechung oder Gesetze, die in einem Rechtsstaat erst die Voraussetzung für die Strafbarkeit ist, gibt es in keinem Land. Dies kann nicht an „wo kein Kläger da kein Richter“ liegen, den Rechtsstreitigkeiten zur Beschneidung hat es (nicht nur in Deutschland) bereits gegeben. Das Kölner Urteil ist bisher singulär und wäre, wie jedes Urteil eines Landgerichts, auch ohne das Beschneidungsgesetz nicht rechtsverbindlich.
Nachtrag: Das von Ihnen früher zitierte Urteil des BGH erging in einem Zivilverfahren. Ich zweifle daran, dass so „im Vorübergehen“ die Strafbarkeit einer bisher erlaubten Handlung rechtsverbindlich festgestellt werden kann.
JaM: Sie wundern sich verständlicherweise darüber, dass es in den Jahren vor dem Kölner Urteil noch nicht zu einem Strafverfahren gekommen ist. Gerne möchte ich Ihnen das erläutern. § 223 StGB ist antragsbedürftig. Das bedeutet, dass die Strafverfolgung nur dann stattfinden darf, wenn der Verletzte einen Antrag stellt. Der Verletzte ist das Kind und müsste nach herrschender Meinung voll geschäftsfähig sein, um einen solchen Strafantrag zu stellen. Er wird als Baby oder Kind rechtlich von den Sorgeberechtigten, also von seinen Eltern vertreten. Die Eltern, die die VA veranlassen, stellen natürlich keinen solchen Antrag. Da müsste schon das Jugendamt die Bestellung eines Ergänzungspflegers durch das Gericht beantragen und das Problem der VA wurde lange Zeit einfach nicht wirklich innerhalb der Gesellschaft wahrgenommen. In dem vor dem LG Köln anhängigen Fall war es zunächst so gewesen, dass die Mutter, die schlecht deutsch sprach, etwas von „Schere“ und „Blut“ und „abschneiden“ sagte, sodass ein Strafverfahren wegen einer sog. „qualifizierten Körperverletzung“ eingeleitet wurde, die nicht antragsbedürftig ist. Man glaubte, dem Jungen sei jemand am Küchentisch mit der Schere zuleibe gerückt. Später wurde das dann revidiert, der Junge hatte eine vollkommen fachgerechte Vorhautamputation durch einen Arzt erhalten. Nachblutungen wie in seinem Fall sind eine völlig normale, häufig auftretende Komplikation. Der schon anhängige Fall wurde zuende geführt; dass man später die qualifizierte auf eine einfache Körperverletzung „heruntergebrochen“ hat, war unschädlich.
Das im Zivilverfahren ergangene Urteil war eines der wenigen, die ich zu dem gesamten Themenkreis überhaupt gefunden habe. Sie hatten ja nun behauptet, das Urteil des LG Köln stünde der bisherigen Rechtsprechung entgegen und da frage ich mich, welche Rechtsprechung Sie denn damit meinen. Aus dem o.g. Urteil ergibt sich keineswegs eine Art „Zäsur“ durch das LG Köln, es wurde nichts umgedreht, sondern etwas fortgeführt. In dem o.g. Fall wurde der Vater meines Wissens auch strafrechtlich verurteilt, ich kann das gerne raussuchen, wenn Sie möchten. Hier konnte ja die Mutter im Namen des Sohnes den Strafantrag stellen.
Selbstverständlich wäre das Urteil nicht für andere Gerichte verindlich gewesen, niemand bestreitet das, ich schon gar nicht. 😉 Man hätte die Sache entweder ganz offen lassen können (ohne Eingriff durch die Politiker), dann hätte es in Rechtslehre und -praxis weitere Entwicklungen geben können, oder man hätte im Rahmen einer politischen Entscheidungsfindung an einem runden Tisch alle in Frage kommenden Fakten erörtern können. Es wurden Vorschläge dahingehend gemacht, die VA solange straffrei zu stellen. Wurde natürlich so auch nicht akzeptiert, alles musste dem vom Bundestag im Sommer gefassten Beschluss untergeordnet werden und fertig. In den Medien haben die meisten Journalisten dann wie wildgewordene Trolle die Antisemitismus- und Antiislamismuskeule geschwungen, und zwar größtenteils mit einer Polemik, die so unfassbar dumm war, dass sie eine Beleidigung für jeden intelligenten Menschen darstellte.
Das war keine besonders gute Idee, wenn Sie mich fragen. Es war in jeder denkbaren Hinsicht keine gute Idee, allerdings hänge ich mich jetzt mal so weit aus dem Fenster, zu sagen: es war auch für die Beschneidungskulturen (für mich sind das hauptsächlich die US-Amerikaner, Judentum und Islam) keine gute Idee. Jetzt werden Sie mich sicher fragen: wieso denn nicht, der Druck kommt doch nur von außen? Wenn das erlaubt ist, dann haben wir ja unsere Ruhe?
Lieber JaM, ich befasse mich nun schon seit Sommer 2012 fast täglich mit diesem Thema und habe viel Einblick bekommen, sowohl was hunderte persönliche Geschichten und Schicksale betrifft als auch, was in unterschiedlichen Ländern passiert und sich entwickelt. Ich kann mir nicht anmaßen zu sagen, was in 15 oder 20 Jahren sein wird, wenn die Kinder, die heute beschnitten werden, geschlechtsreif sind. Aber ich müsste mich schon sehr täuschen, wenn der Mantel des Schweigens und der Verharmlosung dann noch so dicht gewebt wäre wie heute, wo er jetzt schon so starke Risse bekommen hat. Es bewegt sich viel, und zwar überall. Ärzteorganisationen in Europa und Kanada befassen sich zunehmend mit den zugrunde liegenden medizinischen Fragen und überlassen diese nicht mehr der insofern deutlich interessengeleiteten AAP (American Academy Of Pediatrics). Immer mehr Betroffene suchen Hilfe im Internet. In den USA fallen die Beschneidungsraten stetig – aufgrund zunehmender Aufklärung. Aber auch, weil schlichtweg Erfahrungen gemacht werden, wie sie von einigen Frauen in diesem Forum oder von Bronski beschrieben wurden. Wußten Sie, dass die Schwulenbewegung in Kanada eine der wichtigsten Gruppierungen in Sachen Beschneidungskritik ist? Können Sie sich denken, warum? In Israel ging vor einigen Monaten ein Fall durch die Presse, bei dem eine Mutter durch das Rabbinergericht gezwungen werden sollte, ihren Sohn zu beschneiden, das Urteil wurde dann aber durch den Obersten Gerichtshof aufgehoben (der Fall bot allerdings wieder einmal Anlass zu öffentlichen Kontroversen über die VA selbst). Russische Einwanderer, die sich erst als Erwachsene beschneiden ließen, um in der Gesellschaft dazuzugehören, berichten sehr häufig genau dasselbe wie das, was wir hier auch schon gehört haben. Das sind nur ein paar kleine Hinweise auf das Gesamtbild. Die Problematik der VA rückt mehr und mehr ins öffentliche Bewußtsein, und zeitgleich mit dieser Perpetuierung befassen sich mehr und mehr Fachleute und Wissenschaftler mit den zugrunde liegenden Fragen. Im Zeitalter des Internet lassen sich all diese Erkenntnisse, in ihrer Gesamtheit, auch nicht mehr in einem dunklen Keller wegschließen. Wir sprechen vielleicht in Deutschland und in Israel keineswegs von einer Massenbewegung, wenn wir über Beschneidungskritik sprechen. In den USA sieht das allerdings zunehmend anders aus. Das Rad, lieber JaM, läßt sich nicht mehr zurückdrehen.
Das heißt auch, dass immer mehr Betroffene sich ganz klar darüber werden, was mit ihnen passiert ist. Sie wissen, dass man ihnen einen Teil ihrer Sexualität genommen hat, aus welchen Gründen auch immer… um des eigenen Identitätsgefühls willen oder weil der Sohn unbedingt so aussehen soll wie der Papa (aber nur am Willie). Letzteres ist ein beliebtes „Argument“ in den USA.
Ich möchte in diesem Hinblick betonen, dass es selbstverständlich beschnittene Männer gibt, die mit ihrer Sexualität völlig zufrieden sind und ihren Penis schön finden. Das ist auch völlig in Ordnung so. Es geht nicht darum, dass sich diese Männer schlecht fühlen sollen. Jeder Mann geht anders mit seiner Vorhautamputation um und das ist auch in Ordnung so. Das Problem ist nach wie vor, dass der Zustand anderen Menschen aufgezwungen wird, nämlich Kindern und Babys. Sie mögen sich möglicherweise zurücklehen und sagen: na ist mir doch völlig wurscht! Da war kein Staatsanwalt, der Streß gemacht hat. Also ist ja alles in Ordnung, worüber sollte man sich jetzt denn bloß noch Gedanken machen?
Wissen Sie, was passiert, wenn sich der eigene Sohn völlig bewußt macht, was mit ihm geschehen ist?
Mir gefiel Ihr Beitrag von gestern um 23:13 Uhr, weil er so ehrlich war. Inhaltlich würde ich aber gerne die Fäden ein bisschen weiterspinnen, vor allem, was diesen Satz betrifft:
„Es fehlt also ein rationaler Zwang, auf eine tief verankerte Tradition zu verzichten, auch wenn diese Tradition (wie viele Traditionen) nicht nur rational begründbar ist. In diesem Punkt kommen wir tatsächlich an die Grenzen des Dialogs.“
Ja… ich glaube, ich werde heute Abend noch den Bericht eines FB-Freundes übersetzen, der hier gut reinpasst. Er erzählt einfach nur von sich selbst. Und er hat mir das natürlich auch erlaubt.
Ich komme nun zurück auf die folgende Aussage von JaM, 21. Dezember 2014 um 23:13 Uhr:
“Es fehlt also ein rationaler Zwang, auf eine tief verankerte Tradition zu verzichten, auch wenn diese Tradition (wie viele Traditionen) nicht nur rational begründbar ist. In diesem Punkt kommen wir tatsächlich an die Grenzen des Dialogs.”
Ja, da steckt ganz, ganz viel Wahrheit drin. Nur dass diese Wahrheit nichts mit Antiochius oder Auschwitz, nichts mit noch nicht oder doch schon ergangenen Gerichtsurteilen zur Körperverletzung oder zu Menschenrechten, nichts mit der jüdischen Identität oder auch nur mit dem Judentum an sich zu tun hat. Die Aussage war sicherlich vollkommen anders gemeint, als ich sie nun aufgreife. Das weiß ich. Dennoch trifft sie einen ganz wichtigen Kern, der bei allen Beschneidungskulturen, unabhängig von äußeren Umständen wie Religion, Kultur, Geschichte oder Sozialisation, gleichermaßen vorhanden ist. Ich möchte nicht belehrend wirken. Lieber möchte ich erzählen. Und weil ich selbst nicht beschnitten wurde (zum Glück bin ich eine Frau), lasse ich jemand anderen zu Wort kommen. Der Mann, der das Folgende erzählt, heißt James und stammt aus den USA. Ich habe seinen kürzlich auf meiner Facebook-Timeline veröffentlichten Bericht, so gut ich eben konnte, ins Deutsche übersetzt und natürlich schön brav seine Einwilligung zur Übersetzung und Veröffentlichung Bronski gegenüber per Email nachgewiesen.
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Warum ich gegen Genitalbeschneidung die Stimme erhebe
(…)
Wenn ich sage, dass ich durch Neugeborenenbeschneidung beschädigt wurde, sollte ich konkret werden.
Es war nichts von Anfang an falsch mit der Genitalbeschneidung, der ich unterzogen worden war. Meine Eltern und der Arzt waren ziemlich glücklich über das unmittelbare Resultat, und offen gestanden, abgesehen von ein paar sehr verletzenden Kommentaren darüber, wie klein mein Penis aussehe, wußte ich es als Kind nicht besser.
Die Pubertät änderte alles.
Wissen Sie, es ist unmöglich, vorherzusagen, wie viel Penishaut das Baby benötigen wird, wenn es heranwächst. Sein kleiner Penis ist noch gar nicht entwickelt. Die Ärzte müssen schätzen, wie viel der mobilen Struktur des Penis zerstört werden soll. Sie schätzen das oft falsch ein. Zu den häufigsten Komplikationen zählt, dass zu viel Haut abgeschnitten wird (so ist es bei mir), ebenso die Entfernung von zu wenig, was andere scheußliche Komplikationen nach sich zieht.
Während meiner Pubertät hatte ich stramme, schmerzvolle Erektionen. Ohne ausreichend schlaffe Haut saß der Großteil meines Penis mein ganzes Leben lang fest („had been trapped“). Als Folge sah mein Penis kleiner aus, als er war. Wenn Erektionen und die Steifheit begannen, verursachte mir das sehr starke Schmerzen.
Meine Penishaut zersprang buchstäblich unter der Spannung. Man hatte mir weniger als die Hälfte der Penishaut belassen, die ich hätten haben sollen. Niemandem fiel das auf, denn offen gestanden, manche Kinder sind halt weniger gut bestückt als andere. Und welche Eltern probieren es aus, ihr Kind in einen steifen Zustand zu bringen, um zu schauen, ob genügend Haut da ist? Nein, das geschah nie. Das wäre nochmals eine ganz andere Ebene von Kindsmisshandlung gewesen.
Das Steifwerden und die Erektionen während meiner Teenagerjahre hinterließen mir Dehnungsstreifen und häßliche Narben. Masturbation war unmöglich für mich wegen der straffen Haut, bis ich 15 Jahre alt war. Oh, ich war erregt wie all die anderen Teenager, aber ich konnte halt nichts machen wegen des Schmerzes, den mir das verursachte.
Ich habe das meinen Eltern nie gesagt, weil, seien wir doch mal ehrlich, Jungen im Teenageralter ihren Eltern sicher nichts über ihre Masturbationsangewohnheiten erzählen.
Ohne jemanden, mit dem ich darüber hätte sprechen können, glaubte ich, alle meine sexuellen Probleme seien meine Schuld. Ich gab mir die Schuld daran, nicht maskulin genug zu sein. Ich gab mir die Schuld daran, defekt zu sein.
Zwei Mal, bevor ich 18 Jahre alt wurde, versuchte ich, mich umzubringen wegen des von mir so empfundenen Versagens als Mann.
Als ich schließlich Sex hatte, war ich verwirrt darüber herauszufinden, dass ich einfach gar nichts von meiner Partnerin fühlen konnte. Jahre der Vernarbung und Verdickung der Haut hinterließen mich als gefühllosen Teilnehmer, der der Aufgabe nicht gewachsen war. Die einzige Möglichkeit, etwas über meinen Penis zu fühlen, war während der Masturbation und mit einem Todesgriff, der volle Bierdosen zerquetscht hätte. Eine Vagina hat eine gewisse Umklammerung, sicher, aber nicht annährend genug für mich um zu fühlen, was ich hätte fühlen sollen.
Dies führte zu Jahren der Depression, Selbstvorwürfe, und noch viel Schlimmeres. Ich musste Orgasmus mit Frauen vortäuschen. Es war verheerend für meine Psyche. Am Ende war es zu viel Arbeit, daher zerbrach die Beziehung wegen der fehlenden Intimität.
Vor ein paar Jahren stieß ich auf die Vorhautwiederherstellung*, und es war eine rein kosmetische Entscheidung für mich. Ich bin unter meinen intakten Cousins aufgewachsen, und ich hatte immer das Gefühl, dass mein Penis falsch aussah. Die Vorstellung, meine schrecklichen Narben unter einer Hautfalte zu verbergen, erschien wirklich verlockend.
Während der ersten paar Monate der Vorhautwiederherstellung habe ich eine Veränderung bemerkt. Als ich langsam mehr lose Haut entwickelte, begann mein Penis das erste Mal seit der Pubertät, zu heilen. Je mehr lose Haut ich hatte, desto besser funktionierten die Dinge.
Als ist genug lose Haut entwickelt hatte, um meine Glans ordentlich zu bedecken, war ich begeistert.
Wenn die Haut die Glans bedeckt, beginnt die Glans, zu heilen und all die verdickte Haut, die sich über die Jahre gebildet hat, beginnt sich abzuschuppen. Meine Sensibilität wurde um das Hundertfache besser. Außerdem erlaubte die Abschuppung der verdickten Haut und die Heilung der Glans den Narben um die Harnröhre herum, weicher zu werden. Schmerzen, die ich mein ganzes Leben lang beim Pinkeln hatte, verschwanden plötzlich. Diese Schmerzen waren so konstant vorhanden und traten so erwartungsgemäß auf, dass ich dachte, sie seien normal. Ich war vom Kopf her so sehr an den Schmerz gewöhnt, dass ich ihn nicht mehr registrierte. Plötzlich nicht mehr den Schmerz zu fühlen, den ich mein Leben lang gehabt habe, war eine Offenbarung.
Schließlich recherchierte und entdeckte ich, dass ich mein ganzes Leben lang an Meatusstenose** gelitten hatte. Mit fast 40 Jahren war ich endlich hiervon geheilt.
Die Vorhautwiederherstellung hat das Erscheinungsbild meiner Narben abgemildert, die Funktionen meines Penis verbessert und meine gesamte mentale, physische und sexuelle Gesundheit verbessert.
Ich habe jetzt genug Vorhaut, um zu wissen, wie sich beide Seiten meiner Beschneidung anfühlen, und es ist kein Vergleich. Vorhaut ist einfach besser in jeder denkbaren Hinsicht. Es gibt wirklich keine Entschuldigung dafür, einen derart wertvollen und funktionalen Körperteil abzutrennen.
Meine eigenen Eltern waren, als ich ein Kind war, halt genauso wie alle Pro-Beschneidungs-Eltern, um die ich mich bemühe und die ich aufkläre. Sie waren davon überzeugt, dass das „gut“ sei. Ich war ein glückliches Kind, und ich wußte es nicht besser. Wenn sie danach gefragt wurden, waren meine Eltern stolz auf ihre Entscheidung und empfahlen sie ihren Freunden weiter, weil SIE so glücklich waren mit der Gestaltung von MEINEM Penis.
Aber sie kannten die Wahrheit nicht. Sie konnten es nie, und sie werden es nicht können. Ebensowenig werden Sie es können, wenn Sie Ihre Söhne beschneiden.
Wenn ich höre, wie Männer mit ihrem Penis herumprahlen und sagen, „ich bin beschnitten und mir geht’s gut“, dann lache ich, denn ich kenne die Wahrheit. Je unsicherer du über deinen Penis bist, desto mehr lügst du und behauptest, alles sei prima. Alles ist fantastisch, „ich bin so sehr sehr glücklich glücklich über meinen Schwanz!“ Es ist eine Lüge, eine Ausflucht.
Ich weiß Bescheid. Ich war der König des Denial*** (Verdrängung, Verleugnung). Ich habe früher ganz genau die gleichen Sachen gesagt. Man muss ein SEHR mutiger Mann sein, um sich zuzugestehen, dass der eigene Penis weniger ist, als er sein sollte. Ich wäre eher in brennende Gebäude gelaufen oder in ein Kriegsgebiet, ohne mit der Wimper zu zucken, bevor ich zugegeben hätte, dass ich nicht genug Mut habe mir einzugestehen, dass mein Penis beschädigt ist.
Es bedurfte erst der Vorhautwiederherstellung, damit ich schlussendlich offen zugeben konnte, was für so lange Zeit falsch gewesen ist. Nun ertrage ich tapfer die Beleidigungen und die Häme dafür, Aufklärung über die Abscheulichkeit der Genitalbeschneidung zu betreiben.
Es tut mir leid es zu sagen, doch wenn Sie Ihr Kind beschneiden, werden Sie womöglich niemals Kenntnis über den Schaden erlangen, den Sie angerichtet haben. Jungen und Männer sind nicht so gestrickt, dass sie offen mit ihren Eltern über so etwas sprechen. Ein Mann wird lieber sterben, bevor er jemanden denken läßt, dass irgendetwas mit seinem Penis oder mit seiner Männlichkeit falsch ist.
Sie können behaupten, “meinem Sohn geht es gut” so viel Sie wollen, aber Sie können und werden mit großer Wahrscheinlichkeit einfach niemals die eigentliche Wahrheit kennen. Er mag nicht einmal in der Lage sein, selbst der Wahrheit ins Gesicht zu blicken. Mehr als alles andere wird er sich selbst belügen.
Es gibt keine Möglichkeit, zu wissen, wie viel Haut das männliche Baby benötigen wird, wenn es herangewachsen ist. Das ist NICHTS, was man vorhersagen könnte. Die Ärzte raten bloß. Sie können eher falsch raten als richtig.
Ich spreche mich gegen Genitalbeschneidung aus, weil ich aus erster Hand weiß, wie grauenhaft und falsch das wirklich ist. Ich weiß, was dem beschnittenen Kind fehlt. Ich weiß, was es erleiden kann. Ich weiß, welchem Risiko Sie es aussetzen. Ich habe das erlebt.
Ich habe jeden Aspekt davon recherchiert, und es gibt wirklich überhaupt keine Entschuldigung dafür, diesen Genuss einer anderen Person wegzunehmen.
Täuschen Sie sich nicht, die Vorhaut ist ein erogenes Gewebe. Es ist lustvoller, eine zu haben als KEINE zu haben. Sie IST ein wertvoller Teil des Penis. Sie ist ein Organ mit spezialisierten Funktionen, die das Leben eines Mannes besser machen. Ihr Verlust ist nicht unbedeutend. Es ist NICHT bloß Haut.
(…)
Recherchiere nicht Beschneidung. Recherchiere Vorhaut.
Wenn Männer eine Vorhaut hätten haben sollen, würden sie damit geboren werden.
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Erläuterungen:
*) Bei der Vorhautwiederherstellung wird über mehrere Jahre hinweg die Haut so lange mit diversen Geräten gedehnt, bis sie sich über die ehemals nackte Glans stülpt. Die bei der Vorhautamputation abgetrennten Nerven wachsen hierbei nicht nach, insofern mutet der Begriff „Vorhautwiederherstellung“ ein wenig verwirrend an. Eine wesentliche Änderung zeigt vor allem die Eicheloberfläche durch den neu entstandenen Schutz; die Verhornung entwickelt sich hierbei zurück, wodurch die Eichel resensibilisiert wird.
**) Die Meatusstenose entsteht durch eine Verhornung des Epithels der Eichel aufgrund des nicht mehr vorliegenden Schutzes durch die Vorhaut, möglicherweise auch durch das Absetzen der Frenulummaterie, wodurch es zu Durchblutungsstörungen der Eichel und insbesondere der Harnröhrenöffnung kommt (1). Dies wiederum führt zu Schrumpfungsprozessen, die eine Verengung der Harnröhrenmündung begünstigen können. Die Inzidenz der Meatusstenose ist besonders nach der Vorhautamputation im Neugeborenenalter erhöht und beträgt dort möglicherweise bis zu 20% (2).
(1) Van Howe, R.S. (2006). Incidence of meatal stenosis following neonatal circumcision in a primary care setting. Clinical Pediatrics, 45 (1), 49 – 54
(2) Joudi, M., Fathi, M., Hiradfar, M. (2011). Incidence of asymptomatic meatal stenosis in children following neonatal circumcision. Journal of Pedeatric Urology, 7 (5), 526 – 528
***) Ich habe “denial” nicht wörtlich übersetzt, weil es sich um ein besonderes Phänomen handelt, das bei einem Großteil der beschnittenen Männer auftritt. Nicht selten geht es mit extremer Irrationalität und Aggressivität einher, was für die betreffende Person i.d.R. vollkommen untypisch ist.
Zuvorderst mein Dank für die informativen Beiträge vor allem an Victor Schiering und Maria Werner Mir ist dadurch manches über §1631d und die rechtlichen Situation wesentlich klarer geworden. Bei der Gelegenheit möchte ich auch meinen Respekt für die sehr persönlichen und offenen Beiträge bekunden.
@ Steffen Wasmund 21. Dez. 3:07
Danke für Ihre Bestätigung. Ich schätze die Einlassungen von Dieter Graumann und Aiman Mazyek wohl ähnlich ein wie Sie. Dennoch halte ich den Vergleich mit dem Beispiel des Rechtsradikalen für verfehlt.
Nun bin ich nicht JaM, halte sein Pochen auf ein „Recht auf Anderssein“ aber im Zusammenhang historischer Erfahrungen zumindest für nachvollziehbar, wenigstens so lange es nicht zum Schaden anderer ist. Und zu einem „offenen Dialog“ gehört auch, generelle Befindlichkeiten des jeweils anderen zu erkennen und im Rahmen des Möglichen zu berücksichtigen. Sich an bestimmten Äußerungen eines Herrn Graumann festzubeißen erscheint da wenig hilfreich.
Darüber hinaus sollte auch nicht die Wichtigkeit gemeinsamer Verantwortung in vielen anderen Fragen (so etwa Problem „Pegida“ – „Die Spitze des Eisbergs“) außer Acht gelassen werden.
@ JaM 21. Dez. 23:13
Danke für Ihre sehr detaillierte Stellungnahme.
Im Folgenden eine kurze Bestandsaufnahme zu einzelnen Punkten aus meiner Sicht:
Bez. Hannah Arendt (ich habe den Film zweimal gesehen und auch sonst mit ihr beschäftigt) scheint die Auseinandersetzung doch erheblich über bloße Polemik hinausgegangen zu sein, in den engsten Familienkreis gereicht und zu Aufkündigung sehr alter Freundschaften geführt zu haben, was m.E. die Grenzen eines Disputs deutlich überschreitet. Das ist es, was m.E. einen „offenen Dialog“ unmöglich macht.
Was den Umgang mit Zeugnissen Betroffener angeht, geht es m.E. nicht um ihr Recht, „sich anders als die Mehrheit zu entscheiden“ (das ist sowieso selbstverständlich), sondern darum, ob das von ihnen geschilderten Leiden ernst genommen oder ignoriert bzw. verharmlost wird (wie z.B. in mehreren Beiträgen dargestellt, auch von Ärzten, sogar in der Ethikkommission) und welche Konsequenzen das hat.
Das Problem „jüdische Identität“ erscheint mir (bezogen auf den Gebrauch des Begriffs) geklärt.
Ähnlich, was den in einzelnen Zeugnissen angesprochenen „Gruppendruck“ angeht. Ich habe mich auch ausdrücklich nur auf solche bezogen und dies nicht generell behauptet und zudem auch keinen primär religiösen Zusammenhang konstatiert.
Bez. der historischen Debatte im 19. Jh. ist zwar richtig, dass ich diese nicht als entscheidend für die heutige ansehe. Wohl aber finde ich merkwürdig, wenn man sich auf damals getroffene Entscheidungen beruft, wo doch mit Sicherheit, vor allem in Bezug auf Menschenrechte, heute eine deutlich größere Veranlassung zu einer solchen – und zwar offen zu führenden Debatte besteht.
Bez. der letzten Frage, der juristischen Einschätzung des Problems, möchte ich mich an dieser Stelle enthalten und lieber Kompetenteren, wie Maria Werner, den Vorrang lassen.
Nun aber zu der für mich entscheidenden Frage des symbolischen Ritus bzw. Gleichstellung der Geschlechter. Ich zitiere Ihren Kernsatz:
„Die abstrakte ‚Gleichbehandlung‘ ist sicherlich keine ausreichende Motivation, auf tief in der Tradition verankerte Rituale zu verzichten oder auf die Idee zu kommen, dem Judentum völlig fremdes Ritual der weiblichen Beschneidung (die mit der männlichen unvergleichbar ist) einzuführen.“
Es wird Sie vermutlich nicht wundern, dass mich diese Antwort überhaupt nicht zufriedenstellt. Ich gehe auch davon aus, dass Sie sehr wohl verstanden haben, dass ich nicht auf die absurde Idee käme zu verlangen, ein „Ritual der weiblichen Beschneidung (die mit der männlichen unvergleichbar ist) einzuführen“. Selbstverständlich genau umgekehrt!
Dennoch meine ich, dass Sie hier den wunden Punkt zumindest andeuten, den ich allerdings völlig anders benenne als Sie.
Das demokratische Grundpostulat der „Gleichbehandlung“ als „abstrakt“ zu bezeichnen, würde ich ganz entschieden zurückweisen. Ich wüsste ganz im Gegenteil kein anderes Postulat, über das in der Geschichte mit solcher Verve gestritten wurde, für das so viele konkrete Realisierungsversuche vorliegen: von frühchristlichen Gemeinden über den Namensgeber des heutigen Papstes, die utopischen Sozialisten, die (wenn auch pervertierten) Varianten des „realen Sozialismus“ bis hin zur „Kirche von unten“ in Südamerika.
Sicher ist zu beachten, was Marx in der Schrift „Zur Judenfrage“ dazu äußert (MEW 1 S.366):
„Keines der sogenannten Menschenrechte geht also über den egoistischen Menschen hinaus, über den Menschen, wie er Mitglied der bürgerlichen Gesellschaft, nämlich auf sich, auf sein Privatinteresse und seine Privatwillkür zurückgezogenes und vom Gemeinwesen abgesondertes Individuum ist.“
Damit stellt er aber nicht die Forderung nach Menschenrechten an sich Frage, sondern er kritisiert im Gegenteil, dass sie nicht allgemein und weitreichend genug formuliert sind.
Der Grund hierfür ist folgender: Das „Naturrecht“ der Aufklärung, als Kampfbegriff gegen Feudalismus, ist von Anfang an als Transposition des bürgerlichen Menschen begriffen. Dieser wiederum, aufgespalten in „bourgeois“ und „citoyen“ (also ökonomische und staatsbürgerliche Sphäre), bedingt eine Reduktion der Revolutionsforderung „liberté – égalité – fraternité“ im Sinne der ökonomischen Sphäre. Der „liberté“, als „freies Unternehmertum“ interpretiert, fällt dementsprechend zuerst die „fraternité“ zum Opfer. Und die konkrete Ausgestaltung der „égalité“ (sieht man von oben genannten utopischen Versuchen ab) reduziert sich danach auf „Gleichheit vor dem Gesetz“ und „Gleichheit“ in Hinblick auf Menschenrechte. Damit ist es freilich kein absolutes, alle menschlichen Bereiche erfassendes Gebot mehr, aber sicher aus historischer und humanistischer Sicht ein erheblicher gesellschaftlicher Fortschritt.
Auf die aktuelle Debatte bezogen heißt das:
Prinzipien der Aufklärung (wie diese selbst) sind als Prozess zu begreifen. Sie – so auch die Menschenrechte – mögen zum Zeitpunkt ihrer Formulierung noch „abstrakt“ sein. Sie erfahren ihre Konkretion aber im Zuge der Realisierung, die erst nach und nach einzelne Bereiche erfasst.
Die Berechtigung dazu ergibt sich aus einem Menschenbild, das zwar einer bestimmten historischen Situation entspringt, aber in der Konsequenz weit über diese hinausgreift, also nicht einer bloß „partikularen“ (etwa „westlichen“) Sicht entspricht, wie etwa von chinesischer Seite zu Ihrer Abwehr geltend gemacht wird. Es ist die einzige Sicht, bei der in Form der „Menschenwürde“ die Belange des „Allgemeinmenschlichen“, also die aller Menschen in den Blick kommen, die nicht ausgrenzt und nicht absondert.
Dies schließt das Recht ein, auch Traditionen religiöser Art in Frage zu stellen. Denn mit jeder Tradition ist auch ein Menschenbild aus der Zeit ihrer Entstehung verbunden, das mit ihrer Praktizierung (bewusst oder unbewusst) weitergereicht (evt. gar „verewigt“) wird – zumindest so lange, als diese Verbindung nicht auf den Prüfstand gestellt und hinterfragt wird.
Damit zu Ihrer Äußerung am Schluss: „Es fehlt also ein rationaler Zwang, auf eine tief verankerte Tradition zu verzichten.“
Dieser „Zwang“ besteht m.E. sehr wohl, und zwar in der Verpflichtung, diese „tief verankerte Tradition“ auf damit verbundene Elemente eines nicht mehr aufrecht zu erhaltenden Menschenbilds zu überprüfen.
„Abstrakt“ ist also nicht die Forderung nach Gleichbehandlung, „abstrakt“ im Sinne der begrifflichen Definition ist vielmehr die Berufung auf eine „Tradition“, die von dem mit transportierten Menschenbild zu abstrahieren sucht, die sich der Überprüfbarkeit entzieht.
Um mit einem bildhaften Vergleich zu enden:
Bertolt Brecht sagte einmal, bezogen auf den Vorwurf, eine rationale Analyse von Gedichten zerstöre ihre „Schönheit“, sinngemäß Folgendes: Wirkliche Schönheit muss dies aushalten, sie muss auch ertragen, dass man sie seziert. Sie bleibt dennoch schön.
Dementsprechend meine ich, dass jede Tradition, auch, wenn sie sich auf „Offenbarung“ bezieht, eine rationale Überprüfung aushalten muss. Eine „Offenbarung“, die solche zu fürchten hat, sich ihr zu entziehen sucht, hat diesen Namen nicht verdient.
Ich wünsche allen Mitbloggern ein frohes, gesegnetes und vielleicht auch besinnliches Weihnachtsfest.
Ich wünsche allen LeserInnen und DiskussionsteilnehmerInnen ein wunderschönes Fest, sei es nun Weihnachten oder Chanukka!
Der Blog bleibt hoffentlich noch bis nach Weihnachten offen.
Ich verabschiede mich für die Zeit der Festtage mit dem Lied „Day After Day“ von Agron Belica. Zur Erklärung: als „intactivists“ bezeichnet man Aktivisten, die sich für intakte, vollständige Sexualorgane kleiner Kinder engagieren.
https://www.youtube.com/watch?v=mJVR_BBKncI
Dieser Thread wurde am 5. Dezember eröffnet. Solche Threads sind im FR-Blog 28 Tage lang offen, d.h. am 2. Januar wird die Diskussion in diesem Strang automatisch geschlossen. Nach meiner Rechnung ist der 1. Januar der letzte Tag, an dem noch Kommentare geschrieben werden können. Mit bis dato 177 Kommentaren könnte er auch jetzt schon geschlossen werden, denn ich glaube kaum, dass sich bisher Unbeteiligte durch diese vielen und teils auch langen Kommentare durcharbeiten werden, um dann noch mitzureden, aber für die bisher an der Debatte Beteiligten lasse ich den Thread natürlich so lange offen, wie es in diesem Blog üblich ist.
Auch ich wünsche Ihnen allen ein paar friedliche, vielleicht sogar besinnliche Feiertage. Egal, ob Christen, Muslimen, Buddhisten, Antroposophen, Agnostikern oder Atheisten. Diese Tage am Ende eines Jahres laden dazu ein, etwas Ruhe zu finden. Das ist in dieser aufgepeitschten, von vielen schrillen Tönen erfüllten Zeit ein Wert für sich.
Zum Beitrag Werner Engelmann 23. Dezember 2014 10:54
http://frblog.de/rund-um-das-thema-beschneidung/#comment-33586
„Dennoch halte ich den Vergleich mit dem Beispiel des Rechtsradikalen für verfehlt.“
Warum?
„Nun bin ich nicht JaM, halte sein Pochen auf ein „Recht auf Anderssein“ aber im Zusammenhang historischer Erfahrungen zumindest für nachvollziehbar, wenigstens so lange es nicht zum Schaden anderer ist.“
Selbstverständlich hat(!) JaM ein „Recht auf Anderssein“, „so lange es nicht zum Schaden anderer ist“ und zwar völlig unabhängig vom „Zusammenhang“ „historischer Erfahrungen“. Dieses Recht hat jeder Mensch nach Art. 2 GG Abs. 1: „Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.“ ( http://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_2.html) Auf dieses Recht muss er nicht „pochen“, wie Sie es hier suggerieren. An welcher Stelle habe ich ein solches Recht jemals in Frage gestellt? Genau dieses Recht verteidigen Beschneidungskritiker.
„Und zu einem „offenen Dialog“ gehört auch, generelle Befindlichkeiten des jeweils anderen zu erkennen und im Rahmen des Möglichen zu berücksichtigen.“
Das ist grundsätzlich richtig. Welche Befindlichkeiten habe ich nicht erkannt, und wie hätte ich diese berücksichtigen müssen? Welche konkreten Auswirkungen auf den Inhalt und den Zeitpunkt von Gesetzgebung würden Sie in Bezug auf welche Befindlichkeiten fordern?
„Sich an bestimmten Äußerungen eines Herrn Graumann festzubeißen erscheint da wenig hilfreich.“
Ich „beiße“ mich nicht „fest“. (Die Verwendung einer Metapher ist oft nur die verschleierte Form der Abwertung, die sich auf keine Begründung berufen kann.) Ich beziehe mich auf die mantraartig vorgetragene Darstellung von Graumann, weil sie genau das abstrahiert, was in den Begründungen aller religiösen Befürworter der Beschneidung als wesentlicher Kern vorkommt und weil Dieter Graumann der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland war und diese Darstellung bisher nicht revidiert wurde.
„Darüber hinaus sollte auch nicht die Wichtigkeit gemeinsamer Verantwortung in vielen anderen Fragen (so etwa Problem „Pegida“ – „Die Spitze des Eisbergs“) außer Acht gelassen werden.“
Wo lasse ich die „Wichtigkeit gemeinsamer Verantwortung in vielen anderen Fragen“ außer Acht. Wo sehen Sie einen speziellen Bezug zu Pegida? Wie muss diese Berücksichtigung dieser „Verantwortung in vielen anderen Fragen“ konkret umgesetzt werden?
@ Werner Engelmann
Das Ringen um eine religiöse Gleichstellung von Frauen und Männern (sowie um Gleichstellung von Menschen unterschiedlicher sexueller Orientierung) prägt zweifellos die Entwicklung des (religiösen) Judentums in den letzte Dekaden und hat zu erheblichen Veränderungen geführt, die (zumindest teilweise) bis in die Orthodoxie reichen. Die Grundlage dafür ist die biblische Schöpfungsgeschichte, wonach alle Menschen als „Abbild Gottes“ geschaffen sind. Die Gleichwertigkeit aller Menschen ist für mich eine Maxime für mein religiöses und politisches Handeln, die meine jüdische Praxis bestimmt. Daraus folgt für mich allerdings nicht, dass es keine unterschiedlichen Rituale für Männer und Frauen geben darf. Eine solche „abstrakte Gleichbehandlung“ würde dazu führen, auch das von feministischen Jüdinnen als ein Ritual ihres weiblichen Selbstverständnisses gestaltete Tauchbad nach der Menstruation abzulehnen, nur weil es keine männliche Entsprechung gibt.
Sie stören sich doch auch nicht daran, dass Kinder einer jüdischen Mutter und eines nichtjüdischen Vaters Juden sind, Kinder eines jüdischen Vaters und einer nichtjüdischer Mutter aber nicht (eine Diskriminierung der Männer und eine der aktuellen Streitfragen im progressiven Judentum). Auch bei dem Ritual des Eintritts in den Bund stört Sie nicht wirklich die unterschiedliche Form für Mädchen und Jungs. Es stört Sie, dass der Bund in der Form der Vorhautbeschneidung erfolgt, die Sie als Verletzung der Rechte des Kindes sehen. Das ist der Kern der Kontroverse, bei dem wir nicht näher kommen.
P.S.: Manche Festlegungen des 19. Jahrhunderts hat das Reformjudentum später revidiert. Ich berufe mich überhaupt nicht auf die damals getroffene Entscheidung, sondern relativiere die damals geäußerten jüdischen Zweifel an der Beschneidung, die heute als Argument von den Beschneidungsgegnern angeführt werden.
Ansonsten schließe ich mich Bronskis Wünschen an.
@Bronski:
Auch ihnen ein gesegnetes Weihnachtsfest,oder schöne freie Tage, oder einen angenehmen Jahresausklang, was auch immer auf sie passen mag!
@V. Grebe:
Einen hatte ich ja noch vergessen, einen habe ich noch für Herrn Grebe:
Googlen sie doch mal nach „Beschneidung Praxis“, gleich an dritter Stelle kommt:
„Dr. med. Sebastian Isik – spez. f. Beschneidung “
Ein richtiger Spezialist also. Auf den hatte Dr. Latasch vor dem Ethikrat angespielt.
Weil er so ein erfahrener Vorhaut-Amputations-Fuchs ist hat man dem nämlich eine große Bühne verschafft, im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, in der ARD, bei Maischberger.
Der kann offenbar die Einstellung zu Körperpflege mit dem Skalpell beeinflussen!
Denn er redete so viel von Hygiene.
Dieser Dr. Isik argumentierte allen Ernstes damit, dass angeblich Männer sich selten nach dem Toilettengang die Hände waschen würden.
„Ich habe ihnen erzählt doch, wie viele Männer sich waschen überhaupt! Wir können ganze Hamburg, ganze Deutschland voller Wasser haben wenn es nicht gebraucht wird!“
Ach, Dr. Isik, bitte nicht 1962 reloaded! Das braucht wirklich niemand.
Es soll übrigens auch eine Untersuchung geben, dass Männer sich nach dem Toilettengang öfter die Hände waschen als Frauen.
Was das alles mit Genitalverstümmelung bei Kindern zu tun haben soll – weiß der Geier.
Dr. Isik:
„Meine Meinung ist, dass die Kinder möglichst früh beschnitten werden sollen, damit dass sie nicht merken, damit dass sie nicht wissen. Die merken auch nicht so viel (Maischberger: „warum?“)
Natürlich ein Achtjähriger weiß, bevor sie angefangen haben bei ihm was gemacht wird – deswegen hat er Angst.“
Und ein Baby (Isik findet neonatale Vorhaut-Amputation ganz toll „Ich liebe die Juden in dieser Angelegenheit – sonst nicht!“) das soll keine (Kastrations-)Angst bekommen, wenn ihm in unmittelbarer Nähe seiner Hoden starke Schmerzen zugefügt werden?
Maischberger fragte dann, warum den Kinder nicht deutlich später, und dann aus eigenem Entschluss die Vorhaut amputiert wird.
Und dann wird es bei Dr. Isik richtig entlarvend:
„Wenn die Kinder älter werden, ist wirklich: erstens Komplikationen sind zuviel, zweitens 90% Kinder wollen das bestimmt nicht – dann sind die keine Muslim, kein Juden mehr! Das geht doch nicht!“
Maischberger: „90% der kinder würden das nicht wollen, wenn sie das selber entscheiden könnten?
Isik: „Bestimmt nicht! Ja, die WOLLEN nicht!“
Besser kann man nicht zum Ausdruck bringen worum es bei der kindlichen Vorhaut-Amputation in Wahrheit geht – die Verwirklichung der freien, eigenen Entscheidung des Individuums über seine körperliche Vollständigkeit für immer zu verunmöglichen. Die Vorhaut wird einfach ungefragt kaputtgemacht.
Nicht die Erwachsenen, die Kinder sind es die zuvorderst Rechtssicherheit brauchen. Ganz besonders, was ihre Intimsphäre, was ihre Genitalien angeht.
Mädchen haben bereits diese Rechtssicherheit bereits, aber man kann deswegen ihre Brüderlein nicht im Stich lassen.
Ich wünsche vor allem allen Kindern ein fröhliches Fest, große, staunende Augen vor schönen Geschenken, und dass sie alle intakt bleiben mögen.
Die Bescherung ohne Schere, ohne Messer – das ist die richtige Be-scherung!
„Meine Penishaut zersprang buchstäblich unter der Spannung. Man hatte mir weniger als die Hälfte der Penishaut belassen, die ich hätten haben sollen. Niemandem fiel das auf, denn offen gestanden, manche Kinder sind halt weniger gut bestückt als andere. Und welche Eltern probieren es aus, ihr Kind in einen steifen Zustand zu bringen, um zu schauen, ob genügend Haut da ist? Nein, das geschah nie. Das wäre nochmals eine ganz andere Ebene von Kindsmisshandlung gewesen.“
Dazu: Der Moses des Sigmund Freud : ein unheimlicher Bruder
Autor / Hrsg.: Maciejewski, Franz
Verlagsort: Göttingen | Verlag: Vandenhoeck & Ruprecht
Das Buch ist hier als PDF frei erhältlich
https://download.digitale-sammlungen.de/BOOKS/pdf_download.pl?id=bsb00065673&nr=00041
Seite 36 unten: „Die Beschneidung ist jedoch auch eine geradezu typische infantile Sexualszene, der wir den Rang eines (wie immer gebändigten) sexuellen Attentates [Fußnote]21 zubilligen müssen …“
In der Fußnote 21 heißt es dann: „Der Penis des Kindes wird gerieben, damit er erigiert, dann spaltet der die Beschneidung ausführende Mohel die Vorhaut mit dem Fingernagel oder dem Messer und reißt sie anschließend um die Eichel herum ab. Danach saugt der Mohel das Blut um die Wund ab (deMausse 1980, [weiter auf Seite 37 unten] S. 44 mit Verweis auf einen Bericht von Felix Bryk 1934). Sexuelles Attentat ist eine Kategorie der frühen Traumatheorie Freuds; sie stammt aus der vor allem Mitte des 19. Jh. in Frankreich geführten Debatte über den physischen und sexuellen Missbrauch von Kindern, die Freud während währen seines Parisaufenhaltes kennen lernte.“
„Die Gleichwertigkeit aller Menschen ist für mich eine Maxime für mein religiöses und politisches Handeln, die meine jüdische Praxis bestimmt. Daraus folgt für mich allerdings nicht, dass es keine unterschiedlichen Rituale für Männer und Frauen geben darf. Eine solche „abstrakte Gleichbehandlung“ würde dazu führen, auch das von feministischen Jüdinnen als ein Ritual ihres weiblichen Selbstverständnisses gestaltete Tauchbad nach der Menstruation abzulehnen, nur weil es keine männliche Entsprechung gibt.“
Der nach unserer Verfassung höchste Wert ist die Menschenwürde. Auf Einhaltung und Verletzung dieses Wertes hin sind daher ALLE menschlichen Handlungen zu prüfen.
Die unterschiedlichen Handlungen von Mann und Frau am Beispiel des „Tauchbades nach der Menstruation“ sollen dies verdeutlichen. Beide verhalten sich unterschiedlich. Der Mann vollführt das Tauchbad nicht, die Frau vollführt das Tauchbad. Beiden unterschiedlichen Handlungen ist aber gemeinsam (also gleich) , dass sie den säkularen verfassungsrechtlichen Wert der Menschenwürde nicht verletzten. Der Staat darf diese beiden Handlungen unter Anwendung des Gleichheitsgrundsatzes nicht unterbinden, weil seine Schutzpflicht zur Sicherstellung der Menschenwürde in beiden Fällen nicht aufgerufen werden kann.
Mit der Voraussetzung, dass die Beschneidung eine Menschenwürdeverletzung – oder schlicht eine nicht zu rechtfertigende Straftat- darstellt, muss der Staat also eingreifen und ein Verbot erlassen, egal von wem und an wem die Verletzung des Rechtsgutes vorgenommen wird. Denn allen die Menschenwürde verletzenden Taten ist die Verletzung der Menschenwürde gemeinsam. Der Gleichheitsgrundsatz erzwingt die Gleichbehandlung aufgrund genau dieser Gemeinsamkeit.
Den Transfer auf die Zuweisung des Status des Jüdisch-Seins in Abhängigkeit von den Konstellationen verschiedener Religionszugehörigkeiten der Eltern, können Sie selbst vollziehen.
Die Forderung, ein Verbot der Beschneidung durch den Staat zu verneinen, kann sich somit nur aus zwei Prämissen ergeben. Erstens die Würde des Menschen ist nicht der höchste Wert oder zweitens die Beschneidung ist keine Menschenwürdeverletzung.
Hiermit sollte zumindest klar werden, dass der Forderung der Beschneidungskritiker keine antisemitische Boshaftigkeit zugrunde liegt, sonder die historisch zwingende Notwendigkeit der Wertsetzung.
Ich möchte noch an meine beiden Fragen an Sie hier
http://frblog.de/rund-um-das-thema-beschneidung/#comment-33543
erinnern.
@ Maria Werner
Erst jetzt bin ich dazu gekommen, mir das in Ihrem Kommentar vom 21. Dezember 2014 verlinkte Urteil des OLG Frankfurt/M aus dem Jahre 2007 vollständig anzusehen. Ihre Schlussfolgerung, schon aus diesem Urteil gehe hervor, dass die „Beschneidung eine strafbare und nicht einwilligungsfähige Körperverletzung sei“, finde ich nun weder in dem von Ihnen zitierten Urteilsteil noch im gesamten Urteil belegt. Es ist doch unstrittig, dass ein körperlicher Eingriff wie die Beschneidung ohne Einwilligung strafbar wäre. In dem verhandelten Fall lag weder eine wirksame Zustimmung des 12-jährigen Jungen, weil dieser psychisch krank war, noch der Eltern vor. Der geschiedene Vater war nicht erziehungsberechtigt, die erziehungsberechtigte Mutter wurde nicht gefragt. Die Frage, ob erziehungsberechtigte Eltern eine rechtswirksame Zustimmung hätten erteilen können, hat das Gericht nicht geprüft. Dazu heißt es in dem Urteil: „Dabei kann es offen bleiben, ob generell und bis zu welchem Alter die Einwilligung zu einer Beschneidung durch muslimische Eltern oder durch einen muslimischen Vater allein als vom Erziehungs- und Sorgerecht umfasst angesehen werden kann. Denn dem Antragsgegner zu 2) (dem Vater, JaM) stand das Sorgerecht nicht zu.“
Erlauben Sie mir, bevor auch ich mich aus der Diskussion verabschiede, noch eine Bemerkung zu Ihrer Aussage, in der Beschneidungsdiskussion hätten die meisten Journalisten „die Antisemitismus- und Antiislamismuskeule geschwungen“: Neben einer zwar emotional geführten, aber sachlich orientierten „Beschneidungskritik“, wie sie auch diesen Thread (wohl auch dank Bronskis Moderation) auszeichnet, hat es in den Internetforen und in (nicht einmal anonymen) Mails eine Flut eindeutig antisemitischer Beschimpfungen und Schmähungen. Wenn ich mich richtig erinnere, hat auch Bronski solche Leserbriefe an die FR erwähnt, die er lieber nicht veröffentlicht hat.
Gute Nacht und schöne Feiertage.
Das stimmt, JaM, es gab damals solche Zuschriften. Darum bin ich auch froh und richtiggehend erleichtert, dass es hier gelungen ist, diese Diskussion weitgehend sachlich zu führen. Hier und da wurde deutlich, dass die Diskussion dieses sensiblen Themas zur Gratwanderung werden kann. Etwa ein Dutzend Kommentare von Vertretern beider Lager habe ich nicht durchgehen lassen.
Ich greife die Fragestellung zu Urteilen zur Beschneidung mal auf, und stelle die Tabelle von Dettmeyer et al. mal ein, damit alle über die gleichen Informationen verfügen. Leider kann ich die Urteile entweder nicht im Volltext oder überhaupt nicht finden. Wenn die Urteile irgendwem – vielleicht Maria Werner – zur Verfügung stehen, bin ich an einer Übermittlung interessiert. Die verlinkte jetzt noch provisorische Seite kann dann entsprechend erweitert werden.
(…)
(…) Link entfernt, Anm. Bronski
Die Anonymität von Internetforen wird immer wieder von Menschen genutzt, rumzupöbeln und andere zu beschimpfen. Auch den Religionsgemeinschaften wäre es nicht recht, wenn man versuchen würde, ihre Ansichten dadurch zu entwerten, daß man Zitate einzelner anonymer Fanatiker aus ihren Reihen benutzen würde, um sie grundsätzlich zu diskreditieren.
Umgekehrt scheint das aber erlaubt zu sein.
Beispiele: Prof. Latasch hat vor dem Ethikrat am 23. August 2012 seinen Vortrag mit solchen Internetzitaten begonnen, die ihm angeblich zugegangen waren. Und einer der geladenen Podiumsgäste der Anhörung im Europarat am 28. Januar 2014 war schwer erschüttert über die aggressiven Angriffe aus dem Publikum bei der anschließenden Podiumsdiskussion.
Mit „Antisemitismus- und Antiislamismuskeule“ würde ich solche Versuche bezeichnen, den Meinungsgegner von Vornherein zu diskreditieren und in eine Verteidigungsposition zu bringen. Dazu gehört auch das Ausforschen der Vita der Beschneidungsgegner, die ich selbst erlebt habe. Man hat nichts gefunden, weil nichts da war.
Die Forderung nach Sachlichkeit der Diskussion muß sich an beide Lager richten. Und keines der beiden Lager ist verantwortlich für die Pöbeleien einzelner Idioten in Internetforen, die — weil anonym — nicht einmal erreicht werden können.
Bronski, es gibt zumindest 3 Lager. Ich zähle mich zum Lager derjenigen, die die Beschneidung für sich ablehnen, jedoch die Praxis der Beschneidung tolerieren. Mein Lager ist/war im Faden nur durch mich selbst repräsentiert. Ebenso war/ist die Seite der tradierten Beschneidung nur durch @JaM repräsentiert. Ich habe nicht das Gefühl, daß Sie auch nur 1 Beitrag von @JaM zurückgewiesen hätten. Es wäre schön, wenn Sie das bestätigen könnten. Mir haben Sie 3 Beiträge auf Null gekürzt, dir sich kritisch mit dem Ton der Ablehner auseinandergesetzt haben. Das wiederum haben mir als im Ton vergriffen angekreidet. Insofern war ich überproportional dabei, wenngleich im Versuch, den „Tonmeister“ zu machen. Friedlich-fröhliche Töne über Weihnachten und das Jahresende sei hier allen Beitragenden gewünscht
Danke für die Klarstellung, der wohl nichts hinzuzufügen ist.
Frohe Weihnachten!
@ Steffen Wasmund 24. Dezember 2014 1:43
Vielen Dank für den Link. Die aufgeführten Urteile zeigen, dass das Thema Beschneidung durchaus ein Thema der Rechtsprechung ist, z.B. bei Streitigkeiten um das Sorgerecht. Sie zeigen außerdem, dass sich bisher keine Rechtsprechung herausgebildet hat, die eine Zustimmung der Eltern zur Knabenbeschneidung als eine Verletzung der Kindesrechte sieht und daher für unzulässig erklärt. Es gibt lediglich zwei Ausnahmen: Das umstrittene Kölner Urteil von 2012 und die Sorgerechtsentscheidung des Amtsgericht Erlangen von 2002, die bisher in keiner Diskussion erwähnt wurde, womöglich deshalb, weil sie von einer höherer Instanz aufgehoben wurde. Verlinkt ist aber auch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom Februar 2013, in dem ausdrücklich auf das Beschneidungsgesetz Bezug genommen wurde. Wenn dieses so eindeutig Grundrechtswidrig wäre, wie viele Mitdiskutanten überzeugt sind, hätten wohl die Verfassungsrichter dazu Stellung bezogen, was sie aber nicht getan haben.
@ Dr. Birgit Pabst 24. Dezember 2014 9:33
Leider sind die antisemitischen Ausfälle nicht nur das Werk von ein paar Idioten, und leider sind auch die Grenzen fließend. Selbst in manchen seriösen Diskussionsbeiträgen klingen mehr oder weniger verdeckte antisemitische Klischees an. Dies nur zur Erklärung der (nicht immer gerechtfertigten) Heftigkeit der „jüdischen Reaktionen“. Aber auch auf der Gegenseite wird manche berechtigte Kritik an antisemitischen Tendenzen zu vorschnell mit dem Vorwurf der „Antisemitismuskeule“ gekontert.
Ich habe in meinem Kommentar nicht auf jüdische Re-Aktionen abgehoben sondern auf Aktionen.
Die Äußerungen am Beginn des Vortrags von Prof. Latasch vor dem Ethikrat standen in keinem Zusammenhang mit der Veranstaltung. Sie waren der sachlichen Diskussion nicht dienlich. Ebenso wenig waren dies die unsachlichen aggressiven Äußerungen der jüdischen Diskussionsteilnehmer bei der Sitzung des Europarates am 28. Januar 2014. Auch deren Aggression war nicht durch irgendeine Äußerung der beschneidungskritisch Vortragenden veranlaßt.
Zu den immer wieder postulierten „verdeckten antisemitischen Klischees“ kann ich nur sagen, daß nach meiner Erfahrung dieser Vorwurf immer dann gegen eine sachlich vortragende Person gerichtet wird, wenn den religiösen Beschneidungsbefürwortern die Argumente ausgehen.
Als ob der Beschneidungskritiker beweisen müsse, daß er nicht antisemitisch wäre. Und als ob – so lange er diesen „Beweis“ nicht führen wolle – konstatiert werden könne, seine beschneidungskritische Haltung resultiere aus irgendeinem tiefen Seelengeheimnis, das nur auf Antisemitismus begründet sein könne.
Es wäre eine gute Diskussionsgrundlage, wenn über Beschneidung Ja – Nein diskutiert werden könnte, ohne daß einem kritisch eingestellten Beschneidungsgegner erst mal pauschal „verdeckter Antisemitismus“ unterstellt würde. Dann könnte man Argumente austauschen und versuchen, einander zu überzeugen. Und ich würde gerne einmal eine Diskussion zu dem Thema führen, die ohne Vorwürfe des „verdeckten Antisemitismus“ auskommt. An mir soll’s nicht scheitern.
Obwohl Detteyer et al. in ihrem Gutachten „die Vornahme des Eingriffs mangels eines akzeptablen Rechtfertigungsgrundes als Straftat“ bewerten, also eine eindeutige Stellung vertreten, können sie offenbar in den bis dahin bestehenden Urteilen (ich nehme an vollständig bis zu diesem Zeitpunkt) keine Tendenz(!) wohin auch immer erkennen. Die Tabelle leiten sie dann auch ein mit: „Es gibt bislang nur einzelne veröffentlichte Gerichtsentscheidungen zur Zirkumzision, denen teilweise ganz unterschiedliche Rechtsfragen zugrunde lagen (z. B. Asylgrund, Anspruch auf Beihilfe für eine Beschneidungsfeier, Schmerzensgeld; bislang nur eine Amtsgerichtsentscheidung als Strafgericht).“
Ob Ihre Einschätzung „dass sich bisher keine Rechtsprechung herausgebildet hat, die eine Zustimmung der Eltern zur Knabenbeschneidung als eine Verletzung der Kindesrechte sieht“ vor allem mit Einbeziehung des Urteils des OLG Frankfurt, zutrifft, kann ich (als Nichtjurist) nicht sicher einschätzen. Maria Werner (Rechtsanwältin) hat dies hier bereits verneint. (http://frblog.de/rund-um-das-thema-beschneidung/#comment-33548)
Für mich stellt sich die Frage, ob „Bei einer schweren Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts“, wie sie das Gericht meinem Verständnis nach feststellt, die Einwilligung der Eltern überhaupt möglich wäre. Die Formulierung „soweit dies noch nicht möglich ist, durch die Erziehungsberechtigten“ gibt ja nur den Grundsatz der stellvertretenden Einwilligung wieder. Da das Sorgerecht nicht vorlag, konnte das Gericht weitergehende Fragen nicht klären. Vielleicht kann Maria Werner hierzu noch etwas sagen.
JaM: „Wenn dieses so eindeutig Grundrechtswidrig wäre, wie viele Mitdiskutanten überzeugt sind, hätten wohl die Verfassungsrichter dazu Stellung bezogen, was sie aber nicht getan haben.“
Diese Einschätzung dürfte falsch sein. Zu diesem Urteil nimmt Dr. Jörg Scheinfeld in „Franz (Hg.) Die Beschneidung von Jungen – Ein trauriges Vermächtnis“ Stellung.: „Die zuständig Kammer des Bundesverfassungsgerichtes hat den Antrag des Vaters abgelehnt. Allerdings hat sie nicht zugleich den § 1631d BGB verfassungsrechtlich abgesegnet, nicht einmal eine dahingehende Tendenz erkennen lassen. […] Die Kammer hat den Eilantrag allein mit der Begründung abgelehnt, dass der Vater zunächst „Rechtsschutz im fachgerichtlichen Verfahren suchen“ müsse, er könne das erstrebte Ziel […] durch das Anrufen anderer Gerichte erreichen. […] Die Kammer sieht also trotz des § 1631d BGB die Chance des Vaters, die Schädigung des Sohnes zu verhindern.“
Sehr interessant ist auch Scheinfelds Beurteilung zu der „verfälschenden“ Wiedergabe des Urteils durch Wolfram Höfling.
Ohne Sie für meine hier getätigten Beiträge vereinnahmen zu wollen; dies ist auch meine Erfahrung.
Ich empfehle dazu noch mal den schon etwa älteren Artikel von Harald Stücker: „Na gut, dann bin ich eben „Antisemit“
https://evidentist.wordpress.com/2013/01/11/na-gut-dann-bin-ich-eben-antisemit/
@ JaM, Sie bringen mich zum Schmunzeln mit Ihrem Versuch, die Rechtsprechung vor dem Urteil des LG Köln in Ihrem Sinne hinzubiegen, ohne zu verstehen, was und warum geurteilt wurde. Gerade das Verfassungsgericht hat ÜBERHAUPT KEINE inhaltliche Aussage zum Thema getroffen. Man sollte sich hier einfach mal objektiv die Zulässigkeitsvoraussetzungen zum BVerfG vor Augen führen, bevor man seine Wünsche und Vorstellungen auf einen Beschluss projiziert, die dieser gar nicht hergibt. Auf das o.g. Urteil bin ich eingegangen, weil es öffentlich abrufbar ist, man kann es verlinken.
Ich könnte mir jetzt die Arbeit machen, ALLE Urteile zu besprechen, mache ich aber nicht, weil das viel zu zeitaufwendig ist. Ich kenne diese Urteile. Ihre Wünsche und Träume dahingehend, dass das Urteil des LG Köln die gesamte vorhergehende Rechtsprechung umgedreht und auf den Kopf gestellt hätte, werden gleichwohl nicht erfüllt, JaM. Es gab solche und solche Urteile, klar. Aber beispielsweise die Frage vor dem Verwaltungsgericht, ob einem muslimischen Ehepaar für die VA die gleichen staatlichen Zuwendungen aus der Sozialhilfe zustehen wie einem christlichen Ehepaar für die Taufe, setzt sich in keiner Weise mit medizinischen Fakten oder dem Kindeswohl auseinander.
Die Urteile werden größtenteils in geschlossenen und kostenpflichtigen Datenbanken wie JURIS oder Beck Online veröffentlicht.
Wegen meinen Einlassungen in Bezug auf das verlinkte Urteil des OLG Frankfurt finde ich es schade, dass Sie meine Erläuterungen hierzu offensichtlich überhaupt nicht lesen. Ich habe klar festgestellt, dass das Urteil aufgrund des fehlenden Sorgerechts des Vaters ergangen ist, die darüber hinausgehenden Feststellungen, die ich zitiert habe, lassen aber eine hoch interessante Einschätzung zur VA im Allgemeinen erkennen. Hier geht es um die Grundrechte des Kindes, und diese Grundrechtsabwägung gilt ganz unabhängig von der Art des jeweiligen Verfahrens.
JaM, wenn Ihr Lebensglück davon abhängen sollte, sich einzureden, dass nur und allein das LG Köln eine Ausnahme zu allem anderen war, was je vormals gesagt, geschrieben und geurteilt wurde und eben kein logischer Schlusspunkt einer Entwicklung war, die auf der damals bereits klar herrschenden Meinung in der Rechtslehre basierte, auch wenn das meinetwegen vorher, v.a. im vergangenen Jahrhundert noch anders gesehen worden sein mag – dann bitte, aber als Jurist muss man hier andere Kriterien anlegen.
Wegen des angeblichen Antisemitismus: in Blogs und im Internet gibt es immer Leute, die Grenzen jeder Art überschreiten.
Ich habe allerdings von Journalisten gesprochen. Das ist eine andere Kategorie.
Im Übrigen trifft der Antisemitismusvorwurf ausnahmslos JEDE Art von Beschneidungskritik. Tilman Tarach, der das Buch „Der ewige Sündenbock“ herausgegeben hat und sich seit Jahren unermüdlich gegen Israelkritik stellt, hat wegen der Tatsache, dass er ebenfalls Beschneidung kritisiert, handfeste Drohungen von jüdischen Fanatikern erhalten und selbstverständlich – wie sollte es auch anders sein – wurde er natürlich auch auf das Übelste beschimpft. Für den Antisemitismusvorwurf gibt es keinerlei Ausnahmen, weder sachlicher noch personeller Art.
Zum Beitrag JaM 16. Dezember 2014 16:08
http://frblog.de/rund-um-das-thema-beschneidung/#comment-33439
JaM: „Historisch betrachtet ist es richtig, dass sich das Judentum in seiner vermutlich 4000-jährigen Geschichte mehrfach gewandelt hat. Der wohl größte Einschnitt war die Formung des rabbinischen Judentums nach der Zerstörung des Jerusalemer Tempels. Hätten Juden die Erfahrung gemacht, dass die Beschneidung die Gesundheit oder gar das Leben der männlichen Säuglinge gefährdet oder ihr Sexualleben beeinträchtigt, hätte die Beschneidung diese Wandlungen nicht überstanden.“
Sie befinden sich mit dieser Aussage in vollständigem Einklang mit Dieter Graumann: „… Das Kindeswohl ist gerade im Judentum das höchste Gut, der Schutz der Kinder steht vor allem anderen.“ (http://www.welt.de/politik/deutschland/article112285820/Es-herrscht-ein-Mangel-an-Respekt-vor-Religion.html) Und in der Sendung „Menschen bei Maischberger“ (http://www.youtube.com/watch?v=03f7lU4rSGI ab 27:07 min) „… dagegen setze ich die Erfahrung von 4000 Jahren, die Erfahrung von 100 Generationen […] und wenn wir nicht wüssten, dass es nicht schädlich wäre, würden wir es doch nicht machen …“
Aus dem Buch: Dicit Rabbi Moyses – Studien zum Bild von Moses Maimonides im lateinischen Westen vom 13. bis zum 15. Jahrhundert, S. 79 u. 80:
Der Autor schreibt: „Zum einen sei der Körper des Jungen am achten Tag so stark, dass er die Schmerzen der Beschneidung aushalte, zum anderen gebe es drei Gründe, warum die Beschneidung nicht nach dem achten Tag vollzogen werden dürfe: erstens, weil ein Junge nicht unbeschnitten sterben dürfe, zweitens, weil die mit der Beschneidung verbundenen Schmerzen nicht noch später ausgehalten werden sollten und drittens, weil viele Jungen die Beschneidung nicht überlebten, sei für die Eltern der Verlust eines Kindes am achten Tag weniger schlimm als zu einem späteren Zeitpunkt:“
und zitiert Maimonides:
„Der zweite Grund ist, dass eine Vorkehrung gegen den Schmerz der Kleinen getroffen werde; denn die Beschneidung ist ein sehr grosser Schmerz […] Zum dritten sollte der Schmerz der Eltern getröstet werden; denn da viele Kinder von der Beschneidung stürben …“
Die Rabbinerin und Beschneiderin Dr. med. Antje Yael Deusel schildert in ihrem Buch „Mein Bund, den ihr bewahren sollt“ die sich aus dieser offenbar übergreifend festgestellten Todesrate ergebenden Diskussionen der Rabbis: „Hierbei herrscht kein Konsens unter den Rabbanim hinsichtlich dessen, wie oft ein solcher Todesfall in der Familie bereits vorgekommen sein müsse, bevor man weitere männliche Neugeborene der gleichen Familie von einer Brit Mila zurückstellt, wie uns der Babylonische Talmud im Traktat Jevamot 64b mitteilt: Rabbi ist der Meinung, wenn zwei Kinder infolge der Zirkumzision verstorben sind, dann solle das dritte nicht mehr beschnitten werden, während R. Schim’on ben Gamliel postuliert, erst das vierte solle nicht mehr beschnitten werden, wenn auch das dritte gestorben sei.“ (Seite 61) […] „Vierhundert Jahre später faßt der Schulchan Aruch die wichtigsten Aspekte der Brit Mila noch einmal zusammen wobei sich Joseph Karo (und mit ihm R. Isserles) sowohl auf Maimonides bezieht als auch auf die Gelehrten der ganonäischen Zeit. […] … auch folgt der Schulchan Aruch der Auffassung, wenn zwei Söhne der gleichen Mutter oder jeweils ein Sohn zweier Schwestern infolge der Zirkumzision verstorben sei, weitere Jungen in einer solchen Familie (wenn überhaupt) allenfalls später zu beschneiden seien, in einem Alter, in dem sie bereits größer und kräftiger seien.“ (Seite 85)
Hier wird also mindestens über Jahrtausende hinweg darüber diskutiert, dass man bis zu drei Kinder innerhalb einer einzigen Familie sterben lassen will, bis die Beschneidung in dieser endet, und auch das ist keine absolute Grenze (allenfalls später).
Auf diese Information nimmt auch Harald Stücker mit einer anderen Quelle Bezug und auch er greift das Problem der „Todesrate größer null“ auf. Er fragt: „Sollten wir eine „extrem geringe tatsächliche Sterblichkeitsrate“ bei einer medizinisch nicht-indizierten – sprich: unnötigen – Operation akzeptieren, die größer als Null ist?“
https://evidentist.wordpress.com/2014/01/24/beschneidung-evidenz-ohne-ethik/
Was bedeutet nun aber eine Todesrate größer null für einen Vorgang der „Anspruch an die Ewigkeit“ erhebt? (Dieter Graumann) http://frblog.de/rund-um-das-thema-beschneidung/#comment-33543
Wenn ein sich ewig wiederholender Vorgang, eine Todeswahrscheinlichkeit größer null aufweist, ist die Anzahl der sich daraus ergebenden Todesopfer unendlich. Ein solcher Vorgang soll nun aber nicht etwa beendet werden, sondern er soll als ganz „normaler Vorgang“ […] „wie in den Vereinigten Staaten“ in anderen Ländern etabliert werden. (http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/19540)
JaM, Sie haben hier hinreichend eindeutig dargelegt, dass die Beschneidung aus jüdischer Sicht keinen ausreichenden Schaden erzeugt, um einen Straftatbestand oder gar eine Verletzung der Menschenwürde daraus ableiten zu können.
Ob ein Vorgang der Menschenwürde widerspricht, ist natürlich – das sehen Sie richtig – abhängig von der Beurteilung, inwieweit eine bestimmte Schadensgrenze erreicht oder überschritten wird. Können Sie mir beantworten, welcher Schaden aus jüdischer Sicht(!) entstehen muss, um das Kriterium Menschenwürdeverletzung zu erfüllen?
Allen TeilnehmerInnen und LeserInnen dieses Blogs eine schöne Zeit zwischen den Jahren und einen Guten Rutsch in ein gesundes Neues Jahr 2015!
@JaM: „Neben einer zwar emotional geführten, aber sachlich orientierten „Beschneidungskritik“, wie sie auch diesen Thread (wohl auch dank Bronskis Moderation) auszeichnet, hat es in den Internetforen und in (nicht einmal anonymen) Mails eine Flut eindeutig antisemitischer Beschimpfungen und Schmähungen gegeben.“
Ja, das haben wir ja nie bestritten, im Gegenteil uns immer aufs Schärfste davon distanziert. Das haben wir schließlich nicht grundlos gemacht, sondern aus dem Bewusstsein der Existenz solcher völlig inakzeptabler und deutlich und offensiv zu verurteilender Schandäußerungen heraus.
Nun aber kommt eine Behauptung, die pauschal und ohne Nennung von Beispielen uns in den letzten zweieinhalb Jahren unzählige Male so oder so ähnlich begegnet ist:
dass nämlich auch „in seriösen Diskussionsbeiträgen“ antisemitische Ressentiments spürbar seien.
Wer solche allgemeinen Behauptungen aufstellt bzw. wie oft geschehen die Debatte gar auf diesen Aspekt reduziert, liefert den Nährboden dafür, sämtlichen Einsatz für die Kinderrechte zum Thema nichttherapeutische Vorhautamputationen an Jungen per se zu diskreditieren.
Man möge deswegen bitte auch Ross und Reiter nennen, damit die Lesenden sich ein eigenes Bild darüber machen können:
– welcher Politiker eines deutschen Parlamentes hat hier Ressentiments bedient?
– in welcher Zeitung waren fremdenfeindliche oder antisemitische Tendenzen diesbezüglich zu erkennen?
– welche der Organisation, die sich offen gegen die Legalisierung von Vorhautamputationen einsetzen, hat sich nicht klar von jeglichen extremistischen Tendenzen abgegrenzt?
– welchen Vertretern der Wissenschaft kann man begründet derartige Vorwürfe machen?
Werden Sie bitte konkret.
Dies passiert nämlich in der Regel nie (oder auf eine Art und Weise – ich nenne weiter unten noch ein Beispiel – die absurde Züge zeigen bzw. die ernste Gefahr einer Abwertung des Begriffes Antisemitismus mit sich bringen). Was bei Menschen, die sich nicht intensiv mit diesem Thema beschäftigen, bei den erfolgten unzähligen Wiederholungen dieser pauschalen Behauptung hängen bleibt, ist vermutlich: irgendwas wird schon dran sein.
Genau diese Verallgemeinerungen haben die sachliche Auseinandersetzung von Anfang an so erschwert.
Darüber, was Antisemitismus ist, sind auch offensichtlich stark differierende Einschätzungen im Umlauf (in der Dauerausstellung des Jüdischen Museums steht auf einer Texttafel übrigens eine für mich absolut einleuchtend unmissverständliche Definition, die ich online leider nicht fand und so hier nicht als positives Beispiel zitieren kann):
Die Jüdische Allgemeine entdeckte gar im Artikel Dr. Kupferschmids in Prof. Franz‘ Buch „Die Beschneidung von Jungen“ antisemitische Tendenzen, weil dort nicht verschwiegen wurde, dass in den USA mit sogenannten medizinisch – prophylaktischen Säuglings“beschneidungen“ gutes Geld verdient würde. In dem kritisierten Absatz ging es nicht einmal um rituelle VA!
Vielleicht muss man sich für die Einordnung der Verhältnismäßigkeiten auch vergegenwärtigen, von WELCHER Stelle etwas kommt.
Die von JaM erwähnten antisemitischen Schmähungen fanden in Internetforen statt – darüber hinaus hat er kein Beispiel genannt – hingegen ging die offene Verhöhnung des Rechtsstaates, der Stellungnahmen deutscher und europäischer pädiatrischer Fachgesellschaften, der Würde auch von Jungen und des Leides von Betroffenen von der großen Mehrheit der deutschen Politik, der Medien, der Kirchen und von dekorierten Lehrstühlen aus.
Das lässt sich – Gott sei Dank! – von fremdenfeindlichen und antisemitischen Äußerungen zu diesem Thema eben nicht behaupten!
Dieser wichtige qualitative Unterschied gehört klargestellt, da er in der immer wieder in Umlauf gebrachten pauschalen Behauptung „die Debatte war bzw. ist von Antisemitismus geprägt“ unter den Tisch fällt.
Zum Abschluß noch einige persönliche Worte:
Sehr geehrter JaM, vielleicht ist Ihnen gar nicht so klar, wie abwertend solche undifferenzierten Sätze für die immense und mangels Ressourcen sehr mühsame Arbeit von Betroffenengruppierungen sind. Für die Arbeit von Betroffenen, die es große Kraft kostet, mit ihrem Erleben und den teilweise gravierenden Folgen für ihr Leben klarzukommen. Die im Gesetzesverfahren wie beschrieben explizit ausgegrenzt wurden. Denen inzwischen in Deutschland per Gesetz jegliche Empathie für ihr Leid verweigert wird. Die unter diesen schwierigen Bedingungen qualitativ hochwertige Aufklärungsarbeit in breiten gesellschaftlichen Bündnissen leisten – und sich dann auch noch mit Pauschalvorurteilen konfrontiert sehen müssen, die sie in die Nähe von Fremdenhass und historischer Verantwortungslosigkeit stellen. Darunter sind nämlich auch zahlreiche Betroffene nichtdeutscher Herkunft, für die Diskriminierung und Fremdenhass leider alles andere als theoretische Begriffe sind.
MOGiS arbeitet darum für einen Dialog auf Augenhöhe in gegenseitigem Respekt und auf Basis sachlicher Argumente.
Ich kritisiere nicht die Beschneidung an sich. Ich kritisiere die leichtfertigen Phimosediagnosen. Ich kritisiere die mangelhafte Aufklärung über Behandlungsmöglichkeiten einer Phimose. Ich kritisiere, dass jeden Tag wieder Eltern und betroffenen Männern eingeredet wird, eine Phimose könne nur durch eine Beschneidung „geheilt“ werden. Ich kritisiere die mangelhafte Aufklärung, die Bagatellisierung und Verharmlosung der zwangsläufigen Folgen einer Beschneidung, oft als nur „ein kleiner Schnitt“ verniedlicht, die vielleicht nicht jeder Mann als Nachteil sieht. Ich kritisiere auch, dass jeden Tag aufs neue, Jungen und Neugeborene diesen Eingriff ohne irgendeine Indikation über sich ergehen lassen müssen, und es ein Gesetz gibt, dass diesen Eingriff ausdrücklich erlaubt. Ich kritisiere auch die Weigerung von Medizin und Politik, die aktuellen Erkenntnisse zu Funktion und Wichtigkeit der Vorhaut, in Lehrmeinung und Gesetzgebung einzubeziehen.
Ich mache mir jeden Tag aufs Neue Vorwürfe, seit mir bewusst wurde, dass ich einem Eingriff zustimmte, in dem ich nicht nur ein Stück Haut verlor, sondern auch die Möglichkeit sexuelle Befriedigung zu erfahren, und weil ich zu naiv und unerfahren diesen Ärzten mein Vertrauen gab, in der Hoffnung, dass diese meine Phimose beseitigen. Und ich frage mich immer wieder, ob mangelnde Aufklärung und Ausmaß dieses Eingriffes etwas damit zu tun hatten, da ich Übungsobjekt in einer Anfänger-OP war.
Jeder volljährige, vollständig über alle mögliche Folgen aufgeklärte Mann, kann sich von mir aus, aus was für Gründen auch immer, so vielen Eingriffen unterziehen wie er will, und auf alle Körperteile verzichten, die er für entbehrlich hält (soll von mir aus den Skopzen durch vollziehen des „großen Siegels“ beitreten). Aber Kinder einem nicht notwendigen, irreversiblen, mit nicht absehbaren Folgen fürs spätere Leben, Eingriff zu unterziehen, gehört nicht nur verboten, es gehört auch geächtet. Ebenso die Zirkumzision als sofortige und einzige Therapie bei einer Phimose.
Bin ich mit dieser Kritik schon Antisemit?
Dr. B. Pabst 25.Dez.2014 17:26
Zitat: „Es wäre eine gute Diskussionsgrundlage, wenn über Beschneidung Ja – Nein diskutiert werden könnte, ohne daß einem kritisch eingestellten Beschneidungsgegner erst mal pauschal “verdeckter Antisemitismus” unterstellt würde. Dann könnte man Argumente austauschen und versuchen, einander zu überzeugen. Und ich würde gerne einmal eine Diskussion zu dem Thema führen, die ohne Vorwürfe des “verdeckten Antisemitismus” auskommt. An mir soll’s nicht scheitern.“ Zitat-Ende.
Die Grundlage existiert ja, nur sind die Grenzen von der Beschneidungskritik höchstselbst verwischt worden. Es ist die Wortradikalität der Bewegung, der messianische Eifer, der sich buchstäblich gegen alles richtet, was sich dem Ziel der Beschneidungsächtung entgegenstellt. Es ist die vernichtende Schärfe, mit der alles niedergewalzt wird, was auch nur an gelindestem Verständnis für die männliche Beschneidung erinnert. Schwer erträglich hat sich die Antibeschneidungsbewegung selbst gemacht. Wer aber auf seine „Rote-Tuch-Attitüde“ nicht verzichten will, sollte sich nicht beschweren, wenn man die dahinterstehenden Motive nicht mehr deuten kann. Möglich ist leider alles.
Zwischen wohlmeinender Aufklärung und Forderung mit Befehlscharakter liegen Welten. Erstere würde sich in Wort und Gestus an das halten, was eine Empfehlung ausmacht, und selbst eine dringliche Empfehlung wäre noch kein Diktat oder gar eine Verfolgung mit allen Mitteln des Rechts, wie sie die Bewegung in Deutschland anstrebt. Angriffswut ist nicht gleichbedeutend mit Überzeugungs- oder gar Durchsetzungsmacht. Auch nicht mit Klugheit und dem unverzichtbaren Maß an Selbstbescheidung und Respekt vor Andersdenkenden. Wer klug ist, steigert sich nicht ins Maßlose hinein und macht seine persönliche Subjektivität zur Richtschnur gleich der ganzen Welt.
Die Bewegung, dazu muß man kein Prophet sein, würde auch vor dem Verfassungsgericht mit Pauken und Trompeten durchfallen, sollte es eines Tages zu einer Befassung des Gerichts mit der Beschneidungsthematik kommen. Das BVG recherchiert und urteilt sehr sorgsam und abgewogen, wie es das bei dem Chefarzt-Urteil glänzend gezeigt hat. Ich habe keinerlei Zweifel, daß das Gericht auch den § 1631d BGB als das anerkennen würde, was er tatsächlich ist, nämlich eine Fürsorgeermächtigung für den medizinischen und medizinisch-prophylaktischen Normalfall zu sein, wobei die rein religiös motivierte Beschneidung mit letzterem unauflöslich verbunden ist. Als Ermächtigung für einen rein religiös motivierten Eingriff wäre das Gesetz nur für den hypothetischen Fall zu lesen, daß der Beschneidung keinerlei Vorteile für die Vermeidung von Krankheiten des Urogenitalsystems bei Männern und Frauen zukämen.
(…)
(…): Passage gelöscht, da V. Grebe mich darin direkt ansprach, um etwas zu erläutern. Danke, V. Grebe.
Bronski
@ Maria Werner, Steffen Wasmund, Hans Waldorf u.a.
Nicht ich habe das Thema Antisemitismus in die Diskussion gebracht (und schon gar nicht die Mitdiskutanten des Antisemitismus beschuldigt), sondern habe lediglich auf den Vorwurf der „Antisemitismuskeule“ regiert, die angeblich gegen Beschneidungsgegner geschwungen werde. Ich verweise auf meinen Beitrag vom 23. Dezember 2014: „Neben einer zwar emotional geführten, aber sachlich orientierten ‚Beschneidungskritik‘, wie sie auch diesen Thread (wohl auch dank Bronskis Moderation) auszeichnet, hat es in den Internetforen und in (nicht einmal anonymen) Mails eine Flut eindeutig antisemitischer Beschimpfungen und Schmähungen. Wenn ich mich richtig erinnere, hat auch Bronski solche Leserbriefe an die FR erwähnt, die er lieber nicht veröffentlicht hat.“ Dies hat Bronski bestätigt.
Welche Rolle Antisemitismus und antisemitische Vorurteile in der Beschneidungsdebatte gespielt haben, hat unter anderen das American Jewish Committee Berlin untersucht („AJC Berlin – Fakten und Mythen in der Beschneidungsdebatte, 15. November 2012“). Hier einige Zitate:
„Eine Karikatur der Boulevardzeitung Berliner Kurier, die einen Mann mit Knollennase zeigt, der mit blutgetränktem Messer den Penis eines Jungen in der Hand hält, zeigt Parallelen zu antisemitischen Hetzbildern der Weimarer Republik auf. In einer von der Giordano Bruno Stiftung veröffentlichten Karikatur von Jacques Tilly wird in verschwörungstheoretischer Manier die angebliche Macht der jüdischen und moslemischen Religionsvertreter dargestellt, die in stereotyper Darstellung im Deutschen Bundestag den Abgeordneten das Recht auf Beschneidung aufzwingen: Die Karikatur zeigt einen jüdischen und einen islamischen Geistlichen mit Scheren, dazwischen steht in unterstützender Position ein Priester. Zunächst hatte die Bruno Giordano Stiftung diese Karikatur mit Messern und Blutflecken veröffentlicht, sie später aber offenbar verändert, indem das Blut entfernt und die Messer durch Scheren ersetzt wurden. Die Parlamentarier werden in unterwürfiger Pose illustriert.“
„In der Debatte ist die Theorie aufgestellt worden, dass Beschneidungen weniger aus religiösen oder medizinischen Gründen durchgeführt werden, als aus finanziellen Interessen. Während der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte mutmaßte, die amerikanischen Kinderärzte würden Beschneidungen nur aus Profitinteresse durchführen, behauptete die Giordano Bruno Stiftung: ‚Die Beschneidung ist in den USA ein 2-Milliarden-Dollar-Geschäft, von dem nicht nur Ärzte, sondern auch Pharma- und Kosmetikfirmen profitieren, die aus ‚frisch geernteten‘ Knabenvorhäuten Kunsthäute oder Antifaltencremes herstellen.‘ Tatsächlich arbeiten Forscher mit Zellkulturen, die einmalig aus Vorhäuten gewonnen wurden, sich über Jahrzehnte selbst reproduziert haben und u. a. als Grundlage für die Heilung von Brandopfern Verwendung finden. Mit dieser Aussage der Giordano Bruno Stiftung wird eine angebliche profitorientierte industrielle Verwertung menschlicher Körperteile suggeriert, was Assoziationen zur alten antisemitischen Ritualmordlegende weckt, wonach Juden angeblich für religiöse Zwecke töten, um Blut zu gewinnen.“
„Eine andere antisemitische Verschwörungstheorie bezieht sich auf eine vermeintlich geheimnisvolle jüdische Weltmacht. In der Facebook-Gruppe der ‚Sozialdemokratischen Laizistinnen und Laizisten‘ konnte unwidersprochen die Finanzkraft einer jüdischen „Pro-Beschneidungslobby“ angeprangert werden. Dabei wird sich auf einen Exklusivartikel der Financial Times Deutschland bezogen, wonach ein jüdischer Multimillionär in der Schweiz allein 10 Millionen Euro in einen Fonds gezahlt haben soll, um gegen das Kölner Beschneidungsurteil vorzugehen. Der Schweizerische Israelitische Gemeindebund, wie auch andere europäisch-jüdische Organisationen, haben auf Anfrage bestätigt, keine Kenntnis über die Existenz dieses angeblichen Fonds zu haben.“
@ Steffen Wasmund
Ich finde es nicht ehrenrührig, die jüdische Erfahrung mit der Beschneidung genauso wie Dieter Graumann einzuschätzen. Sie steht auch nicht im Widerspruch zu der von Ihnen angeführten Talmuddiskussion, wonach neugeborene Knaben einer Familie nach zwei Todesfällen von der Beschneidung zurückgestellt wurden. Nach Einschätzung von medizinischen Experten bezog sich dies auf Fälle der Bluterkrankheit, deren Vererbung im Talmud erstmals korrekt beschrieben wurde. Obwohl diese Erkrankung nur einen geringen Teil der jüdischen Bevölkerung betraf, war das Ziel der Rabbinen, die Risiken der Beschneidung zu minimieren.
Für die Bewertung der Risiken der Beschneidung im 21. Jahrhundert sind außerdem die Verhältnisse zur Zeit der Entstehung des Talmuds (3. bis 5. Jahrhundert) oder von Schulchan Aruch (15. Jahrhundert) unmaßgeblich. Eltern, die heute ihren Sohn durch einen ausgebildeten Mohel bzw. durch eine Ärztin oder einen Arzt beschneiden lassen, können mit einer an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit (100 Prozent kennt die Wissenschaft nicht) sicher sein, dass ihr Kind an der Beschneidung oder deren Folgen nicht stirbt. Sie werden vermutlich widersprechen und auf dokumentierte Todesfälle verweisen. Bei diesen handelt es sich aber um äußerst seltene, vermeidbare Fehlbehandlungen. In Deutschland ist in den letzten Jahrzehnten ein einziges Kind nach einer – medizinisch indizierten – Beschneidung am Narkosefehler (Verwechslung von Medikamenten) gestorben. Aus ganz Europa ist ebenfalls ein einziger tödlicher Fall einer jüdischen Beschneidung in England bekannt, weil die Mutter trotz einer massiven Nachblutung (und entgegen entsprechender Aufklärung) den Mohel nicht verständigt und auch keine medizinische Hilfe geholt hat (angeblich hatte sie auf ihrem Mobiltelefon kein Guthaben). Dem Risiko von Beschneidungskomplikationen steht das durch Beschneidung verringerte Risiko von Gesundheitsschäden durch Harnwegsinfektionen; eine entsprechende Studie habe ich am 15. Dezember zitiert, deren Zahlen meines Wissens nicht widerlegt wurden.
Ihre provokante Frage, „welcher Schaden aus jüdischer Sicht(!) entstehen muss, um das Kriterium Menschenwürdeverletzung zu erfüllen“, geht an der Sache vorbei. Ich kann nur widerholen, was ich bereits geschrieben habe: „Die jüdischen Eltern, die sich freiwillig für die Beschneidung ihres Sohnes entscheiden, können sich sowohl auf die jüdische Tradition als auch auf die Meinung eines wesentlichen Teils der medizinischen Experten berufen, ihrem Kind nicht zu schaden. Das sich in diesem Punkt nicht alle Mediziner einig sind, ist kein ausreichender Grund, staatlicherseits die Beschneidung zu verbieten.“ „Allein in Bezug auf Harnwegsinfektionen halten sich … die gesundheitlichen Risiken und die gesundheitlichen Vorteile der Beschneidung zumindest die Waage. Eltern, die sich aus nicht medizinischen Gründen für die Beschneidung ihres Sohnes entscheiden, kann man schon deshalb nicht die Missachtung des Kindeswohls vorhalten.“
Ach Herr Grebe, das rote Tuch ist das sie ihre Postion nicht belegen können, und trotzdem glauben sie hätten sich umfassend informiert.
Bei ihnen kommt nur googlen sie das mal, das kennt man von flat-eathern, Kreationisten und Klimawandelleugnern, klassischer Dunning-Kruger Effekt.
Jeder Beschneidungsgegner wünscht sich ein Verfahren vor dem Verfassungsgericht, und mehrheitsfähig wäre sicherlich eine Verfahrensweise wie bei der Abtreibung, verboten aber nicht strafbewehrt.
Ich kann mir auch nicht vorstellen das das Verfassungsgericht das Urteil ohne Anhörung von Betroffenen und gegen die ausdrückliche Expertise der Ärzte und des Ethikrates fällt.
Die Mindesanforderungen des Ethikrates sind im Gesetz ja gar nicht erfüllt.
Wenn die Eltern unterschreiben das sie wissen das sie dem Kind (Sohn) den empfindlichsten Teil des Penis entfernen lassen und sich zusätzlich ein Video davon angucken wäre das schon deutlich weiter als jetzt.
Sie haben die Tragweite des Gesetzes gar nicht verstanden, wir haben ein exklusives Körperverletzungserlaubnissgesetz, das gibts sonst bei allen Gesetzen die wir haben gar nicht. Es gilt aber nur bei Jungs, und nur am Penis.
Ein Kind zu tätowieren ist wegen der dauerhaften Markierung verboten, einen Hund zu beschneiden ist Tierquälerei und verboten, es gibt nur ein Lebewesen dem man das antun darf, dem männlichen Jungen.
Wir haben ein Gesetz das dem Jugendamt erlaubt einen Jungen beschneiden zu lassen wenn die Eltern im Koma liegen.
(PS: Ich bin kein Jurist, falls ich hier falsch liege bitte ich um Nachhilfe von Maria).
Es gibt auch kein Hygiene-Argument, es gibt nur fehlinformierte Menschen die glauben das es eins gäbe. Die Vorhaut ist ein selbstreinigender Mechanismus und fest verwachsen mit der Eichel, da tut sich überhaupt nix drunter.
Wenn sie nicht mehr verwachsen ist mag das anders sein, aber wer glaubt das die Natur sowas konstruiert ohne sich für die Folgen zu wappnen und damit klarzukommen hat so ziemlich gar nix verstanden.
Die mangelnde Betäubungsfähigkeit der Kleinkinder ist eine Kontraindikation für Operationen, außer es ist akut lebensbedrohlich. Ein Arzt der einen unbetäubten Jungen aufgrund Elternwunsch beschneidet (und das ist der Normalfall) verletzt eigentlich seinen Hippokratischen Eid und sollte standesrechtliche Konsequenzen fürchten.
Ich darf mich selbst zitieren:
„Die Äußerungen am Beginn des Vortrags von Prof. Latasch vor dem Ethikrat standen in keinem Zusammenhang mit der Veranstaltung. Sie waren der sachlichen Diskussion nicht dienlich. Ebenso wenig waren dies die unsachlichen aggressiven Äußerungen der jüdischen Diskussionsteilnehmer bei der Sitzung des Europarates am 28. Januar 2014. Auch deren Aggression war nicht durch irgendeine Äußerung der beschneidungskritisch Vortragenden veranlaßt.“
Als hier Mitdiskutierende habe ich keine antisemitischen oder antiislamistischen Angriffe der von Ihnen beschriebenen Art zu verantworten. Für die Entgleisungen anderer bin ich nicht verantwortlich — so wie Sie auch nicht für Entgleisungen von Beschneidungsbefürwortern verantwortlich gemacht werden möchten.
Als Beschneidungsgegnerin bin ich nicht „messianisch“ oder „wortradikal“, wenn ich eine Neugeborenenbeschneidung als barbarisch bezeichne (Zitat Prof. Reinhard Merkel). In keinem anderen Kindesalter wird ein solcher Eingriff ohne Allgemeinanästhesie durchgeführt. Er ist barbarisch für die Neugeborenen, die sich nicht wehren können und ihr Leid noch nicht einmal verbal ausdrücken können.
Das Problem in der Debatte um die Beschneidung /Vorhautamputation ist, daß die Beschneidungsbefürworter es gewohnt sind und waren, die Brutalität der Durchführung, die Komplikationen und Folgen im Interesse einer Fortführung des Rituals zu verleugnen. Dann wirkt natürlich jede Formulierung, die die Fakten benennt und zu Eingriffen an gleichem Gewebe bei Mädchen und Jungen dieselben Bezeichnungen benutzt, „wortradikal“ und „messianisch“.
Für mich persönlich kann ich sagen: Ich bin nicht radikal veranlagt und neige auch nicht dazu, jemanden zu missionieren. Ich kann es aber aus eigener persönlicher Geschichte nicht hinnehmen, wenn kleinen Kindern, die von den Bezugspersonen, die ihnen das antun, abhängig sind, seelische und körperliche Verletzungen angetan werden. Wenigstens müssen diese Verletzungen als solche benannt werden. Erst dann kann die Fortführung des Rituals auf Augenhöhe diskutiert werden.
Zum Beitrag JaM 29. Dezember 2014 0:05
http://frblog.de/rund-um-das-thema-beschneidung/#comment-33651
Ob Sie die für mich offensichtlichen Widersprüche zwischen Ihrer Aussage „Hätten Juden die Erfahrung gemacht, dass die Beschneidung die Gesundheit oder gar das Leben der männlichen Säuglinge gefährdet oder ihr Sexualleben beeinträchtigt, hätte die Beschneidung diese Wandlungen nicht überstanden.“ und der von mir dargstellten Faktenlage als „ehrenrührig“ oder nicht empfinden, hängt von der persönlichen Definition des Ehrbegriffes ab. Diesen will ich auch nicht ansatzweise in Frage stellen.
Bezug zur Bluterkrankeit. Die konkrete Regelung bis zu drei Kinder innerhalb einer einzigen Familie sterben lassen zu wollen, bis das nächste Kind nicht mehr oder zu einem späteren Lebenszeitpunkt beschnitten wird, stellt Deusel tatsächlich in einem Zusammenhang mit der Bluterkrankheit dar. Dieser Darstellung nach ging die Regel nicht aus der allgemeinen, sondern aus der speziellen Todesrate bei den von der Bluterkrankheit betroffenen Familien zurück. Vielen Dank für den Hinweis. Die Ausführungen von Maimonides enthalten diese Einschränkung jedoch nicht. Ebenso die Formulierung von Hasselhoff „… weil viele Jungen die Beschneidung nicht überlebten…“. Auch mit der Korrektur bleibt mein Einwand richtig.
„Eltern, die heute ihren Sohn […] beschneiden lassen …“ Deshalb beziehe ich mich mit dem Problem der “Todesrate größer null” auch auf Stücker bzw. Pekárek mit deren „extrem geringe[n] tatsächliche[n] Sterblichkeitsrate“ der heutigen Zeit. Was heißt Vermeidbarkeit? Eine nicht hundertprozentige Vermeidbarkeit von Todesfällen ist identisch mit einer “Todesrate größer null”.
„Ihre provokante Frage, „welcher Schaden aus jüdischer Sicht(!) entstehen muss, um das Kriterium Menschenwürdeverletzung zu erfüllen“, geht an der Sache vorbei.“
Mit meiner Frage wollte ich das der Frage üblicherweise zugeschriebene Ereignis, die Antwort, herbeiführen. Ich stelle fest, Sie nennen kein Kriterium, sondern wiederholen Ihre hier bereits widerlegte Behauptung zu den Harnwegsinfektionen.
Die Rabbinerin Dr. med. Antje Yael Deusel, die einen Lehrauftrag im Fach Judaistik an der Universität Bamberg innehat, legt in ihrem Buch „Mein Bund, den ihr bewahren sollt: Religionsgesetzliche und medizinische Aspekte der Beschneidung“ den „jüdischen“(!) „Grundsatz“, der für die Beschneidung zutrifft, dar.:
„Von jüdischer Seite gilt der Grundsatz Dina de-malchuta dina, [Fußnote 409] allerdings ist dies nur für Dinim, d. h. zivile (säkulare) Angelegenheiten, nicht für Issurim, d. h. rituelle Verbote zutreffend. [Fußnote 410]“ (Die rituelle Beschneidung zu unterlassen, ist nach dem jüdischen(!) Gesetz verboten)
Die Fußnote 409 erläutert: „Dina de-malchuta dina: Das Gesetz des Landes, d. h. die Gesetze des jeweiligen Landes, in dem ein Jude lebt, gelten für ihn genauso wie für die übrige (nicht-jüdische) Bevölkerung.“ Fußnote 410 gibt Walter Homolka, Das jüdische Recht. S. 247 als Quelle an.
http://de.wikipedia.org/wiki/Walter_Homolka
Das heißt also nichts anderes, als dass für jüdische(!) „rituelle Verbote“ das säkulare Recht und damit das Grundgesetz, ja die gesamte säkulare Rechtsordnung („Gesetze des jeweiligen Landes“) keine Anwendung findet.
Mit dem Vorgang der Beschneidung wird der Säugling damit aus dem Schutz- und Wirkungsbereich des Grundgesetzes entführt. Ein Grundrechtenzug per jüdischem(!) Gesetz. Wo aber das Grundgesetz nicht mehr gilt, existiert auch der über dieses definierte Wert der Menschenwürde nicht mehr. Eine Grenzziehung an einem nicht existierenden Wert vornehmen zu wollen, ist logisch unmöglich. Ihre fehlende Antwort ist so, mit dem Wertesystem, auf das Sie sich beziehen, logisch richtig.
Sich im Folgenden auf das Grundgesetz als zwingend verbindliche Voraussetzung für alle menschlichen Handlungen beziehen zu wollen ist natürlich absurd, da diese Vorbedingung – aus jüdischer(!) Sicht – beseitigt ist (was außer Kraft gesetzt werden kann, ist nicht zwingend verbindlich). In Ihren eigenen Äußerungen konnte ich allerdings noch Merkmale entdecken, die eine Übereinstimmung mit verfassungsrechtlichen säkularen Werten aufweisen, weshalb ich mir erlaube, diese aufzugreifen.
JaM: „Die Gleichwertigkeit aller Menschen ist für mich eine Maxime für mein religiöses und politisches Handeln, die meine jüdische Praxis bestimmt.“ (http://frblog.de/rund-um-das-thema-beschneidung/#comment-33596)
Die Übereinstimmung sehe ich hier also im Gleichheitsgrundsatz der Verfassung nach Art. 3 Abs. 1 GG: „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.“
Wenn nun also jüdische Religionsmittglieder für sich beanspruchen, allein aus dem Freiheitsrecht der Religionsausübung heraus – per jüdischen(!) Gesetz – einen Grundrechteentzug für Menschen festlegen zu können, so muss dieses Recht nach Art. 3 Abs. 1 GG, das mit ihrer „Maxime“ übereinstimmt, die Ihr „politisches Handeln“ bestimmt, auch anderen Mitgliedern anderer Weltanschauungen zugebilligt werden.
Wenn nun aber jeder auf Grund seiner Weltanschauung die Grundrechte anderer Menschen aufheben kann, befinden wir uns – das ist offensichtlich – in einer grundrechtefreien und damit menschenwürdefreien Rechtsordnung.
Beispielhaft könnte nun jeder (radikale) Muslim seine spezielle islamische religiöse Verpflichtung umsetzen. Auch solche, die sich gegen Juden richtet. Auch der von mir aufgeführt Rechtsradikale könnte sein Vorliebenspektrum unbegrenzt erweitern und auf jede erdenkliche Art und Weise befriedigen. (http://frblog.de/rund-um-das-thema-beschneidung/#comment-33543)
Gerade jüdische Beschneidungsbefürworter bemängeln immer wieder das angeblich überhebliche und von geringem Verständniswillen geprägte Herangehen von Beschneidungskritikern an dieses spezielle jüdische Ritual. Ich kann Ihnen versichern, ich halte eine tiefgreifende Erfassung der jüdischen Ethik, die einer breiten Bevölkerung zugänglich gemacht werden sollte, für herausragend wichtig, um das Verständnis für die Brit Mila zu stärken.
Zur Vermeidung von Harnwegsinfektionen gibt es durchaus eine Stellungnahme von Prof. Maximilian Stehr. Diese stellt zwar das verminderte Risiko nicht in Frage, stellt es aber in einen Zusammenhang mit der Seltenheit von Harnwegsinfekten bei gesunden Säuglingen und relativiert damit den angeblichen gesundheitsprotektiven Wert einer Zirkumzision für diese Erkrankungen. Überdies sind solche Harnwegsinfekte in den meisten Fällen nicht behandlungsbedürftig oder einer einfachen Antibiotikabehandlung zugänglich.
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-87482746.html
„Häufig wird der Beschneidung ein medizinischer Nutzen zugeschrieben, etwa bei Infektionskrankheiten oder Krebs. Doch es lohnt sich, die Studienergebnisse und Zahlen genauer anzusehen: Beschnittene Säuglinge haben zwar zehnmal weniger Harnwegsinfekte im ersten Lebensjahr, doch diese Infekte sind generell so selten, dass 100 Zirkumzisionen notwendig wären, um einen einzigen Harnwegsinfekt zu verhindern. Dies ist bei sonst gesunden Säuglingen überhaupt nicht sinnvoll. Es gibt keinen medizinischen Nutzen einer Routinebeschneidung.“
Für das Peniskarzinom, eines der seltensten Karzinome des Mannes und auch nur im höheren Alter auftretend, stellt Prof. Stehr fest:
Es sterben mehr Neugeborene und Säuglinge an einer Zirkumzision als Männer am Peniskarzinom.
Zum unerträglichen, pauschalen Antisemitismusvorwurf…
Antisemitismus ist:
– wenn in einer Karikatur Messer und Blut zu sehen sind, da bei einer Vorhautamputation bekanntlich weder Messer zum Einsatz kommen noch dem Jungen eine blutende Wunde zugefügt wird. Eine solche Behauptung schon ist sehr verdächtig! Nicht antisemitisch wäre allenfalls die Darstellung eines Engelchens, das den Penis des Babies berührt und die Vorhaut schwupsdiwups wegzaubert, ganz ohne Blut und ohne jede Narbe. Die Behauptung der Existenz von Narben wäre nämlich auch potentiell antisemitisch. Schließlich verweist Stephan Kramer in seiner Stellungnahme zum Rechtsausschuss in das Reich der Gerüchte, dass es sich bei einer Vorhautamputation überhaupt um eine Versehrung des Kindes handele. Und ohne Versehrung kann es auch keine Narbe geben..
– wenn man so tut, als hätten sich Religionsgemeinschaften hier zusammengetan. Eine schlimme Verschwörungstheorie! Schließlich demonstrieren Christen, Juden und Moslems ja andauernd zusammen, sind in allen Themen in tiefer Herzlichkeit miteinander verbunden, besonders politisch. Da ist es doch nur zu natürlich, dass sie es auch machen, wenn es um ein Zugriffsrecht auf männliche Kindergenitalien geht.
– wenn man behauptet, Religionsgemeinschaften hätten an die Politik irgendwelche Forderungen gerichtet. Völlig abwegig! Das machen vielleicht Energiekonzerne oder die Automobilindustrie, aber doch keine Religionsvertreter! Wer sowas überhaupt nur für möglich hält, muss einfach religionsfeindlich eingestellt sein, wie sollte man sich das anders erklären? Vertreter von Religionsgemeinschaften üben sich 24 h am Tag in Bescheidenheit, ihnen liegt es auch völlig fern, Posten in irgendwelchen Gremien zu übernehmen, da sie das vor lauter Barmherzigkeit ausüben sowieso gar nicht schaffen würden. Im Ethikrat ist kein einziges Mitglied bekannt, das einer Religionsgemeinschaft auch nur im entferntesten nahe stehen KÖNNTE, wie gesagt, sie würden ja gerne, geht aber leider nicht, wegen der Barmherzigkeit und den sich daraus ergebenen Verpflichtungen
– wenn die unsägliche Katzbuckelei der Abgeordneten dargestellt wird, schließlich war es doch ein so faires, völlig ergebnisoffenes und alle Seiten beteiligendes Gesetzesverfahren. Ein böser Fremdenfeind, wer es wagt zu behaupten, dass man Betroffene nicht eingeladen habe, ein wahrer Nazi gar, wer einem Politiker vorwirft, diese gar explizit ausgeladen zu haben! Auch die Vorstellung, der Bundestag habe sich primär auf eine einzige AAP-Stellungnahme berufen, statt auch die Meinungen europäischer Ärzte einzubeziehen, ist an Antisemitismus kaum mehr zu überbieten.
– wenn der böse BVKJ einfach so behauptet, man würde in den USA Vorhäute für die Kosmetikindustrie ernten. So eine Unverschämtheit! So etwas KANN NUR auf die Ritualmordlegende zurückzuführen sein, auf was denn sonst? Die Behauptung von SkinMedica, dass alle ihre Produkte nur von EINER EINZIGEN Babyvorhaut stammen sollen, deren Firoblasten immer wieder reproduziert wurden, die MUSS MAN einfach glauben! Es ist geradezu ungeheuerlich, hieran auch nur die leisesten Zweifel zu hegen, bloß weil diese Behauptung nach massiven Protesten gegen die Verwendung und Bewerbung von Kosmetikprodukten aus Babyvorhaut plötzlich vom Hersteller selbst aufgestellt worden ist! Wieso sollte denn SkinMedica hier nicht die volle Wahrheit sagen? Welchen Grund hätte denn die Firma dazu? Tatsächlich, wer nicht voll und ganz vom Wahrheitsgehalt dieser Behauptung überzeugt ist, bloß weil sie erst Jahrzehnte nach Einführung der breiten industriellen Verwendung von Firoblasten aus Babyvorhäuten (u.a. auch vom Fraunhofer-Institut) und ganz zufällig nach massiven öffentlichen Protesten von der angegriffenen Firma selbst in die Welt gesetzt worden ist, und wenn man Zweifel hegt, bloß weil bis heute im Kleingedruckten vieler Einwilligungsformulare US-amerikanischer Kliniken ganz versteckt eine Klausel steht, die den Weiterverkauf an die Industrie und zu Forschungszwecken erlaubt, obwohl das ja gar nicht nötig wäre, wenn man die Firoblasten immer nur stetig reproduzieren würde, dann ist man SELBSTVERSTÄNDLICH ein Ritualmordlegenden-Fan, auch wenn man gar nicht weiß, was eine Ritualmordlegende eigentlich ist. Wer noch nie von der „Ritualmordlegende“ gehört hat, der ist ja schließlich selbst schuld. Hätte sich ja vorher mal drüber schlau machen können, wieso er jetzt plötzlich ratz-fatz völlig überraschend zum Antisemiten geworden ist, bloß weil er sich dem heiligen und einzig wahren Glauben an die EINE VORHAUT nicht angeschlossen hat. Und dass die US-amerikanischen Pädiater jährlich Millionen Dollar damit verdienen, die VA überhaupt vorzunehmen, ganz unabhängig von der industriellen Weiterverarbeitung, das ist natürlich eine ganz merkwürdige und offensichtlich antisemitische Idee, auch wenn die allermeisten dieser Pädiater mit dem Judentum rein gar nichts zu tun haben. Dass eine Beschneidung rund 300 Dollar einbringt und das Intaktlassen des Babys null Dollar, hat noch lange nichts damit zu tun, dass die VA eine Einnahmequelle ist! NIEMALS, das ist völlig ausgeschlossen! Aus diesem Grund sind natürlich auch all die vielen Jüdinnen und Juden, die die pekuniären Interessen der US-amerikanischen AAP kritisieren, auch alle Antisemiten! Da können die hundert Mal behaupten, sie hätten ein unverkrampftes Verhältnis zu Ihrer eigenen jüdischen Identität und sie würden angeblich gerne der jüdischen Gemeinschaft angehören! Jetzt ist es endlich raus: die sagen alle nur, dass die AAP wirtschaftliche Interessen mit der Verharmlosung der massenhaften Babybeschneidung verfolgt, weil sie ihrer eigenen Gemeinschaft und ihrer eigenen Familie die Ritualmordlegende anhängen wollen! Genau wie der BVKJ! Verrückte Welt.
– wenn man behauptet, religiöse Lobbies würden über finanzielle Mittel verfügen und diese auch für ihre Interessen einsetzen. Wirklich ein höchst ungewöhnlicher Vorgang. Wer würde auf so eine Idee kommen? Aber Moment mal… tun das nicht eigentlich ALLE Lobbies? Ja, schon… aber natürlich keine Kirchen! Nein, niemals! Sie sind einfach anders als ALLE ANDEREN, schon vom Naturell, und überhaupt wegen der Barmherzigkeit und Selbstlosigkeit geht das gar nicht anders, ich erwähnte das schon, aber das kann nicht oft genug gesagt werden. Dem Aufnehmen eines Amtes in einer Religionsgemeinschaft wohnt wahrscheinlich ein ganz besonderer Zauber inne. Man wird augenblicklich zu einem ANDEREN MENSCHEN. Alles Weltliche, womöglich Interessengesteuerte, jede überhaupt nur denkbare Schwäche ist auf einmal wie fortgeblasen. Deshalb braucht die Politik Forderungen von Religionsgemeinschaften auch gar nicht zu prüfen. Wo ein Gesetzesverfahren sonst Jahre in Anspruch nimmt, braucht es hier nur ein paar Monate, flott und fix! Denn Religionsgemeinschaften wissen selbst am besten, was gut für sie ist. Da muss man weder neutrale Mechanismen zur Überprüfung von Vorschriften für irreversible medizinische Eingriffe an Kindern einrichten, noch ein Gesetz nach einigen Jahren evaluieren. Wozu auch? Will das überhaupt wirklich jemand wissen? Außerdem haben wir schließlich gerade den Geburtstag von diesem Dingsbums, wie heißt es noch, richtig, dieser UN-Kinderrechtskonvention ausgibig gefeiert, sogar beim Bundespräsidenten und so. Das war doch ne geile Sause, mit heißen Waffeln und Kakao für alle. Nun muss auch mal wieder gut sein, die Welt kennt wahrhaftig auch noch andere Probleme.
– wichtig zu merken: was Religionsvertreter fordern, ist IMMER GUT. Das gilt natürlich auch, wenn sie Kindern einen Teil ihrer Genitalien abschneiden. Wg. der Barmherzigkeit ist auch das gar nicht anders denkbar. Obwohl: da habe ich mich wohl doch einer Polemik schuldig gemacht: das gilt natürlich nicht für Mädchen. Alle, die das anders sehen, sind übrigens rückständige Barbaren, da muss auch wirklich einmal Klartext gesprochen werden. Bei Mädchen haben sich nämlich mit der Zeit Veränderungen in der Sichtweise auf ihre Rechte ergeben, ist aber, glaube ich, im ehrfürchtigen Angesicht von Jahrtausenden noch gar nicht so lange her. Da gibts neuerdings sogar ein richtiges Verbot von jeglichen Eingriffen an ihren Genitalien per Gesetz. Und das, obwohl Frauenpolitik doch nur Gedöns ist. Was ist dann eigentlich Jungen- und Männerpolitik?
Und: was Vertreter von Religionsgemeinschaften denken, ist automatisch, wegen der Barmherzigkeit, HEILIG. Deswegen kann man ihr Tun gar nicht an schnöden WELTLICHEN Kriterien messen. Derlei Vorhaben enden zwangsläufig in unerträglicher Bevormundung und einem überheblichen Universalismus, entsprungen aus vorübergehenden Modeerscheinungen, auch „Zeitgeist“ genannt. Eine große Gefahr, Schmerzen von Jungen und das Leid erwachsener Männer wahrzunehmen, stellt ebenso ein um sich greifender religiöser Analphabetismus dar. Dagegen hilft nur: Augen und Ohren fest zu! Ist das jetzt eigentlich barmherzig? Egal, man hüte sich vor Vulgärrationalismus, sagte schon unser Bundespräsident. Und der muss es schließlich wissen.
Wer meint, ein Recht darauf zu haben, an Kindergenitalien herumzuschneiden, wer allen Ernstes fordert, dies müsse geltendes Recht in einem Rechtsstaat sein, muss mit gesellschaftlichem Gegenwind rechnen.
Wer bei dem Einfordern dieses angeblichen Rechtes emotional erpresserisch und – was den Umgang mit Fakten und ethischen Aspekten angeht – höchst fragwürdig vorgeht, muss auch Reaktionen ertragen, die in Form und Inhalt eine deutliche und konkrete Sprache sprechen bzw. zumindest keinen Mantel des Schweigens über diese unglaublichen Vorgänge legen.
Frau Dr. Pabst,
ich glaube, Sie laufen Gefahr, mit Ihrer unablässigen Berufung auf Prof. Stehr auf Dauer ins Hintertreffen zu geraten. Sollte dereinst tatsächlich das höchste deutsche Gericht in der Angelegenheit entscheiden, wird sich Ihr „Kronzeuge“ anderen Experten und ihren Daten und Urteilen stellen müssen. Argumentative Einseitigkeit wird vom BVG gnadenlos bestraft werden. Es geht hier nicht – man möge mir die Ironie verzeihen – um „Stehr´eologie“, sondern um Urologie, Gynäkologie, Geburtshilfe, Pädiatrie, Infektiologie, Dermatologie, Onkologie, Innere Medizin etc., und zwar in einem weltweiten Maßstab und nicht reduziert auf deutsche Verhältnisse. Sie sollten Ihren Blick doch auch mal auf Experten aus anderen Weltregionen richten, die möglicherweise zu anderen Schlüssen kommen als Ihr „Kronzeuge“. Sie sollten ganz generell zuerst die Daten sprechen lassen, diese Daten dann von internationalen Experten beurteilen lassen (wieviele Vertreter der oben erwähnten Fachdisziplinen gibt es eigentlich weltweit ?), und erst dann darauf aufbauend ein eigenes Urteil bilden. Seien Sie als Medizinerin zuallererst neutral, bevor Sie sich an das Bewerten und persönliche Präferieren begeben.
Das Thema kreist im weitesten Sinne um den „unsauberen Mann“ und alles das, was daraus für die Volksgesundheit resultiert. Machen Sie einmal das Gedankenexperiment, machen Sie die runde Milliarde beschnittener männlicher Individuen auf der Welt zu Unbeschnittenen und stellen Sie sich die Explosion von Krankheiten vor, die aus der entstandenen „Schmutzquelle“ für Kinder, Männer und Frauen erwachsen würde. Und alles nur, damit der Klimax etwas früher kommt ?
Und noch eines, bitte. Es geht nicht darum, daß Sie nicht in einzelnen Punkten das bessere medizinische Argument auf Ihrer Seite haben könnten oder tatsächlich hätten. Es geht um die Gesamtschau, und zwar ganz exakt um die Frage, ob das vorliegende weltweit gewonnene Datenmaterial ausreicht, um die männlichen Beschneidung der elterlichen Fürsorge zu entziehen oder nicht. Nach allem, was ich dazu gelesen habe, ist ein Entzug für mich ausgeschlossen. Und nein, ich habe keine Literatursammlung parat, die ich Ihnen mal so eben über den Tisch reichen könnte. Schließen Sie aber aus meiner Zitierfaulheit nicht, daß Daten zum Komplex nicht verfügbar wären. Verwechseln Sie bitte aber auch nicht das Forum mit einem Gericht. Vor Gericht müssen Sie siegen, nicht hier im Forum. Seien Sie also gewappnet, vorbereitet. Das sei hier allen Beschneidungsgegnern gesagt.
Ob Sie nur eine Empfehlung gegen eine Behandlung oder gleich ein Behandlungsverbot aussprechen lassen und mit einer Strafandrohung bewehren wollen, ist ein himmelweiter Unterschied. Sie, und mit Ihnen die gesamte Antibeschneidungsbewegung, müssen schon sehr, sehr gute Gründe aufbieten, wenn Sie das BVG überzeugen wollen, einen derart weittragenden Spruch zu fällen, der Eltern das Recht nimmt, sich für die Vermeidung bestimmter gesundheitlicher Risiken ihrer Kinder auszusprechen, die sie nach eigener Abwägung für entscheidender halten als die Inkaufnahme etwaiger Nachteile.
@ Dr. Birgit Pabst 30. Dezember 2014 0:24
Sie stellen meine Argumente auf den Kopf. Ich habe die Beschneidung nicht damit gerechtfertigt, dass sie zur Vermeidung von Harnwegsinfekten bei Säuglingen dient. Das wäre eine zu schwache Begründung für die Beschneidung, denn Harnwegsinfekte führen tatsächlich nur in seltenen Fällen zu schwerwiegenden Komplikationen oder zum Tod eines Säuglings. Laut einer Auswertung der Krankenhausunterlagen von 136.086 männlichen Geburtenakten in US-Militärkrankenhäusern von 1980 bis 1985 (Wiswell und Geschke, Pediatrics. 1989 Jun; 83(6): 1011-5) mussten 0,24 % der unbeschnittenen Säuglingen wegen Harnwegsinfekte behandelt werden, bei 0,00014 % (140 bei 100.000) waren die Folgen lebensbedrohlich (Meningitis und Nierenversagen) und bei 0,00006 % (6 pro 100.000) Todesfälle aufgetreten.
Allerdings zeigt diese Studie auch, dass die Beschneidung zu noch geringeren Risiken führt. Die Komplikationsrate der Beschneidung lag bei 0,19 %, bei 0,00003 % (3 von 100.000) waren die Folgen lebensbedrohlich (Notwendigkeit der Bluttransfusion), zu Todesfällen kam es in der untersuchten Gruppe nicht. Diese Zahlen widerlegen die spekulative Todesratenberechnung von Bollinger und Dan (LOST BOYS: AN ESTIMATE OF U.S. CIRCUMCISION-RELATED INFANT DEATHS vom 1. April 2010), die aus der Multiplikation der Risiken der Behandlungsschritte eine Todesrate von 9,01 pro 100.000 Bescheidungen hochgerechnet haben. Obwohl diese Berechnungsmethode in der Fachwelt längst als ungeeignet zurückgewiesen wurde, wird die Hochrechnung (jährlich 171 Beschneidungstote in den USA) von Beschneidungsgegner weiter als nachgewiesene Tatsache zitiert.
Meine Folgerung daraus ist, dass Eltern, die sich aus nicht-medizinischen (z.B. religiösen) Gründen zur Beschneidung entscheiden, das Kind sehr geringen gesundheitlichen Risiken der Beschneidung aussetzen und gleichzeitig vor anderen gesundheitlichen Risiken (z.B. der Folgen von Harnwegsinfekten) bewahren, sodass sie dem Kindeswohl nicht schaden.
Lieber JaM,
ich habe viele Journalisten bezichtigt, wild und ohne Verstand die Antisemitismuskeule gegen die Beschneidungskritiker geschwungen zu haben, und ich mache das auch heute immer noch. Es gibt keinen Anlaß dazu, diesen Vorwurf zurückzunehmen.
Ich habe die Beschneidungsdebatte in Foren und im Internet sehr genau verfolgt und ich persönlich habe ÜBERHAUPT KEINEN Antisemitismus wahrgenommen (…).
Nun mag da das eine oder andere moderiert worden sein, wie es Bronski hier mitteilte. Auf Facebook, dem wilden Westen der Internet-Welt, habe ich allerdings auch keinen Antisemitismus feststellen können, und Sie können mir glauben, dass ich eine der schärfsten Kritikerinnen in unseren eigenen Reihen bin, wenn es darum geht, dass Leute, die die rituelle Amputation von Teilen der Sexualorgane kleiner Kinder auch nicht gut finden, sich im Ton vergreifen.
Im Ton wurde sich von beiden Seiten vergriffen. Ich habe vor allem auf Facebook Sachen von jüdischen Fanatikern gelesen, die derart schockierend sind, dass ich sie niemals in Foren oder Blogs wie diesem hier wiederholen würde. Sie waren auf Facebook an der Tagesordnung, keine Ausnahmen, keine Seltenheiten. Das Meiste davon kann man als normal denkender Mensch gar nicht glauben, wenn man es nicht selbst mit eigenen Augen gesehen hat. Dennoch würde ich niemals auf die Idee kommen, das anderen Personen anzulasten, nur weil die vielleicht ebenfalls der jüdischen Gemeinschaft angehören. Umgekehrt scheint das die normalste Sache der Welt zu sein. In den Zeitungen wurde der Beschneidungskritik ganz allgemein mit aller Gewalt ein an den Haaren herbeigezogener Antisemitismus und Antiislamismus unterstellt. Viele Journalisten waren extrem bemüht, diesen Vorwurf zu konstruieren (nach dem Motto: für Dummheit gibt es nach oben keine Grenze, Hauptsache wir können denen, die nicht unserer Meinung sind, irgendwie Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit unterstellen).
Der Antisemitismusvorwurf wurde und wird beliebig verwendet, um Beschneidungskritiker zu diffamieren. Als ginge es bei Antisemitismus nicht um eine ernsthafte und gefährliche Angelegenheit, sondern um Karneval.
Jedem vernunftbegabten Menschen fällt das allerdings auf. Es wirkt wie ein Festival der Idiotie. Und genau das ist im Hinblick auf die Tatsache, dass es immer noch echten Antisemitismus gibt, kein reines Kavaliersdelikt. Beschneidungskritiker sollen so weit wie möglich mundtot gemacht und sozial ausgegrenzt werden. Bei vielen Angehörigen der jüdischen Gemeinde werden munter vorhandene Ängste geschürt bis zum geht-nicht-mehr, einfach mal so, quasi aus Spaß, so nach dem Motto: macht doch nix, laßt uns die Leute erst richtig paranoid machen und denen einreden, es gebe überall um sie herum Antisemitismus, wenn jemand zufällig nicht „Hurra!“ schreit bei dem Gedanken, dass einem Baby oder einem Kind unter 18 Jahren die Vorhaut vom Penis abgeschnitten wird. Und die Presse diskreditiert sich selbst.
Sie haben eine Liste mit Argumenten des AJCB eingestellt. JaM, nehmen Sie DAS ernst? Sie als intelligenter und gebildeter Mensch? Ich kann mir das nicht vorstellen.
Ich erinnere mich noch schwach an diesen Mann, von dem in der FTD die Rede war. Selbstverständlich hatte die GBS zu keinem Zeitpunkt etwas von einer Jüdischen Weltverschwörung gesagt oder diese Konnexität aufkommen lassen. Allein der Gedanke ist albern. Ich gehöre der GBS nicht an, im Gegenteil bin ich für meine Kritik an den Antireligiösen bekannt, aber diesen schwachsinnigen Vorwurf des AJCB haben die absolut nicht verdient.
Was war da eigentlich wirklich gewesen? Ein Mann aus der Schweiz, der übrigens seinen vollen Namen genannt hatte, hatte der Zeitung mitgeteilt, einen großen Geldbetrag zur Verfügung zu stellen, um die Anstrengungen, die rituelle VA an Kindern zu legalisieren, finanziell zu unterstützen. Er hatte auch Einzelheiten genannt; ich erinnere mich daran, dass er beipielsweise Anwälte finanzieren wollte. Ich erinnere mich auch, dass ich diesen Zwecken per se nichts Illegales oder Ruchhaftes entnehmen konnte. Es hatte halt nur, sagen wir „Geschmäckle“, weil es um eine enorm hohe Summe ging, die er ganz offen zur Durchsetzung seiner Sache zur Verfügung stellte und niemand bestreitet, dass das den Verbandsvertretern jüdischer Organisationen nicht sonderlich gefallen hat.
Ich habe hier ein Buch vorliegen von Jennifer Magulis mit dem Titel „The Business Of Baby“. Ab S.130 beschreibt sie die Geschäfte mit der Vorhautamputation durch US-amerikanische Ärzte und Kliniken. Nur für’s Protokoll: Jennifer Magulis ist selbst Jüdin und eine mit Preisen ausgezeichnete Journalistin. Ich werde ihr nicht erzählen, dass das ACJB ihr die Ritualmordlegende ans Bein binden will. Das ist einfach unwürdig. Sie hat mir eine Widmung geschrieben, sie lautet: „Thank you for the work you do to protect children. I hope this book inspires and informs.“ Ja, informieren und inspirieren, nichts anderes, ist auch mein persönliches Ziel.
Ich habe sehr viele Jahre damit verbracht, mich mit Antisemitismus und Holocaust auseinanderzusetzen, und die wirre Keulenschwingerei schmerzt noch immer sehr. Aber wer es wagt, sich gegen die medizinisch nicht indizierte Amputation von Vorhäuten kleiner Jungen auszusprechen, der muss sich zwangsläufig daran gewöhnen. Man übersteht das eigentlich nur noch mit Galgenhumor.
JaM, es war mir eine Ehre. Danke für den netten und fruchtbaren Meinungsaustausch. Ich wünsche Ihnen ein sehr schönes neues Jahr!
(…) Passage gelöscht, Anm. Bronski
@ Steffen Wasmund 29. Dezember 2014 22:16
Sie missverstehen die Ausführungen von Rabbiner Deusel zum Grundsatz „Dina de-malchuta dina“. Das jüdische Religionsrecht erhebt sich nicht über die staatliche Ordnung. Wenn aber staatliche Verbote die Ausübung verbindlicher Religionsvorschriften unmöglich machen, muss ein religiöser Jude einen legalen Ausweg – notfalls durch Auswanderung in ein Land, in dem es diese Verbote nicht gibt – suchen. Solche erzwungene Wanderungen hat es in der jüdischen Geschichte mehrfach gegeben. Würde die Beschneidung in Deutschland verboten, müssten religiöse Juden ihre Frauen zur Entbindung (oder ihre neugeborenen Söhne zur Beschneidung) ins Ausland bringen oder ganz auswandern.
Bevor Sie Juden die bewusste Missachtung der Menschenrechte oder der Grundrechte unserer Verfassung unterstellen, sollten Sie doch zur Kenntnis nehmen, dass noch kein Verfassungsgericht – weder das Bundesverfassungsgericht noch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte – die Beschneidung als Grundrechtsverletzung verurteilt hat. Auch gibt es keine Entscheidung des UNO-Kinderrechtsausschusses, die in der Beschneidung einen Verstoß gegen die Kinderrechtskonvention sieht.
Zitat JaM 29.12.2014, 0:05 Uhr:
„Dem Risiko von Beschneidungskomplikationen steht das durch Beschneidung verringerte Risiko von Gesundheitsschäden durch Harnwegsinfektionen; eine entsprechende Studie habe ich am 15. Dezember zitiert, deren Zahlen meines Wissens nicht widerlegt wurden.“
Doch, die angeblichen Vorteile der VA auch im Hinblick auf Harnwegsinfektionen wurden von sehr vielen europäischen Ärzteverbänden und Hochschullehrern widerlegt; 37 dieser Hochschulleherer und Vertreter verschiedener europäischer Ärzteverbände schlossen sich 2012 zu einer Stellungnahme zusammen, in der sie die Behauptung der AAP, die VA würde irgendwelche medizinischen Vorteile haben, mit ungewöhnlich scharfen Tönen zurückwiesen. Der Text ist frei abrufbar, ich darf Sie daher freundlichst auf diesen Link hinweisen:
http://pediatrics.aappublications.org/content/early/2013/03/12/peds.2012-2896.full.pdf+html
„Die Redaktion akzeptiert keine Kommentare, die zu Straftaten auffordern, antisemitisch, frauen-, fremden- oder anderweitig menschenfeindlich oder ausgrenzend sind.“
Danke, lieber Bronski, dass Sie trotzdem folgendes Zitat „durchgelassen“ haben, obwohl es die genannte Regel dieses Blogs gleich mehrfach verletzt:
„Das Thema kreist im weitesten Sinne um den “unsauberen Mann” und alles das, was daraus für die Volksgesundheit resultiert. Machen Sie einmal das Gedankenexperiment, machen Sie die runde Milliarde beschnittener männlicher Individuen auf der Welt zu Unbeschnittenen und stellen Sie sich die Explosion von Krankheiten vor, die aus der entstandenen “Schmutzquelle” für Kinder, Männer und Frauen erwachsen würde.“
Es ist wichtig für die Öffentlichkeit, sich von der Verrohung und Menschenverachtung ein Bild machen zu können, die aus einer solchen Äußerung spricht.
Die Achtung der Menschenwürde ist ein hohes Gut, das leider immer wieder aufs Neue verteidigt werden muss.
>sollten Sie doch zur Kenntnis nehmen, dass noch kein Verfassungsgericht – weder das Bundesverfassungsgericht noch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte – die Beschneidung als Grundrechtsverletzung verurteilt hat.
@JaM: Bitte nehmen Sie auch zur Kenntnis, dass dies auch daran liegt, dass bisher noch gar keine entscheidungsberechtigten Klagen eingegangen sind.
Die Höhe der Hürden lässt keine Rückschlüsse auf die Berechtigung von Beschwerden zu!
Vor dem BVerfG kann nicht einfach Hinz und Kunz klagen, weil ihm ein Gesetz nicht passt. Auf Wikipedia können Sie die genauen Voraussetzung einer Verfassungsbeschwerde nachlesen:
http://de.wikipedia.org/wiki/Verfassungsbeschwerde#Zul.C3.A4ssigkeitsvoraussetzungen.2FPr.C3.BCfungsaufbau
In Kürze: Der Beschwerdeführer muss selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffen sein. Damit ist Säuglingen, Babies und Kindern der Klageweg schon einmal verwehrt. Jugendliche und Erwachsene wiederum, die klagen könnten, sind nicht mehr von Genitalbeschneidung gegen deren Willen bedroht. Von dieser Seite wird somit NIEMALS eine Klage zu erwarten sein. Ist das auch nur ein Indiz dafür, dass die Genitalbeschneidung von Kindern verfassungsgemäß
Weitere Möglichkeiten wären noch das abstrakte Normenkontrollverfahren (ebenfalls auf der oben verlinkten Wikipediaseite nachzulesen). Hierfür wären aber entweder 25% der Mitglieder des Deutschen Bundestags nötig (was ebenfalls niemals passieren wird), oder ein Richter, der aktuell einen Fall nach dem §1631d zu verhandeln hat, übergibt diesen an das BVerfG. Dies dürfte die einzig reelle Chance sein, dieses Gesetz irgendwann einmal von höchster Instanz überprüfen und kippen zu lassen.
Prof. Stehr ist der Vorsitzende der AG Kinderurologie der Deutschen Gesellschaft für Kinderchirurgie. Er ist zudem federführend bei der Neubearbeitung der S2k-Leitlinie Phimose und Paraphimose, die sich im Konsensusverfahren befindet.
Er ist somit nicht „irgendwer“ und schon gar nicht „mein Kronzeuge“, sondern ein anerkannter Wissenschaftler, der seine Daten und Aussagen auf eine klare Literaturbasis stützt. In seinen wissenschaftlichen Publikationen sind Referenzen zusammengestellt, die auf einer großen Patientenzahl und ausreichend langen Beobachtungszeiträumen basieren. Das gilt für viele der von Ihnen und JaM zitierten Studien nicht. Außerdem ist Prof. Stehr an der Stellungnahme der Europäischen und Kanadischen Wissenschaftler beteiligt, die gegen die AAP-Stellungnahme vom Sommer 2012 argumentiert haben (siehe Beitrag von Maria Werner unten).
Viel weniger gut belegt als der geringe Nutzen der Beschneidung gegen Harnwegsinfekte ist das angeblich geringe Risiko gravierender Komplikationen von Zirkumzisionen bis hin zu Todesfällen. Ich habe nicht nur einmal die obskure Begründung gelesen, es habe sich um nicht näher definierte „Preexisting Conditions“ gehandelt, wenn mal wieder ein Neugeborenes eine Beschneidung nicht überlebt hat.
Aus medizinischer Sicht sind die „Preexisting Conditions“ wohlbekannt, die nur dringliche Eingriffe im Neugeborenenalter erlauben, zu denen eine Wunschbeschneidung ganz sicher nicht gehört. Neugeborene haben funktionell offene fetale Kreislaufverbindungen, die sich bei Streß öffnen und zu gravierenden Sauerstoffsättigungsabfällen führen können, insbesondere da das Neugeborene einen hohen Sauerstoffverbrauch hat. Neugeborene haben unreife Organsysteme, eine reduzierte Immunabwehr und verminderte Gerinnungsfaktoren. Sogar Prof. Graf vom Jüdischen Krankenhaus Berlin hat eine erhöhte Nachblutungsgefahr bei Neugeborenen vor dem Rechtsausschuß des Deutschen Bundestages am 26. November 2012 eingeräumt, über die die Eltern explizit aufgeklärt werden.
Herr Schiering, Sie haben nicht einen Deut verstanden. Ich weise Ihre Bemerkungen mit Empörung zurück. Auf Ihr Niveau steige ich nicht hinab. Vielen Dank !
Zum Beitrag JaM 30. Dezember 2014 14:58
http://frblog.de/rund-um-das-thema-beschneidung/#comment-33674
JaM: „Sie missverstehen die Ausführungen von Rabbiner Deusel zum Grundsatz „Dina de-malchuta dina“. Das jüdische Religionsrecht erhebt sich nicht über die staatliche Ordnung. Wenn aber staatliche Verbote die Ausübung verbindlicher Religionsvorschriften unmöglich machen, muss ein religiöser Jude einen legalen Ausweg – notfalls durch Auswanderung in ein Land, in dem es diese Verbote nicht gibt – suchen.“
Ob sich „Das jüdische Religionsrecht“ nun über die „staatliche Ordnung“ „erhebt“, oder sich ihr „notfalls durch Auswanderung in ein Land, in dem es diese Verbote nicht gibt“ entzieht, ist unerheblich. Beiden Vorgängen ist gemeinsam, dass sie die „staatliche Ordnung“, hier also den grundgesetzlichen Schutz für das Kind, außer Kraft setzen. Ich sehe mich mit meiner Betrachtung (http://frblog.de/rund-um-das-thema-beschneidung/#comment-33663) vollständig bestätigt.
Die Formulierung „staatliche Verbote“ ist eine allgemeingültige. Sie umfasst also auch solche staatlichen Verbote, die absolut zwingend notwendig sind, um die Menschenwürde sicherzustellen. Daraus ergibt sich folgende Problemstellung.
Ich habe verstanden, dass Sie die Beschneidung nach § 1631d BGB nicht als Menschenwürdeverletzung betrachten. Dies akzeptiere ich. Ich will Sie hier also nicht zu einer Meinungsänderung bewegen. Wenn ich als Nicht-Jude nun aber die jüdische Position wirklich verstehen können soll, wäre für mich eine Frage wichtig. Wenn Sie zu der – aus jüdischer(!) Sicht hypothetischen – Erkenntnis kämen, die Beschneidung würde gegen die Menschenrechte – im Sinne der Verfassung(!!) – verstoßen, würden Sie dann die Beschneidung am Kind unterlassen, unabhängig davon, wo Sie sich befinden?
Ich lese im Abstract das Gegenteil: …“the possible protection against urinary tract infections in infant boys …. has some theoretical relevance in relation to infant male circumcision”. Meines Wissens haben außerdem die AAP-Autoren in einem weiteren Artikel den Argumenten ihrer Kritiker widersprochen. Die Eltern müssen selber entscheiden, welchen Experten sie folgen wollen. Die Mediziner streiten z.B. auch darüber, ob der Verzicht auf Behandlung mit Antibiotika bei bestimmten Kinderkrankheiten verantwortbar ist. Trotzdem dürfen Eltern für ihre Kinder entscheiden, sie mit homöopathischen Mitteln behandeln zu lassen.
Das aus „nicht-medizinischen“ Gründen zu beschneidende Kind ist zu 100% gesund. Die Beschneidung verursacht aber zu 100% einen „pathologischen Zustand[es]“ der „durch Beifügung von Wunden, Organ- oder Gliederverluste, den Verlust von Körperteilen (41) sowie die Herbeiführung oder Aufrechterhaltung von Schmerzzuständen“ und der medizinischen Sinnlosigkeit, die Qualität „einer körperliche Misshandlung“ erreicht.
http://frblog.de/traurige-allianzen/#comment-33228
Bei jeder Beschneidung wird das Kind also in einen Krankheitszustand versetzt. Zu 100%.
Ich fürchte, Herr Schiering hat Sie nur zu gut verstanden. Ich zitiere Ihren Absatz komplett:
„Das Thema kreist im weitesten Sinne um den “unsauberen Mann” und alles das, was daraus für die Volksgesundheit resultiert. Machen Sie einmal das Gedankenexperiment, machen Sie die runde Milliarde beschnittener männlicher Individuen auf der Welt zu Unbeschnittenen und stellen Sie sich die Explosion von Krankheiten vor, die aus der entstandenen “Schmutzquelle” für Kinder, Männer und Frauen erwachsen würde. Und alles nur, damit der Klimax etwas früher kommt ?“
Sie sind der Ansicht, daß der männliche Orgasmus sich der „Volksgesundheit“ — und zwar der Ihrer Definition — unterzuordnen hat. Und Sie reden davon, daß die Beschneidungskritiker „messianisch“ argumentieren! Merken Sie eigentlich noch was?
Ich für meinen Teil überlasse es, ähnlich wie es Herr Schiering hält, ebenfalls gerne der Öffentlichkeit, über das Niveau Ihrer Phantasien von schmutzigen Männern, einer beschnittenen „Volksgesundheit“ und der Explosion von Krankheiten (gehört für Sie eigentlich auch Masturbation dazu? Das hätte ja Tradition!) zu urteilen. Gibt es bei dieser Explosion eigentlich einen großen Knall und darauf einen Regen voll frisch amputierter bakterienverseuchter Vorhäute? Muss ich jetzt froh sein, daß die sich in meiner Unterwäsche versteckende Intaktheit noch nicht zu einer bunt sprühenden Epidemie-Fontäne mutiert ist? Das hätte zu Silvester schließlich gepasst, als Ersatz für Tischfeuerwerk.
Vielen Dank jedenfalls für die Belustigung, die Sie hier der LeserInnenschaft bieten.
@ Steffen Wasmund
„Ob sich ‚Das jüdische Religionsrecht‘ nun über die ‚staatliche Ordnung ‚erhebt‘, oder sich ihr ‚notfalls durch Auswanderung in ein Land, in dem es diese Verbote nicht gibt‘ entzieht, ist unerheblich. Beiden Vorgängen ist gemeinsam, dass sie die ‚staatliche Ordnung‘, hier also den grundgesetzlichen Schutz für das Kind, außer Kraft setzen.“
Dies ist nun wirklich starker Tobak! Jetzt machen Sie Ihre Rechtsauffassung, dass die Beschneidung dem grundgesetzlichen Schutz für das Kind widerspricht, schon zur weltweit gültigen Norm. Dabei ist es nicht einmal in Deutschland verbindliche Rechtsprechung.
Das Judentum verändert sich nicht „von oben“, sondern nur dadurch, wenn sich die Einstellung der Menschen ändert, die dem Judentum angehören. Im Augenblich kann ich nicht erkennen, dass die von den Beschneidungsgegnern vorgebrachten Argumente im nennenswerten Umfang den großen Teil der jüdischen Gemeinschaft überzeugen würden, der die jüdischen Religionsvorschriften gar nicht oder sehr lax praktiziert. Solange sogar diese Menschen überwiegend an der Beschneidung festhalten, wird es sicher auch das religiöse Judentum tun. „Hypothetische“ Fragen können nur Propheten beantworten, doch die gibt es im Judentum seit über 2000 Jahren nicht mehr.
„Jetzt machen Sie Ihre Rechtsauffassung, dass die Beschneidung dem grundgesetzlichen Schutz für das Kind widerspricht, schon zur weltweit gültigen Norm. Dabei ist es nicht einmal in Deutschland verbindliche Rechtsprechung.“
Da haben Sie meine Frage missverstanden oder uminterpretiert. Ich spreche von Ihrer ganz persönlichen Erkenntnis. Wenn diese ergeben würde, dass die Beschneidung gegen die Menschenwürde – im Sinne der Verfassung(!!) – verstieße, hielten Sie es dann für richtig, dass Juden die Beschneidung unterließen, egal wo sie sich befinden? Jetzt sollte es eindeutig sein.
Da ich einen hypothetischen Erkenntnisstand zur Voraussetzung mache, ist die Wiederholung des realen gegenwärtigen Erkenntnisstandes, also denjenigen, den Sie im „Augenblick“ haben, nicht relevant. Meine Frage hat natürlich ein Ziel. Ich fürchte, beweisen zu können, dass Sie, JaM, die Beschneidung auch dann nicht unterlassen oder weiter befürworten würden, selbst wenn Sie selbst zu der Erkenntnis kämen, dass die Beschneidung der Menschenwürde widerspricht. Ich bitte Sie also nur um Ihre Mithilfe, diesen Beweis nicht führen zu können.
@JaM:
„Jetzt machen Sie Ihre Rechtsauffassung, dass die Beschneidung dem grundgesetzlichen Schutz für das Kind widerspricht, schon zur weltweit gültigen Norm. Dabei ist es nicht einmal in Deutschland verbindliche Rechtsprechung.“
Darf ich Sie darauf aufmerksam machen, dass die Körperverletzung an weiblichen Genitalien in den Katalog der Auslandsstraftaten aufgenommen wurde und sich Eltern sich durch eine Flucht in das Ausland zwar der Strafe aber nicht der Strafbarkeit entziehen können. Da zögert der Gesetzgeber überhaupt nicht, das Verbot jeglicher Eingriffe an weiblichen Genitalien zur weltweiten Norm zu erheben und die Strafbarkeit über das Rechtsgebiet des Grundgesetzes hinaus auszuweiten. Und das gilt, wohlgemerkt, auch für Eingriffe geringerer Eingriffstiefe. Hätten wir ein geschlechtsneutrales Gesetz, entkäme jemand, der seine Kinder zur Beschneidung nach Israel verbringt, der Strafbarkeit mitnichten.
http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/047/1704759.pdf
Das von mir gewählte Beispiel besagt nichts anderes, als daß jede Neuheit nicht nur von Vorteilen, sondern auch von Nachteilen begleitet sein kann. Die Nachteile können sogar die Vorteile derart überwiegen, daß eine Neuheit wieder einkassiert werden muß. Dies ist ganz sicher ein auch in der Medizin (und gerade in er Medizin) zu beobachtendes allgemeines und allgemein bekanntes Phänomen. Warum die Erwähnung eines solchen, grundsätzlich jeder Entwicklung innewohnenden Risikos zu Ausfällen gegen meine Person führen muß, empfinde ich als besornisrregend. Es wirft kein gutes Licht auf die Antibeschneidungsbewegung. Wie schrieb ich doch am 28. Dezemember, Eigenzitat:
´Es ist die Wortradikalität der Bewegung, der messianische Eifer, der sich buchstäblich gegen alles richtet, was sich dem Ziel der Beschneidungsächtung entgegenstellt. Es ist die vernichtende Schärfe, mit der alles niedergewalzt wird, was auch nur an gelindestem Verständnis für die männliche Beschneidung erinnert. Schwer erträglich hat sich die Antibeschneidungsbewegung selbst gemacht. Wer aber auf seine “Rote-Tuch-Attitüde” nicht verzichten will, sollte sich nicht beschweren, wenn man die dahinterstehenden Motive nicht mehr deuten kann. Möglich ist leider alles.`
Herr Schiering hat mit seiner Reaktion die Richtigkeit dieser Sätze geradezu exemplarisch vorgeführt. Bitte, tun Sie es ihm nicht gleich. Niemand sollte ihm das gleich tun.
Generell über das Heranziehen von Kinderkrankheiten, HIV, sexuellen Präferenzen Erwachsener:
wieder einmal stelle ich fest, wie für die Würde von Jungen in ihren Rechten auf ihren Körper wenig bis kein Bewusstsein besteht.
Eine Vorhaut ist KEINE KRANKHEIT!
Eine Vorhaut gehört dem Jungen, und NIEMAND ANDEREM! Sie geht Erwachsene (von der Pflege im Baby- und Kleinkindalter abgesehen) NICHTS AN!
Vertauschen Sie einmal „Vorhaut“ mit einem höchst sensiblen weiblichen Körperteil, und man wird vielleicht merken, was ich meine.
Ein funktionelles Organ, gar an intimster Stelle, nur auf den einen Aspekt zu reduzieren, dass es, wie alle Teile des menschlichen Körpers, auch irgendwann einmal erkranken KÖNNTE, und deswegen seine Amputation im völlig gesundem Zustand ohne das Einverständnis der betroffenen Person in die Entscheidungsgewalt Anderer zu legen, stellt einen klaren Verstoß gegen die Menschenwürde dar.
Es steht NIEMANDEM zu, Teile des Körpers ANDERER für überflüssig, nutzlos, ekelhaft, verabscheuungswürdig (solche Begriffe fielen ja schon in der Debatte) zu erklären!
So etwas ist schlichtweg verbal übergriffig, und wenn es gar Taten rechtfertigt oder dazu aufruft, mitschuldig an einer Menschenrechtsverletzung.
Dass genau dieses sowie die sexistisch auf Jungen beschränkte Missachtung ihrer Würde nun in Deutschland per Gesetz beschlossen wurde, macht ja genau den unglaublichen Skandal der Thematik aus.
In einer Gesellschaft, in der an jeder Ecke „Mein Körper gehört mir!“ und „Sag nein – macht Kinder stark!“ steht.
Verrückt, nicht wahr?
Diesen Widerspruch müssen die Gegner oder Infragesteller der Kinderrechte lösen, denn ihre Forderungen lösen diesen Widerspruch aus, und nicht diejenigen, die für gleiche Rechte aller Kinder eintreten.
Gutes Neues Jahr!
@ Rerun
Auch wenn die Gegner männlicher Beschneidung diese ungeachtet der völlig unterschiedlichen Folgen mit der weiblichen Beschneidung gleichzusetzen trachten, sollten Sie zumindest zur Kenntnis nehmen, dass die weibliche Beschneidung durch internationale Konventionen und die verbindliche Rechtsprechung der meisten Staaten gebannt ist. Die männliche Beschneidung ist es nicht.
Das weiß ich und genau das ist ja, was angeprangert wird. Es wird zwischen Jungen und Mädchen eben mit zweierlei Maß gemessen und es gibt keine rationale Begründung dafür, dass es für Jungen keine entsprechende internationale Ächtung gibt. Sie begründen gerade, dass etwas ungleich behandelt werden soll mit der Tatsache, das es ungleich behandelt wird. Nicht sehr überzeugend, oder?
Lieber JaM,
das dies nicht zutrifft, habe ich ja bereits in diesem Thread dargelegt. „Wo kein Kläger, da kein Richter“ ist nicht gleichbedeutend mit einer Erlaubnis. De facto gibt es nur sehr wenige Länder mit einer expliziten Erlaubnis, in den meisten ist die männliche Vorhautamputation im Rahmen der Gesetze zur Körperverletzung nicht legal.
Wenn sie jedoch darauf abzielen, daß diese Handlung nur bei einem *expliziten* Verbot auch tatsächlich verboten wäre, so fehlt in Ihrem letzten Satz lediglich ein „noch“.
Zu argumentieren, daß man etwas nicht verbieten könne, weil es noch nicht verboten ist, ist ein Zirkelschluss.
Das von Ihnen gewählte „Gedankenexperiment“ (so bezeichneten Sie es selbst) belegt nichts weiter als ihre emotional-menschenverachtende Einstellung zur angeblich „schmutzigen“ männlichen Vorhaut. Wer solche Beispiele wählt, disqualifiziert seine vorgeblich sachlichen Argumente selbst. Dazu teile ich die Einschätzung von Herrn Schiering vollumfänglich.
Im übrigen kann ich nur das wiederholen, was Ihnen bereits mehrfach vorgehalten wurde:
Sie bringen für Ihre Behauptungen keine Belege, während die übrigen Diskussionsteilnehmer das in den meisten Fällen sehr sorgfältig tun. Sie behaupten (ohne jemals mehr Belege dafür zu bringen, als daß „man das selbst recherchieren“ könne), daß Sie die „Gesamtschau“ über die Problematik hätten. Sie disqualifizieren medizinische Fachleute, unter anderem mich, indem sie mal eben 30 Jahre Anästhesieerfahrung als „in einzelnen Punkten das bessere medizinische Argument“ abwerten. Nicht umsonst fehlt in Ihrer umfassenden Liste der medizinischen Disziplinen die Anästhesie/Schmerztherapie und damit die Fachdisziplin, die für die Problematik der Neugeborenenbeschneidung am wichtigsten ist. Mit „Gesamtschau“ hat Ihre einseitige Sicht wenig zu tun.
Gerne griefe ich den Einwand auf und schiebe meine eigentliche Verabschiedung von der Diskussion noch ein wenig nach hinten, um auf Ihre Anmerkungen einzugehen.
Zitat JaM 30. Dezember 2014 19:48:
„Ich lese im Abstract das Gegenteil:“
Oh, darüber bin ich jetzt doch gerade ein wenig überrascht. Denn es wird eindeutig kritisiert, dass die Behauptung, es gebe durch die VA einen Schutz vor Harnwegsinfektionen, wissenschaftlich nicht überzeugend evaluiert worden ist:
“According to the literature reviewed, ∼ 1% of boys will develop a UTI within the first years of life. There are no randomized controlled trials (RCTs) linking UTIs to circumcision status. The evidence for clinically significant protection is weak, and with easy access to health care, deaths or longterm negative medical consequences of UTIs are rare. UTI incidence does not seem to be lower in the United States, with high circumcision rates compared with Europe with low circumcision rates, and the AAP report suggests it will take ∼ 100 circumcisions to prevent 1 case of UTI.”
Damit setzt die AAP eine alte Tradition fort, welche schon immer kritikwürdig war. Ganz überwiegend wurde die Massenbeschneidung zur Verringerung des sexuellen Empfindens und der Unterdrückung bzw. Verhinderung der Masturbation eingeführt, wobei oftmals nicht nur Jungen, sondern auch Mädchen beschnitten wurden. Bei Mädchen konnte zudem die weibliche Vorhaut mit unverdünnter Karbolsäure weggeätzt werden. All dies erfolgte jedoch zu allen Zeiten unter dem Vorwand quasi-medizinischer „Vorteile“, wie sie auch für den angeblichen Schutz vor Harnwegsinfektionen so typisch sind. Die Vorhautamputation sollte in den USA schon immer zahlreiche Krankheiten kurieren oder selbigen vorbeugen, was man durch „Studien“ zu belegen suchte. Keine dieser Studien war jemals valide. So sollte die VA bereits folgende Krankheiten oder Verhaltensweisen vorbeugen bzw. heilen, wofür jeweils ähnliche Studien wie die vorgenannte in medizinischen Fachzeitschriften durch anerkannte Wissenschaftler veröffentlicht wurden: Syphilis, nächtliche Samenergüsse, Epilepsie, Rückgratslähmung, Bettnässen, Blasenlähmung, Klumpfuß, Augenprobleme, Strabismus (Schielen), Blindheit, Taubheit, Stummheit, die Zwangsbeschneidung von Schwarzen sollte der Vergewaltigung weißer Frauen vorbeugen, Harn- und Stuhlinkontinenz, sexuelle Unzucht, Tuberkulose, Peniskrebs, Prostatakrebs, Zungenkrebs, Gebärmutterhalskrebs, Blasenkrebs, Rektrumskrebs, Nervosität, Harntraktinfektionen, AIDS. Sehr bemerkenswert ist, dass die VA in erster Linie immer diejenige Krankheit vorbeugen oder heilen soll, vor der eine Gesellschaft aktuell die größten Ängste entwickelt. Mehr dazu hier: http://www.beschneidung-von-jungen.de/home/geschichte-der-beschneidung/beschneidung-zeitachse.html
Man muss sich hier schon fragen, wieso die Natur – oder für gläubige Menschen: Gott – in einem Zeitraum von mindestens 65 Millionen Jahren, vielleicht sprechen wir auch von 200 Millionen Jahren, sämtliche männlichen Säugetiere mit einer Vorhaut ausgestattet hat (ohne das es hierbei jemals eine Ausnahme gegeben hätte), wenn dies in irgendeiner Weise gefährlich, krankmachend oder nachteilig sein sollte.
Zitat JaM 30. Dezember 2014 19:48:
„Meines Wissens haben außerdem die AAP-Autoren in einem weiteren Artikel den Argumenten ihrer Kritiker widersprochen.“
Das ist mir nicht bekannt. Ich wäre Ihnen an dieser Stelle sehr dankbar, wenn Sie mir dazu Näheres, z.B. Quellen, angeben könnten.
Zitat JaM 30. Dezember 2014 19:48:
„Die Eltern müssen selber entscheiden, welchen Experten sie folgen wollen.“
Wenn überhaupt, stellt sich diese Frage ausschließlich deswegen, weil es die explizite Erlaubnis durch § 1631d BGB gibt. Man kann die Amputation der Vorhaut im Übrigen in keiner Weise mit vorbeugenden oder heilenden Maßnahmen anderer Art vergleichen. Zum einen ist die Vorhaut keine Krankheit, sondern der gesunde, natürliche Zustand eines Jungen oder eines Mannes. Zum anderen ist es im übrigen deutschen Recht nicht möglich, eine irreversible Amputation am Körper eines Kindes zu veranlassen, um irgendwelche unwahrscheinlichen Krankheiten vorzubeugen. Man kann dies vor allen Dingen auch nicht mit einer Impfung vergleichen, wie die ab zu zu mal in der Debatte anklang. Bei einer Impfung bleibt der Körper eines Kindes trotz eines – gering ausgeprägten – Risikos völlig intakt. Die drohenden Krankheiten, etwa Diphterie, sind derart riskant, dass dies die geringinvasive Maßnahme der Impfung rechtfertigt. Die VA steht einem solchen Eingriff diametral entgegen: vollkommen unglaubwürdige Studien über Krankheiten, die ohnehin nur selten auftreten, sich im Falle ihres Eintretens auch mit weniger invasiven Therapien wie beispielsweise Antibiotika behandeln ließen oder bei denen es sich, wenn überhaupt, um Krankheiten handeln würde, bei der das Kleinkind oder Baby sexuell aktiv sein müsste, rechtfertigen unter keinen denkbaren Umständen die Amputation eines nicht nachwachsenden Körperteils eines Kindes. Sie liegen daher objektiv gesehen niemals im Kindeswohl – das Kindeswohl ist völlig autonom zu sehen und zu bewerten, unabhängig von den Wünschen, Vorstellungen oder Selbstverwirklichungsabsichten seiner Eltern.
Ich wünsche Ihnen und allen anderen ein schönes und fröhliches Sylvesterfest!
@ Rerun
Ich „begründe“ nicht die Unterschiede zwischen weiblicher und männlicher Beschneidung, sondern stele das Faktum fest, dass diese weltweit rechtlich ungleich behandelt werden. Sprechen Sie deshalb allen (auch den Gremien, die sich mit dem Vollzug der UN-Kinderschutzkonvention beschäftigen), die sich von den Argumenten der Gegner der männlichen Beschneidung nicht übezeugen lassen, grundsätzlich die Rationalität ab?
Entscheidend für mich ist, dass jüdische Eltern, die ihre Söhne beschneiden lassen, nicht gegen die Rechtsordnung verstoßen, auch wenn hier dieser Eindruck erweckt wird.
Die Unterschiede zwischen der weiblichen und männlichen Beschneidung und deren Folgen für Gesundheit und Sexualität sind meiner Meinung nach evident, wir werden sie aber nicht in der Zeid, die diesem Thread verbleibt, noch ausdiskutieren.
Lieber JaM,
das haben wir doch in diesem Threat schon längst behandelt. Es wurden verschiedene Quellen genannt, die ein differenziertes Bild dieser Thematiken ermöglichen. Wenn diese Fakten Ihr Meinungsbildung unberührt lassen, ist das bedauerlich. Es liegt jedenfalls nicht daran, dass in diesem Threat die Zeit oder die Bereitschaft gefehlt hätte, den tabuisierten Vergleich zwischen weiblicher und männlicher Genitalverstümmelung zu behandeln.
@ Stefan Schritt
… und ich habe ihrem Diktum „Wo kein Kläger, dort kein Richter“ bereits widersprochen. In diesem Thread wurde auf eine Reihe von Urteilen (neben der Kölner Entscheidung) verwiesen, die sich mit dem Thema Beschneidung (wenn auch nicht unter strafrechtlichen Aspekten) beschäftigt haben. Unter anderem auch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Antrag auf Einstweilige Anordnung, in der die Verfassungsrichter auch das Beschneidungsgesetz von 2012 erwähnt haben. Den Verfassungsrichtern hätte es offen gestanden, eine verfassungsrechtliche Bewertung des Gesetzes vorzunehmen. Da sie dies nicht getan haben, scheinen sie nicht die Meinung zu teilen, die Knabenbeschneidung bedeute eindeutig die Verletzung des Kindeswohls. Auch weltweit kann man davon ausgehen, dass im Rahmen von Sorgerechtsauseinandersetzungen geschiedener Eltern auch um Beschneidung vor Gerichten gestritten wurde.
Die Schlussfolgerung, dass die Beschneidung nicht verboten werden könnte, habe ich nicht gezogen. Ich habe nur begründet, weshalb ich ein Verbot nicht für gerechtfertigt halte.
@ Alle
Ein gutes neues Jahr 2015!
Also, ich habe die Erklärung von JaM jetzt ehrlich gesagt auch so verstanden, dass sich niemand bewußt gegen die staatliche Ordnung stellen möchte und im Falle eines Konflikts zwischen religiösem und weltlichem Gesetz nach gangbaren Auswegen gesucht wird, beispielsweise Auslandsaufenthalte.
Jetzt könne wir natürlich so weit gehen, zu sagen, dass § 1631d BGB ungültig ist, da verfassungswidrig, aber Nichtjuristen können das erst Mal gar nicht beurteilen und in diesem Sinne würden sie die weitere Rechtsprechung abwarten. Ohne irgend etwas rechtfertigen zu wollen, meine Position zum Thema ist bekannt: das ist erstmal vollkommen legitim.
Gut, also, ich möchte jetzt einfach mal unterscheiden zwischen der derzeitigen Rechtslage und der Frage einer objektiv vorliegenden Menschenrechtsverletzung. Das diskutieren wir ja hier unter anderem.
Außerdem haben die Ärzte und Mohels, die nicht über ALLE Folgen der VA umfassend aufklären, jetzt schon ein erhebliches rechtliches Problem. Eine Einwilligung der Eltern ist nämlich nur dann wirksam, wenn die Eltern wirklich in jeder Hinsicht vollständig aufgeklärt wurden. Dies umfasst die kurz-, mittel- und langfristigen Folgen der VA, alle möglichen Komplikationen, die Bedeutung und Funktion der Vorhaut usw. usf. Hierbei handelt es sich nicht um eine neue oder umstrittene Voraussetzung, das gilt für alle körperlichen Eingriffe.
Dies ganz unabhängig von der Frage, ob § 1631d BGB verfassungswidrig ist oder nicht, ob eine Menschenrechtsverletzung vorliegt oder nicht, ob die Schmerzbetäubung ausreichend erfolgt oder nicht, ob es dem Gesetzgeber überhaupt zustand, über das Intimste eines Menschen zu entscheiden oder nicht.
Wie bereits in diesem Beitrag (http://frblog.de/rund-um-das-thema-beschneidung/#comment-33350) dargelegt, zeigt das Jüdische Museum in der Ausstellung “Haut ab! Haltungen zur rituellen Beschneidung” auch die Dokumentation „Cut. Slicing through the myths of circumcision“. In dieser interviewt Eliyahu-Ungar-Sargon den Rabbi Hershy Worch. Dieser äußert sich darin folgendermaßen (Übersetzung Harald Stücker):
Zitat: „Rabbi Worch: Es tut weh. Es ist Missbrauch. Es traumatisiert. Und wenn jemand, der nicht in einem Bund ist, das tut, sollte man ihn einsperren. Ich glaube, dass niemand eine Entschuldigung dafür vorbringen kann, ein Kind zu verstümmeln, einen Teil seines Geschlechtsteils zu rauben. Wir haben keine Rechte über die Körper anderer Menschen, und die Rechte eines Babys müssen geschützt werden. Ich glaube, dass jeder, der ein Baby beschneidet, Missbrauch begeht, es sei denn, es liegen zwingende medizinische Gründe wegen einer Komplikation vor und ein Urologe sagt: Dieses Baby muss beschnitten werden. Andernfalls, warum?
Eliyahu-Ungar-Sargon: Also wie kann dieser Bund Sie von Ihrer ethischen Verantwortung entbinden, die Sie gerade so wortgewandt dargelegt haben? Wie schafft es Ihr Bund, dass der Begriff nicht auf Sie zutrifft? Wie können Sie behaupten, sich nicht des Missbrauchs schuldig zu machen?
Rabbi Worch: Ich bin ein Täter. Ich missbrauche Kinder, weil ich in einem Bund mit Gott bin. Und letzten Endes gehört Gott meine Moral. Ihm gehört mein Körper. Und ihm gehört meine Vergangenheit und meine Zukunft, und das ist die Bedeutung dieses Bundes; dass ich zugestimmt habe, die Schmerzen und die Rechte und das Trauma meines Kindes zu ignorieren, um in diesen Bund einzutreten.“ Zitat Ende.
Stücker kommentiert: „Niemand könnte öffentlich ein solches Statement in einem anderen als religiösen Kontext äußern und für etwas anderes als verrückt gehalten werden. Und niemand könnte das, was in diesem religiösen Wahnbild beschrieben wird, in einem anderen als religiösen Kontext tatsächlich tun und am nächsten Tag noch frei und unbehelligt herumlaufen.“ Wie bei jedem anderen, müsste auch hier die strafrechtliche Konsequenz greifen. (http://frblog.de/rund-um-das-thema-beschneidung/#comment-33543)
Auch die jüdische Rechtsauffassung über „Die Gleichwertigkeit aller Menschen“, die für JaM angeblich eine „Maxime“ darstellt, die sein „religiöses und politisches Handeln“ und seine „jüdische Praxis“ seiner Behauptung nach durchdringt (http://frblog.de/rund-um-das-thema-beschneidung/#comment-33596), macht der Rabbiner Worch deutlich.: „Und wenn jemand, der nicht in einem Bund ist, das tut, sollte man ihn einsperren.“ Die spezielle Verbindung mit der jüdischen Gottesbehauptung – der Bund -, die über die Beschneidung entstehen soll und die Juden für sich als Alleinstellungsmerkmal gegenüber allen anderen Menschen beanspruchen, soll also einem Juden erlauben, eine Tat ungestraft begehen zu dürfen, für die man einen anderen Menschen „einsperren“ „sollte“. Mir wird klar, warum (wahrscheinlich) JaM meine simple Frage nicht beantworten will. (http://frblog.de/rund-um-das-thema-beschneidung/#comment-33683)
Dass die Rechtsauffassung der Abgeordneten, die für die Beschneidung gestimmt haben, mit derjenigen von Worch letztlich übereinstimmt, demonstriert stellvertretend Frank-Walter Steinmeier (SPD) (http://frblog.de/rund-um-das-thema-beschneidung/#comment-33323), der es sich einfach nicht vorstellen kann, dem Gesetz zu widersprechen, weil die natürlich zwingend notwendigen strafrechtlichen Folgen andernfalls jüdische Beschneider treffen würden. Auch beweist Steinmeier, dass er seinem eigenen Unwohlsein Abhilfe verschaffen will, und nicht etwa, wie es ihm vorgeschrieben ist, das Kindeswohl berücksichtigt. Denn, dass er die Beschneidung grundsätzlich für strafwürdig hält, geht aus seiner, seiner Meinung nach notwendigen, Verschiebung des Zeitpunktes hervor. Das Frank-Walter-Steinmeier-Wohl geht über das Kindeswohl. Prof. Dr. Rolf Dietrich Herzberg, der ebenfalls das „ehrliche Bekenntnis des Rabbiners Worch“ aufgreift, äußert sich mit Bezug auf Brigitte Zypries: „In welchen Händen liegt unsere Gesetzgebung!“
Auch hier stellt sich die Frage, warum diese Informationen auf der Ausstellung überhaupt bereitgestellt werden. Warum wird Maimonides wiedergegeben, der die Schädigung von Menschen zur gewollten Weisheit erhebt, warum wird die Erlaubnis der Wahlfreiheit des Vaters an den Sohn dort präsentiert (erster Link oben), warum wird die Öffentlichkeit auf die Geständnisse des Rabbis Worch geradezu mit der Nase gestoßen, welche die dahinterliegende Unethik unwiderlegbar deutlich bezeugen? Alles sind Sachargumente, die der Beschneidung entgegenstehen. Ich kann mir nichts anderes vorstellen, als dass die objektive Wirkung auch mit der dahinterliegenden Zielsetzung übereinstimmt. Dass die Beschneidung auch von Juden in Zweifel gezogen wird.
Die Wege der Wahrheit sind unergründlich. 🙂 In diesem Sinne. Allen einen guten Rutsch und ein frohes und gesundes(!) neues Jahr.
Auch dem Kind, das in diesem neuen Fall mit Herpes, auf Grund der Metzitzah B’peh (http://de.wikipedia.org/wiki/Brit_Mila#Ultraorthodoxes_Ritual_Metzitzah_B.E2.80.99peh), bei der der Mohel das Blut von der Wunde des frisch beschnittenen Penis des Kindes mit dem Mund absaugt, infiziert wurde (https://www.beschneidungsforum.de/index.php?page=Thread&threadID=5253). Siehe auch hier eine Variante der Durchführung, wenn der Mohel mit dem Fingernagel „beschneidet“. (http://frblog.de/rund-um-das-thema-beschneidung/#comment-33598)
Ja. Wenn man nur wüsste, dass es schadet. (http://frblog.de/rund-um-das-thema-beschneidung/#comment-33632)
Cut Slicing Through the Myths of Circumcision: http://www.cutthefilm.com/
Rabbi Hershy Worch im Originalton: http://www.noharmm.org/CArabbi%20admits.htm
Harald Stücker: https://evidentist.wordpress.com/2012/12/21/wurden-sie-ihrem-gott-ihr-kind-opfern/
Herzberg: http://www.zis-online.com/dat/artikel/2012_10_705.pdf
NEIN. Das BVerfG hat keine Wertung abgegeben. Ich fürchte, ich muss das hier noch einmal näher erklären.
Alle gerichtlichen Beschlüsse bestehen aus zwei Teilen: der Zulässigkeit und der Begründetheit. Im Rahmen der Zulässigkeit wird erörtert, ob die Klage oder ein Antrag oder ein sonstiges Begehren formell zulässig ist. Gibt es hier keinerlei Anhaltspunkte für problematische Fragen, wird auch oft geurteilt: „Die Klage (oder der Antrag) ist zulässig und begründet“. Dann folgen nur noch Ausführungen zur Begründetheit.
Erst im Rahmen der Begründetheit wird das sog. „materielle Recht“ geprüft, hier würde das also die Frage betreffen, ob die Norm verfassungswidrig ist oder nicht.
Wird das Begehren als unzulässig abgewiesen, so wird auf die Begründetheit niemals eingegangen. JaM, für Sie noch einmal ganz deutlich und langsam: NIEMALS.
Jährlich hat das BVerfG ca. 7000 Anträge zu prüfen. Hiervon werden ca. 98% als unzulässig abgewiesen.
Es gab zwei Entscheidungen des BVerfG zur Frage des § 1631d BGB, nicht eine. In beiden Fällen wurde der Antrag als UNZULÄSSIG verworfen.
Erste Entscheidung: BVerfG, Ablehnung einstweilige Anordnung vom 13. Februar 2013 – 1 BvQ 2/13 –
Orientierungssatz:
„1. Ein Einschreiten des Bundesverfssungsgerichts im Wege einer einstweiligen Anordnung gem § 32 BVerfGG ist nicht dringend geboten, wenn das erstrebte Ziel auch auf einem anderen Wege, insbesondere durch das Anrufen anderer Gerichte erreicht werden kann (vgl BVerfG, 24.04.1974, 2 BvR 236/74, BVerfGE 37, 150 ). (Rn.8)
2. Hier:
2a. Der Antragsteller erstrebt die Aussetzung der fachgerichtlichen Entscheidungen im Wege der eA, um zu verhindern, dass die Kindesmutter in Ausübung ihres alleinigen Sorgerechts die aus seiner Sicht kindeswohlgefährdende Beschneidung des Kindes vornehmen lässt.
2b. Insofern kann der Antragsteller jedoch zunächst fachgerichtlichen Rechtsschutz suchen. So könnte er eine Abänderung der Sorgerechtsentscheidung beantragen (§ 166 FamFG, §§ 1696, 1671 BGB). Zudem könnte er eine Prüfung gem § 1666 BGB veranlassen. Die Inanspruchnahme vorläufigen fachgerichtlichen Rechtsschutzes ist dem Beschwerdeführer auch zumutbar. (Rn.11)“
Was heißt das?
Das BVerfG darf nicht angerufen werden, wenn nicht zuvor der Rechtsweg über die Instanzen ausgeschöpft wurde. So war es hier. Mehr zu diesen Voraussetzungen kann man laienverständlich –> HIER nachlesen.
JaM, jetzt nochmals zusammenfassend: es handelt sich bei der Ausschöpfung des Rechtsweges um eine Voraussetzung der Zulässigkeit des Antrages. Der Antrag war unzulässig, weil sich der Antragsteller direkt an das BVerfG gewendet hat und nicht an das zuständige Fachgericht. Weil der Antrag unzulässig war, wurde das materielle Recht im Rahmen der Begründetheit nicht geprüft. Zudem handelt es sich in solchen Fällen ohnehin um eine Frage von § 1666 BGB und nicht um eine Frage des § 1631d BGB. Das war übrigens in dem von mir betreuten Fall ähnlich; ich habe den Antrag auf Erlaß einer eA, in der es der Mutter verboten wurde, die Beschneidung an ihrem Sohn zu veranlassen, vor dem zuständigen Amtsgericht gestellt und nicht vor dem unzuständigen BVerfG. Es war die schnellste eA meines Lebens. Zwischen der Stellung des Antrages, dem Erlaß der Einstweiligen Anordnung durch das Gericht und der Zustellung des Beschlusses an die Mutter durch die Gerichtsvollzieherin vergingen nicht einmal 24 Stunden.
Nun die zweite Entscheidung:
BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 08. Februar 2013 – 1 BvR 102/13 –
Orientierungssatz:
„Der Beschwerdeführer ist durch das „Gesetz über den Umfang der Personensorge bei einer Beschneidung des männlichen Kindes“ (juris: BeschnG) nicht selbst iSd § 90 Abs 1 BVerfGG betroffen. Er trägt vor, im Jahr 1991 als Sechsjähriger von einer nicht als Arzt ausgebildeten Person beschnitten worden zu sein. Die vom Beschwerdeführer angegriffene Vorschrift des § 1631d BGB privilegiert den von ihm geschilderten Fall jedoch gerade nicht.“
Auch hier sprechen wir von einer ZULÄSSIGKEITSVORAUSSETZUNG, nämlich derjenigen, selbst unmittelbar von den negativen Folgen einer Vorschrift betroffen zu sein. Das muss ZWINGEND als Voraussetzung vorliegen. Es gibt in Deutschland keine Generalklagebefugnis.
JaM, ich hoffe, Sie haben das jetzt einigermaßen verstanden. Das BVerfG wäre gar nicht BEFUGT gewesen, unter solchen Umständen im Rahmen der Begründetheit das materielle Recht zu prüfen.
Jura unterscheidet sich oft sehr von Literaturkritik oder politischer Meinungsbildung. Die Schemata und Voraussetzungen, denen eine juristische Prüfung folgt, sind Laien oft nicht verständlich. Nicht selten glauben sie, Gerichte müssten so denken und urteilen, wie man selbst am Küchentisch über eine Frage denken und urteilen würde. Dem ist jedoch nicht so. Im juristischen Bereich gibt es zwar verschiedene Interpretations- und Subsumtionsmöglichkeiten, diese erfolgen aber ausschließlich im Rahmen streng vorgegebener Prüfungsschemata und unter vorgegebenen Prämissen. Gerichte sind keine Debattierclubs.
Ich wünschen Ihnen und allen anderen ein schönes, glückliches, gesundes und erfolgreiches neues Jahr 2015!