Nun also doch: Um 1000 Soldaten soll das Kontingent der Bundeswehr in Afghanistan aufgestockt werden. Das plant die Bundesregierung; der Bundestag muss im Herbst darüber entscheiden – ebenso darüber, das Mandat bis Ende 2009 auszudehnen. Da die Leserbriefe zu diesem Thema eine deutliche Sprache sprechen, mache ich selbst hier nicht viele Worte. So meint Ralph Thannhäuser aus Pohlheim:
„Am Sonntag, 10. 2. 2008, lief die Meldung durch die deutsche Presse: ‚Deutschland überempfindlich – Gates warnt vor Nato-Spaltung‘. Deutschland stand im Streit über die Lastenverteilung im Afghanistan-Einsatz unter Druck. Während die Bundesregierung Pläne für eine massive Truppenaufstockung auf bis zu 4500 Soldaten dementierte, beharrten die USA auf dieser Zahl und auf deutschen Kampfeinsätzen im Süden des Landes. Vorher wurde mit einem ungewöhnlich scharfen Brief an Verteidigungsminister Jung mehr oder weniger Gehorsam eingefordert. Nachdem jetzt diese Forderung der USA nach nur vier Monaten wortwörtlich erfüllt wurde, wird in der deutschen Presse unisono behauptet, es seien nur Vorschläge aus den Reihen der Bundeswehr umgesetzt worden. Seit wann ist US-Verteidigungsminister Gates in der Bundeswehr? Dass unsere Politiker mittlerweile von einem alzheimerartigen Kurzzeitgedächtnis der Wähler ausgehen, ist ihren Handlungen und ihrem Geschwätz ja anzusehen. Aber dass sämtliche deutschen Journalisten dieses tatsächlich zu haben scheinen, verwundert doch sehr.“
Martin Singe aus Bonn:
„Thomas Kröters Leitartikel zur Erhöhung des Bundeswehrkontingents in Afghanistan hebt sich wohltuend von vielen anderen derzeitigen Kommentaren überregionaler Zeitungen ab. Kröter fordert von der bundesdeutschen Politik eine ‚ehrliche Bestandsaufnahme‘, die bisher ausgeblieben sei und die er eher für unwahrscheinlich hält.
In der Friedensbewegung wird diese Bestandsaufnahme in Konferenzen und Analysen seit langem versucht. Die Forderungen sind eindeutig: Die Mandate ISAF und OEF dürfen nicht mehr verlängert werden, eine Abzugsstrategie für die Soldaten und eine zivile Wiederaufbaustrategie sind vonnöten. Der terroristische „Krieg gegen den Terror“ gebiert nur neuen Terror. Die Kriegsbeteiligung der Bundesregierung begründet sich auf blinde US- und Nato-Bündnissolidarität, gepaart mit dem Willen, Anteile am Kuchen zu erringen, der mit imperialer Besatzungspolitik weltweit gebacken werden soll. Dem Bürger wird dabei nur Sand in die Augen gestreut, um Kritik zu lähmen. Das ISAF-Mandat wird als humanitäres Hilfsengagement verkauft, obwohl die ab 1. Juli zum Einsatz kommende Quick Reaction Force, die Panzerbrigade 21 der Bundeswehr, für offensive Kampfeinsätze vorgesehen ist. Die Beteiligung am völkerrechtswidrigen OEF-Krieg durch ISAF-Soldaten, Tornado-Unterstützung und KSK-Soldaten wird kleingeredet, obwohl die Vermischung beider Einsatzformen immer offensichtlicher wird. Die für OEF gestellten KSK-Soldaten, deren Einsatz vor der eigenen Bevölkerung und dem Parlament verheimlicht wird, kommen inzwischen unter ISAF zum Einsatz. Die Mandatsunterscheidung gelte ohnehin nur für die Europäer, heißt es in US-Kommentaren. Der am 3.6. neu ernannte US-Kommandeur der ISAF-Truppen, die ja inzwischen in ganz Afghanistan tätig sind, General McKiernan, hat schon von 2002 und 2004 die US-Truppen im Irak geführt, während des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges auf den Irak. Er hat ein hartes militärisches Vorgehen gegen Aufständische angekündigt.
Sind wir erst bis zur Taille im Sumpf, wie Thomas Kröter schreibt, oder nicht doch schon bis zum Hals? Die Abgeordneten des Bundestages haben im Herbst eine Gewissensentscheidung zu fällen. Noch kann man raus aus dem Sumpf!“
Alekuzei Rabani aus Kassel:
„Wer glaubt, dass Afghanistan allein durch die Präsenz von mehr Soldaten und Einsatz von hochmodernen Waffen befriedet wird, befindet sich auf dem Irrweg. Die Sowjetarmee hatte von 1979 bis 1988 ständig 140.000 Soldaten im Einsatz, die alle 6 Jahre ausgetauscht wurden. Diese wurden von ca. 150.000 Soldaten des kommunistisch regierten Afghanistan unterstützt. Das Ergebnis war, dass die Rotarmisten 1988 das Land mit hängenden Köpfen abzogen. Sie hinterließen ein zerstörtes Land. Die Kabuler kommunistische Regierung konnte sich gerade noch bis 1992 halten. Der Präsident wurde schließlich 1996 von Taliban aufgehängt.
Die Sowjets und deren Verbündete haben damals in Afghanistan einen großen Fehler gemacht. Sie haben das afghanische Volk nicht ‚mitgenommen‘. Jetzt läuft es ähnlich. Das afghanische Volk bleibt auf der Strecke, weil der zivile Wiederaufbau gegenüber den Militärausgaben verschwindend klein ist.
Wie kann man vom Aufbau eines Staates sprechen, wenn es in der Hauptstadt täglich vier bis sechs Stunden Strom gibt und acht bis zehn Stunden fließendes Wasser? Wie sieht es dann erst auf dem flachen Land aus? Da muss man auf den Kopf gefallen sein, um das Märchen vom zivilen Wiederaufbau Afghanistans zu glauben. Es muss umgekehrt laufen: Für zivilen Wiederaufbau sollte man mindestens 70 % der Gelder ausgeben, damit das afghanische Volk den Erfolg in kurzer Zeit spürt und dadurch „mitgenommen“ wird. Bei meinen Besuchen habe ich Kabuler sagen hören: „Uns ist es egal, wer da oben regiert, ob Taliban oder die Anderen.“ Das ist eine Äußerung, die einen nachdenklich macht.
Der Krieg tobt seit April 1978 in Afghanistan. Die internationalen Truppen sind seit 2001 in Afghanistan. Wie lange will man noch in Afghanistan bleiben? Wenn die Verantwortlichen nicht umdenken, glaube ich, dass Afghanistan ein Sumpf wird, in dem nicht nur die Afghanen runtergehen, sondern auch die internationalen Truppen. Ich hoffe aber, dass die Verantwortlichen umdenken.“