Gabriel vs. Slomka: Polemisch und überspitzt

„Es ist nicht das erste Mal, dass Sie in Interviews mit Sozialdemokraten nichts anderes versuchen, als uns das Wort im Mund umzudrehen.“ Dieser denkwürdige Satz fiel am 28. November im ZDF heute journal, und der ihn fallen ließ, war kein Geringerer als der SPD-Vorsitzende und wohl angehende Vizekanzler Sigmar Gabriel. Er wehrte sich auf diese Weise gegen die hart nachhakende Moderatorin der Sendung, Marietta Slomka. (Wer es nicht gesehen hat – hier ist das Video, das Zitat fällt ab 6:29.) Hat er recht mit seiner Unterstellung, oder ist diese Behauptung nicht vielmehr ein Armutszeugnis? Er war ganz schön in die Enge getrieben an dieser Stelle des Interviews, denn er hatte quasi durchblicken lassen, dass er von den Bedenken des Verfassungsrechtlers Degenhardt gegen das SPD-Mitgliedervotum über den Koalitionsvertrag keine Ahnung hatte. In solchen Situationen fühlen sich Politiker gern mal als Opfer einer Kampagne, als Gesinnungsverfolgte. Ist immer schlecht, wenn ein Spitzenpolitiker in einem Interview, egal wie hart es geführt wird, solcherart die Nerven zeigt. Ob man Marietta Slomka deswegen gleich als Entertainment-Journalistin bezeichnen muss, wie Stephan Hebel es tut? In manchem allzu lieb geführten Interview mit Angela Merkel etwa würde ich mir ein solches Nachsetzen doch sehr wünschen. Aber wenn ich da schon die Herren Deppendorf und Baumann sitzen sehe …

Sigurd Schmidt aus Bad Homburg meint dazu:

„Der Eklat in der „heute-journal“ ZDF-Sendung zwischen Sigmar Gabriel und der Moderatorin Marietta Slomka wirft ein grelles Licht auf den Anspruch der Medien, durch polemische, überspitzte Formulierungen, Politiker aus der Reserve zu locken.
Hand in Hand mit der gegenüber der Ausarbeitung des GG (1949) noch gar nicht absehbaren Bedeutung der Medien für den demokratischen Prozess, geht die Inflation von Meinungsumfragen in der Bevölkerung. Diese permanenten Meinungsumfragen tendieren dazu, die realen Wahlergebnisse von Bundestags- und Landtagswahlen zu entwerten.“

Herbert Schild aus Nümbrecht:

„Diesmal ist dem ZDF die Hofberichterstattung wirklich nicht gelungen. Es ist eine Schande, dass ich mit meinen Fernsehgebühren solche einseitige Journalisten zwangsweise mitfinanzieren muss.
Frau Merkel sollte mal gefragt werden, wo ihre Regierungstätigkeit und ihr Umgang mit der Parteibasis der CDU sich von derjenigen Honeckers gegnüber der SED unterscheidet.
Ich bin kein SPD Wähler, aber wenn Marietta Slomka nicht soviel Anstand hat, sich bei Sigmar Gabriel für ihre völlig unqualifizierte Fragestellung zu entschuldigen, sollte sie vom Bildschirm verschwinden!“

Johannes Winter aus Frankfurt:

„Der Auftritt des SPD-Parteivorsitzenden Gabriel bei Frau Slomka im ZDF war in seiner unverhohlenen Bräsigkeit so leicht nicht zu überbieten. Sein Körper, für den Herr Gabriel natürlich etwas kann, unterstrich dies. Es war wohl so, dass die unerschrocken und zielstrebig fragende Moderatorin einen wunden Punkt getroffen hatte. Und mit ihren Nachfragen, wie es bester journalistischer Brauch ist, darauf beharrte, dass der Befragte angemessene Antworten gab. Tat er aber nicht. Weil er wohl ahnte, dass sich Wähler (wie ich) inzwischen doppelt genasführt fühlen. Denn erstens strebte die Stimmabgabe den politischen Wechsel an – sowohl in Berlin wie in Hessen – und lief damit ins Leere bzw. verfiel der Machtgeilheit sowohl der SPD (in Berlin) wie der Grünen (in Hessen).
Und zweitens stellt die Inszenierung des SPD-Spektakels „Mitgliederbefragung“, die der Simulation eines Volksentscheides gleicht, eine Verhöhnung der Wähler. dar. Für die nächsten Wahlen weiß der Wähler/die Wählerin nun besser denn je, wen er/sie nicht zu wählen hat. Dafür Dank an SPD und Grüne.“

Diskussion: frblog.de/slomka

Verwandte Themen

23 Kommentare zu “Gabriel vs. Slomka: Polemisch und überspitzt

  1. @Johannes Winter,
    zunächst möchte ich vorausschicken dass ich nicht will, dass die SPD in eine Große Koalition eintritt. Dennoch muss ich in diesem Fall Sigmar Gabriel verteidigen. Ihm seine Erscheinung und angebliche Bräsigkeit an dieser Stelle vorzuwerfen ist unangebracht.
    Frau Slomka hielt es für fragwürdig, dass eine kleinere Anzahl (die Parteimitglieder der Sozialdemokraten gemessen an den Wählen der Sozialdemokraten) die Entscheidung der SPD-Führung für die Große Koalition kippen könnte. Daraus könnte man ihrer Meinung nach schließen, es gebe Wähler 1. und 2. Klasse… Wenn ich mich recht erinnere, haben sowohl Steinbrück als auch Merkel im Wahlkampf betont, eine Große Koalition nicht anzustreben. Somit tut -neben der SPD- die Union mit dem Eintritt in Verhandlungen für eine Große Koalition genau das, was ein großer Teil der Unionswähler eben nicht erwartet hat…
    Sie müssen nun aber die Konsequenz der Entscheidung eines ca. hundertköpfigen Parteigremiums tragen.
    Die Frage ist deshalb berechtigt, ob der vorgesehene Mitgliederentscheid der SPD von heute nicht doch demokratischer ist, als die in der Vergangenheit geübte Praxis. Und deshalb glaube ich, dass Frau Slomka ein wenig zu verbiestert in ihrer Argumentation bei diesem TV-Interview war.
    Liebe Grüße
    Manfred Schmidt Carvoeiro/P

  2. Skan-da-lös! Oder: Von Bergen und Mäusen.

    Es war nur eine Frage der Zeit, daß Bronski dazu ein Blogthema aufmacht, wenn auch ein wenig verspätet. Längst ist der Sturm der Entrüstung abgeflaut, der durchs Land brauste, oder war es doch nur ein Sturm im Wasserglas auf dem Nachttisch des deutschen Michels, der bestenfalls dessen Zahnprothese darin durchgeschüttelt hat? Wie schön ist es, angesichts dieser aufgeplusterten Medienäffaire in Metaphern baden zu können. 🙂

    Aber was war eigentlich wirklich los? War wirklich was los? Eine nicht gerade für besonders Schärfe bekannte Journalistin und Nachrichtenmoderatorin geht mal einen Spitzenpolitiker zu einem umstrittenen Thema etwas schärfer an und insistiert, als der unwirsch und ausweichend reagiert. Beide beharren etwas deutlicher auf ihren Positionen, als es das an scheinserösen Ausgleich mit Vanillesauce gewöhnte deutsche Fernsehpublikum kennt, und schon ist die Eskalation da. Wenn ich Ockhams Rasiermesser ansetze, bleibt nicht mehr, als daß ein von den Koalitionsverhandlungen geschlauchter und müder Gabriel auf eine muntere und ausgeruhte Slomka traf, die mit ihrer Nachrichtenredaktion zusammen (!) ein kritisches Thema zum Interview entwickelt hatte und Antworten wollte. Auf diese Fragen war Gabriel aufgrund anderer Prioritäten aber nicht im mindesten vorbereitet. Er wehrt ab, schafft es mühsam, die Contenance zu bewahren, Slomka nutzt die Gelegenheit und hakt nach. Das hätte ich an Slomkas Stelle auch getan.

    Dabei hätte es bleiben können. Aber prompt schreien das Volk, eine Reihe von Politikern und Teile der Medien lauthals Skandal. Sofort fühlt sich alle Welt berufen, Vorschriften zu machen, was Journalismus angeblich dürfe und was nicht, natürlich immer nur im Rahmen dessen, was ins eigene Weltbild paßt. Und nicht wenige Zeitgenossen fühlen sich berufen, küchenpsychologische Diagnosen auf dem Niveau peinlichster Dummheit über Slomka und Gabriel losgelassen, wobei Slomka als Frau nocheinmal besonders subtil bis offen frauenfeindlich attackiert wird. Aber auch die Kritik Johannes Winters an Gabriel, die sich auf dessen Körperfülle bezieht, ist an Niveaulosigkeit schwer zu unterbieten. Andere stricken fleißig an Slomkas Legende als strahlende Heldin der freien Presse, was sie aber nicht ist. Ersten steht noch eine ganze Redaktion dahinter, und zweitens ist die Berichterstattung des ZDF nicht wirklich so unabhängig und unbequem investigativ, wie der Sender das gerne darstellt.

    Richtig zum absurden Vorweihnachtstheater wurde die Angelegenheit, als der bayerische Wahlmonarch Seehofer als wackerer Verteidiger des designierten Vizekanzlers beim ZDF vorstellig wurde und von dessen Indendant Thomas Bellut verlangte, die unbotmäßige Journaille möge zukünftig besser an die Kandare genommen werden und solle sich besser in Hofberichterstattung üben. Derartige Einflußnahme auf die Medien ist man seitens der CSU ja gewöhnt, und insbesondere das ZDF kann ein Lied davon singen. Prompt wies Bellut das Ansinnen Seehofers als unangemessen und als Attacke auf die Pressefreiheit zurück. Das ist auch dringend nötig, denn die mangelnde Staatsferne des ZDF ist schließlich nicht zu übersehen. Seit einiger Zeit ist eine Verfassungsklage gegen den ZDF-Staatsvertrag wegen übermäßiger Einflußnahme der politischen Parteien in den ZDF-Kontrollgremien anhängig. Bellut begrüßte das Verfahren ausdrücklich und hofft auf eine Klärung aus Karlsruhe.

    Aber zu guter letzt ließ auch Gabriel verlauten, alles sei ein gewöhnlicher Vorgang gewesen. Frau Slomka habe ihn sozusagen mit „verstärkter Höflichkeit“ befragt, und das dürfe sie auch. Und er habe mit „verstärkter Höflichkeit“ geantwortet. Das Interview war halt ausnahmsweise eine Andeutung dessen, wie es immer sein könne – mit kräftiger Würze statt einmal am Pfeffer vorbeigetragen. Es bleibt am Ende doch nur das übliche Wischi-Waschi des Rituals „Journalisten fragen, Politiker antworten.“ Also sollten wir den Quatsch auch schnellstmöglich wieder ad acta legen und und weiter von journalistischen und politischen Luftblasen einlullen lassen.

  3. @ EvaK

    Nur um das noch einmal klarzustellen: Das FR-Blog funktioniert im Rhythmus der Leserbriefe, nicht im Rhythmus der Tagesaktualität. Das wissen Sie doch, oder? Wenn viele Leserbriefe zu einem Thema hereinkommen, dann mache ich dazu hier auch eine Debatte auf. Zwangsläufig startet ein solche Debatte dann später. Die Erfahrung sagt, dass diese Debatten jedoch nie zu spät kommen. Gerade wenn wieder Ruhe zu einem Thema eingekehrt ist, kann man in Ruhe vertiefend darüber diskutieren. Unsere Blog-Diskussionen hier kommen ja sowieso oft vom Hundertsten ins Tausendste und entwickeln sich dabei vom Ausgangsthema weg. Also alles wie gehabt.

    Beste Grüße von Bronski

  4. @ EvaK #2

    Bis auf eine Kleinigkeit möchte ich ihnen zustimmen: Ob es nun die Redaktion oder nur Frau Slomka war, die hier Degenhardt gegen Gabriel ins Feld ziehen ließ, ist ziemlich egal. Degenhardt vertritt hier eine klare Außenseiterposition, die man auch nicht unbedingt kennen musste, bis das ZDF sie auf diese Weise gepusht hat. Frau Slomka hätte sie zuerst einmal sauber darstellen müssen, nur einfach das Stichwort vom imperativen Mandat war da etwas dünn. Und diese eigentliche Argumentation Degenhardts hat sie dann nach der ersten Antwort Gabriels nicht weiter verfolgt, sondern etwas von einem Zwei-Klassen-Wahlrecht gefaselt. Gefaselt passt wirklich, denn es liegt nicht nur in der Natur der Sache, dass Parteimitglieder politisch mehr zu bestimmen haben als Nichtparteimitglieder – sie stellen die Kandidaten, sie machen das Programm – es ist von der Verfassung sogar ausdrücklich gewollt. Was der Wähler bestimmt, ist die Verteilung der Parteien im Parlament, alles andere wird dann in den Parteien entscheiden, bisher meistens von oben, und nun halt mal von unten. Und diese Entscheidung ist in beiden Fällen nicht bindend für die Abstimmung der Parlamentarier, sie entscheiden politisch, entweder nach Gewissen oder nach Kalkül.

    Dass Slomka in dieser Phase nicht erkannt hat, dass Gabriels Stegreifantwort eine nicht nur vertretbare sondern auch erkennbar richtige Antwort auf ihre weiteren Einlassungen war, zeigt, dass sie da einfach überfordert war. Und Überforderung ist keine gute Basis zum Insistieren.

  5. Super, Frau Slomka. Sie haben nur durch Fragen uns das wahre Gesicht sowohl der SPD-Politiker als auch der CSU-Politiker gezeigt und den Herrn somit ein praktisches Beispiel von Demokratie vorgeführt.

  6. Gerade die mit diesem Beitrag geschilderten Auswüchse im Journalismus haben mich schon vor etlichen Jahren bewogen, den Fernsehapparat aus dem Haus zu schmeißen. Der konkrete Anlass war ein Briefwechsel mit der Produktion der Sendung Christiansen, in dem ich einfach nur wissen wollte, nach welchen Kriterien die „Gäste“ ausgewählt würden. Noch heute bin ich der Meinung, „Entertainment und Quote“ und nicht „Qualität und Qualifikation“ setzen die Maßstäbe beim Fernsehen!
    Und wenn in diesem Artikel erwähnt wird, wie sich das „Handelsblatt“ verfassungsrechtlich „engagiert“, dann weise ich auf dessen Ausgabe zum Wahlwochende hin, vom 20.09.: Titelbild das Lorbeer umkränzte Haupt von Angela Merkel, „Die Alternativlose“ unterschrieben und Seite 5 mit einer ganzseitigen Anzeige der Unternehmensgruppe Tengelmann „Stimmzettel“, links rot mit Stinkefinger, rechts schwarz mit „Rautenhänden“ à la Merkel mit Wahlkreuz und Unterschrift „Im Zweifel für die Raute! Treffen Sie Ihre Wahl!“
    Leider sind es immer noch viel zu wenige Menschen (Wähler!), die sich gegen solch platte Verdummung wenden. Schlimm ist, dass den Abenteurern in der heutigen Massengesellschaft immer noch erlaubt wird, sich für wichtig zu halten. Armes Deutschland!

  7. Was die Slomka da angerichtet hat, das war subkutan, das ging buchstäblich „unter die Haut“: Mit einer Frau Dr. Merkel hätte sie einen derartigen Affentanz nicht gewagt. Eigentlich hat man diese Frau Slomka ganz gern gemocht; jetzt wird sie „liefern“ müssen.
    Übrigens: Ich werde mit „Ja“ stimmen; nach einem kompletten Wochenende der Verinnerlichung des Koalitionsvertrages, nach aller Erfahrung einer 57-jährigen SPD-, einer 66-jährigen Gewerkschafts-Mitgliedschaft! Allein der Mindestlohn ist ein Stopsignal gegen die Tendenz, die Arbeitnehmerschaft auf den Punkt hinunter zu treiben, an dem Karl Marx, an dem Ferdinand Lasalle seinerzeit angefangen haben.

  8. @Bronski: Ziehen Sie die Rüstung bloß wieder aus. 🙂 Mein Einleitungssatz sollte kein Angriff auf Sie sein.

    @Frank Wohlgemuth: Daß sich die Redaktion des Heute-Journals nicht sehr geschickt bei der Auswahl und vor allem Vorbereitung des Themas angestellt hat, habe ich bei der Betrachtung mal außen vor gelassen. Da dachten sie wohl, sie hätten einen netten Aufhänger, der sich aber bei genauem Hinsehen als zweischneidig erwies. Zu dumm aber auch, daß Gabriel mal nicht bei der Sache war und das eingespielte Nichtfrage-Nichtantwort-Ritual zwischen ÖR-Journalisten und Politikern mal kurz sehr offensichtlich machte und ad absurdum führte. Darauf war Slomka nicht eingestellt, hat die Kurve nicht gekriegt und einfach das Programm abgespult.

    Das ist auch der wesentliche Grund, weshalb ich Slomka und ihre Redaktion nicht als Helden des Journalismus betrachte. Die Leute machen ihren Job, und da geht bei aller Professionalität und Routine auch schon mal was daneben. Das passiert halt nur öffentlich und unübersehbar. Manche nehmen das dann zum Anlaß, darüber ausführlich zu moralisieren und Lehren für den Journalismus daraus zu formulieren, wie aktuell Jakob Augstein als Kolumnist im Spiegel. Das ist schön, das ist richtungweisend, und alle machen weiter wie gehabt, bis die nächste Sau durchs Dorf getrieben wird.

  9. @Jörg Heck: Nö! Das einzige, was uns Slomka und Gabriel mit ihrem kleinen Spielchen gezeigt haben, ist die Inhaltsleere des übblichen Frage-Antwort-Spielchens zwischen Journalisten im politisch abhängigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk und den Politikern als Kontrolleuren des ÖR Rundfunks. Beide waren für einen Moment unaufmerksam, da ging das hohle Ritual daneben und die Fassade etwas hoch. Dahinter: Luftblasen, sonst nichts.

  10. @ Frank Wohlgemuth,#5, EvaK,#2

    Im Wesentlichen stimme ich der Einschätzung von Frank Wohlgemuth zu, muss aber einigen verallgemeinernden Äußerungen von EvK widersprechen.
    In Vorbereitung einer Einschätzung der Mitgliederbefragung und des Koalitionsvertrags habe ich „Die Welt“, die FAZ und etwa 300 Stellungnahmen in Faz.net durchforstet. Und, Sie werden sich wundern: Bei der überwältigenden Mehrheit fand Frau Slomka ein verheerendes Echo. „Die Welt“ nennt sie „rechthaberisch“ (29.11.) Die FAZ warf ihr vor, sie habe „mit Gabriel geredet wie mit einem Spinner“ (28.11.) und sei „gescheitert“ (30.11.). Nun sind diese beiden Presseorgane nicht gerade als Sprachrohr der SPD bekannt. Gleiche Tendenz bei den Foristen in Faz.net. Kaum einer erregt sich über Gabriel, recht viele aber – sicher zu Recht – über Seehofer (auch das ist neu!“) Lediglich einige (die sich vorwiegend als AfD-Anhänger identifizieren lassen) schätzen den „Mut“ von Frau Slomka. Warum sich die plötzlich so für sie ins Zeug legen, ist nicht allzu schwer auszumachen. Vergleich mit dem in der Tat unterirdischen Beitrag von Johannes Winter hier im Blog gibt eine deutliche Antwort.
    Im Übrigen habe ich in der großen Anzahl von Stellungnahmen keine entdeckt, die Frau Slomka „frauenfeindlich attackiert“ hätten. Für diese Behauptung – wohl eher Spekulation – würde ich schon gerne die Quelle erfahren. Man muss ja nicht gleich überall Frauenfeindlichkeit vermuten.
    Nun zum Interview selbst:
    Der Beschluss zur Mitgliederbefragung war seit Wochen bekannt. Zeit genug für das ZDF zu recherchieren, wenn irgendwelche Verfassungsbedenken existiert hätten. Uns das wäre auch seine Pflicht gewesen. Stattdessen wird pünktlich zum Anlaufen der Mitgliederbefragung vom „Handelsblatt“ und Frau Slomka medienwirksam die Außenseitermeinung des ominösen Herrn Degenhardt in die Welt gesetzt, von Frau Slomka zum „imperativen Mandat“ vergröbert (das nicht einmal parteiintern existiert) und zum Verfassungsproblem aufgebauscht, angeblich „von ernst zu nehmenden Verfassungsrechtlern diskutiert“. Nur, dass sich seltsamer Weise sich bis dato keiner von diesen zu Wort gemeldet hat, um den Kollegen zu stützen.
    Ganz im Gegenteil. So meint der Rektor der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, Joachim Wieland: „Da die Bürgerinnen und Bürger bei der Bundestagswahl zwar über die Zusammensetzung des Deutschen Bundestages, nicht aber über Regierungskoalitionen entscheiden, wird ihre Wahlentscheidung durch den Mitgliederentscheid nicht entwertet“
    (http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/spd-mitgliederentscheid-wenn-14-jaehrige-ueber-deutschland-entscheiden/9163188.html).
    Frau Slomka dagegen wird von der Fragestellerin zur hektischen Diskutantin, unterbricht, faselt munter darauf los: „Alle Gewalt geht vom Volk aus“, schließt daraus messerscharf, dass Gabriel Parteimitglieder „für die besseren Menschen“ halte.
    Was bitteschön hat das alles mit „kritischem Nachhaken“ und seriösem Journalismus zu tun? Kann man von einer Spitzenjournalistin nicht erwarten, dass sie die Rollen der Interviewerin und der Diskutantin auseinander halten kann? Dass sie, wenn es um Interpretation des Grundgesetzes geht, sich vorher kundig macht? Dass sie wenigstens den Unterschied zwischen parteiinterner Willensbildung und Parlamentswahlen kennt? Dass sie sich der Unterstellungen enthält?
    Zudem: Ich habe mich 15 Jahre mit Theater beschäftigt, speziell mit Körpersprache, und dies auch praktiziert, traue mir zu, diese auch zu interpretieren. Dergestalt, dass m.E. die Bemerkung Seehofers, Frau Slomka habe Gabriel „wie einen dummen Schulbuben vorführen wollen“ den Nagel ziemlich auf den Kopf trifft (was nicht seine Intervention rechtfertigen soll).
    Schlussfolgernd pflichte ich in diesem Fall Herrn Hebel bei der Bemerkung „Entertainment-Journalistin“ bei. Eben dies, dass Nachrichten und politische Sendungen sich doch gefälligst am Stil von „DSDS“ messen sollen, wird offenbar von denen erwartet, die Frau Slomka auf den journalistischen Olymp heben wollen. RTL tut das ja schließlich schon heute.
    Und ein Letztes: Insofern, als sich an dem Vorfall sowohl Tendenzen als auch politische Einstellungen des ZDF aufzeigen lassen (Adenauer-Fernsehen lässt grüßen!), ist es m.E. auch keine Lappalie. Und ist daher allemal einen Thread im FR-Blog wert.

  11. @Werner Engelmann: Dreihundert Froenbeiträge und Stellungnahmen sind für mich keine Maßgabe, vor allem nicht als Wegweiser, wie ich eine Situation beurteilen sollte. Und so verallgemeindernd, wie Sie meinen Beitrag gerne relativieren wollen, ist er durchaus nicht. Und tatsächlich konstatiere ich Slomka Faseln, wenn auch weniger direkt als Sie. Ich schrieb, sie habe das Programm runtergespult. Aber ich habe auch versucht, Gründe für dieses Verhalten zu sehen und darzulegen. Das wiederum vermisse ich bei Ihnen und wahrscheinlich dreihundert Stellungnahmen. Da wird laut diagnostiziert, aber nicht der Versuch einer Analyse gemacht. Möglicherweise glauben dreihundert Stellungnehmer samt den Kommentatoren von FAZ und Welt immer noch, was da in den Tagesthemen und im Heute-Journal geboten wird, wenn ein Interview geführt wird, sei wahrhaftig und authentisch. das ist es aber nicht, und gerade das Slomka-Gabriel-Interview hat diese ewige Farce einmal demaskiert. Würde das so manche Empörung erklären?

    Das wäre Slomkas einziges Versagen, daß sie das nicht rechtzeitig gemerkt hat und statt dessen auf der Fortführung des bereits entgleisten Rituals samt vorbereiteten Fragen insistierte. Ein verunglücktes Theaterstück (!) eben, und so könnte man Gabriels Äußerung vom Quatsch beenden auch interpretieren. Auf der Schiene kann ich mich dann auch dem Begriff Entertainment-Journalismus annähern als das, was die ÖR Sender in ihren Nachrichtenmagazinen zu bieten haben. Übrigens sind die Österreicher da noch ein kleines Stück besser. In ZIB 2 instistieren die in ihren Interviews regelmäßig, wie es der an Vanillesauce gewöhnte deutsche Durchschnittzuschauer nicht kennt. Und doch ist es eine Inszenierung, nur eben gewürzter, nicht so fade.

  12. Frau Slomka hat seit jeher die Weisheit mit Löffeln, ach was, eimerweise gefressen. Meint sie jedenfalls offenbar. Und so moderiert sie dann auch.
    Von den 4-5 „Anchor“-Leuten in heute-journal und Tagesthemen ist sie jedenfalls die mit Abstand schlechteste.

  13. @EvaK
    „Ich schrieb, sie habe das Programm runtergespult.“

    Das normale „Programm“ ist Frage Antwort – Frage Antwort – usw., wobei die Antwort häufig ein Ausweichen darstellt. Das nimmt man dann als Interviewer hin oder fragt nach. An der Stelle ist der Interviewer dann weitgehend auf sich selbst gestellt, er muss z.B. selbst erkennen, ob die Frage evtl. teilweise beantwortet wurde, um sie beim nächsten Mal auf den unbeantworteten Teil zu präzisieren. Das ist der ganz normale Eiertanz zwischen einem, der etwas wissen und dem anderen, der es ihm nicht erzählen will. Wenn der Frager dann sehr geschickt ist, kann er es vielleicht schaffen, den Gegenstand von einer anderes Seite her kommend einzuengen. Solange er dabei freundlich genug ist, bekommt er auch Antworten, auch mal irgendwann so eine „Sie können noch so lange fragen, darauf gibt es von mir heute keine Antwort.“ Da bewegen wir uns aber bereits in der hohen Schule des Interviews und da sollte man irgendwann auch die zweite Ebene der Vorstellung sehen: Nicht nur Politiker sind eitel, jeder Nachrichtenredakteur betreibt mit jedem Interview ein Schaulaufen für die moderatorendefinierten Talkshows.

    Aber genau dieses Programm hat Slomka nur bedingt abgespult, das Ende unterlag nämlich nicht ihrer Kontrolle. Die allererste Frage war eine Demonstration selektiver Wahrnehmung (Zustimmung vs. Nichtzustimmung zum Koalitionsvertrag), wobei wir nicht wissen, wessen Wahrnehmung objektiver war. Das hat sie nach einer Nachfrage auf sich beruhen lassen und ist dann mit Degenhardt gekommen, war mit der Antwort nicht zufrieden und begann dann mit ihrer Geschichte vom Parteimitglied als besserem Wähler schlecht zu improvisieren. Auch darauf ist Gabriel noch eingegangen und hat von seiner Seite her auch erklärt, warum das Unsinn ist. An der Stelle hat sie nicht gemerkt, dass seine Erklärung zutraf, hat die Frage wiederholt und dieses unproduktive Pingpong hat er dann irgendwann als Quatsch abgebrochen.

    Bis auf die eine Tatsache, dass Gabriel am Ende etwas deutlicher wurde, als es bei uns üblich ist, und die andere, dass die Qualität der öffentlich-rechtlichen Moderatoren bei Dissonanzen normalerweise am Ende ausreicht, den Politiker blöde aussehen zu lassen, anstatt selber blöde auszusehen (das ist wahrscheinlich der eigentliche Skandal), war das also ein normales Interview. Es ist übrigens ganz interessant, sich dieses Interview ein zweites Mal anzusehen; ich verstehe jetzt Engelmanns bzw. Seehofers Kommentar besser, dass Slomka versucht habe, Gabriel wie einen dummen Schulbuben vorzuführen. Slomka ist die ganze Zeit bemüht, mimisch eine Überlegenheit zu demonstrieren, die sie intellektuell nicht hat. Ich schätze und hoffe mal, dass das nichts wird, mit einer eigenen Sendung. Und eigentlich hat auch das heute journal etwas Besseres verdient (obwohl mir das eigentlich egal sein kann – meine tägliche Übersicht bekomme ich aus den Tagesthemen).

  14. Imer wieder werden die „Öffentlichen“ zitiert… als hätten sie das Monopol, das sie wohl auch haben… Natürlich ist das Thema „Gabriel/Slomka“ ein gefundenes Fressen für viele… a b e r ist es jetzt nicht genug?
    Wer verleibt sich regelmässig die Arte-Nachrichten ein?
    Ich jedenfalls bin da inzwischen seit geraumer Zeit ziemlich einseitig geworden: Nachrichten, Reportagen, Themenabende. Ich spreche den „etablierten“ und „Kommerz“-Sendern ihre Berechtigung nicht ab, meine aber nach wie vor, dass die Indoktrination für Abnicker dort besser funktioniert als in dem „nicht-Nabelschau-Sender“… zumindest was Deutschland betrifft. Einige meiner besonders kritischen (und daher auch mehr zum Hinterfragen anregenden) Freunde haben längst keinen Fernseher mehr. Bis vor etwa 10 Jahren hatte auch ich keinen Fernsehapparat – wohl meinend, dass dieses Medium zur Verdummung beiträgt… Gäbe es Arte, 3Sat und einige andere Sender bzw. einige wenige mir wichtig erscheinende Programme nicht, auch ich würde mich von diesem Medium wieder abwenden.
    Man kann sich zwar unabhängig davon, auch von FR und anderen „nicht-Verdummungs-Blättern“ mühelos im Internet informieren, Radio hören, sich eine eigene Meinung bilden… dennoch ertappe mich aber dabei,dass mich die Meinung anderer – etwa in den FR-Blogs – interessiert. Aber berufen sich nicht gerade diese besonders viel Schreibenden und Engagierten meist auf die gängigen Medien?
    Nur Fakten – ohne Färbung: und dann darüber diskutieren… das wär’s.

  15. @ EvaK, Frank Wohlgemuth
    Könnten wir uns darauf einigen, dass Gabriels Ausdruck „Quatsch“ sowohl situativ wie inhaltlich durchaus angemessen war?
    Zu Frank Wohlgemuths Erfahrung, unter dem Aspekt der Körpersprache alles neu wahrzunehmen: Allgemein kann man die Regel aufstellen, dass man mit Worten lügen kann, mit Körpersprache nicht. Denn deren Komplexität und die überwiegend unbewusst eingeübten Ausdrucksweisen lassen sich nicht so leicht steuern. Das Unbewusste, das gerne unterdrückt (oder mit Worten überspielt) wird, verschafft sich so seinen eigenen Ausdruck. Nur wenige Menschen schaffen es (aber auch nur durch Steuerung von innen – d.h. durch Erwecken von Gefühlen), Körpersprache perfekt zu beherrschen. Der Pantomime Marcel Marceau gehörte dazu: Faszinierend, wie er so Illusionen erwecken konnte.
    Allerdings gibt es auch Ausnahmen, die mich höchst nachdenklich machen: Ich habe einmal den Versuch unternommen, älteren Schülern in Teilen die Wannseekonferenz zur „Endlösung der Judenfrage“ (sie dauerte insgesamt nur knapp 1 ½ Stunden!) ohne Ton vorzuspielen. Es war unmöglich, aus der Körpersprache auf die Thematik zu schließen. Verinnerlichte „Korrektheit“, die zum Schaudern ist!

  16. @ Werner Engelmann #17
    „Könnten wir uns darauf einigen, dass Gabriels Ausdruck „Quatsch“ sowohl situativ wie inhaltlich durchaus angemessen war?“

    Ich habe nie etwas anderes geschrieben. Slomkas Insistieren auf dem Unsinn, den sie da erzählte, als Quatsch abzubrechen war aus meiner Sicht angemessen und menschlich absolut verständlich, auch wenn diese Deutlichkeit bei uns nicht üblich ist.

  17. @Werner Engelmann: Ich habe kein Problem mit Gabriels Äußerung, sie ist nachvollziehbar.

    @Frank Wohlgemuth: D’accord, aber nichts anderes habe ich geschrieben. Doe formulieren es nur anders.

    @maiillimi: Die Nachrichten auf Arte schaue ich gelegentlich, die Themenschwerpunkte sind merklich anders. Ebenso gelegentlich schaue ich die ZIB 2 auf 3sat.

  18. Viel Lärm um nichts.
    Die SPD und ihre Abgeordneteten sind noch gar nicht in der Regierung, sie können selbstverständlich ein Mitgliedervotum einholen und ihre Koalitionsentscheidung danach ausrichten. Das hat mit imperativem Mandat gar nichts zu tun.
    Wenn sie in der Regierung sind oder als Abgeordnete entscheiden, sind sie daran nicht gebunden. Sie sind nur ihrem Gewissen verantwortlich. In dem ganzen Vorgang wird ein ärmliches Demokratieverständnis deutlich. Der Wähler oder das Parteimitglied bestimmt nicht, welche Entscheidungen getroffen werden, sie bestimmen bloss, wer sie trifft.

  19. zu @ BvG
    Absolute Zustimmung zum Beitrag 20, aber ist das noch Zufall das dauernd völlig unwichtige Dinge hochgespielt werden. Ich glaube nicht, dazu ist das die letzten 2 Jahre viel zu oft vorgekommen. Die wichtigen Dinge sind zu heiß um sie immer in der Diskussion zu haben. Man braucht nur zu sehen das Bronski eine Energiediskussion und eine Bankendiskussion derzeit am laufen hat. Das kann vielleicht in so einem Forum sein, aber doch nicht in der breiten Öffentlichkeit. Das wird so oft es geht verhindert.

  20. @ hans

    Ich arbeite gerade an einem Text über Verschwörungstheorie. Vielleicht können Sie mir einen gewissen Input geben. „Das wird so oft es geht verhindert“, schrieben Sie oben und wollen damit andeuten, dass Diskussionen, in denen als kribbelig empfundene Zusammenhänge thematisiert werden könnten, allgemein eher unterdrückt werden. Mich interessiert nun: Wer, glauben Sie, unterdrückt da was? Wie macht er/sie das?

  21. zu # 20 BvG
    Großer Meister, diesmal haben Sie voll getroffen.

    Nur das Gewissen, dem die Abgeordneten angeblich verpflichtet sind, hat sich seltsamerweise entfernt.
    Die Diskussion zwischen Gabriel und Slomka ist ein läppisches, irrelevantes Intermezzo, das hier aufgewertet wird. Ich habe mich nur über diese „show“ amüsiert.

    Die Folgen der Wahl können wir nicht mehr beeinflussen.
    Hingegen die Folgen der Energiepolitik zumindest noch ein wenig, weil diese uns alle angeht und Entscheidungen auch unsere Kinder betrifft.

Kommentarfunktion geschlossen