Deutschland befällt das TINA-Syndrom

In dem Leitartikel „Das Ende der Alternative“ macht Stephan Hebel recht plastisch, was er der SPD nach einem positiven Mitgliederentscheid für den Koalitionsvertrag für Gestaltungsspielräume in der Regierung ausmalt. Sie tendieren in seinen Augen stark gegen null. Nicht umsonst haben Grüne und SPD vor der Wahl lautstark verkündet, sie wollten der Merkel-Partei nicht den Steigbügelhalter machen.

Doch nun sind beide umgekippt, die SPD im Bund und die Grünen in Hessen. Nun lassen sie sich doch vor den Karren derjenigen spannen, die verkünden: „There Is No Alternative“.

Gerhard Böckermann aus Neu-Isenburg schreibt:

Danke für den Leitartikel von Stephan Hebel. Er erinnert mich daran, Ende der 80er Jahre in Frankfurt Graffitis gesehen zu haben, die lauteten: „Wenn Wahlen etwas verändern würden, wären sie schon lange verboten“.
Deshalb stehen die „Ordensleute für den Frieden“ seit 1990 vor der Deutschen Bank, um gegen das kapitalistische Wirtschaftssystem zu protestieren. Denn wir sind davon überzeugt, dass nicht die Politik sondern die Wirtschaft bestimmt, wo es langgeht.
Ein Ende der Alternative kann wohl nur verhindert werden, wenn immer mehr Menschen auf die Straße gehen, wie damals in der DDR. Es überkommt einen das kalte Grausen bei dem, was die Parteien zur Zeit in Berlin und Wiesbaden aushandeln.

Dietmar Lehmann aus  Hattersheim schreibt:

Dieser Leitartikel Stephan Hebels sollte jeden Abend am Ende der Hauptnachrichten bei ARD und ZDF vom diensthabenden Nachrichtenpersonal verlesen werden. Zeigt er doch jedem nachdenkenden Menschen im Lande, wie es aktuell um unsere Demokratie bestellt ist. Stattdessen werden wir Zeugen dessen, wie ein sich nach jedem Satz in eine andere Kamera drehender Hans Wurst im Anzug die Börsen-Zocker bejubelt.
Dabei haben wir uns doch schon lange in unserer Scheindemokratie eingerichtet. Sicher, wir dürfen wählen. Fiebern wir am Samstag mit der Eintracht, oder schlägt das Herz eher für den steuerhinterziehenden Wurstfabrikanten aus Bayern und seinen Kickverein, tanken wir Super oder E 10, tragen wir die Jeans lieber eng oder weit, fahren wir schwarz oder lösen wir ein Ticket? Und am Ende einer Legislaturperiode lässt man uns scheinbar auch die Wahl.
Offensichtlich ist es aber völlig egal, wer am Wahlabend die meisten Stimmen erhält. An der politischen Ausrichtung, die man nach dem vorzeitig herbei geführten Ende der Regierung Willy Brandt mit etwas gutem Willen noch sozialliberal nennen konnte, hat sich im Aufkommen des Neoliberalismus und der damit einhergehenden gewollten Schwächung des Staates unabhängig der Parteienkonstellationen nichts Grundsätzliches mehr geändert.
In diesen Tagen müssen wir erleben, wie sich das Führungspersonal von SPD und Grünen ähnlich dem anfangs zitierten Börsenkasper zackig in die vorbestimmte Richtung dreht.
Nur einmal angenommen, SPD und Grüne würden den Mut aufbringen, mit den Linken gemeinsam eine Regierung zu bilden. Der größte Teil der Medien hätte sicherlich mit Hilfe ganz großer Buchstaben und dem Hetzvokabular unseliger Zeiten ein vorzeitiges Ende dieser Option herbeigeschrieben.
Auch die „Märkte“ würden nichts unversucht lassen, diese Regierung wo immer es nur ginge zu sabotieren. Möglich wäre etwa, Entlassungen von Arbeitnehmern in großem Umfang der nicht genehmen Regierung anzulasten, auch Preiserhöhungen bei Energiewirtschaft und Versicherungen könnte einer rot-grün-rote Regierung erfolgreich den Garaus machen.
Selbstverständlich würde jedem verantwortlichen Politiker nach dem Scheitern dieser Regierung nirgendwo und niemals mehr eine „Position“ oder „Beratertätigkeit“bei einem der einschlägig bekannten Unternehmen angeboten. Es bliebe dann nur noch die Endlagerung im Europaparlament.
Wer will dass schon riskieren? Dann doch lieber eine Scheindemokratie, in der scheinbar auch gewählt und regiert wird.

Und Oliver Berthold aus Berlin verabschiedet sich öffentlich von seiner Partei:

Bezüglich der Großen Koalition habe ich meiner Partei folgenden Brief geschrieben:
Liebe Genossinnen und Genossen! Ich bin Mitte dreißig und meine Urkunde für zehnjährige Mitgliedschaft in der SPD ist schon sieben Jahre alt. Die möchte ich auch behalten, nicht zuletzt, weil sie von meinem Vater unterschrieben ist.
Inzwischen gehöre ich – wirtschaftlich betrachtet – der Mitte an, von der Ihr so unbedingt gewählt werden wollt. Mitte, das heißt für mich, einen Job zu haben, der ohne größere Sorgen meine Familie ernährt, der recht sicher ist und der eine einigermaßen vernünftige Rente verspricht. Und soll ich Euch etwas sagen? Uns in der Mitte kann es doch völlig egal sein, ob unser Land von Angela Merkel oder Peer Steinbrück regiert wird!
Jede Regierungskonstellation der im Bundestag vertretenen Parteien hätte auf zentrale Lebensbereiche der „Mitte“ nur geringen Einfluss. Am Ende geht es um ein Paar Hundert Euro im Jahr an Abgaben hier oder Steuererleichterungen dort.
Was mir in Bezug auf die Zukunft meiner Kinder ernste Sorgen macht, sind die großen Fragen: Der Klimawandel, der soziale Frieden in unserem Land, Frieden und Freiheit in Europa und überall auf der Welt. Und nicht zuletzt, ob meine Kinder auch bei Arbeitslosigkeit oder schwerer Erkrankung auf eine würdevolle Grundsicherung hoffen dürfen.
Auf alle diese Fragen hatte die SPD Antworten, die an die Wurzel gingen. Sie hatte den Mut, mit dem demokratischen Sozialismus ein alternatives Gesellschaftsmodell vorzuschlagen, statt dem neoliberalen Kampfbegriff der Alternativlosigkeit das Wort zu reden. Radikale Maßnahmen gegen Auswüchse, die radikal unserem Gerechtigkeitsempfinden widerstreben, suche ich bei der SPD heute vergebens. Will sie die Spekulation mit Getreide verhindern angesichts 25 000 an Hunger sterbender Kinder pro Tag? Will sie Zwangsabgaben sinnlos überhöhter Vermögen und Einkommensbegrenzungen vulgär hoher Gehälter einführen angesichts chancenlos verarmter Kinder in Deutschland? Will sie einen wirksamen Weg finden, CO2-Emissionen zu begrenzen oder eine menschliche Flüchtlingspolitik durchsetzen?
Was ist in Euren Augen bitte internationale Solidarität angesichts der Fabrikarbeiter, die sich in Fernost für unseren Überfluss totschuften, der uns noch nicht einmal ein Mehr an Glück oder Gesundheit bringt?
Warum schreit meine Partei nicht angesichts dieser schreienden Ungerechtigkeit? Warum nickt sie schweigend zu den Entscheidungen der Konservativen, die die unmenschlichen Auswirkungen des Kapitalismus mit mehr Kapitalismus beantworten wollen? Warum gibt meine Partei den Kampf um die großen Themen auf und ignoriert eine linke Mehrheit im deutschen Bundestag? Ihr liefert doch erst die wahre Bestätigung für Merkels Alternativlosigkeit.
Denn dass es für die Konservativen nur einen richtigen Weg gibt, liegt doch in der Natur der Sache. Wenn jedoch die Sozialdemokratie den Mut verliert, grundlegende gesellschaftliche Alternativen zu vertreten, dann ist die endgültig in der Mitte angekommen und hat aufgegeben, links zu sein.
Wirtschaftlich sei ich Teil der Mitte, schrieb ich. Politisch jedoch bin ich weiter links. Und deshalb suche ich mir jetzt eine neue Partei. Ich erkläre hiermit den Austritt aus der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands.

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19 Kommentare zu “Deutschland befällt das TINA-Syndrom

  1. Gibt es da wirklich keine Alternative?

    Das die SPD umfällt gehört ja schon zur Tradition, aber diesmal kroch sie doch schon devot auf dem Boden, möglicherweise damit der Fallweg nicht so lang wird?

    Was darf ich denn als Wähler von dem kolportierten alternativlosen Unfug halte, der sich so herausschält?

    Das lt. Herrm Sigmar S. die VDS alternativlos ist, und er dazu frech deren angeblichen Nutzen herbeilügt und sich nicht zu schade ist sich dazu auch noch der Geschädigten des Breivik-Deliktes bedient?

    Ehrlich schon da wird mir eher schlecht! Aber zumindest nicht überraschend, denn auch die SPD ist beim Thema Innere Sicherheit seit längerem aus der Realität in diffuse Wahnvorstellungen abgeglitten….

    Dann die gefährliche Kompetenz die aus der Forderung nach weiterer Kostengenerierung zur absehbar sinnlosen Einführung von „smart-metern“ spricht?

    Auf solche „Sparvorschläge“ kann ich gern verzichten, ebenso wie auf eine Helmpflicht mehr als zweifelhaften Nutzens oder die bereits durchgedrückte Bestandsdatenauskunft….

    Es liegt daher nahe diese „SPD“ abzuschreiben,sicher nicht nur diese Partei!

    KM

  2. So allmählich sollte zumindest einigen wenigen Bürgern im stillen Kämmerlein die Erkenntnis gereift sein, dass „der“ Kapitalismus historisch noch nie vorherrschend war und daher auch künftig nicht repräsentativ für die hiesige Ökonomie sein wird. Immerhin kritisierte allen voran Karl Marx spätestens mit dem Erscheinen von „Das Kapital“ im Jahr 1867 die Folgen der unzähligen Praktiken geradewegs in die Irre gehender und damit offenkundig selbsternannter Politökonomen ausführlich, ohne aber damit die bis heute gültigen Wissensstände der nach wie vor stets herausgehoben betriebenen Disziplinen Politischer Ökonomie je grundsätzlich in Abrede zu stellen. Insofern trägt es nichts aus, deren dadurch ohnehin unabweisbar vorliegende Befunde eigenmächtig in ihr Gegenteil zu verkehren, weil daraus überaus verhängnisvoll allein Fehlschlüsse gezogen werden können.

  3. Jeder der meint diesen Koalitionsvertrag kritisieren zu wollen sollte halt endlich zur Kenntnis nehmen das die SPD die Wahl verloren hat. Ich bin mit dem was ich derzeit so gelesen habe zufrieden. Die SPD hat zwar die Energiewende verraten aber seit langer Zeit mal einige Punkte durchgesetzt die gut für den kleinen Mann sind und zwar nur für den kleinen Mann. Wenn jemand die Rente mit 63 in Anspruch nehmen will muss er ab seinem 18. Lebensjahr jeden Monat eingezahlt haben. Das wird z.B. jemand mit Abi und Studium kaum schaffen können. Ähnliches könnte man über den Mindestlohn und die mindest Rente für langjährig Versicherte schreiben. Ich hoffe das noch die eine oder andere Verordnung kommt vom neuen Arbeitsminister, dann hat die Regierungspolitik eine gewisse soziale Handschrift die sich die SPD zu gute halten kann.

  4. @Toter Handlungsreisender,
    ganz schön verschwurbelt, was da geäußert wird….
    Karl Marx also doch kein Antikapitalist??
    Den letzten Satz versteh‘ ich nicht.. „Insofern trägt es nichts aus“ …… die Formulierung sagt
    mir nichts. Wo spricht man so?
    Liebe Grüße
    Manfred Schmidt, Carvoeiro Portugal

  5. Ansonsten befällt mich auch Große Besorgnis, wenn die SPD in eine Große Koalition einträte.
    Ein Großteil der Medien vertritt die Meinung, die SPD würde marginalisiert (zumindest äußern sie sich so), würde diese Große Koalition nicht zustande kommen.
    Mich treibt dagegen der Gedanke um, wie die SPD 2017 ihren Wahlkampf gestalten will…..
    Dass dann besagte Marginalisierung eintreten wird, halte ich für viel wahrscheinlicher, denn die ausgehandelten Wohltaten für den „Kleinen Mann“ sind doch nicht sooooo berauschend (Mindestlohn ab wann? u.v.m.), als dass sie als argumentative Munition für den dann zu führenden Wahlkampf taugen würden.
    Liebe Grüße
    Manfred Schmidt

  6. @ hans #3
    „Jeder der meint diesen Koalitionsvertrag kritisieren zu wollen sollte halt endlich zur Kenntnis nehmen das die SPD die Wahl verloren hat.“ (hans)

    Wann ist eine Wahl eigentlich gewonnen und wann verloren? Wenn es um die nackte Prozentzahl ginge, hätte die CSU bisher jede Wahl verloren, weil sie auf die Republik hochgerechnet immer nur ca 7,5% auf die Waage bringt. Ich bin dafür, dass wir uns mal eine etwas andere Beurteilung angewöhnen, die weniger danach fragt, wieviel Prozent bei der letzten Wahl erreicht wurden, als viel mehr danach, was die Partei für ihre Wähler daraus gemacht hat, denn jede Partei hat den Auftrag, soviel wie möglich aus ihrem Programm umzusetzen – dafür wurden sie gewählt.

    Ein bisschen gehen Sie ja auch in diese Richtung, wenn Sie feststellen, dass die SPD relativ viel ihres Programms in den Koalitionsvertrag hat schreiben können – die Drohung mit den Parteimitgliedern scheint funktioniert zu haben. Nur ist es nicht so, dass das wirklich bindend ist, was da drinsteht, die Abgeordneten sind jederzeit in der Lage, sich an ihr Gewissen zu erinnern, auch, wenn das Abstimmverhalten nicht freigegeben wurde (allein die Formulierung von der Freigabe der Abstimmung sorgt für ein Kräuseln meiner Zehennägel – da scheint das eigentliche Stimmvieh in unserer Republik im Parlament zu sitzen).

    Wenn ich mir auf der anderen Seite ansehe, was in den letzten Legislaturperioden wirklich bewegt wurde, ist das nicht viel – Merkel ist wohl eine wirklich passende Kohlnachfolgerin. Für mich ist das eine direkte Folge „stabiler Regierungen“, die Regieren mit dem Abarbeiten einer in Eile ausgeklüngelten Kompromisssammlung verwechseln.

    Ich bin immer noch der Meinung, dass die SPD auch ohne Bruch des Versprechens, nicht mit den Linken zu koalieren, mit den Grünen und den Linken aus der Opposition heraus mehr SPD-Programm hätte durchsetzen können als in dieser Regierung. Das selbe gilt übrigens auch für Hessen. Es hätte völlig gereicht, wenn Rot und Grün sich einig gewesen wären, die CDU bedingungslos zu tolerieren. Und wir hätten vielleicht Parlamente sehen können, in denen sich die Abgeordneten wirklich um unsere Probleme bemühen, anstatt mit heißer Nadel zusammengenähte Regierungsvereinbarungen durchzuwinken.

    Wahrscheinlich hat die SPD diese Wahl erst in den Koalitionsverhandlungen verloren. Ich würde mich freuen, wenn die Parteimitglieder diesem Vertrag die Zustimmung verweigerten.

  7. zu@ Frank Wohlgemuth
    Für eine Minderheitsregierung braucht es nicht nur eine Mehrheit die diese Minderheit toleriert sondern auch eine Minderheit die regieren will. Diese Minderheit gibt es aber nicht. Frau Merkel würde ohne Mehrheit sofort zum Bundespräsidenten gehen und Neuwahlen ausschreiben lassen. Das wäre für die CDU in dem Fall kein Problem, weil sie der Mehrheit die Schuld daran zuschieben könnte. Deshalb ist das Gerede von einer CDU Minderheitsregierung auch nur Gerede.

  8. @ hans
    Die Frage ist, ob der Bundespräsident da mitmacht, wenn sie genügend Stimmen hat, um gewählt zu werden – die hat sie bei einer bedingungslosen Tolerierung. Und aus dieser Situation Neuwahlen zu verlangen – schon das Schauspiel wäre die Sache wert, denn wer eine Minderheitenregierung ablehnt, in die er gewählt werden würde, kann niemandem die Schuld geben, es nicht versucht zu haben, als sich selbst. Außerdem wäre das eine förmliche Aufforderung an die SPD, nun ihrerseits vor einer Neuwahl eine Regierungsbildung zu versuchen – in dieser neuen Situation würden auch keine alten Versprechungen mehr gelten.

    Eine bedingungslose Tolerierung würde auch nicht bedeuten, als Opposition grundsätzlich überall mit dem Kopf durch die Wand zu gehen, das ginge auch gar nicht: Weil eine Opposition nichts zu verlieren hat, besteht da kein Grund zur „Treue“. Es würde die Diskussionen, die jetzt innerhalb der Parteispitzen als Koalitionsverhandlungen stattfanden, wo von einigen Hansels mal eben hinter verschlossnen Türen das Regierungshandeln für die nächsten 4 Jahre ausgekungelt wurde, ins Plenum verlegen und ihnen mehr Zeit und mehr Offenheit geben, in der wirklich um den Inhalt gerungen würde und nicht nur an Verschanzungen gearbeitet.

    So wie es jetzt stattfindet, wenn da ein paar Koalitionsverhandler mal eben die Lösungen der Probleme der nächsten vier Jahre aushandeln, kann doch da nur Blödsinn dabei herauskommen, er ist nur nicht immer so schön deutlich, wie bei der Steuerbefreiung für die Hoteliers. Was in Koalitionsverhandlungen stattfindet, das ist ein taktisches Verteilen der Positionen mit dem Ziel, die eigentliche Arbeit im Bundestag nicht offen zu gestalten, weil dann weder sichergestellt werden könnte, wer nachher wieviele „Erfolge“ vorzuweisen hat, noch, dass die jeweils betroffene Lobby befriedigt wird.

    Ich halte es nicht für so selbstverständlich, dass Merkel wirklich kneifen könnte, wenn es gelänge, die Diskussion um diesen Politikstil, an den wir uns zwar gewöhnt haben, der aber gleichzeitig für das verantwortlich ist, was so gerne als Politikverdrossenheit bezeichnet wird, mal wirklich zu laut werden zu lassen.

  9. @hans: Zum Koalitionsvertrag meinten Sie (Zitat): „Die SPD hat zwar die Energiewende verraten, aber seit langer Zeit mal einige Punkte durchgesetzt, die gut für den kleinen Mann sind…“. Ich denke, ihr „kleiner Mann“ muss ganz schön kurzsichtig, Ja, gedanken- und verantwortungslos sein, wenn ihm ein paar, dazu noch unsichere Euros wichtiger sind, als eine lebenswerte Zukunft für sich und seine Nachkommen. Auch ein kleiner Mann, wer immer das sei, weiß aus den Medien, das die Meteorologen weltweit im Falle eines Klimawandels mit verheerenden Folgen, Steigung des Meeresspiegels, Hunger und Tod…rechnen. – und das alles, weil der SPD das Mitregieren wichtiger als ihr eigenes Programm ist.
    Da ich die Energiewende wichtig, ja überlebenswichtig finde, hoffe ich immer noch auf eine einsichtige SPD-Basis, die den Koalitionsvertrag ablehnt.

  10. zu @ Kurt Kress
    Ich verstehe „verraten“ in Relation zu dem was ich von der SPD erwartet hätte. Das eine schwarz/gelbe Regierung noch negativer agieren würde ob im Sozialbereich oder Energiebereich ist meiner Meinung nach schon klar. Deshalb sollte man auch nicht versuchen eine solche Regierung herbei zu führen. Dann kann man zwar wieder schön Fundamentalopposition machen das hilft aber weder der Umwelt noch den Menschen. Deshalb hoffe ich das die SPD Mitglieder zustimmen.

  11. @ maiillimi
    Dass eine Verhandlungsdelegation, als solche war die SPD-Spitze ja unterwegs, ihr Ergebnis nach Abschluss der Verhandlungen für richtig hält, ist doch ein Selbstgänger und muss nicht erwähnt werden. Komischer fände ich es, wenn man aus den Verhandlungen herauskäme und keine Meinung zum eigenen Ergebnis hätte. Und völlig egal, ob diese Führung das nun ansagt oder nicht – sie kann nach einen negativen Mitgliedervotum für einen Außenstehenden kein ernsthafter Verhandlungspartner mehr sein.

    Die sind also aus mehreren Gründen befangen und geben diese Befangenheit auch weiter. Auf der anderen Seite sind Parteimitglieder meist relativ erwachsene Menschen, die das einschätzen können sollten. Aber auch die werden nicht unbefangen sein können, weil Regierungbeteiligung bei uns als Wert an sich gilt. Dazu gibt es das Bild des Parteisoldaten, der seiner Führung die Treue zu halten hat.

    Vor diesem Hintergrund: Woran erkennt man eigentlich die freie Entscheidung? Dass da jemand mit Gefühl gegen das Kalkül entscheidet? Oder umgekehrt? Kann der Mensch, der in einem Beziehungsgeflecht aus seinen Mitmenschen und seiner Geschichte lebt, überhaupt frei sein? Ich halte diese Freiheit, die Sie da implizit ansprechen, für eine Illusion. Deshalb die Antwort: Diese Entscheidung wir so frei sein, wie sie sein kann.

  12. zu # 6 +8 Frank Wohlgemuth
    Wie soll eine „bedingungslose Tolerierung“ aussehen? Das hieße doch, zu Allem Ja und Amen zu sagen. Dafür benötigt man keine Opposition.
    Was mir Sorge bereitet, ist die schiere Übermacht einer aus CDU/CSU/SPD gebildeten Regierung. Da kommt wahrscheinlich nichts Gescheites heraus.
    Wird dabei nicht die restliche Opposition, ein winziges Häuflein, einfach platt an die Wand gedrückt?
    Die Folgen wird man bei den Wahlen 2017 sehen. Die Parteienlandschaft wird sich vermutlich versplittern. Sowohl am linken wie auch am rechten Rand.

  13. @RuneB #14
    „Wie soll eine “bedingungslose Tolerierung” aussehen? Das hieße doch, zu Allem Ja und Amen zu sagen. Dafür benötigt man keine Opposition.“

    Nein. Die Tolerierung betrifft den Vorgang der Wahl, nicht die Entscheidungen im Parlament. Bedingungslose Tolerierung heißt: Wir wählen dich für die nächste Legislaturperiode zum Ministerpräsidenten / Kanzler, ohne dafür vorher etwas haben zu wollen. Und dann darfst Du als mit uns aus der Stellung als MP oder Kanzler um die Ausführung der einzelnen Gesetzesvorhaben jedes mal aufs neue streiten.

    Das wäre eine so starke Opposition, wie wir sie bei uns kaum haben, Minderheitsregierungen sind in der Geschichte der BRD eine relative Seltenheit.

  14. Keine Alternative zur GroKo?
    Ist es eigentlich in diesem Land schon einmal aufgefallen, dass, wenn sagen wir 2 bis 3 CDU-geführte Koalitionen Regierungen bildeten, es zwangsläufig zu einem Reformenstau gekommen ist? So war es unter Kohl, so ist es unter Merkel. Wenn jetzt die, die Hoffnungen in eine Große Koalition setzen glauben, das werde nun anders, dann glauben die auch, die Erde ist eine Scheibe. Wo sind all die vollmundigen Versprechungen und Ankündigungen realisiert worden, die, von Merkel formuliert, doch nur das Wahlvolk beruhigen sollten (Bankenregulierung und Transaktionssteuer, Energiewende u.v.m.). Das „Prinzip Merkel“ ist doch, Betroffenheit über einen Missstand auszudrücken, Abhilfe durch „entsprechende Maßnahmen“ in Aussicht zu stellen und durch Warten auf die nächste durch’s Dorf zu treibende Sau alles im Sande verlaufen zu lassen. Und der große Teil der Deutschen fühlt sich bei dieser Kanzlerin „gut aufgehoben“. Und die SPD-Führung will uns weismachen, sie könnte mit dem bisschen Kosmetikpolitik, die in dem Koalitionsvertrag vereinbart wurde, Dynamik in die neue Legislaturperiode einbringen. Zum x-ten Male muss ich sagen, lasst sie alleine regieren und sie wird als die erkannt werden die sie ist, eine Seifenblase mit Raute. Und dann, liebe SPD, wird man froh sein, in dir 2017 oder auch vorher die Führungspartei zu finden die ggf. in einer anderen Koalition echte Reformpolitik durchzusetzt. Und das dann mit Leuten, die nicht „unionspolitisch versaut“ sind.
    Liebe Grüße, Manfred Schmidt Carvoeiro/P

  15. Von Konstantin Wecker stammt der Begriff zu den Herrschenden und ihren Sklaven, oder auch nur von der Lobby beeinflussten Politikern: „elitärer Autismus“. Und das drückt wunderbar aus, in welcher Situation wir hier im Lande schon seit geraumer Zeit sind. Soziale Gerechtigkeit, Menschenwürde, ökonomische Grundbedingungen, die nachhaltig sind, globaler Wandel – alles wird negiert, weil es nicht in das eigene Weltbild passt. Oder natürlich auch nicht in die eigene Profit- und Gewinn-Maximierung. Was kümmert mich die Zukunft??? Heute will ich die Kohle auf meinem Konto! Und wir Bürger sind da nicht anders. Wir sind zufrieden, wenn wir Baby-Politik erhalten: Satt, sauber und warm. „Mutti“ Merkel ist ja das grandiose Symbol dafür. Wir haben einen Koalitionsvertrag voller Absichts-Erklärungen, weil sich Absichts-Erklärungen – wir kennen das alle, ab morgen, weniger und gesünder essen, nicht rauchen, kein oder weniger Alkohol, mehr Bewegung – wunderbar anhören und im Abendsonnenschein dem Partner gut verkaufen lassen. Am nächsten Tage dann gibt es 1000 Gründe, warum dies und jenes aus unseren Absichten dann gerade sich nicht umsetzen läßt. Aber morgen, oder übermorgen, oder am St.Nimmerleins-Tag – dann wird alle gut.

    Was wir brauchen könnten? Mehr und andere Bildung, mehr Chancengleichheit, andere Medien und andere Medien-Verantwortliche, die diese Debatten dann steuern. Da gibt es aber dann all die, die genau dies nicht wollen: den aufgeklärten, selbstbewußten, mündigen Bürger. Und wir lassen uns weiter einlullen, sedieren, mit allem möglichen Scheißdreck. Ist doch alles irgendwie gar nicht so übel, oder? Und das Sandmännchen kommt bald, und ist kostenlos.

    Als einer, der 1973 in die SPD eingetreten war, und 1979 wieder raus ging, wegen dem vielgepriesenen und hochgelobten Helmut Schmidt, dann irgendwann bei den Grünen aktiv war, bis zur Agenda 2010 und zu Afghanistan, dann die WASG mitgegründet hat, und nicht in die Ex-PDS bzw. Linke eintreten wollte, weil auch da wieder faule Kompromisse geschlossen werden sollten, siehe Bartsch-Flügel, habe ich all meine HOffnungen auf Besserung verloren. Vielleicht die neue Enzyklika von Franziskus, aber auch nur vielleicht. Unsere Trägheit, und ich schließe mich da nicht aus, ist grenzenlos/unendlich. Wir sind halt Menschen, und die Unvollkommenheit gehört zum Homo Sapiens wie der Schwanz zum Hund.

    Die SPD-Mitglieder werden mehrheitlich diesem Pamphflet zustimmen, weil es ja irgendwie so schöne gute Absichten enthält, und die Führung nicht desavouiert werden soll. Und es wird weitergewurstelt werden, bis alles in Scherben fällt. Und die knapp 30%, die nicht mehr zur Wahl gegangen sind – warum gibt es hierzu eigentlich keine Gedanken und Kommentare – werden sich sowieso das Götz-Zitat rauf und runter zitieren. Soziale Marktwirtschaft, demokratischer Sozialismus, oder die marktwirtschaft gelenkte Demokratie, die ihren griechischen Namen nicht verdient – eh alles Wurscht. Wer bestellt, bezahlt leider nicht. Da stimmt das Sprichwort nicht mehr.

  16. zu # 15 Frank Wohlgemuth
    So habe ich Ihre Version nicht verstanden. Sei´s drum.
    Ist jedoch reichlich abenteuerlich und würde nicht gerade für Stabilität sorgen.
    Möchte lieber nicht wissen, was unsere europäischen Nachbarn von einer solchen Konstellation halten würde.
    Würde wahrscheinlich bald zu Neuwahlen führen.
    Im Übrigen weiß ich nicht, weshalb man gegen die Groko ist. Da wird doch zweimal von der SPD regiert.

  17. zu @ Kurt Kress
    Noch ein Nachsatz zu ihrem Beitrag 10. Ich habe gerade nochmal gelesen was sie da mir für eine Antwort gegeben haben. Ein Teil dieser Antwort ist ja das es wohl zu kurzsichtig ist die Energiewende in D. einfach ab zu schenken. In der Nachbarschaft läuft gerade eine Diskussion in der ich mich zu diesem Thema ich glaube recht deutlich geäußert habe. Die Energiewende wird weltweit laufen ob D. da mit macht oder nicht. Deshalb kann auch zu diesem Thema nichts im Koalitionsvertrag stehen. Das geht nicht gegen die Zukunft unserer Kinder sondern ist nur kurzfristig nicht gut für unsere Wirtschaft. Da haben sich halt in D. Lobbygruppen durchgesetzt. Es ist für diese Gruppen zu spät. Sie können die Energiewende nur noch bremsen nicht mehr aufhalten.

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