Es war immer gute Sitte bei der FR, Kritik an der FR auf der Leserbriefseite abzubilden. Ich handhabe dies nicht anders als Edgar Auth und alle anderen, die vor mir für die Leserbriefe zuständig waren. Das erzeugt mal mehr, mal weniger Nachhall bei den Leserinnen und Lesern. Oft herrscht Schweigen – doch die Kritik wird durchaus wahrgenommen. Ein eher harmloses Beispiel: Eine Leserin schrieb mir vor einigen Wochen sinngemäß: „Da hat Ihnen doch der und der neulich erst die Leviten gelesen, Sie haben den Brief ja auch veröffentlicht – und trotzdem machen Sie es jetzt wieder so!“ Ja, erneut hatten meine Kolleginnen und Kollegen in einem Bericht über nichtehelich geborene Kinder den alten, stigmatisierenden Begriff „unehelich“ verwendet. Ich gebe die Kritik weiter, aber ich fürchte, noch häufig wird in der FR politisch unkorrekt „unehelich“ geschrieben werden.
Weit weniger harmlos ist folgender Fall. Am 14. März veröffentlichte ich diesen Leserinbrief von Roselinde Arndt aus Frankfurt:
„Mir geht seit langem auf die Nerven, wie die gesamte (meist rechts orientierte Presse), aber auch leider die FR, immer wieder die sog. „Steinbrück-Fettnäpfchen“ genüsslich zitiert und dabei oft falsch interpretiert. Die Absicht ist in Wahlkampfzeiten eindeutig. Allerdings hatten doch die meisten Bürger, aber auch die Presse immer wieder moniert, dass alle Politiker um die Wahrheit herumreden. Jetzt haben wir endlich einen Politiker, der Ecken und Kanten hat und offen sagt, was er denkt, der nicht „weichgespült“ wider besseres Wissen dem Volk nach dem Munde redet, da geht die mediale Hetzjagd los. Von Bild erwarte ich nichts anderes, von „meiner Rundschau“ schon.
Selbst Steinbrücks grandioser Auftritt beim SPD-Landesparteitag wird von Ihnen auf der Titelseiten-Ansage mit einem total überflüssigen „Fettnäpfchen“-Attribut dekoriert. Wozu? Verkauft sich das Blatt dann besser?
Ich bin als Sozialdemokratin seit 45 Jahren Abonnentin der FR, weil es für mich keine Alternative zu dieser Zeitung in Frankfurt gab. Sollte sich nach den neuen Besitzverhältnissen der Charakter der Zeitung weiter nach rechts bewegen, könnte man vielleicht besser gleich das Original vorziehen. Damit hätten Sie noch eine Leserin sowie eine unermüdliche Kämpferin für Ihre Zeitung verloren. Also bitte: Nicht „weiter so“!“
*
Das ist harsche Kritik. Da wird der Vorwurf der Kampagne erhoben, ganz ähnlich wie damals, als die FR es wagte, Andrea Ypsilanti zu kritisieren, weil sie trotz ihres Wahlverprechens, nicht mit den Linken zusammenzugehen, eine Minderheitsregierung unter Tolerierung der Linkspartei in Hessen plante. Da kommt auch sinngemäß der Vorwurf der – mit dem Wort eines Users dieses Blogs – „Gleichschaltung“ der FR mit anderen, eher rechts verorteten Medien. Und es kommt die Unterstellung: „Die Absicht ist in Wahlkampfzeiten eindeutig“. Die Leserin scheint also zu meinen: Die FR beteiligt sich erkennbar daran, Peer Steinbrücks Sieg bei der Bundestagswahl zu vereiteln.
Starker Tobak. Meiner Meinung nach war es bislang der Kandidat selbst, der dem eigenen Erfolg vor allem im Wege stand. Und nach meiner Einschätzung hat die FR, gerade weil sie traditionell eher im linken Teil des politischen Spektrums verortet ist, als unabhängige Tageszeitung genau darauf zu achten, welche Performance die Spitzenkandidaten hinlegen. Bei Angela Merkel tun wir das ja schließlich auch – siehe Stephan Hebels Texte über „Mutter Blamage„. Allerdings, das sei eingeräumt, bietet die Kanzlerin wegen ihres nach außen defensiven Politik-Stils weniger Angriffsfläche als der Gegenkandidat, der Ecken und Kanten hat und einen abgetakelten Berlusconi schon mal als Clown bezeichnet. Klar, damit polarisiert er.
Die Frage ist allerdings: Muss das auf die Titelseite? Steinbrücks Fettnäpfchen auf der Titelseite – da hängen sie natürlich ziemlich hoch. Das wurde auch hier und da von Lesern bemängelt. Neulich aber der umgekehrte Fall: Das Clown-Zitat hatten wir zunächst nur in einer Meldung im hinteren Politik-Teil. Am nächsten Morgen fand ich eine Lesermail vor: Das gehört auf die Titelseite, ihr Holzköppe!
Es ist eine Binsenweisheit: Man kann es eben nicht allen recht machen. Die einen wittern sofort eine Kampagne, den anderen sind wir nicht scharf genug. Letzteres geht bisweilen so weit, dass ein Blog-User – offenbar in völliger Unkenntnis der eben beschriebenen FR-Berichterstattung – hier im FR-Blog schrieb: „Denn das ist sie ja, die unausgesprochene Redaktionsdirektive: die SPD, diesen intellektuell abgewirtschafteten Haufen, unbedingt unterstützen.“ (Christoph Josten am 27.2.; das ist auch der User, der den Begriff „Gleichschaltung“ in die Debatte einbrachte.) Unbedingte Unterstützung sieht meines Erachtens jedoch ein kleines bisschen anders aus.
Und auch die Reaktionen auf den Leserbrief von Rosalinde Arndt ließen nicht erkennen, dass die FR Peer Steinbrück bisher über Gebühr geschweige denn unbedingt unterstützt hätte. Zunächst bekam ich folgenden Leserinbrief von Nelly Böhmert aus Rodenbach, den ich am 18. März veröffentlichte:
„Frau Arndt spricht mir aus der Seele. Auch ich bin seit Jahrzehnten FR-Leserin und musste beobachten, dass der eigene Anspruch der Zeitung, nämlich linksliberal zu sein, längst nicht mehr für alle Bereiche zutrifft. Der SPD-Kanzlerkandidat wird durchgehend negativ dargestellt und immer wieder genüsslich auf seine vermeintlichen Schwächen reduziert. Die Inhalte seiner Verlautbarungen werden weitgehend ignoriert und überhaupt nicht ernsthaft diskutiert. Das ist nicht linksliberal, das ist pure Angepasstheit an die vorherrschende und beherrschende Medienmacht in unserem Land.
Man kann sich irgendwie des Eindrucks nicht erwehren, dass die Mehrheit der Medienleute sich einem unsichtbaren Diktat unterwirft und insbesondere bei Top-Themen alle in das gleiche Horn stoßen. Oder wie ist es zu erklären, dass die angeblich linksliberale FR keine Gelegenheit auslässt, den SPD-Kandidaten „alt“ aussehen zu lassen und beispielsweise die ARD eine Sondersendung zur Papstwahl mit einer Anhäufung von Banalitäten so in die Länge zieht, dass Anne Will mit Gast Peer Steinbrück erst um 23 Uhr gesendet werden kann? Diese Stromlinienförmigkeit der Meinungsmache ist nicht nur für Leser und Zuschauer nervtötend und langweilig; sie ist mit Sicherheit auch schädlich für die Demokratie.“
Und nun ging es los. Es war, als hätten sich viele nicht getraut, diesem nicht ganz einfachen Kandidaten ihre Unterstützung auszusprechen. Eine Auswahl:
Roswitha und RudolfErdmann aus Groß-Zimmern:
„Als langjährige SPD-Anhänger und Abonnenten der FR stimmen wir dem Leserbrief von Frau Arndt überzeugt und aus tiefem Herzen zu. Unterstreichen möchte wir besonders also bitte: nicht weiter so !“
Barbara Breitinger aus Nufringen:
„Frau Arndt spricht mir aus der Seele. Steinbrück ist endlich ein ehrlicher Mann, ohne Politiksprech, das wünschen doch angeblich alle. Ich finde auch, dass die FR sachlicher über ihn berichten sollte.“
Dietmut Thilenius aus Bad Soden:
„Mein Eindruck deckt sich mit dem von Nelly Böhmert. Steinbrück wird möglichst ungünstig dargestellt. Meine Überlegung ist, dass die FAZ die Berichterstattung beeinflusst. Die Linke kommt ganz dürftig weg, weil sie das Ungleichgewicht in der Geldverteilung am schärfsten anprangert.“
(Kurzer Exkurs: Die FAZ hat damit nichts zu tun. Sie hat die FR am 28.2. übernommen, aber die kritische Berichterstattung über Steinbrücks Fettnäpfchen begann tief im vergangenen Jahr. Zudem wird der überregionale Teil der FR zurzeit von der DuMont-Redaktionsgemeinschaft in Berlin gemacht. Ab Juni 2013, so die Planung, soll der Wiederaufbau der FR-Vollredaktion abgeschlossen sein; dann machen wir die Zeitung endlich wieder komplett in Eigenregie.)
Die – bisher – einzige Gegenstimme zu den Leserinbriefen von Rosalinde Arndt und Nelly Böhmert kam von Wolfgang Brillisauer aus Hofheim:
„Leider haben die Leserinnen – siehe Leserbriefe – ein falsches Verständnis von „Demokratie“ und dem eigenen Anspruch der FR. Sie glauben, die FR müsste eine SPD-Meinung vertreten. Ich empfehle ihnen, wenn dies die Erwartung ist, die Parteizeitung der SPD zu abonnieren. Ich möchte wie in den letzten rd. 50 Jahren eine FR lesen, die kritisch, detailliert über das Geschehen in der Welt berichtet. Wenn dies jemandem nicht gefällt, dann andere Zeitung lesen!
Dieser Möchtegernkandidat ist gefährlich, da er seine „Zunge“ nicht unter Kontrolle hat. Wenn er sich für den Vorsitz in einem Geflügelzuchtverein bewerben würde, könnte dies akzeptiert werden. Aber für die Aufgabe eines Kanzlers der Bundesrepublik absolut ungeeignet. Er trifft nicht den notwendigen Tonfall anderen gegenüber. Dies ist gefährlich für die Reputation Deutschlands. Fazit: Ungeeignet!“
*
Schlussbemerkung: Im Zuge des Führungsstreits bei der Linkspartei kamen mehrere Leserzuschriften herein, in denen wir aufgefordert wurden, statt über die leidigen Personalien über die Programmatik der Linken zu berichten. Ich habe diesen Leserinnen und Leser immer geantwortet: Wir sind keine Parteizeitung. Wir berichten dann über Programmatik, wenn es einer Partei gelingt, diese in den Vordergrund zu stellen, so dass daraus eine Nachricht wird. Das machen wir bei allen Parteien so, von Schwarz bis Dunkelrot. Peer Steinbrück und der SPD ist es in den letzten Wochen ein paarmal gelungen, ihre Programmatik nach vorn zu bringen. Dementsprechend haben wir darüber berichtet, zum Beispiel im Artikel „SPD-Wahlprogramm rückt Partei nach links„. Und siehe da: Steinbrück sagt vieles, dem man zustimmen kann. Bleibt noch die Frage, ob er das auch macht, wenn er tatsächlich Kanzler werden sollte. Ich habe immer noch im Kopf, wie er damals mit CDU/CSU, als die SPD die Große Koalition einging, ein zentrales Wahlversprechen brach: Die Mehrwertsteuer wurde auf 19 Prozent erhöht.
Oder ist das, wenn ich mich daran erinnere und es hier schreibe, bereits wieder Kampagne gegen den Kandidaten? Dann will ich hinzufügen: Ich hab auch Kampagne gegen Angela Merkel gemacht – hier.
Auch ich habe den Eindruck, dass die FR mit Peer Steinbrück als Kanzlerkandidat nicht so „zufrieden“ ist. Die Geschichten mit den „Fettnäpfchen“ wurden überbetont – ja es wurde gerade danach gesucht. Fast schon ähnlich wie nach Plagiaten in Doktorarbeiten. Und die FR machte mit.
Selbst Bronski schreibt ja ein paar Sätze weiter oben : „…Bleibt noch die Frage, ob er das auch macht, wenn er tatsächlich Kanzler werden sollte…“
Da die meisten FR-Abonenten Linksliberal eingestellt sind, lesen sie auch solche Sätze kritisch. Vielleicht auch manchmal zu kritisch. Und schließlich : Jeder Redakteur wird bei seinem Tun auch ein wenig persönliche Meinung einfließen lassen.
Ich halte die Meldungen und Berichte der FR im Großen und Ganzen noch für ausgewogen.
Die Kernfrage ist doch wohl, ob Medien, hier Zeitungen, die Macht haben oder beanspruchen dürfen, Kandidaten „hoch“ oder „nieder“ zu schreiben und damit ihren Willen über den Willen der Wähler zu stellen.
Diese Frage ist nicht nur an Redakteure, sondern auch an Verlage und Gesellschafter zu stellen.
Darf Medienmacht eine direkte politische Macht sein, oder darf sie eine solche nur auf dem Wege durch die kritische Meinung des Bürgers sein?
Es wird nie so viel gelogen, wie nach einem Krieg – und vor einer Wahl.
Daran ändert auch die Berichterstattung der FR nichts.
Es ist für alle Medien nicht einfach, 100% neutral zu sein und nur genau das Geschehen darzustellen. Da müssten auch die Berichte aller völlig gleich ausfallen.
Damit ist niemandem gedient. Der Leser, der „seine Meinung“ nur aus einer Quelle bezieht, wird immer seltener. TV und Internet eröffnen eine Vielfalt, die kaum zu bewältigen ist.
Wie „mainstream“ entsteht, wäre noch gründlich zu erforschen.
Parteien wollen es immer mehr allen Recht machen, die Medien bemühen sich auch, keinen Nutzer zu verlieren.
Wir werden in den nächsten Jahren einen „Auslesekampf“ erleben. Wer aber wird gewinen ?
Der (fast) immer die Wahrheit geschrieben hat ? Der zuletzt Recht hatte ? Oder doch schließlich der, der das meiste Geld einsetzen konnte ?
@maderholz: Die Neutralität eines Publikationsorgans fordern immer nur diejenigen ein, die dort eine ihnen nicht genehme Meinung sehen. Das fiel mir in den vergangenen Jahren zunehmend auf. Da werden dann schnell mal per Zuschrift Vorschriften gemacht, wie und was zu berichten sei, um einem „neutralen Journalismus“ zu entsprechen, der am besten nur Agenturmeldungen referiert. Und natürlich wird die nicht genehme Berichterstattung dann auch schnell mal mit ein paar deftigen Beschimpfungen bedacht, ist von „rechter Gleichschaltung“ oder „linkem Kampfblatt“ die Rede.
Wenn die Berichterstattung und Kommentierung aber der eigenen Meinung und Weltsicht entspricht, ist alles bestens und neutral. Insofern können Sie das mit der Neutralität sowieso vergessen, denn nicht mal die fast klinisch neutral wirkenden Nachrichtensendungen Tagesschau und Heute sind nicht wirklich neutral, denn allein die Auswahl der Meldungen gibt eine Tendenz vor. Und spätestens, wenn dann Deppendorf & Co. dem Volk streng und gewichtig erklären, wie es die Welt zu sehen habe, ist es mit der sterilen Neutralität der Fernsehnachrichten endgültig vorbei.
Spätestens nach der verlorenen und für die SPD desaströsen Bundestagswahl 2009 musste und konnte man durchaus annehmen, dass die Verantwortungsträger der Sozialdemokratie aus den Fehlern der Basta-Politik des SPD-Parteibuchbesitzers Gerhard Schröder und seiner neoliberalen Helfer die bitteren Lehren gezogen hätten. Und es sah eine Zeit lang in der Tat so aus. So wurden aufrechte Genossinnen und Genossen nicht müde, auch auf SPD-Parteitagen anzukündigen, dass es nie wieder ein Abnicken unsozialer Machenschaften der Regierungspolitik durch die SPD geben werde.
Umso erschrockener muss man sein, wenn heute, zehn Jahre nach Ankündigung der Agenda 2010, bestimmte Kreise in der Partei versuchen, die soziale Katastrophe der Schröder-Politik wieder hoffähig zu machen. Ja, der Altkanzler hat sogar die Chuzpe, eine neue, diesmal Agenda 2020 genannte Politik zu fordern. Diese Politik von Rot-Grün war und ist dafür verantwortlich, dass viele Menschen vor dem Begriff „Reform“ nur noch Angst haben.
Es ist geradezu zynisch, wenn führende Genossinnen und Genossen über eine Neuauflage der armutsfördernden Politik der Herren Schröder, Steinmeier, Steinbrück und Müntefering nachdenken. Diese Herrschaften laden erneut schwere Schuld auf sich, weil sie damit die jüngst im Wahlprogramm der SPD formulierten Forderungen nach sozialer Gerechtigkeit konterkarieren. Doch Kandidat Steinbrück steht nicht gerade glaubwürdig für eine andere, dem sozialdemokratischen Grundwert Solidarität verpflichtete Politik. Es bereitet Grund zur größten Besorgnis, wenn neoliberale Figuren um Steinbrück jetzt die verheerenden Fehler der rot-grünen Koalition schönreden und als etwas Gutes verkaufen wollen.
Der Aufschrei der Basis wird kommen – allerspätestens nach einer verlorenen Bundestagswahl, und damit zu spät. Die SPD als Schutzmacht der kleinen Leute sollte wach werden, bevor das Kind in den Brunnen gefallen ist und Schwarz-Gelb für weitere vier Jahre bestätigt wird.
Zum Glück hat die SPD den Suizidversuch mit der Agenda 2010 inzwischen überwunden. Er ist aber auch nicht geeignet für das deutsche Geschichtsbuch, denn ein Sozialabbau bei der breiten Bevölkerung verbunden mit Steuergeschenken für Besserverdienende bedeutet auch immer eine Vertiefung der eine Gesellschaft bedrohenden Spaltung zwischen Arm und Reich.
zu @madeholz: Was ist Neutralität? Ist sie nicht sehr langweilig? Sinnvoller scheint mir, eine eigene Meinung mit Argumenten zu vertreten. Wenn ich Bedenken gegen Steinbrücks Kanzlerambitionen habe, und die habe ich, dann fällt mir z.B. folgende Notitz aus dem Handelsblatt vom 23.2. ein: Steinbrück beruhigte bei einem Gespräch die anwesenden Wirtschaftsgrößen mit den Worten: „ Auch in der Steuerpolitik wird es mit mir keine Wende nach links geben“.
Und warum soll sich Steinbrück für die Einführung einer Vermögenssteuer einsetzen, nachdem er selbst ein Vermögen mit horrenden Vortragshonoraren verdient hat? Das sind keine Fettnäpfchen sondern Fakten, aufgrund derer ich mir nicht vorstellen kann, dass es unter Steinbrück jemals zu einem Politikwechsel kommt, Eine Zusammenarbeit mit einer Partei, die diesen Wechsel anstrebt, nämlich die LINKE, lehnt Steinbrück kategorisch ab. Mit Recht meint Manfred Kirsch in seinem Leserbrief (FR vom 23.3.): „Der Aufschrei der Basis wird kommen – allerspätestens nach einer verlorenen Bundestagswahl, und damit zu spät. Die SPD als Schutzmacht der kleinen Leute sollte wach werden, bevor das Kind in den Brunnen gefallen ist und Schwarz-Gelb für weitere vier Jahre bestätigt wird.“
Man/ich muss Manfred Kirsch absolut recht geben.Die gesamte SPD Führungsmannschaft denkt konservativ und würde dementsprechend handeln.
Kein Arbeiter und Gerechtigkeitsverfechter darf je wieder SPD wählen.
Ich möchte meinen Vorrednern widersprechen. Manfred Kirsch scheint noch nicht mitbekommen zu haben, dass die SPD in Sachen Sozialhilfe bzw. Hartz IV nachjustieren will. Man sollte auch nicht vergessen, dass die Hartz-Gesetzgebung, die der SPD bis heute angelastet wird, damals ganz wesentlich von der damaligen Opposition mitgestaltet wurde, gegen die wegen ihrer Bundesratsmehrheit nichts ging. Ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn, der eigentlich Bestandteil der Reform hätte sein sollen, wurde darum nicht realisiert. Ich glaube nicht, dass der NIedriglohnsektor in der Weise hätte wuchern können, wenn damals bereitgs ein Mindestlohn eingeführt worden wäre. Also bitte Vorsicht mit der Schuldzuweisung!
Jetzt hat sich die Situation geändert. Zurzeit hat die Bundestags-Opposition im Bundesrat die Mehrheit, und daher wäre die Lage so, dass der gesetzliche Mindestlohn problemlos eingeführt werden kann. Rot-Grün hat ihn in ihren Wahlprogrammen stehen. Mit der Einführung würde dem deutschen Niedriglohnsektor rasch das Wasser abgegraben. Das ist eine Frage der Gerechtigkeit. Wer in Deutschland also mehr Gerechtigkeit will, kann gar nicht anders, als Rot-Grün zu wählen. Die Chance ist da, rasch etwas zu verändern. Der Kandidat muss sie allerdings auch ergreifen, wenn er denn Kanzler wird. Darum braucht eine rot-grüne Bundesregierung starke Grüne, die einen Kanzler Steinbrück möglicherweise zum Jagen tragen, wenn er nicht zügig allein zum Jagen geht.
Dieses Gerede „kein Gerechtigkeitsverfechter darf je wieder SPD wählen“ ist einfältig und dumm. Entschuldigung, ich möchte Ihnen persönlich nicht zu nahe treten, aber haben Sie den Gedanken jemals zu Ende gedacht? Beziehungsweise hat er überhaupt eine vernünftige Basis? Wollen Sie stattdessen die Linke wählen, die jetzt wieder eine ostdeutsche Regionalpartei ist? Diese Partei, die sich über Monate Personalstreitereien just zu einer Zeit geleistet hat, in der sie ihre Kritik am Bankensystem und am Turbokapitalismus hätte äußern müssen? Eine Partei, die sofort in Schockstarre verfällt, wenn irgendwo das Gerücht auftaucht, dass Lafontaine vielleicht doch noch mal kandidieren will? Mit denen ist doch kein Staat zu machen!
Es ist sogar so, dass alle, die die Linke wählen, in Wirklichkeit Merkel wählen. Selbst wenn man kein Steinbrück-Fan ist, muss man sich doch mal klarmachen, was denn hier das kleinere Übel ist. Wenn es der Opposition nicht gelingt, Merkel die sogennante strategische Mehrheit abzujagen, dann werden wir noch einmal vier Jahre Merkel haben. Besser als Steinbrück? Nein, ich glaube nicht.
Diese strategische Mehrheit ist die Zahl der Mandate im Bundestag, gegen die keine Regierungsmehrheit gebildet werden kann. Wenn ich richtig informiert bin, liegt sie zurzeit bei 40 odfer 41 Prozent unter der Voraussetzung, dass es tatsächlich kein Bündnis zwischen Roit-Grün und der Linken gibt. Beim letzten Politbarometer hatten CDU/CSU 40 Prozent, SPD 29, Grüne 14, FDP 4 und die Linke 7 Prozent. Schwarz-Gelb wäre abgewählt, Rot-Grün wäre trotzdem nicht möglich, es sei denn als Minderheitsregierung. Dann liefe alles auf eine Große Koalition mit einer Kanzlerin Merkel hinaus. Steinbrück hat erklärt, dafür nicht zur Verfügung zu stehen. Wenn die SPD nicht tatsächlich Suizid begehen will, darf sie sich auf so was nicht einlassen. Alternativen – außer der angesprochenen Minderheitsregierung: keine. Neuwahlen? Italienische Verhältnisse?
Nein, es steht fest: Wer ein gerechteres Deutschland will, muss im September Rot oder Grün wählen. Wer anders wählt, verschenkt seine Stimme. Zur Orientierung empfehle ich einen Blick in die aktuellen Wahlprogramme. Beispiel Energiewende: Das Gezerre zwischen Altmaier und Rösler ist ja nicht mehr auszuhalten. Überlassen wir die Energiewende doch denen, die sie immer gefordert haben und die dafür auch die Konzepte haben. Es gäbe noch viele weitere Beispiele.
Zu Sigmars „kleinerem Übel“ vom 24.3.: Ein kleineres Übel ist auch ein Übel und hält sich in der Regel viel länger als ein großes, das eher zum deutlichen Umsteuern zwingt.
Ihren Bemerkungen zur Linken muss ich widersprechen. Die Linke ist weder eine „Regionalpartei“ noch haben die leidigen „Personalstreitereien“ sie daran gehindert, sich zum Bankensystem und „Turbokapitalismus“ zu äußern. Lediglich die Medien zogen es vor, den Darstellungen von Personalstreitereien der Linken den Vorzug vor deren programmatischen Äußerungen zu geben. In den Entwürfen zu einem Wahlprogramm der Linken (s. „100% sozial“ und „Plan B“), zu deren Gestaltung auch Nichtmitglieder aufgefordert werden, finde ich viele mich überzeugende Ideen für einen Politikwechsel. Wichtig erscheinen mir hierbei vor allem 2 Dinge: 1. das konsequente Eintreten für eine Entmilitarisierung der Politik, – denn wir leben in einer hochgerüsteten Welt mit „overkillkapazität“, Gewaltbereiteten Politikern und einer NATO mit atomarer Erstschlagsbereitschaft, insgesamt eine sehr gefährliche Situation. 2. überzeugt mich das Eintreten der Linken für eine Energiewende „von unten“, also für dezentrale Strukturen und den Verzicht auf großtechnische Lösungen der Energieversorgung wie Desertec (Strom aus der Wüste) und aufwändige Offshore – Windparks, beides Projekte, die schon aus finanziellen Gründen jede Bürgerbeteiligung ausschließen, aber von den anderen Parteien unterstützt werden.
Nun zu Ihren strategischen Überlegungen: Schon Steinbrück behauptete, dass jede Stimme für die Linke eine verlorene Stimme sei. Offenbar sehen die Wähler das anders. Schon seit vielen Monaten zeigen die „Sonntagsfragen“ eindeutig, dass die Wähler einen Politikwechsel durch eine deutliche linke Mehrheit anstreben, zu der SPD, Grüne und die Linke gehören. Ich denke, in diesem Fall sollten wir nicht Steinbrücks Warnung, sondern den Wählerwillen sehr ernst nehmen. Da Steinbrück eine Koalition mit der Linken (noch) ablehnt, bleibt nur noch die von Ihnen erwähnte Minderheitsregierung oder (sehr unwahrscheinlich) ein Verzicht Steinbrücks, der den Weg für eine(n)
SPD-Linke(n) freigibt.
Nochmals: In einer Demokratie bestimmt der Wähler die Richtung.
Jawohl, in einer Demokratie bestimmt der Wähler die Richtung. Wie in Niedersachsen zu sehen war, ist der Wähler taktisch begabt. Er hat erstens die Linke rausgewählt. Damit ist sie noch in vier westdeutschen Parlamenten (ohne Berlin) mit 5,4 % (Hessen), 5,6 % (Bremen) und 6,4 % (Hamburg) sowie mit 16,1 % im Saarland. Das heißt, die Linke ist in zehn von 16 Landtagen vertreten (übrigens genau wie die FDP), spielt aber im Westen – außer im Saarland – die Rolle einer Splitterpartei. Völlig anders im Osten (mit Berlin). Meine Einstufung der Linken als ostdeutscher Regionalpartei erhalte ich daher aufrecht. Bundesweite Bedeutung hat die Linke nur durch ihre Bundestagsfraktion, die sich aber wesentlich auf ihren Erfolg im Osten begründet.
Strategisch dachten die Wählerinnen und Wähler in Niedersachsen außerdem – zweitens -, indem sie der FDP mit ihrer Zweitstimme zu einem unerwarteten Ergebnis verhalfen. Die Wählerinnen und Wähler des „bürgerlichen“ Lagers wollten auf diese Weise eine Fortsetzung der schwarz-gelben Koalition in Hannover erreichen, scheiterten aber bekanntlich knapp an Rot-Grün. Die Linke bekam 2,1 %, was den rot-grünen Erfolg erst ermöglichte – zum Glück. Wäre sie reingewählt worden, hätte es für Schwarz-Gelb weiter gereicht.
Die Wählerinnen und Wähler können also strategisch denken. Außerdem ist ihnen klar, dass es keine Koalition von Rot mit Dunkelrot geben wird. Die Behauptung, dass die „Wähler einen Politikwechsel durch eine deutliche linke Mehrheit anstreben“, geht daher an der Realität vorbei. Es gibt eine strukturelle linke Mehrheit, die aber zurzeit keine Regierungsmehrheit werden wird. Zugleich gibt es Regierungsmehrheiten für Rot-Grün in Vier-Parteien-Parlamenten, wenn die Linke (und andere Parteien) nicht ins Parlament gewählt wird. Das heißt, dass die Linke eine Politikverhinderungspartei ist, da ihre Anwesenheit nach der Bundestagswahl im September einen Politikwechsel verhindern dürfte. Wer einen solchen Politikwechsel will, darf daher nicht die Linke wählen, sondern muss Rot oder Grün wählen.
Noch ein Wort zu Ihrem Satz: „Ein kleineres Übel ist auch ein Übel und hält sich in der Regel viel länger als ein großes, das eher zum deutlichen Umsteuern zwingt.“
Ist in Ihrer Diktion Merkel oder Steinbrück das kleinere Übel? Wenn Merkel das größere Übel wäre und daher „eher zum deutlichen Umsteuern“ zwänge, sie aber im September trotzdem wiedergewählt würde – das widerspräche sich.
zu @ 8, Kurt Kress,
im Punkt Neutralität sind wir uns doch einig ?
Zu Steinbrück : Er wird bei Bankern sich anders ausdrücken als vor Gewerkschaftern oder Kirchenleuten. Das müssen alle Politiker so machen – nur niemanden vor den Kopf stoßen !
Ein wesentlicher Politikwechsel wird mit den beiden Volksparteien nicht zu erwarten sein. Da wird nur an kleinen Schräubchen gedreht.
zu @ 12, Sigmar,
Niedersachsenwahl : Da halte ich das Ergebnis, bei allem Respekt vor der taktischen Klugheit der Wähler, doch eher für Zufall.
Genau betrachtet, steht eigentlich nur ca. ein Viertel der Wahlberechtigten hinter der Regierung. Leider kein überzeugendes Beispiel für unsere Demokratie.
@ Aris Puls, #9
„Kein Arbeiter und Gerechtigkeitsverfechter darf je wieder SPD wählen.“
– „Gerechtigkeitsverfechter“? – Ist wohl verwechselt mit „Gerechtigkeitsfanatiker“?
– „Kein Arbeiter“? – Wie 68, als Studenten sich als „Vorhut der Arbeiterklasse“ fühlten und vor Fabriktoren zogen, um „den Arbeitern“ zu erzählen, was sie zu denken und zu tun haben?
@ Sigmar
Ich stimme Ihnen ja in manchem zu. Ob aber bloße Wahlarithmetik weiterhilft? Ich kenne nicht den ominösen „Wählerwillen“, in den regelmäßig nach der Wahl alles Mögliche hinein geheimnisst wird, sondern nur viele Einzelwähler, die alle bestimmte Vorstellungen und Interessen verfolgen und das Ergebnis der Wahl gar nicht kennen.
Ich teile ebenso wenig wie Sie den unhistorischen und moralisch aufgeladenen Tunnelblick auf die „Agenda 2010“, der über den – zweifellos vor allem für eine Partei wie die SPD wesentlichen – sozialen Aspekt hinaus alles andere ausblendet, insbesondere, wie gegen den Druck weltweiter Deregulierung zu bestehen wäre. Ich wüsste auch nicht, was „zynisch“ daran sein sollte (Manfred Kisch), aus Fehlern des Deregulierungswahns zu lernen und – unter veränderten Bedingungen – über eine neue Agenda nachzudenken, welche diese vermeidet. Doch auch der nationale Tunnelblick hilft da nicht weiter.
M.E. hat eine SPD mit einem Kandidaten Steinbrück nur eine Chance, wenn sie in der Lage sind, zumindest auf europäischer Ebene glaubwürdige Analysen und Perspektiven der Krisenbewältigung zu liefern. Mindestlohn, Bankenaufsicht und (allen voran von Großbritannien boykottierte) Transaktionssteuer sind hierbei bestenfalls Elemente, lassen aber noch keine Strategie erkennen. Hier wäre doch gerade der frühere Finanzminister gefordert!
Gegen eine Wahlarithmetik spricht auch die Fülle von Unwägbarkeiten, die sich aus der Finanzkrise (ich sage bewusst nicht: Eurokrise) mit den mehr oder weniger überall aufblitzenden chauvinistischen Anwandlungen ergibt.
Beispiel: Wäre der eklatante Widerspruch zwischen weitgehender Ablehnung der Regierungspolitik und dem unantastbar scheinenden Nimbus einer Angela Merkel nicht aus einer Trotzreaktion gegen Nazisymbolik und anderen unerträglichen Anwürfen zu erklären (und in gewissem Maß auch zu verstehen)? Die abenteuerlichen Sprüche eines Hans-Olaf Henkel und der Anti-Euro-Revoluzzer über „Nord- und Süd-Euro“ und „Austritt aus der Eurozone“, die offenbar auf die nationalistische Karte setzen, zeigen, welche Unwägbarkeiten noch bevorstehen. – Man schaue sich da einmal die Anti-EU-Hetze, etwa in der Faz.net-Gemeinde, an!
Mit der fehlenden Einsicht das die Regierung Schröder sehr viel falsch gemacht hat ist die Wahl im September nicht zu gewinnen. Einen Kanzler der den Spitzensteuersatz so abgesenkt und dafür Hartz in die Welt gesetzt hat in der Art zu bejubeln wie vor ein paar Wochen geschehen war Selbstmord in Beziehung zur Bundestagswahl. So sind die Wähler die sich von der SPD abgewand haben nicht zurück zu holen und die Partei wird in ihrem 20% Gefängniss bleiben, das ist für mich ganz klar.
Mir scheint der Zustand unserer Parteienlandschaft derzeit eher so zu sein, wie ihn auch Lafontaine sieht, das eine Einheitspartei mit den vier Farben schwarz, rosa, gelb und grün und dem Namen Christlich-Sozial(e)-Demokratisch-ökologisch-liberale Partei an der Regierung ist. Leider wird die Linke, wenn überhaupt, nur als Stänkerer, „gegen-alles“ und Altstalinisten-Partei wahrgenommen, obwohl sie, man könnte darüber lachen, angefangen vom Mindestlohn über Rentenanpassungen, Bankenregulierung incl. Besteuerung als Ideen-Lieferant vor allem jetzt vor der Wahl für die anderen Parteien dient. Gerade die SPD mit Steinbrück gibt sich jetzt besonders kämpferisch mit ihrem Flugblatt „Besser und Gerechter – Ideen für ein neues soziales Gleichgewicht“. Interessant, weil anscheinend auf das kurze Gedächtnis und die Vergeßlichkeit der deutschen WählerInnen gesetzt wird, denn genau diese Partei war ja ab 1998 bis 2009, zuletzt in der GroKo, an der Regierung. Und sie hat Dinge gemacht, die sich Kohl nie getraut hätte: mit der Agenda 2010 und Hartz IV Arme ärmer und Reiche reicher, alles schön begleitet und fortgeführt dann mit Merkel & Co.. Mit Riester die Alterssicherung privatisieren, mit Ulla Schmid die Absicherung der Gesundheitsrisiken einseitig den Rentnern und Beschäftigten aufbürden, mit Eichel den Vermögenden den Staubzucker vor dem Hinten-Rein-Blasen noch rosa einfärben. Und jetzt soll sich das alles mit Steinbrück ändern? Wer das glaubt, hat auch 2005 geglaubt, daß die SPD gegen eine MWST.-Erhöhung eintritt, und nicht noch „einen“ drauflegt und zieht, wie wir Hessen sagen, „die Hos‘ mit der Beißzang‘ an“. Weil ich Kohl erwähnt habe: ich will diesen nicht in Schutz nehmen, hat er uns doch mit der versiebten und für Otto-Normalverbraucher äußerst teuren Wiedervereinigung im Schnellwaschgang ein ganz dickes Ei auf die Schiene genagelt, incl. des dann von Schröder übernommenen Arbeitslosen-Heeres.
Aber leider scheinen viele von Medien und Slogans inzwischen so gehirngewaschene oder einfach nur müd-verdrossene Bürger sich von der zu erwartenden Merkel-Steinbrück-GroKO-Neuauflage zumindest eine Rettung des derzeitigen, leider nicht als äußerst fragil wahrgenommenen, Ist-Zustandes zu versprechen. Jetzt hangeln sich alle von einer Euro-Fehlleistung zur nächsten, wobei sich keiner an das Grundübel heran traut. Das Grundübel war die Tatsache, beim Hausbau Europa erst mit dem Euro als Dach anzufangen, anstelle erst einmal nach einem soliden Fundament zu schauen. Jetzt haben wir den Schlamassel, und im Gegensatz zur Alternative für Deutschlaand sehe ich die Mißgeburt und das permanent mit seinen Behinderungen leben müssende Geschöpf Euro als – leider – alternativlos. Weil wir bei einer Rückkehr zur DM oder zu einem Nord-Euro (also Neuro, hat was von „neuer Euro“, aber auch was von Neurose) wahrscheinlich beim Exportmeister Deutschland Verwerfungen erleben würden, gegen die die 2007/2008er Finanzkrise ein laues Lüftchen war.
Es tröstet mich der Gedanke, daß wir dann alle, gleich welcher Couleur, gemeinsam dem Strom zum Abgrund entgegen schwimmen werden.
Übrigens schätze ich den potentiellen Wahlerfolg der AfD auf mindest gut einstellig. Marine le Pen in Frankreich scheint ja auch bereits an Hollande vorbeiziehen zu wollen. Je nach Ergebnis wäre dann die AfD-Gruppierung sicherlich auch ein Koalitionspartner für die Schwarzen. Man übt ja bereits kräftig in Richtung Zuchtmeister der Nationen, und weint jede Menge Krokodilstränen. Das unser Exportmodell des „Beggar theigh neighbor“ weitgehend dem zyprischen Finanzmodell ähnelt, scheint nicht gesehen zu werden.
Es trauen sich leider zu wenige, frei nach Andersen zu rufen: „Aber der Kaiser hat ja nix an, der ist ja nackt!“ Weil sie ja ansonsten als dumm gelten könnten, und wer will schon „dumm“ sein?
Hallo Werner Engelmann,
ich verstehe Ihre ambivalenten Gedanken recht gut. Es stimmt, dass Peer Steinbrück bisher wenig aus seiner europapolitischen Kompetenz machen konnte. Das hat er schon einmal besser hingekriegt, zu Zeiten als er noch nicht Kandidat war und als noch die Grundsatzdiskussion ging über die Vergemeinschaftung von Schulden, über die Transferunion und über Eurobonds. Und auch den Schuldenschnitt hat er zutreffend vorhergesagt. Mit ihm als Kanzler hätte es die unsägliche Merkel’sche Austeritätspolitik möglicherweise nicht gegeben.
Aber was nun die Wahlarithmetik betrifft, den sogenannten Wählerwillen, so kursiert seit einer Weile ein anderes Wort dafür durch die Welt, nämlich Schwarmintelligenz. Wobei die Ergebnisse, die die Schwarmintelligenz erzielt, nicht immer intelligent wirken, wie ich zugeben möchte. Siehe Italien. Der Wählerwille muss eben gedeutet werden, gerade wenn er sich kryptisch ausdrückt wie das Orakel von Delphi mit seinen Sprüchen. Aber es steckt auf jeden Fall eine gewisse Weisheit im Votum der italienischen Wähler, denn sie wurden ja über einen längeren Zeitraum von einer ihnen verordneten, aber nicht von ihnen gewählten Regierung regiert – erst wurden sie entmündigt, dann haben sie sich für die Unregierbarkeit entschieden.
In Niedersachen hat die Schwarmintelligenz ein wahlarithmetisch klares Votum geliefert, wenn auch nur mit ein paar hundert Stimmen Vorsprung für Rot-Grün. Ein ähnlich klares Votum wünsche ich mir für Berlin im September. Bitte nicht noch einmal vier Jahre Merkel!!
Wolfgang Fladung hat doch Recht. Für den kleinen Mann waren die Regierungsjahre mit SPD Beteiligung eine Katastrophe. Das wäre unter schwarz/ gelb wahrscheinlich nicht so schlimm gekommen. Ich würde ja sagen sie haben es wenigstens gut gemeint, aber es fehlt ja sogar jede Einsicht das es wohl etwas unglücklich gelaufen ist.
Wen es noch interessieren sollte, der sollte sich einmal den Inhalt dieses Links zu SPON ansehen: http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/lancet-euro-krise-hat-fatale-wirkung-auf-gesundheit-der-europaeer-a-891149-druck.html.
Na dann, frohe Ostern, Christenheit, und vorher noch ein wenig Heuchler-Buße tun.
Zu Wolfgang Fladung, 26.3.: Sie sagen mit Recht: “ Leider wird die Linke, wenn überhaupt, nur als Stänkerer, “gegen-alles” und Altstalinisten-Partei wahrgenommen.“ Da die Wähler laut Umfragen trotzdem stets für eine linke Mehrheit sind, zu der auch die Linke zählt, sollten wir versuchen, dieses Vorurteil durch nachprüfbare Zitate zu widerlegen. Zu dem Vorwurf „Altstalinisten“ und „SED-Nachfolgepartei“ findet man schon in dem am 26. Okt. 03 beschlossenen Programm der PDS unter der Überschrift „Selbstveränderung der PDS“ folgenden Text: „Die SED war als herrschende Partei… auf das in der Sowjetunion entstandene Sozialismusmodell und auf Linientreue zur Politik der Sowjetunion fixiert. Sie war weder fähig noch bereit, Sozialismus mit Demokratie und Freiheit zu verknüpfen. Ihren Weg kennzeichneten daher auch schmerzliche Fehler, zivilisatorische Versäumnisse und Verbrechen. Es bleibt für uns eine bittere Erkenntnis, dass nicht wenige Mitglieder der SED Strukturen der Unterdrückung mitgetragen und Verfolgung Andersdenkender zugelassen oder sogar unterstützt haben. Dafür sehen wir uns mit anderen in einer moralischen Verantwortung. Es ist deshalb auch unsere selbstverständliche Pflicht, die im Grundgesetz für die BRD verbürgten Grundrechte zu verteidigen. …“ Man kann einem solchen Text misstrauen. Man kann ihn aber auch ernst nehmen und so den Linken helfen, das zu werden, was sie vorgeben schon zu sein, eine demokratische sozialistische Partei.
Danke für die Aufklärung, Herr Kress. Ich mußte diese krassen Falsch- und Fehlurteile nur anführen, weil der Normalverbraucher eben die Linke nach wie vor als verkappte Kommunisten nicht für wählbar hält und dafür die neoliberal gewendete SPD nach wie vor für eine Alternative zur CDU. Ich jedenfalls versuche mein bestes, die Linke aus diesem Wust von Vorurteilen heraus zu holen, und werde mich im kommenden Wahlkampf auch entsprechend engagieren. (Hoppla, jetzt hat er sich geoutet!). All die, die ich seit meiner WASG-Zeit kennen gelernt habe, sind jedenfalls nicht solche Teflon-beschichtete Charaktere, wie wir sie zu 95% in den anderen Parteien inzwischen finden. Leider gibt es auch in der Linken eine Minderheit, nennen wir sie die „Bartscher“, welche immer noch glauben, in einer rot-grünen Koalition als Mehrheitsbeschaffer das Zünglein an der Waage spielen zu können. Ich warne vor solchen Überlegungen, weil DIE LINKE hier in der Umarmung erdrückt würde, und – realistisch betrachtet – mit 8% sowieso nicht zu melden, geschweige denn vom Programm umsetzen könnte.
Wie sagte doch der Angler zum Wurm: „Komm, laß uns angeln gehen“.
Zur Partei der Linken kann man nur sagen das sie die laufende Legislaturperiode erfolgreich genutz hat um jedem der sie vielleicht wählen könnte zu beweisen das er das besser sein lassen sollte. Diese Partei ist offensichtlich nicht in der Lage derzeit wenigstens Oposition zu organisieren. Da misstraut wohl jeder jedem. Es reicht nicht die richtigen Fragen zu stellen wenn klar abzusehen ist das die Antworten schon recht vielstimmig und eine Umsetzung wohl absolut chaotisch ablaufen würde. Die Linke sollte aus dem Bundestag nach meiner Meinung verschwinden und sich über die Länder neu aufbauen.
Hallo Hans,
ganz genau. Und wenn es dazu noch einer Bestätigung bedarf, dass die Linke überflüssig ist, dann hat Wolfgang Fladung sie einen Kommentar weiter oben geliefert. Eine Partei, die diejenigen in ihr, die kompromissfähig zu bleiben versuchen, als „Bartscher“ abqualifiziert, hat ihre Legitimation verloren. Politik ist nichts anderes als die Kunst, Kompromisse zu finden und umzusetzen. Eine Partei, die von vornherein Maximalpositionen wie uneinnehmbare Festungen behauptet, hat in der deutschen Politik nichts zu suchen. Ich kann den Sinn dieser Partei auch nicht erkennen. Sie hat ja kluge Köpfe und auch ein paar gute Ideen, aber wenn sie nicht erkennt, dass solche Positionen dazu da sind, vielleicht auch geräumt zu werden, um an anderer Stelle eine andere Position durchzusetzen, dann sind das einfach nur Politikverhinderer. Und genau das ist nämlich die ganz persönliche, narzisstische Lust von Oskar Lafontaine.
@ Wolfgang Fladung, gewiss wollen Sie in bester Absicht für die guten Ziele der Linkspartei werben. Aber ich als „Normalverbraucher“ fühle mich durch Ihre Diktion so gar nicht angesprochen. Eher ein bisschen in die Dämelecke gestellt, weil ich die üblen Tricks der anderen so gar nicht durchschaue.
Im übrigen sehe ich die Linke keineswegs als dogmatische Nachfolgerin der SED. Aber die Partei scheint mir in ihrer Mischung aus SPD-Enttäuschten, alten Gewerkschaftern, ehemaligen DKP-Anhängern gerade im Westen ziemlich angestaubt und zerrissen. Was nützt ein gutes Programm, wenn es nur Wenige überzeugend nach außen tragen können? Um öffentlich wirksam zu werden, müsste viel mehr geschehen. In Berlin (als Bundesland) hat mich die Linke eher überzeugt, weil hier kluge Köpfe agiert haben.(Natürlich wurden in der Realpolitik auch die Grenzen des Machbaren deutlich.) Eine starke Linke braucht belastbare (d.h. auch: überprüfbare), überzeugende Argumente. Vor allem Argumente, die nicht nur plakative Forderungen postulieren, sondern Wege aufzeigen, wie es besser gehen könnte. Und sie braucht gute Leute, die diese verständlich und glaubwürdig in der Öffentlichkeit vertreten können. Davon gibt es zu wenige.
Das eigentliche Problem ist das die letzten 6 bis 7 Beitäge (meine eingeschlossen) den Beweis liefern das Frau Merkel wieder die Wahl gewinnt. Diese Uneinigkeit der Leute die Merkel nicht mehr wollen ist vielleicht im Moment nicht änderbar, wird aber Frau Merkel zum Sieg verhelfen.
zu Hans, Sigmar und I. Werner: Danke für die Replik. Machen Sie mir doch mal Vorschläge, punkten Sie mit eigenen Ideen, wie und was DIE LINKE besser machen könnte und sollte. Zum Personal: Sind Wagenknecht, Lafontaine, Kipping etc. jetzt schlechtere Vertreter ihrer Partei als Steinbrück, Steinmeier, Gabriel & Co.? Natürlich hat auch diese Partei die Weisheit nicht mit Löffeln gefressen – aber sie legen zumindest den Finger unbarmherzig in die Wunden, die der Kapitalismus geschlagen hat. Was soll dieser Wunsch nach Kompromissen – die alte Friede-Freude-Eierkuchen-Politik? Wie würde denn ein Kompromiss aussehen, der ein – von mir geschätztes Linken-Wahlergebnis von 8% mit den restlichen 92% von Rot-Grün abbilden würde? Weiter Krieg in Afghanistan, aber in Bio-Kleidung? Mindestlohn von E 7,70 anstelle von € 7,50? Rente anstatt mit 69 bereits mit 68 3/4? Mediatoren für die über 4 Mio. Beschäftigte, die mit weniger als 7 Euro die Stunde auskommen müssen, und meistens dann aufstocken? Nein, ein Versuch, irgendwelche Kompromisse zu finden, würde schon an der fehlenden „Augenhöhe“ scheitern. Da ist es geradliniger, und besser für das Rückgrat und den demokratisch aufrechten Gang, in der Opposition zu bleiben.
Geben Sie doch mal Empfehlungen ab, wie sich die SPD in einer Neuauflage der GroKo verhalten sollte – in Bezug auf Kompromisse, so wie 2005???
Und, I. Werner, ich wollte Sie keineswegs in die „Dämlack“-Ecke stellen. Ich bin mir duchaus bewußt, das ich mit meinen Ansichten gegen einen breiten Strom schwimme. Nur finde ich immer noch, daß das alte Märchen von „Des Kaisers neue Kleider“ aktueller ist denn je.
Ein „Dämlack“ möchte ja keiner sein, und deshalb kleiden wir unsere Zeit und die Abläufe darin immer prächtiger ein.
Ich möchte nur eines wissen: Glauben Sie, liebe Mitblogger, an die Tatsache, daß sich bei uns die Gewichte zugunsten der Vermögenden und zu Ungunsten der Besitzlosen verschoben haben? Und wenn ja, glauben Sie, daß dies mit Rot, oder besser, Rosa-Grün besser würde?
Wenn eines n i c h t unsere Gesellschaft zusammenhält, dann ist es eine rosa Brille.
„Glauben Sie, liebe Mitblogger, an die Tatsache, daß sich bei uns die Gewichte zugunsten der Vermögenden und zu Ungunsten der Besitzlosen verschoben haben?“
Also wenn ich schon so direkt gefragt werde… nein, das glaube ich nicht.
Solange in den bekannten und vielzitierten Statistiken z.B. die Einwanderung überhaupt nicht berücksichtigt wird, kann ich sie nicht als Indikator für eine Umverteilung von unten nach oben nehmen, denn wenn in einem Land die Armut zunimmt, weil viele Arme einwandern, ist das keine Umverteilung. Es ist auch nicht im geringsten ungerecht, wenn eingewanderte Arme nicht schon nach kurzer Zeit Vermögen aufgebaut oder geschenkt bekommen haben, die vergleichbar sind mit den Vermögen der Einheimischen.
Ende der 80er hatten wir weniger als 5 Mio. Menschen mit Migrationshintergrund, heute mehr als 16 Mio., ein Zuwachs von 11 Millionen Menschen. Ein Teil davon sind auch Nachkommen, aber der wesentliche Teil, viele Millionen, haben eine eigene Migrationserfahrung, sind also selber eingewandert. Sie haben zum Zeitpunkt der Einwanderung zu einem viel höheren Prozentsatz als die einheimische Bevölkerung keine Berufsausbildung, und oft genug eine eher prekäre Vermögenssituation.
Wenn man sich die vielbejammerte Entwicklung der Beschäftigung im Niedriglohnsektor anschaut, so korreliert deren Kurve eindeutig mit der Einwanderungskurve, d.h. der Anstieg des Anteils der Beschäftigten im Niedriglohnsektor begann Mitte der 90er, als die Aussiedler, Kriegsflüchtlinge aus Jugoslawien und viele andere zahlenmäßig ein Maximum hatten… also 10 Jahre VOR Einführung von Hartz IV, das ständig und völlig absurderweise für das Anschwellen des Niedriglohnsektors verantwortlich gemacht wird. Das Absurde: Da mit der geänderten Asylgesetzgebung Ende der 90er auch die Einwanderung stark abnahm, flachte sich in Folge auch die Kurve des Anteils der Beschäftigten im Niedriglohnsektor ab. Und zwar genau in der Zeit, in der Hartz IV „gefühlsmäßig“ für viele (aber eben nicht statistisch erkennbar) die Niedriglohnarbeit explodieren ließ. Wer die zeitlichen Verläufe dieser Statistiken anschaut, kann nur den Kopf schütteln darüber, wofür Hartz IV als Erklärung herhalten muß.
Die Politiker sind alle, egal welche Partei, zu feige, in den Armuts-Statistiken die Einwanderungsanteile zu benennen (und die Journalisten sowieso). Denn sie haben ja Angst, daß man daraus konstruieren könnte, daß sie die Eingewanderten ablehnen. Deswegen werden die Tatsachen verschwiegen, und stattdessen von einer angeblichen „sozialen Ungerechtigkeit“ lamentiert. Die Angst mag nicht ganz unberechtigt sein… wenn man den Menschen ehrlich sagen würde, daß die Löhne im Niedriglohnsektor unter Druck gerieten, indem die Anzahl der Menschen, die bestenfalls ungelernte oder wenig qualifizierte Jobs ausführen können, geradezu explodierte, dann könnte das eine ungute Stimmung bei der Bevölkerung erzeugen. Wenn man den Menschen sagen würde, daß die geplante Umverteilung von oben nach unten (die nach den Plänen von SPD und Grünen schon im Einkommensmittelfeld zu Einkommenseinbußen führen werden) im wesentlichen eine Umverteilung von Einheimischen zu Migranten sein wird (und zwar eine, die weniger den Aufstieg aus eigener Anstrengung fördert, als direktere Mitteltransfers) könnte auch dies eine ungute Stimmung bei der Bevölkerung erzeugen. Und weil alle Angst vor dieser unguten Stimmung haben, lamentieren wir stattdessen über „soziale Ungerechtigkeit“. Den Mut, den Bürgern zu sagen, daß eine generöse Asylpolitik, eine generöse Einwanderungspolitik überhaupt, sowie die Niederlassungsfreiheit auch aus bitterarmen EU-Staaten sie beträchtliche Summen kosten wird, und zwar nicht abstrakt irgendwie, sondern in der persönlichen Einkommenssteuererklärung, hat ja niemand… wie viel einfacher ist es da doch, zu sagen: Die Aufrechterhaltung der sozialen Gerechtigkeit wird euch Geld kosten. Dann nicken viele Bürger brav und sagen: Ja, ein hehres Ziel, kein Problem. Man kann also vermuten, daß das der Fall ist, was Sie, Herr Fladung, abstreiten: Die rosa Brille hält unsere Gesellschaft zusammen.
CDU/FDP hingegen halten die Armuts-Zahlen hoch, die sich aufgrund der Einwanderungsrückgänge im letzten Jahrzehnt entdramatisiert haben, und sagt: „Schaut, der Anstieg von Armut und Niedriglohn wurde seit Mitte des letzten Jahrzehnts gestoppt“ (also in etwa seit Hartz IV in Kraft trat). Wir haben aber jetzt erneute Anstiege in der Einwanderung, und insbesondere ein sich abzeichnendes Problem einer massiven Armutseinwanderung aus Rumänien und Bulgarien. Das wird mit Sicherheit dazu führen, daß in den Statistiken der Anteil der Armutsgefährdeten und die Anzahl der Niedriglohnbeschäftigten künftig auch wieder weiter steigen werden, und das entsprechende Gerechtigkeits-Lamento wird dann auch nicht mehr lange auf sich warten lassen… als ob es ungerecht wäre, daß arme Rumänen usw. in unserem Land nicht bei der Einwanderung gleich mit der Überreichung eines Durchschnittsvermögens beglückt werden… Mal sehen, wie sich CDU/FDP dann da rausreden werden, wenn sie dann überhaupt noch Regierungsverantwortung haben.
Was die Einkommensungleichheit in Deutschland angeht, so haben wir aber trotz der Belastungen durch Einwanderung international eher moderate Werte. Das Verhältnis zwischen dem oberen und dem unteren Fünftel der Verteilung der Äquivalenzeinkommen der Bevölkerung ist 4,5. D.h. die einkommensstärksten 20% der Bevölkerung erhalten als Einkommen in Summe das 4,5-fache von dem, was die einkommensschwächsten 20% der Bevölkerung bekommen. Damit liegen wir gleichauf mit der Schweiz (4,5) und nur wenig schlechter als Dänemark (4,4), aber besser als Frankreich (4,6). D.h. die Einkommen sind in D gleichverteilter als in Frankreich, wenn auch nur geringfügig. Von Ländern wie Spanien (6,8) oder Italien (5,6) möchte ich jetzt gar nicht reden. (Alle Werte von 2010 und von Eurostat)
Mein Vorschlag an LINKE, aber auch Grüne und SPD wäre, den Menschen klar zu sagen, daß sie es befürworten, den Abbau der Nationalstaaten auch an dieser Stelle zu betreiben, bei der Umverteilung von Reich zu Arm, d.h. über die Nationalitäten hinweg zu verteilen. Der Bürger hätte schon ein Recht darauf, zu wissen, was da eigentlich passiert.
Auch das Thema „Finanzkrise“ wurde mit einer beispiellosen Einseitigkeit behandelt, deren Zweck es war, den Menschen einzuhämmern, die Armen würden zur Bereicherung einiger weniger Reiche ausgeplündert. So wurde ein großes Trara um die Tatsache gemacht, daß verschiedenen Banken in Schieflage staatliche Unterstützungen gewährt wurden. Dabei wurden grundsätzlich sämtliche Ausgaben gern erstmal als Totalverluste hingestellt und haben sich als solche im Gehirn der Bürger festgefressen. Wenn hingegen, wie jetzt gerade geschehen, die Commerzbank alle stillen Einlagen des Staates in Höhe von 13,1 Mrd. Euro zurückkaufte, interessiert das praktisch niemanden… die Mär von der Umverteilung zu den Banken = Reichen wird von der Realität nur selten berührt.
Die übelste Propaganda in dieser Sache fiel mir kürzlich bei einer wirklich unverschämten arte-Dokumentation auf, die sich angeblich auf die Spuren machen wollte, wem die Schuldpapiere denn gehören, deren Verbindlichkeiten von Irland und Spanien (d.h. also, deren Steuerzahlern) nach einheimischen Bankenpleiten übernommen wurden… man fand lange Listen von Banken. Aha, da haben wirs doch… vom Steuerzahler Irlands und Spaniens wird umverteilt zu den Banken = Reichen. Q.E.D.
Daß es sich dabei um Investmentbanken handelte, die die Papiere überhaupt nicht besitzen, sondern in Investmentfonds bündelten und an Endkunden weiterverkauften, wurde verschwiegen… ebenso wie die Tatsache, daß jede kleine Eckfiliale der Sparkasse einem sofort solche Investmentfonds verkaufen will, sobald man Unzufriedenheit mit den Festgeldzinsen bekundet. M.a.W. wieviele auch Kleinanleger in welchem Umfang hier betroffen sind, kann überhaupt niemand wissen, aber das hätte die beabsichtigte Story des Märchenerzählers bei arte natürlich behindert: Es hat gefälligst eine gigantische Umverteilung von arm zu reich stattzufinden, basta!
Zu Werner (24): Sie sagen: „Was nützt ein gutes Programm, wenn es nur wenige überzeugend nach außen tragen können?“ Antwort: Sich das Programm besorgen und selbst lesen. Es ist zweifellos schwierig, sich von einer Partei ein objektives Bild zu machen, wenn sie von den Medien vernachlässigt oder einseitig-verzerrt dargestellt wird. Offenbar ist es – nicht nur für Journalisten – berufsschädigend, Positives über die LINKE zu berichten. Das drückte schon Gysis Wahlslogan aus „Wählen Sie ruhig die LINKE, es merkt ja doch niemand“. Ich lese z.B. mit Vergnügen in dem Programm http://www.plan-b-mitmachen.de über vielfältige Ideen zur Bürgerbeteiligung bei der Energiewende, bei der Regionalisierung des Lebensmittelhandels,…, stets ergänzt durch „offene Fragen“, die den Leser zum Mitdenken auffordern. Es ist ein lebendiges, offenes Programm von einem Niveau, das ich bei anderen Wahlprogrammen vermisse. Ich verspreche mir viel von einer starken LINKEN, auch in der Opposition.
Sozialpolitisch erwarte ich gar nichts von der nächsten Regierung. Wobei das schon ein Erfolg wäre bei einer SPD Beteiligung. Was ich erwarten würde von einer rot/grünen Regierung ist das es besser als bisher gelingt mit der Euro-Krise zurecht zu kommen und dabei mehr die Verursacher ins Boot zu holen, was ja bisher kaum geschieht. Außerdem halte ich die Energiewende für im Prinzip richtig und bisher eher dilettantisch umgesetzt. Das man im Gesundheitsministerium mit einem FDP Mann letztlich einen Bock zum Gärtner gemacht hat sollte auch ein Ende haben. Wenn diese Punkte in 4 Jahren positiv erledigt sind würde ich das schon als Erfolg sehen.
zu @28 Kurt Kress
Kann das daran liegen das man einen Chor zum Spitzenkandidaten macht, weil man sich auf ein bis zwei Personen nicht einigen kann. Was soll man da noch genauer im Program lesen. Die könnten das nicht umsetzen wenn sie 50% bekommen würden.
zu # 27, Max Wedell:
https://www.destatis.de/DE/PresseService/Presse/Pressemitteilungen/2013/03/PD13_121_634.html.
Wenn ich diese Meldung des sicherlich links unterwanderten Statistischen Bundesamtes lese, dann müssen diese Armen wohl alles Armutszuwanderer sein, anders kann ich mir die hohe Zahl nicht erklären. Dazu eine Anmerkung auf den Nachdenkseiten von heute von Orlando Pascheit:
Bei einem weiteren, zuletzt viel geschmähten Nachbarn, in Frankreich lag die Armutsquote bei 14,0 % wie auch in Schweden. In den Niederlanden lag die Quote bei 11,0 %. Eigentlich sind solche Vergleiche nur bei Ländern auf ähnlichem Entwicklungsniveau sinnvoll. So betrug der Schwellenwert für Armutsgefährdung in Deutschland bei 11 426 Euro im Jahr und in Ungarn 2 721 Euro. – Leider wird im Titel die ebenso untersuchte Einkommensungleichheit
nicht erwähnt.
Dazu paßt auch diese Meldung: http://www.nrw.de/landesregierung/schneider-zuwanderung-ist-ein-gewinn-fuer-unser-land-14226/.
Aber auch hier wissen wir ja, daß rot-grün in NRW lügt wie gedruckt und sich die Ergebnisse zusammenbastelt – im Gegensatz zu unserer lauteren, ehrlichen, immer objektiv informierenden Bundesregierung mit der weisesten aller Frauen an der Spitze.
Aus der SPD bin ich vor 20 Jahren ausgetreten – aus 1000 guten Hartz-Gründen, nach 42 Jahren Mitgliedschaft. Das Verdienst Schröders ist es, das Reaktionäre in der SPD in praktische (auch: Personal-)Politik gegossen zu haben. Erz-reaktionär, gegen die Interessen der Massen des Volkes resp. der eigenen Wähler- wie Mitgliedschaft. 23% ein passendes Ergebnis. Und heute? Hat die SPD irgendetwas gelernt aus ihren fürchterlichen Fehlern? Nicht im Mindesten. Ich verstehe die Sozen nicht, die meinen, noch über politischen Verstand zu verfügen, heute inbrünstig hinter Steinbrück herlaufen, weil sie von ihm irgendetwas Lichtvolles erwarten. Der Mann ist nicht nur politisch dumm, er hat auch zur Masse seiner eigentlichen Wählerschaft keinerlei Beziehung: er will ja nicht „populistisch“ sein, indem er z.B. die schrecklichsten Hartz-Taten bedenkt, analysiert oder gar korrigiert.
Die Sozen sind mit 23% ausreichend bedient – die wollen auch garnicht regieren, gestalten, Verantwortung tragen: denen reichen schön bezahlte „jobs“.
Ein Trauerspiel, typisch für den Stand des politischen Bewußtsein in Deutschland.
Zu hans (30): Ich denke, man sollte schon das Programm einer Partei lesen, bevor man über sie urteilt, – oder aber auf beides verzichten. Zu Ihrer „Chor“-Kritik: Ein Team intelligenter Leute anstelle eines Einzelnen schützt vor Basta-Politik. Ich (Jahrgang 22) halte nichts von einem starken Führer mit gehorsamer Partei. Demokratie ist halt zeitraubend. Zur „Umsetzung“ der Programminhalte: Fladung zeigte schon in (16), wie die Linke aus der Opposition heraus als Ideenliferant die Politik mit gestaltet, ohne dass man das offiziell zur Kenntnis nimmt. Da ich viele ihrer Ideen gut finde, hoffe ich weiterhin auf diese Art der Einflussnahme.
@ Wolfgang Fladung,
eben genau dieser Pressemitteilung, die Sie verlinken, entnahm ich die von mir in #27 genannten Zahlen zur Einkommensungleichheit… ich kann also Ihre Behauptung, die wären zwar untersucht, aber dort nicht publiziert, nicht nachvollziehen. Sie sind dort wie auch an der Quelle publiziert, und zeigen meiner Ansicht nach, daß das allgemeine Gerede von einer grassierenden „Ungerechtigkeit“ in Bezug auf die Einkommensverteilung hierzulande einfach völlig überzogen ist.
Sollte allerdings jemand der absurden Meinung sein, daß die Einkommensverteilung genau dann als ungerecht zu gelten hat, solange man in internationalen Statistiken nur ein wirtschaftliche vergleichbares Land findet, das noch gleichverteiltere Einkommen aufweist, so wird Deutschland auf ziemlich lange Zeit, wenn nicht auf ewig, ein „ungerechtes“ Land bleiben.
Ihr Sarkasmus bzgl. des Einwandereranteils an der Armutsgefährdungsquote von 15,8% ist fehl am Platz. Daß Einwanderer einen wichtigen Anteil an der besonderen Höhe dieser Zahl haben, sollte eigentlich jedem glasklar sein, der die weiteren Zahlen dazu kennt, denn die Quote von 15,8% teilt sich ja in Deutschland auf in eine Armutsgefährdungsquote von 11,7%(!) bei allen Personen ohne Migrationshintergrund, und eine Armutsgefährdungsquote von 26,2% bei allen Personen mit Migrationshintergrund… zusammengerechnet eben 15,8%.
Wollen Sie angesichts dieser Zahlen des Bundesamts für Statistik wirklich weiterhin behaupten, daß Sie sich einen Zusammenhang zwischen einer besonderen Höhe der hiesigen Armutsgefährdungsquote von 15,8% und einer stattgefundenen Einwanderung nicht vorstellen können?
Sie bringen dann eine Statistik, die stolz von einem hohen Anteil von Zuwanderern nach NRW mit Fach- oder Hochschulreife berichtet, dazu aber das Konstrukt einer „neuen“ Zuwanderung benötigt, die überhaupt erst im Jahr 2000 einsetzte… die „alte“ Zuwanderung war also vermutlich von den Sozialdemokraten in den Ministerien statistisch einfach nicht so hinzubiegen, daß man ihr ausreichend positive Aspekte abringen konnte, die auch jedem einleuchten können… 😀
Aber das nur nebenbei… diese Zahlen über den Umfang höherer Qualifikation bei Einwanderern ist kaum relevant für eine Diskussion über den Niedriglohnsektor und seine Entwicklung durch Einwanderung, denn der Druck auf die Löhne im Niedriglohnbereich entsteht in der Regel nicht durch Zuwanderung von höher Qualifizierten, sondern durch die Zuwanderung Niedrigqualifizierter, über die ihr Link nichts aussagt… und die Einwanderung von 10 Niedrigqualifizierten aus Anatolien wird im Niedriglohnsektor erstmal einen Druck auf die Löhne erzeugen, völlig unabhängig davon, ob zur gleichen Zeit 10 Russen mit Hochschulreife einwandern, die auf den Arbeitsmärkten nicht im Niedriglohnbereich landen. Die höherqualifizierten Russen erzeugen allenfalls einen Druck auf die höheren Löhne, die dann sinken… aber höhere Löhne, die sinken, sind ja, wenn ich das recht verstehe, eher ein Positivbeitrag zur sozialen Gerechtigkeit, als ihr abträglich, und müssen daher überhaupt nicht problematisiert werden.
@ Max Wedell:
Nach EU-Definition gilt eine Person als armutsgefährdet, wenn ihr Einkommen nach Einbeziehung staatlicher Transferleistungen weniger als 60 % des mittleren Einkommens der Gesamtbevölkerung eines Landes beträgt. In Deutschland lag der Schwellenwert für Armutsgefährdung im Jahr 2010 für eine alleinlebende Person bei 11 426 Euro im Jahr, das entspricht 952 Euro im Monat.
Hierbei sollte man „Einkommen“ nicht mit „Vermögen“ verwechseln. So konnte man in der 09/12 Fassung des Armuts- und Reichtumsberichts der Bundesregierung lesen:
„Die Privatvermögen in Deutschland sind sehr ungleich verteilt. So verfügen die Haushalte in der unteren Hälfte der Verteilung nur über gut ein Prozent des gesamten Nettovermögens, während die vermögensstärksten zehn Prozent der Haushalte über die Hälfte des gesamten Nettovermögens auf sich vereinen. Der Anteil des obersten Dezils ist dabei im Zeitverlauf immer weiter angestiegen.“
Aus Statistiken kann jeder das herauslesen, was er für richtig hält. Vielleicht hätte ich gleich meine Interpretation bzw. meine Sichtweise erläutern sollen. Wenn die Armuts-Zuwanderung in Deutschland das allgemeine Lohnniveau drückt, müßte dies doch auch für andere mit Deutschland verglichene Länder gelten, richtig? Und warum finden sich seit Einführung der Hartz-Reformen innerhalb der Agenda 2010 auch Gutqualifizierte auf einmal im Bereich Niedriglohn, Leiharbeit, Zeitwarten oder Praktika-Stellen – auch ausgelöst durch Bildungsferne aus Rümänien etc.?
Was ist mit den Aufstockern, alles arme Zuwanderer oder bildungsferne Deutschw? Es kommt doch darauf an, welches Einkommen jemand hat und wie er damit leben kann. Und das können alle die im oberen Fünftel sicherlich besser und leichter.
Aus ihrer Argumentation lese ich heraus, daß die armen Zuwanderer an der ungleichen Vermögensverteilung in Deutschland „schuld“ sind, und nicht die immer ungerechtere Politik unseres Staates seit Schröder. Aber Sie bestreiten ja auch, das unsere Vermögenden immer reicher geworden sind. Und was Sie völlig ausblenden ist die Frage, warum zunehmend Menschen aus ärmeren Regionen, nicht nur Europas, ihr Zuhause verlassen und zu uns kommen. Das dann diejenigen, die aufgrund ihrer Bildung und Ausbildung eher geneigt sind, auch schlechter bezahlte Jobs anzunehmen, ist wohl eher Folge als Ursache der Migration.
Es dürfte eher so sein, daß die „Reformen“ einen so hohen Druck auf Arbeitssuchende jen Job – auch dann schlechter bezahlten – anzunehmen, bewirkt hat, und weniger die Billigkonkurrenz von Migranten. Unsere Bundesregierung war eben top beim Backen von Plätchen. Da wurden aus alten gutbezahlten Arbeitsplätzen viele schlecht bezahlte Arbeitsplätzchen, weil man das für die Statistik brauchte. Motto eben: Sozial ist, was (und wer) Arbeit schafft. Das man von dieser Arbeit auch leben können sollte, wurde wohl als unwichtig ausgeklammert.
Zurück zum Thema „Steinbrück:
Steinbrück erklärte kürzlich anlässlich einer Presskonferenz in Berlin mit Nachdruck, dass eine „wie auch immer geartete Zusammenarbeit mit der Linkspartei – auch die Duldung einer Minderheitsregierung – „ für ihn nicht infrage komme. Weshalb lässt sich eigentlich die SPD-Basis diese Denkverbote, diese weiter nicht begründete Einschränkung der Handlungsfreiheit gefallen? Fehlendes Selbstbewusstsein? Oder Resignation wegen miserabler Umfragewerte? Die ließen sich durch Aufbegehren gegen diese von oben verordneten Denkverbote sicher verbessern.
Der Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Michael Sommer, meint, es brauche nach der nächsten Bundestagswahl eine Große Koalition .Der Genosse Sommer, wenn er sich denn als solchen betrachten wollte oder dürfte, irrt vollkommen. Im Grunde sind Große Koalitionen hierzulande nur zu rechtfertigen, wenn das Land in allerhöchsten Nöten ist. Dies ist aber gegenwärtig überhaupt nicht der Fall. Die deutsche Gewerkschafts-bewegung ist zwar – diskursiv – besser als die in anderen Ländern aufgestellt. Aber in diesem Falle geht Demokratie – also Streitigkeit – vor. Vor eine DGB imaginierte Gesellschaftsharmonie. Die wird es nie geben. Das sagt ein LB-Schreiber, der seit 46 Jahren der SPD angehört.
„Mehr wir, weniger ich“ Bericht über die Veranstaltung „Die Zähmung des Kapitalismus“ vom 9. April 2013 War das wirklich ein Bericht über eine stattgefundene Veranstaltung? Oder waren es nur ein paar wenige Fakten, plump vermischt mit hämischen Kommentaren? Es war das derzeit übliche niveaulose Steinbrück-Bashing. Steinbrück ist nicht über die Bühne getigert und er hat auch den Anwesenden nichts eingehämmert. Das war auch nicht nötig, denn jeder Anwesende hatte eh sozialdemokratisches Herzblut inne. Dass er ziemlich dröge und zu gradlinig rüberkommt, liegt an seiner norddeutschen Herkunft. Er ist eben keine Hannelore Kraft, die wahrscheinlich durch die Stuhlreihen gegangen wäre und jeden Anwesenden umarmt hätte. Fast die Hälfte des Artikels nahmen der Veranstaltungsort und der Termin ein, gespickt mit sorgfältig ausgewählten Einzelmeinungen von Besuchern – wohlgemerkt vor der Veranstaltung. Was haben die „hoheitlichen Kassettendecken“ und der „Prunk des 19. Jahrhunderts“ mit dem Inhalt der Veranstaltung zu tun? Es ist nun mal das Gesellschaftshaus des Frankfurter Palmengartens. Soll sich die SPD dafür schämen oder ausschließlich für steuerbegünstigte Feiern den Vorstandsherren der Deutschen Bank überlassen? Erwartet der Journalist etwa, dass sich SPD-Mitglieder nur in zugigen Hinterzimmern von abbruchreifen Kneipen treffen sollen? Das Steinbrück sich von einer Gedenkminute für den verstorbenen Ottmar Schreiner distanziert habe, ist eine glatte Lüge des Journalisten. Über den einleitenden Vortrag des Philosophen Prof. Dr. Nida-Rümelin kein Wort in dem Artikel. Auch von der hervorragenden Diskussionsrunde, unter anderem mit Prof. Dr. Gesine Schwan, Thorsten Schäfer-Gümpel und des Soziologen Prof. Dr. Armin Nassehi kein Wort. Aber da war der Journalist wahrscheinlich schon gegangen. Ich erwarte keine devote Hofberichterstattung und auch nicht, dass jeder Zeitungsartikel Pulitzer-Preis-würdig ist. Aber ich erwarte, dass ein Journalist vorurteilsfrei berichtet und sich nicht wichtiger nimmt, als die Akteure, über die er schreibt. Oder sind das lediglich die Auswirkungen der Okkupation meiner Rundschau durch die neuen konservativen Herren? Wes Brot ich ess, des Lied ich sing?