Wie fördert man Familien am effektivsten? Nach dem Gießkannenprinzip, so wie bisher seit langem? Dabei wird auf Ausgleich von Belastungen gesetzt: Der Staat unterstützt Eltern mit Kindergeld, Kinderfreibeträgen und vielem anderen mehr. Diese Ausprägung der Familienpolitik, meint Klaus Hurrelmann, Professor für Sozial- und Gesundheitswissenschaften in Bielefeld, war jedoch nicht besonders erfolgreich: „Erstens, weil trotz der in Aussicht stehenden Ausgleiche nur wenige Paare bereit sind, zu Eltern zu werden. (…) Zweitens, weil wir eine erschreckend hohe Zahl von Familien mit Kindern haben, die in relativer Armut leben, also trotz der Geldförderung nicht das materielle Lebensniveau erreichen, das bei uns durchschnittlicher Standard ist. (…) Und drittens, weil durch die Fixierung auf einen Haushaltsausgleich nicht im Geringsten garantiert werden kann, dass die Geldsummen den Kindern selbst, als sich noch in der Entwicklung befindlichen Persönlichkeiten, zugutekommen.“
Die rot-grüne Regierung unter Gerhard Schröder nahm einen klaren Akzentwechsel vor hin zu mehr Kindertagesstätten und Ganztagsschulen. Hurrelmann: „Kinderpolitik heißt, programmatische und finanzielle Schritte einzuleiten, die unmittelbar den Kindern als jungen Staatsbürgern und als Persönlichkeiten mit besonderem Bedarf zugutekommen. Eine solche Politik ist nicht gegen Eltern und nicht gegen Familien gerichtet. Sie stellt die Rolle von Eltern als Dreh- und Angelpunkt für die Entwicklung des Nachwuchses überhaupt nicht infrage. Aber sie trägt der Tatsache Rechnung, dass Eltern nun einmal Laienerzieher sind und ihre natürlichen Grenzen haben, wenn es um die Betreuung und Erziehung ihrer Kinder geht – weil sie berufstätig sein wollen oder müssen, ihre Beziehung in die Brüche geht, sie eigene Ansprüche an ein erfülltes Leben stellen und in vielen Belangen nicht kompetent bei der schwierig gewordenen Erziehung sind. Weil sie eben auch nur ganz normale Menschen sind.“
Besonders das Wort von den Laienerziehern, aber auch Hurrelmanns Schlussfolgerungen kitzelten viele FR-Leserinnen und -Leser. Etwa Dr. Uta Späth aus Sulzbach/Taunus:
„Zugegeben, Prof. Hurrelmann bemüht sich im ersten Teil seines Artikels um Objektivität und Ausgewogenheit, doch dann kann er seine persönliche Meinung nur noch schlecht verbergen: mit Äußerungen wie „… dass Eltern nun einmal Laienerzieher sind …“ Da wird die Erziehungskompetenz von Eltern massiv in Frage gestellt. Sicher gibt es Familien, deren Kinder in öffentlichen Bildungseinrichtungen besser aufgehoben sind als Zuhause. Doch was ist mit all den Eltern, die sich bewusst mit den Bedürfnissen ihrer Kinder auseinandersetzen, die Fachliteratur lesen und sich auch manchmal gegen ein öffentliches Angebot entscheiden, weil es ihnen weniger gut erscheint als die häusliche Betreuung? Mitnichten sind Deutschlands Eltern alle Erziehungversager und unser i. d. R. staatlich ausgebildetes Erziehungspersonal so unglaublich kompetent.
Hinlänglich bekannt ist, dass Ich-Stärke und Selbstsicherheit sowie die Bindungsfähigkeit eines Kindes entscheidend von der Bindung an Vater und/oder Mutter in den ersten Lebensjahren abhängt. Und das kann keine Gruppenbetreuung in Krippen ersetzen! Gruppenerziehung erzeugt weniger Individualität, aber unter Umständen ist diese Tendenz ja gewollt. Mehr linientreue Bürger, die alles abnicken und sich weniger einmischen – die DDR lässt grüßen …“
Manuela Müller aus Bad Schwalbach:
„Ich finde es unverantwortlich, Eltern die Kompetenz als Erzieher ihrer eigenen Kinder abzusprechen! Als Mutter, Pflegemutter und Leiterin einer Selbsthilfegruppe für von Legasthenie und Dyskalkulie betroffene Familien muss ich Ihnen sagen, dass es vielen Kindern sehr viel schlechter ginge, wenn deren Eltern nicht Himmel und Hölle für sie in Bewegung setzen würden! Die von Ihnen gepriesenen Ärzte, Erzieher und Lehrer haben ihnen reihenweise Unterstützung versagt. An ihre Grenzen gelangen sehr oft eher die Fachleute als die Eltern, die alles für ihre Kinder geben würden!
Für bedenklich halte ich es außerdem, eine einseitige Familienpolitik zu propagieren, egal in welche Richtung. Meiner Ansicht nach sollte man den Eltern die Wahl lassen, wie sie ihr Familien- und Arbeitsleben gestalten, und sich auf die Zurverfügungstellung von Betreuungs- und Unterstützungsangeboten beschränken!
Ich jedenfalls wehre mich entschieden dagegen, eine Laienerzieherin sein zu sollen. Kinder brauchen am nötigsten elterliche Liebe und Geborgenheit, und die kann ihnen kein noch so gut ausgebildeter Fachmann ersetzen!“
Und Harald Kraus aus Oberursel meint:
„Es mag ja sein, dass in einigen Fällen das Kindergeld nicht beim Kind ankommt, aber was ist mit den vielen Eltern, die alles in die Zukunft ihrer Kinder investieren? Von was den Musikunterricht, den Sport oder gar eine individuell geeignete Schule bezahlen, wenn das Kindergeld auf der Strecke bleibt? Wir investieren bereits jetzt weit mehr in die Förderung unserer Kinder, als der Staat über Kindergeld oder Absetzbarkeit des Schulgeldes leistet. Sich mit der Entwicklung der Kinder zu beschäftigen und ständig dazuzulernen, ist für die meisten Eltern dabei selbstverständlich! Welche Folgen die staatliche Betreuung hat, kann man leider im Osten beobachten. Mit Sicherheit ist das Nichterleben von Familie eine der Ursachen für die Fälle von Kindstötungen. Und was ist mit Kindern, die nach einer Zwölfstunden-Betreuung zu ihren perspektivlosen Eltern zurückkommen?
Programme, die nur dazu dienen, pädagogische Jobs für Akademiker zu schaffen, bringen unsere Gesellschaft nicht weiter!“
Das juckt im 68er Bewußtsein!
Die Erziehungskompetenz der Eltern ist gerade durch die Experimente und aufklärenden Bildungsarbeit der (sogenannten) 68er erhöht worden! Ohne Geld, ohne Staat, einfach aus Idealismus und Menschlichkeit.
@Manuela Müller
„Ich jedenfalls wehre mich entschieden dagegen, eine Laienerzieherin sein zu sollen. Kinder brauchen am nötigsten elterliche Liebe und Geborgenheit, und die kann ihnen kein noch so gut ausgebildeter Fachmann ersetzen!“
Dem widerspreche ich. Liebe und Geborgenheit können ausgebildete Fachleute sehr wohl geben. Sie geben sie genau dann, wenn die Laien versagen, unter erschwerten Bedingungen noch dazu.
Nicht alle Laien versagen.
Wenn aber die Laien versagen, können die Fachleute helfen, heilen und wiedergutmachen!
Was brauchen Kinder? Manuela Müller aus Bad Schwalbach hat Recht. Kinder brauchen am nötigsten (elterliche) Liebe und Geborgenheit. Aber sie brauchen auch Anregungen und Angebote. Es ist, glaube ich, nicht nur eine Frage des Geldes. Nach meinen Erfahrungen finden gut ausgebildete Eltern immer Möglichkeiten, ihre Kinder optimal zu versorgen, auch wenn sie (noch) wenig verdienen. Sie organisieren sich mit anderen Eltern, die ähnliche Erziehungsvorstellungen haben. Die „machen das schon irgendwie“. Die Großeltern helfen oft materiell. Und ich finde, dass wir uns um diese im Leben schon im Vorfeld besser Gestellten nicht so viele Gedanken machen müssen. Ich lebe in einem Bezirk, der für seinen Kinderreichtum bekannt ist. Die (nicht mehr ganz so jungen) Eltern haben studiert, (was heute keine Garantie mehr für einen gut bezahlten Job ist), sie haben sich bewusst für ein oder mehrere Kinder entschieden. Unser Nachbarkind gedeiht prächtig, es erhält Zuwendung, Angebote, geht auf eine Privatschule, singt im Chor, obwohl die Eltern nicht wohlhabend sind. Eine Treppe tiefer läuft es nicht so optimal. Da sind schon die Räumlichkeiten sehr begrenzt, die Mutter deutlich überfordert. Sehr oft gereizt und aufgrund ihrer eigenen Situation nicht so liebevoll zu ihrem Kind.. Das gleichen, wie ich beobachtet habe, Erzieher der ehemaligen Kita dieses Kindes, das mittlerweile zur Schule geht, wieder aus. Greifen helfend ein, sicher aus eigenem Engagement. Die Mutter hat nach langer Zeit wieder Arbeit, aber im Schichtdienst. D.h., sie muss die Nächte organisieren, in denen sie nicht zu Hause ist. Dafür braucht sie Hilfe. Und dafür braucht es pragmatische Lösungen, keine ideologischen. Deshalb plädiere ich doch für mehr Sachmittel für Kinder: Familienhelfer, Lehrmittelfreiheit, Erziehungsunterstützer (aber keine Familienschnüffler!). Ja, und für Hilfen diese ganz jungen Mütter, die es ja auch gibt. Und unbedingt Hilfe und Nachhilfe für die pubertierenden Jugendlichen, bei denen manche Eltern völlig überfordert sind.
„Ein Kind ist kein Gefäß, das gefüllt, sondern ein Feuer, das entzündet werden will.“
Der französische Dichter Francois Rabelais (um 1494 bis 1553)tat anno dazumal diese Weisheit kund, der ich auch heutzutage nur zustimmen kann.
Manchmal erscheinen mir nämlich die Diskussionen um die bessere und wahre (oder WARE ?)Erziehung völlig am Kind vorbei geführt. Und selbiges sollte eigentlich stets mit seinen Bedürfnissen im Vordergrund stehen!
Sinnvolle und kindgemäße Angebote sowie individuelle Förderung in schützender und liebevoller Atmosphäre sind wichtig – egal, ob im Elternhaus oder durch pädagogisch geschulte Bezugspersonen in der „Fremdbetreuung“.
Die Frage, welche Bezugspersonen einem Kind die bessere Betreuung und (Lebens-) Anleitung bieten, kann meiner Meinung nach nicht pauschalisiert und unabhängig von der Betrachtung des jeweiligen Kindes in seinem sozialen Umfeld bzw. der Institution beantwortet werden.
Es sind – so oder so – die am Kind orientierten Inhalte einer Erziehungsarbeit, die zählen!
Eine beständige Kooperation von Institution und Elternhaus zugunsten einer umfassenden und positiven Gesamtentwicklung eines Kindes erscheint mir der beste Kompromiss.
Ich bin der Ansicht, dass Kinder beides brauchen, um sich gesund entwickeln und entfalten zu können, natürlich vorausgesetzt, in beiden Bereichen ist auch eine stabile und „gesunde“ Grundlage gewährleistet.
D.h.: Elterliche Fürsorge, Schutz, Nähe und Zuneigung, aber auch Anregung, Begleitung und Einflussnahme durch außerfamiliäre Bezugspersonen sollten sich konstruktiv und kooperativ im Sinne und zum Wohle eines Kindes ergänzen.
In diesem Zusammenhang befürworte ich pädagogisch und psychologisch geschulte Beobachter, Ratgeber und BEGLEITER (nicht Bevormunder!) mit Sensibilität, Einfühlungsvermögen und Verständnis – für Groß UND Klein!
Otti
Zu den für Kinder wichtigen „Lebensbestandteile“-Wärme, Nähe und Schutz- möchte ich nichts Zusätzliches ausführen, jedoch zum Satz „Die DDR lässt grüßen…“. Irritierend an den Zusendungen ist für mich, dass offensichtlich immer noch ein sehr undifferenziertes Schwarz-Weiß-Bild DDR existiert. Wer von denjenigen, die feststellen, dass Kindstötungen und „kalte“ Erziehung, fehlender Individualismus Ergebnisse und Merkmale der Kindereinrichtungen der DDR seien, weiß denn wirklich wie diese waren? Mich trifft diese
Arroganz des Allwissens ohne wahrhaftig zu wissen. Und das, was als Negatives mediengängig ist, wird als Allgemeingültig verkündet. Taucht irgendwo auch einmal die Frage auf, weshalb z.B. viele ehemalige DDR- Kindergartenkinder eine gute Sozialkompetenz besitzen ? S. Horn/Potsdam
@ S Horn
Ich gebe Ihnen vollkommen Recht, die Überschrift als Zitat einer Leserbriefschreiberin aus dem Taunus hat mich auch irritiert. Dahinter steckt möglicherweise die Angst, der Staat möchte ein Monopol auf die Erziehung der Kinder erringen und damit brave Einheitsmenschen hervorbringen (das ist zum Glück noch keinem System gelungen!).
Die jungen Familien, die ihre Kinder vernachlässigen, zu Tode schütteln oder verhungern lassen sind sicher kein Ost/West-Problem. Die Schlagzeilen aus dem letzten Jahr sind erschreckend und signalisieren Handlungsbedarf. Aber mit der ehemaligen DDR haben sie sicher nichts zu tun.
Vielleciht sollten wir uns nach den Ursachen fragen, warum seit den 60er Jahren die Geburtenrate stark gesunken ist und seit dem, abgesehen von wenigen Schwankungen, bei ca. 1,4 (oder weniger) verharrt. Warum bekommen gerade die, die es sich finanziell auch ohne Kindergeld leisten könnten, keinen Nachwuchs? Alle finanziellen Anreize der letzten Jahrzente sind im Grunde verpufft. Auch das soviel gepriesene Elterngeld wird dieses Schicksal erleiden. Anfangserfolge sind m. E. auf Mitnahmeeffekte zurückzuführen.
Die meisten Paare sind heutzutage beide berufstätig, häufig auch aufgrund hervorragender Ausbildung karriereorientiert, und wollen oder müssen auch im Beruf bleiben. Sie wägen ab, ob sie ihre beruflichen Ziele mit der Geburt von Kindern vereinbaren können. Je besser die angebotene Kinderbetreuung ist, umso eher wird diese Bevölkerungsgruppe sich wieder zu Kindern bekennen. Kindergeld hilft denen nicht. So gesehen ist die Investition weiterer Mittel in die Kinderbeteuung (auch Ganztagsschulen und Betriebskindergärten) m. E. erfolgversprechender als eine Kindergelderhöhung.
Vermutlich ist in der Tat die elterliche Betreuung von Kindern (ein Elternteil bleibt zu Hause) die beste, aber eben nicht mehr die realistischste. Denn diese Variante lässt sich mit den Lebensumständen und -zielen vieler Paare nicht vereinbaren.
Kinder brauchen:
Eltern die ihnen
Liebe und Leid,
Lachen und Weinen,
Trost und Tadel,
Schmutz und Sauberkeit,
Mut und Angst,
Respekt und Frechheit,
Karakter und Schwächen,
Gefühl und Härte,
starken Willen und Demut,
Wünsche und Hoffnung,
Erfolg und Mißerfolg,
Respekt vorm Alter,
Ideale und Interesse,
Freund und Feind,
vermitteln !!!!!!!!
Das können nur Eltern ihnen bieten,mal weniger mal mehr und auch manchmal etwas zu viel oder wenig von allem.
Das ist Ihre Verantwortung.
Der Staat kann nur die Rahmenbedingungen schaffen auf der z.B.monitären Seite „Gott sei Dank“
PS. die besten Kinder sind die,die gelernt haben,ihre Eltern so zu sehen wie sie wirklich sind und das findet Tag für Tag in den eigenen vier Wänden statt.
Fangen wir also mit dem Problem Kindererziehung an der Basis an und reden dann von Pflichten der anderen.
Ob Staat /Betreuung / oder sonstige Einflußnahme .
Am Ende ist es wie mit den Alten,eine Bankrotterklährung der Gesellschaft wenn immer andere zuständig sind für Oma -Opa und nun auch schon für die Kinder.
Die hochgelobte Kinderbetreuung z.B in der ehem DDR war nicht als soziale Errungenschaft geleistet worden sondern zur Indoktrinierung im frühesten Alter und Umerziehung bzw Einflußnahme in frühester Kindheit.
„Aufpassen“!!!!