Die Otto Brenner Stiftung hat in einer alarmierenden Studie herausgearbeitet, was viele Menschen – eher aus dem Bauch heraus – längst wissen: dass Lobbyismus die Demokratie gefährdet. Jetzt haben wir es also von der Wissenschaft schwarz auf weiß bekommen. Hier geht’s zur Website lobby-studie.de, auf der die Arbeit vorgestellt wird.
Dazu erreicht mich ein etwas längerer Leserbrief der Bundestagsabgeordneten Kathrin Vogler (Die Linke), den ich hier als Gastbeitrag veröffentliche:
Einfallstore des Lobbyismus
Lobbyisten scheuen die Transparenz wie der Teufel das Weihwasser. Deswegen ist die Forderung nach einem verpflichtenden Lobbyistenregister beim Bundestag richtig und notwendig. Auch weitere Forderungen aus der Studie der Otto-Brenner-Stiftung kann ich voll und ganz unterschreiben, etwa nach der Ratifizierung der UN-Konvention oder dem Ende des Einsatzes von Wirtschaftsvertretern in Ministerien.
An einer Stelle möchte ich aber Widerspruch anmelden: Die Autoren wollen auch ehrenamtliche Tätigkeit von Abgeordneten für eingetragene Lobbyverbände untersagen, andererseits aber zu Anhörungen des Bundestags nur noch solche registrierten und akkreditierten Verbände zulassen. Das würde bedeuten, dass viele Abgeordnete ihr Engagement in Sozial- oder Umweltverbänden, in Gewerkschaften oder Friedensgruppen einstellen oder auf die Expertise dieser Gruppen im Gesetzgebungsverfahren verzichten müssten. Meines Erachtens gibt es einen Unterschied zwischen bezahlten und ehrenamtlichen Tätigkeiten, weil letztere die Unabhängigkeit von Abgeordneten nicht beeinträchtigen.
Allerdings müsste es eine klare Definition von Ehrenamtlichkeit geben, „Ehrenämter“ wie das des Vorsitzenden einer Kassenärztlichen Vereinigung mit einer „Aufwandsentschädigung“ von 6000 Euro monatlich zählen für mich nicht dazu.
Dagegen fehlt eine wichtige Forderung: Neben dem Sponsoringverbot halte ich auch ein Spendenverbot für Parteien und PolitikerInnen für erforderlich. Spenden von Unternehmen und Verbänden sollten grundsätzlich nicht erlaubt sein, Spenden von Privatpersonen in der jährlichen Höhe begrenzt werden. Nur so ist zu vermeiden, dass Wirtschaftsinteressen darüber entscheiden, welche Partei mit gut gefüllten Kassen in Wahlkämpfe ziehen kann und dadurch einen Vorteil erhält.
Ein wichtiges Einfallstor des Lobbyismus in die Abgeordnetenbüros ist auch die inhaltliche Zuarbeit zu Anträgen und Gesetzentwürfen. Unabhängigkeit von Abgeordneten braucht auch eine entsprechende Grundlage, etwa durch mehr persönliche MitarbeiterInnen und durch eine Verlängerung des Übergangsgeldes nach dem Ausscheiden, was m.E. eine logische Schlussfolgerung einer Karenzzeit wäre.
Das ist alles sicher nicht populär, weil es die Abgeordneten in den Verdacht der Selbstbedienung aus der Staatskasse bringt, aber wer Demokratie mit unabhängigen VolksvertreterInnen will, muss der Macht der Wirtschaftsverbände auch materiell etwas entgegensetzen.
Kathrin Vogler,MdB, Die Linke, Emsdetten
Sehr geehrte Frau Abgeordnete,
Ihre Stellungnahme bestätigt den Weg, den die Brenner-Studie für die Ordnung des Lobbyismus IM Parlament vorzeichnet. Die zentrale Überlegung ist: Lobbyisten haben IM Parlament nichts zu suchen. Eines der Grundübel, die der Demokratie Schaden zufügen, ist die privilegierte Präsenz von Lobbyisten im Parlament. Ungefähr sechs Prozent der Verbände die auf der aktuellen Verbändeliste stehen, werden auch durch bezahlte oder ehrenamtlich für sie tätige MdB repräsentiert. Ein knappes Viertel von MdB hat ehrenamtliche oder bezahlte Funktionen bei Verbänden der geltenden Liste inne. Das ist ein eklantanter Verstoß gegen Chancengleicheit und eine Privilegierung einer Minderheit von Verbänden und Abgeordneten. Damit sollte das Parlament Schluss machen. Lobbyisten gehören in die Lobby und nicht in den Plenarsaal. Wird nach dem Vorschlag der Brenner-Stiftung verfahren, wird die Lobbyliste in Zukunft ein scharfes Instrument. Gewählte Abgeordnete müssen ihre ehrenamtlichen oder bezahlten Funktionen für Verbände niederlegen, die auf der Lobbyliste stehen. Mandat und Funktionen, die auch nur den Lobbyverdacht erwecken können, schließen sich aus. Das gilt für die Tätigkeit als Vorstand ebenso wie für das ganze Beirats- und Kuratoriumswesen. Der Vorstand der kassenärztlichen Vereinigung müsste seinen Posten aufgeben und Platz machen für einen Nicht-Parlamentarier. Beides, Mandat und Amt, ist nicht zu haben. Die „Marktordnung für Lobbyisten“ unterbindet auch, dass Vorstände von Lobbyorganisation, die im Parlament sitzen, zu Anhörungen die eigenen Mitarbeiter einladen können.
Ein Vorschlag, der sich an rechtsstaatlichen Prinzipien orientiert kann dabei nicht – wie sie es tun – zwischen gutem und schlechtem Lobbyismus unterscheiden, wiewohl dies politisch möglich ist. Der Vorschlag gilt für alle Organisationen, die auf der Lobbyliste stehen, für die von Ihnen erwähnten Umweltorganisationen ebenso wie beispielsweise für das THW, die Kirchen oder Verbände der Rüstungswirtschaft. Es gilt – so ist das im Rechtsstaat – allgemein. Selbstverständlich – darauf kann nicht oft genug hingewiesen werden – gilt dies nicht für einfache Mitgliedschaften, in Umweltverbänden oder den Gewerkschaften beispielsweise. Und selbstverständlich kann ein MdB erster Vorsitzender seines lokalen Fußballverein bleiben, oder eine Abgeordnete, die sich für Jugendzentrum in ihrem Wahlkreis einsetzt, Sprecherin der zuständigen Bürgerinitiative. Denn die Kicker aus der B-Klasse stehen ebensowenig auf der Lobbylioste des Bundestages wie die Bürgerinitiative. Die Brennerstudie ist weder weltfremd noch übersieht sie die Lebenswirklichkeit. Ihr Vorschlag zu einer „Marktordnung für Lobbyisten“ zerschneidet nicht Biografien, aber er zerschneidet Einflussstränge zwischen einer privilegierten Minderheit von Verbänden und Abgeordneten.
Ansonsten: Weil sich die Studie aufs Parlament konzentriert hat, als dem Ort wo die Lobbyfrage praktisch und symbolisch entschieden wird, steht zu den Parteien nichts drin. Mit dem Verlangen nach einer besseren Ausstattung der Abgeordneten haben Sie völlig recht.
Mit freundlichen Grüßen
Herbert Hönigsberger, Co-Autor der Brenner-Studie
Offenbar hat die Otto Brenner Stiftung bei der Vergabe des Auftrages an drei Sozialwissenschaftler vergessen, auch den indirekten Einfluss der Wirtschaft auf die Rechtsprechung untersuchen zu lassen. Politiker aller großen Parteien und Vertreter der Richterschaft verkünden ständig, dass die Bundesrepublik Deutschland ein demokratischer Rechtsstaat ist. Leider wird vergessen zu erwähnen, ob die BRD diesem Anspruch durchgängig gerecht wird, d.h., ob die Rechtsprechung sich an Gesetz und Recht hält, die dies Artikel 20 Absatz 3 Grundgesetz gebietet. Die Rechtswirklichkeit bestätigt, dass dies häufig nicht der Fall ist. Besonders sind hierfür die fehlende Kontrolle der richterlichen Entscheidungen und die nicht zu vernachlässigenden zahlreichen richterlichen Nebentätigkeiten verantwortlich.
Es sollten nicht nur Grenzen für Nebentätigkeiten von Politikern geben, sondern auch für Richter. Eine beträchtliche Zahl von Richtern übt Nebentätigkeiten aus, die Interessenkollisionen beinhalten und damit die richterliche Unabhängigkeit (Artikel 97 Absatz 1 Grundgesetz) gefährden. Es handelt sich um richterliche Nebentätigkeiten für Banken und Versicherungen, Leiter von betrieblichen Einigungsstellen und schiedsrichterliche Tätigkeiten. Bei Letzterem geht es um die Schlichtung von Streitigkeiten zwischen großen Unternehmen. Dieses Aufzählung ist keineswegs vollständig.
Die Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates besteht darin, dass die vorgenannten richterlichen Tätigkeiten dazu führen können, dass der Richter seine Entscheidung nicht mehr gemäß Gesetz und Recht fällt, sondern bewusst oder unbewusst seinen Auftraggeber begünstigt, von dem er ein kräftiges Zubrot erhält. Jedenfalls beweist die Lebenserfahrung, dass ein Richter, der für eine Bank oder eine Versicherung nebenher als Treuhänder tätig ist, nicht mehr unbefangen über Klagen gegen Banken oder Versicherungen urteilen kann. Dies gilt umso mehr, wenn er für diese Bank oder Versicherung nebenher tätig ist.
Eigentlich müssten die Gewerkschaften wissen, dass diese Gefahr auch bei Richtern gegeben ist, die Leiter von betrieblichen Einigungsstellen sind. Die Vergütung richtet sich nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz und ist bei hohen Streitwerten entsprechend üppig oder sie besteht oft in großzügigen Pauschalhonoraren. Dies kann Zweifel an der Unabhängigkeit des Vorsitzenden wecken. Außerdem kann dies die Entscheidung bei Klagen von Arbeitnehmern gegen dieses Unternehmen beeinträchtigen. Unverständlich ist, dass die Gewerkschaften diesen Zustand als sinnvoll betrachten, statt zu fordern, diese Nebentätigkeiten im Interesse ihrer Mitglieder zu untersagen. Ein entsprechendes Register bei den Arbeitsgerichten, das es nur in Hessen gibt, könnte den betroffenen Arbeitnehmern wenigstens die Möglichkeit verschaffen, herauszufinden, ob ihr Richter für das verklagte Unternehmen nebenher tätig ist, um ihn dann wegen Besorgnis der Befangenheit ablehnen zu können.
Was die Gewerkschaften alles wissen müssten, weiß ich nicht. „Vergessen“ wurde bei der Vergabe des Auftrages zur Studie dieses und jenes auch nicht. Es wurde nur fokussiert. Der Schwerpunkt der Brenner-Studie zur „Marktordnung für Lobbyisten“ liegt auf dem Lobbyismus rund ums Parlament, weil das der praktische und symbolische Ort ist, von dem die Regulierung des Lobbyismus ausgehen muss. Dass für das Spendenwesen rund um die Parteien (wurde nicht vergessen, sondern zurückgestellt), für die Justiz und für die Wissenschaft (man nehme nur den Einfluss großer Unternehmen auf den Wissenschaftsprozess durch Stiftungsprofessuren) analoge Regelungen wie für die Politik zu entwickeln sind, versteht sich. Für Richer beispielsweise sollten sich bestimmte Nebentätigkeiten ebenso verbieten wie für Abgeordnete. Und das Minimum sind Transparenzlisten. Genau zu unterscheiden ist aber auch, dass die beschriebenen Konstellationen und Vorgänge im eigentlichen und engeren Sinne mit Lobbyismus oder lobbyistischen Wildwuchs nichts oder nur am Rande etwas zu tun haben. Zwar kann in die richterliche Unabhägigkeit in den beschriebenen Konstellationen – übrigens auf gesetzlicher Grundlage – gefährdet sein, aber nicht wegen lobbyistischer Intervention. Aber es entstehen Zweifel. Diese und die Konstellationen, die sie hervorrufen, verdienen in der Tat politische Aufmerksamkeit.
Herbert Hönigsberger
Es sei daran erinnert, dass derlei seit mindestens einem halben Jahrzehnt bekannt und dokumentiert ist. Siehe dazu
Jürgen Roth [1]
Der Deutschland-Clan: Das skrupellose Netzwerk aus Politikern, Top-Managern und Justiz
Taschenbuch: 320 Seiten
Verlag: Heyne Verlag (2. Mai 2007, gebunden: 2006)
Sascha Adamek und Kim Otto [2]
Der gekaufte Staat: Wie Konzernvertreter in deutschen Ministerien sich ihre Gesetze selbst schreiben
Taschenbuch: 336 Seiten
Verlag: Kiepenheuer & Witsch Verlag; Auflage: 1 (20. April 2009, gebunden: 2008)
Die jeweils knapp 9 Euro sind auch heute noch jeden Cent wert!
[1] Jürgen Roth, Jahrgang 1945, ist ein deutscher Publizist, der Bücher und Fernsehdokumentationen über die organisierte Kriminalität mit Schwerpunkt Osteuropa, Deutschland und den internationalen Terrorismus veröffentlicht hat.
[2] Sascha Adamek, Jahrgang 1968, arbeitet seit zwölf Jahren als investigativer Journalist und Filmemacher für den Rundfunk Berlin Brandenburg und den Westdeutschen Rundfunk, u.a. für die ARD-Politikmagazine „Monitor“ und „Kontraste“ sowie das RBB-Magazin „Klartext“.
Kim Otto, Jahrgang 1968, arbeitet seit sieben Jahren für das investigative ARD-Politikmagazin „Monitor“. 2007 wurde er, gemeinsam mit Kollegen aus der „Monitor“-Redaktion, für Recherchen zum Thema dieses Buches mit dem Grimme- Preis ausgezeichnet. Kim Otto ist Professor im Fachbereich Medienmanagement an der Macromedia Fachhochschule.
„Unabhängigkeit von Abgeordneten braucht auch eine entsprechende Grundlage, etwa durch mehr persönliche MitarbeiterInnen“
Einfallstore des Lobbyismus könnte man dann aber nur wirksam schließen, wenn bezahlte und ehrenamtliche Tätigkeiten für die eingetragenen Lobbyverbände nicht nur den Abgeordneten, sondern auch den „persönlichen MitarbeiterInnen“ der Abgeordneten untersagt würden, die ansonsten über ein Frisieren ihrer Zuarbeit ja auch Lobbyinteressen intransparent befördern könnten (nicht nur intransparent für den Bürger, sondern sogar intransparent für den Abgeordneten).
Unbedingt zustimmen möchte ich der Abschmetterung aller Versuche, Lobbyismus in einen „guten“, dem mehr erlaubt werden darf, also auch ein stückweit wieder die Intransparenz, und einen „schlechten“ zu unterteilen, gegenüber dem man in Tranzparenzfragen ganz streng sein muß. Eine Linkenpolitikerin wird hier dazu neigen, Gewerkschaften als „gute“ Lobbyisten, und Unternehmensvertreter als „böse“ Lobbyisten aufzufassen, Vertreter anderer Parteien sehen das vielleicht ganz anders, und für sich selber wird wohl jeder Lobbyist das Attribut „gut“ reklamieren. Auf dieser Ebene können keine Differenzierungen zugelassen werden, da ein Konsens, dem wirklich alle zustimmen, niemals erzielt werden könnte.
Bei allem was durchaus Bedenkenswertem und Richtigem geschrieben worden ist wird es mit diesen Maßnahmen nicht wirklich gelingen den Lobbyismus einzudämen. Geld kann alternativ auch an Frau und Kinder gezahlt werden oder nach der Tätigkeit als Abgeordneter, wo will man damit aufhören? Die Ergebnisse der Studie sollten als zweite Maßnahme umgesetzt werden, denn als beste Maßnahme gegen lobbygesteuerte Politik sehe ich die Dierekte Demokratie an. In diesem Bereich gibt es ja Fortschritte. Wobei auch da der Fortschritt eine Schnecke ist. Als positives Beispiel möchte ich die Abstimmung in Bayern über das Rauchverbot hervorheben. So etwas wäre 10 Jahre vorher undenkbar gewesen und hat die entsprechenden Lobbygruppen mundtod gemacht. Es gibt Anzeichen das ein Teil der Bevölkerung sich den Istzustand nicht mehr bieten lässt. Da möchte ich die Partei der Piraten nennen. Mal sehen wie das weitergeht. Es bleibt spannend.