„Das Salz der Demokratie“, meint Klaus Kocks in seiner FR-Kolumne, „sind Ideologien.“ Diese These verknüpft er mit einer provozierenden Analyse der Situation vor allem der SPD: „Was heutzutage ansteht, sind nur noch Implosionen. Nehmen wir die SPD. Die Herren Schröder und Müntefering haben in der rot-grünen Episode ihre Partei gespalten und inhaltlich entleert. Nur die Linkspartei hat noch Visionen, wenn diese auch zum großen Teil Fieberträume der SED sind, die in der IG Metall fortleben. Schröders SPD fällt zusammen wie ein Kartenhaus. Denn der Basta-Kanzler ist der Erfinder der begründungslosen Politik. Er hat auf das Gedöns verzichtet; damit meinte er Inhalte, Werte, Ziele. Man verlas im Parlament verkatert Maßnahmen. Das war’s dann. (…) Wenn die Inhalte und Visionen fehlen, droht die Implosion. Ideologien sind das Salz der Demokratie. Ein SPD-Problem? Nein. Genau hier leiden die Konservativen an ihrer blutlosen, begründungslosen Merkel-CDU. So gesehen fehlt es uns wirklich an Ideologen.“
Dieser Kommentar trug mir die unverhoffte Ehre ein, einen Leserbrief von Klaus Vater zu bekommen, dem Pressesprecher von Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt:
„Ich bitte vorab ergebenst um Entschuldigung, wenn ich mich nun der Majestätsbeleidigung schuldig mache – aber der Kocks-Kommentar ist einfach Schei….e! Herr Kocks schreibt über Reformen, meint aber Gesetze. Gesetze sind nicht begründungslos. Im Fall der Rente ab 67 haben sie sogar eine lesenswerte Begründung, fußend auf wissenschaftlicher Begleitung und Vorarbeit. Was zur sicherlich unumstrittenen Feststellung führt: Wer lesen kann, hat einen Vorteil. Im Fall Kocks aber bin ich mir da nicht sicher. Immer noch im Zusammenhang mit rot-grün/schwarz-roten Reformen (und nolens volens mit der Rente ab 67) lobt er die Visionen der PDS/Linken. Die sehen ausweislich der Ausführungen Lafontaines so aus: Reformen der vergangenen Jahre auslöschen; Rentenbeitrag runter; mehr Steuergelder in die Rentenversicherung, Renten rauf. Die Rentenversicherung landet so Pi mal Daumen/Fensterkreuz bei 27 bis 28 Prozent Beitrag. Die VW-Beschäftigten, die für Herrn Kocks mal sein gewiss nicht an der ALG II- Grenze liegendes Einkommen verdient haben, werden sich bedanken. Über dem ganzen Kommentar steht als Überschrift ‚Das Salz der Demokratie‘. Letzter Satz dazu: Das Salz der Demokratie ist die Demokratie – und das Beste an Herrn Kocks ist anscheinend der Schnurrbart.“
Zu: „Das Salz der Demokratie“ von Klaus Kocks, FR vom 4. Oktober
Kocks hat geschrieben, Kocks hat getroffen. Nur so kann ich mir die Reaktion von Klaus Vater erklären. Kocks nennt die Visionen der Linkspartei „Fieberträume der SED“. Kocks schreibt auch: „Und Honeckers Enkel sehnen sich nach alten Zeiten. Konjunktur im politischen Sumpf.“
Vater versteht daraus, dass Kocks: „die Visionen der PDS/Linken“ lobt. Aber mit dem genauen Lesen hat es das Bundesministerium für Gesundheit eh nicht so. Warum sollte ausgerechnet dessen Pressesprecher anders sein? Kurz bevor die Gesundheitsreform in Kraft treten sollte, musste das Gesetz an neun Stellen korrigiert werden. Vater entschuldigte das damals damit, dass es „in der Hetze der Zeit“ zu den Irrtümern gekommen sei.
Jetzt sind ihm offenbar „in der Hetze der Zeit“ beim Lesen des Kocks-Textes einige Irrtümer unterlaufen. Der bekennende Bartträger Klaus Vater schreibt über den Schnurrbartträger Klaus Kocks, dass dessen Einkommen „gewiss nicht an der ALG II-Grenze“ gelegen habe.
Ich stelle mir den Pressesprecher vor, wie er diese Zeilen schreibt. Immer am unteren Ende der Lohnskala, aber ehrlich. Ärmlich, aber sauber gekleidet. Stets im Kampf für die Armen und Entrechteten dieser Welt und ihre Renten. „Eins ist sicher, die Rente“. Jedenfalls für Vaters Chefetage. Nach Berechnungen des Bundes der Steuerzahler hatte Ulla Schmdt am 1. September 2007 einen Pensionsanspruch von 7780 Euro.
Zum „Salz der Demokratie“ gehören offenbar auch gesalzene Preise. Dass dafür von der Politik auch einmal Inhalte und Visionen kommen dürften, wie von Kocks gefordert, ist doch wohl nicht zu viel verlangt. Stattdessen Implosion auf allen Ebenen und die Republik riecht „nur noch nach Desinfektionsmitteln“. Da hat Kocks doch recht. Das riecht nicht gut, das riecht nach Gesundheitsreform, über die der Spiegel schrieb „Operation gelungen, Patient tot“.
ich kann Herrn Kurrles Beitrag nur unterstützen, würde aber noch ergänzen, dass der Hinweis von Herrn Vater, die Rente mit 67 fuße auf wissenschaftlicher Begleitung und Vorarbeit nichts darüber aussagt, wie wahrheitsmäßig die Begründung tatsächlich ist. Haben doch auch die Nazis (damals wie heute) unter wissenschaftlicher BEgleitung und Vorarbeit ihren Rassewahn ausgelebt.
Wer keine Argumente hat, käuft sich eben Pseudowissenschaftlichkeit durch komplexe mathematische Modelle, von denen das Statistische Bundesamt selbst sagt, dass sie KEINE Prognose sind, sondern lediglich eine Modellrechnung unter sehr begrenzten Annahmen. Ferner sei diese Modellrechnung nur geeignet zu zeigen, was geschehe wenn sich nichts ändern würde, aber gerade davon das sich etwas ändere müsse ausgegangen werden. Abschließend betonen sie noch, dass aufgrund dieser Tatsache die Wahrscheinlichkeit, dass die Vorausberechnung zutreffend ist mit der zeitlichen Abfolge gegen null tendiert. Dies hältz die Bundesregierung nicht davon ab, genau dies daten als Wahrheit zu präsentieren, von Prognosen zu reden zu zu behaupten, die Bevölkerung entwickelt sich bis dann und dann so und so. Seriös ist das nicht, wissenschaftlich schon gar nicht und es bestätigt sich, dass die Bundesregierung offensichtlich eine Lese- und Schreibschwäche hat…
Klaus und Klaus. Zwei Verkäufer heißer Luft prallen aufeinander. Der eine verkauft im Auftrag der Ministerin für Gesundheit, das, was die Regierung Reform nennt, die Unternehmen aus den Krankenversicherungskosten zu entlassen, zur angeblichen Sicherung Wirtschaftsstandortes Dt. Der andere verhökerte jahrelang Illusionen mit Lügen (Eigendarstellung), um aus Menschen Autobesitzer zu machen. Der eine formuliert u.a. für die FR, der andere ist Feierabendschreiber und wirft Bücher auf den Markt. Kein Wunder, dass der Kleinschriftsteller aus dem ministeriellen Umfeld sich nicht verkneifen konnte, seine Fabulierungskunst in einem Leserbrief zu demonstrieren, der inhaltlich in der Feststellung seinen Höhepunkt hatte, das Beste seines Kontrahenten sei dessen Schnurrbart.
Der Schnurrbartträger seinerseits fordert in seiner Kolumne, Politiker sollten zu Ideologen werden, statt nur Verwalter zu sein: „Ideologien sind das Salz der Demokratie.“ Er sucht nach „Eiferern“ für eine bessere Welt, die die ihrige sei. Dabei sind wir von Ideologen umgeben, die für ihre Welt streiten und seit Jahren weltweiten Einfluss ausüben. Chefideologe ist nach wie vor Milton Friedman, der an der Universität in Chicago lehrte und 1962 das heilige Buch der Neoliberalen „Kapitalismus und Freiheit“ publizierte. Da wird der Mensch zum Investitionsobjekt degradiert. In der Umsetzung dieser ideologischen Betrachtungsweise hat sich Kocks auf dem Automarkt als Manipulationsexperte sehr verdient gemacht.
Die ersten Auswirkungen dieser Ideologie waren in England unter Margaret Thatcher und in USA unter Ronald Reagan zu beobachten. Auf der Theorie der Chicago-Boys beruhend wurden in den siebziger Jahren IWF, Weltbank und WTO gegründet, um die neoliberalen materiellen und politischen Interessen in den Ländern Lateinamerikas, Afrikas und Asiens durchzusetzen, die immer wieder zu schlimmen Massenverarmungen und zur Ausbildung einer reichen Oberschicht geführt haben. Ein Ausfluss dieser Ideologie ist das Blair-Schröder-Papier, in dem führende Sozialdemokraten sich zum Neoliberalismus bekannt haben.
Die Ziele sind immer die selben: Privatisierung öffentlicher Unternehmen aus den Bereichen der Daseinsvorsorge wie Bahnen, Busse, Post, Telekommunikation, Müllentsorgung, Wasserversorgung, Krankenhäuser, und jetzt auch die Bildung. Jede zwischenmenschliche Beziehung wird unter dem Aspekt der Gewinnmaximierung betrachtet. Weitere Ideen werden wir von den Neocons sicherlich noch erwarten können. Diese werden Klaus und Klaus begierig aufsaugen. Beide haben ihre Werturteile, die Bestandteil jeglicher Ideologie sind, längst gefällt, und tragen diese wortverbrämt, sei es als Autoverkäufer bzw. Kommunikationsexperte, sei es als Politikverkäufer, wie eine Monstranz vor sich her.