Kommentar zu den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz
Am Ende war es dann doch knapp. Mehrheit im Stuttgarter Landtag für Grün-Rot – der Südwesten bekommt nach allen demokratischen Regeln einen grünen Ministerpräsidenten. Das ist eine politische Sensation: Seit etwa 58 Jahren regierte das konservative Lager in Baden-Württemberg – mal allein, mal in Koalitionen mit der FDP. Diese FDP wurde in ihrem Stammland um die Hälfte gestutzt. In Rheinland-Pfalz, dem Land, aus dem Bundeswirtschaftsminister Brüdele stammt, wurde sie aus dem Landtag gekegelt. In beiden Ländern konnten die Grünen exorbitante Stimmenzuwächse erzielen. Dies waren Landtagswahlen unter dem Eindruck von Fukushima.
Die vorläufigen amtlichen Endergebnisse:
Baden-Württemberg: CDU 39 % (-5,2), Grüne 24,2 (+12,5), SPD 23,1 (-2,1), FDP 5,3 (-5,4). Linke und andere Parteien schafften den Sprung nicht. Grün-Rot haben 71 Sitze im Landtag, Schwarz-Gelb haben 67. Wahlbeteiligung: 65,7 %.
Rheinland-Pfalz: SPD 35,7 (-9,9), CDU 35,2 (+2,4), Grüne 15,4 (+10,8) , FDP 4,2 (-3,8). Auch hier schaffte es Linke und andere nicht in den Landtag. Rot-Grün hat im Landtag 61, die CDU 40 Sitze. Wahlbeteiligung: 62,5 %.
Erste Beobachtung: Die Bürger lassen sich aufrütteln. Es scheint dazu einer gewissen Eindeutigkeit zu bedürfen: Wenn das deutsche Gewissen handfest damit konfrontiert wird, welche Folgen Unfälle in Atomkraftwerken haben, dann erinnert es sich derjenigen, die hierzu schon immer klare Positionen vertreten haben, und belohnt sie mit historischen Ergebnissen für diese Klarheit. Dann steigt auch die Wahlbeteiligung.
Zweite Beobachtung: Die letzte Alleinregierung in einem deutschen Bundesland wurde abgewählt.
Dritte Beobachtung: Die Bundesregierung wurde – vor allem in Baden-Württemberg – abgestraft. Wir hatten es in BaWü mit einer kleinen Bundestagswahl zu tun, darum schlagen die 10,6 Prozent minus für die Koalition, die von Kanzlerin Angela Merkel in Berlin geführt wird, schwer ins Kontor. Die SPD konnte davon nicht profitieren. Der alte Antagonismus Schwarz-Rot gehört endgültig der Vergangenheit an.
Ausschlaggebend für diese Wahlergebnisse war die Atompolitik. Die Verlängerung der Laufzeiten der deutschen Atomkraftwerke wurde von der deutschen Bevölkerung mehrheitlich abgelehnt, trotzdem aber von der schwarz-gelben Koalition in Berlin am Anfang der Legislaturperiode durchgesetzt. Fukushima hat diese Entscheidung der Bundesregierung massiv ins Bewusstsein des Wahlvolks zurückgeholt und es zugleich an seine Ablehnung der Kernkraft erinnert. Insofern waren es Wahlen unter besonderen Umständen, aber es ist nicht richtig, allein den GAU in Fukushima dafür verantwortlich zu machen: Wenn die Bundesregierung den rot-grünen Atomkonsens nicht angetastet hätte, hätten die Grünen trotz Fukushima wohl kaum diese Erfolge einfahren können; eher wäre ihnen vorgeworfen worden, dass sie Übergangszeiten für die Kernkraft ermöglicht hatten.
Das Signal ist also deutlich: Die Deutschen wollen raus aus der Kernenergie. So schnell wie möglich, am besten sofort. „Wir haben verstanden“, sagte der FDP-Vorsitzende und Außenminister Guido Westerwellle. Hätte die Bundesregierung früher verstanden und den Willen der Deutschen rechtzeitig ernst genommen, wäre es wahrscheinlich nicht zu diesem Wahlergebnis gekommen. Das Signal nach Berlin heißt: Regiert nicht am Volk vorbei!
Die Kanzlerin und ihr Außenminister sind jetzt in einer schwierigen Lage. Die Wahl im Südwesten war trotz des Achtungserfolgs in Rheinland-Pfalz ein Schuss haarscharf vor den Berliner Bug. Das betrifft beide Parteien gleichermaßen, CDU/CSU wie FDP, denn wie gerade Rheinland-Pfalz gezeigt hat, sind die Zeiten absoluter Mehrheiten vorbei; im Bund sind Koalitionen seit Jahrzehnten die Regel. Der FDP bricht die Zustimmung erdrutschartig weg, doch Merkel ist auf diese – jetzt schwer angeschlagene – FDP angewiesen. Auf der Personalebene ist bei dieser FDP neben dem Parteivorsitzenden die Fraktionsvorsitzende Birgit Homburger schwer angeschlagen; der baden-württtembergische ist ihr Landesverband. Und was Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle betrifft: Der bestätigte kurz vor den Wahlen den Vorbehalt der Klientelpolitik gegen seine Partei, indem er in trauter Runde beim Wirtschaftsverband BDI formulierte, was vier Fünftel der Deutschen argwöhnten: dass das Atom-Moratorium dem Wahlkampf geschuldet war. Gegenüber den Kungelbrüdern durfte er es sagen, die Öffentlichkeit aber sollte getäuscht werden.
Auch wenn es dennoch anders gewesen sein sollte – könnte ja durchaus sein, dass er das nur gesagt hat, um die BDI-Leute zu beruhigen, obwohl das Moratorium tatsächlich ernst gemeint war -, steht eines fest: Die Deutschen haben kein Vertrauen in diese FDP. Diese FDP hat das Vertrauen geradezu missbraucht. Personelle Konsequenzen wären daher das mindeste, was diese Partei aus diesen Wahlen ziehen sollte. Eigentlich sollte sie sich komplett auflösen. Diese Partei wird auf mittlere Sicht nicht mehr gebraucht, auch wenn sie zurzeit noch Mehrheitsbeschaffer im Bund und einigen Ländern ist.
Noch ein Wort zum Erfolg der Grünen: In Baden-Württemberg hat zwar ein Linksruck stattgefunden, aber das sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Grünen dort – und teilweise auch anderswo – keine linke Partei sind, sondern eine wertkonservative. Das ist der eigentliche Grund ihres Erfolgs im Ländle, und hier liegt auch die eigentliche Gefahr für die CDU. Der Frontmann und wahrscheinliche Ministerpräsident Kretschmann ist aktiver Christ, für den die Bewahrung der Schöpfung nicht nur eine Phrase ist. Zugleich sind die Grünen – nicht nur im Südwesten – die wahren Liberalen. Das Lagerdenken – hier CDU/CSU und FDP, dort Grüne, SPD und Linke – ist daher teils überholt, wenn die Grünen anfangen, im Revier des anderen Lagers zu wildern. Und das ist in BaWü geschehen: Sie konnten gut 600.000 zusätzliche Stimmen gewinnen. Davon kamen 140.000 von der SPD, 87.000 von der CDU, 61.000 von der FDP und 33.000 von der Linken. Eine gute Viertelmillion Wählerstimmen konnten sie aus dem Bereich der Nichtwähler mobilisieren (laut tagesschau.de).
Man könnte die Grünen im Südwesten also auch als Volkspartei bezeichnen – mit größerem Recht jedenfalls als die SPD. Eine Volkspartei allerdings, die ideologisch neu zu verorten wäre und die zumindest die FDP problemlos ersetzen könnte. Ob das ein Konzept für die Zukunft ist, wird an den kommenden fünf Regierungsjahren hängen. Vor allem für die Grünen bietet sich eine historische Chance.
Ich stimme Dir im Großen und Ganzen zu, Bronski, meine aber, dass die hohe Wahlbeteiligung damit zusammenhängt, dass die Grünen –zu Recht- auch mit einem anderen Demokratieverständnis in Verbindung gebracht wurden als die abgewählte CDU-Regierung. Wird der Bürger stärker wert geschätzt, rafft er sich auch eher auf und geht zur Wahlurne. Ich erwarte mir mehr Bürgerbeteiligung von der neuen Landesregierung. Den Aspekt „grüner Wertkonservatismus“ halte ich auch für zutreffend, anders hätten die Grünen aber im Südwesten auch keine Chance gehabt. Ich sehe da keine Notwenigkeit, sich neu „ideologisch verorten“ zu müssen. An der Leistung wird diese Regierung gemessen werden nicht an ihrer Ideologie.
Ich freue mich sehr über das Wahlergebnis, blicke aber doch mit einiger Sorge auf die Schulpolitik. Die Atompolitik hat das Wahlergebnis zwar stark beeinflusst, die Schulpolitik bleibt dennoch neben S21 das Gebiet, auf dem Grün-Rot ganz schnell die Sympathien wieder verspielen könnte. Ich fürchte da Schlimmes. Ich habe bisher noch keine Schulreform erlebt, die nicht zu Lasten der Lehrer ging, in Worten Mehrarbeit gefordert hätte. Da bin ich wirklich gespannt auf die neue Landesregierung.
maat
Wenn die Grünen eine Schulreform mittragen werden, durch die von Lehrern Mehrarbeit gefordert wird, sind sie wirklich von einer Klientelpartei zur Volkspartei avanciert.
Die Grünen auf dem Weg zur „Volkspartei“ – gerne, wenn dafür nicht ihr „Markenkern“ (z.B. das von maat angesprochene andere Demokratieverständnis) geopfert wird. Wie stabil diese Entwicklung ist, wird sich mittelfristig erweisen müssen, also über mehr als eine Wahlperiode hinweg. Die Grünen sprechen derzeit sowohl jüngere Menschen mit einem stärker idealistischen Politikverständnis wie auch ein gesellschaftlich aufgeschlossenes und wirtschaftlich gut gestelltes Bürgertum an. Gerade in BaWü sind diese Milieus stark vertreten, was prinzipiell einen nachhaltigen Erfolg ermöglicht. Ich würde das Ergebnis also nicht allein dem „grünen Wertkonservativismus“ zuschreiben, sondern der Verbindung von Werteorientierung mit gesellschaftlicher Aufbruchstimmung.
Was aus meiner Sicht am Wahlergebnis noch auffällig ist, ist der immer noch große Stimmenanteil für die CDU. Bei einer dermaßen schlechten Performance auf diversen Ebenen wären die Stimmenanteile von Sozialdemokraten oder Grünen ins Bodenlose abgerutscht. Die CDU scheint hingegen immer noch eine große treue Wählerschaft zu besitzen, deren Wahlentscheidung quasi unabhängig vom tatsächlichen Handeln der Partei ist. Es mag vielleicht daran liegen, dass nach meiner Einschätzung das Ziel konservativer Politik eben nicht darin besteht, politische Macht zur Erreichung gesellschaftlicher Ziele einzusetzen, sondern primär darin, „linke“ Parteien von der politischen Macht fernzuhalten. Der CDU werden auch dann „wirtschaftspolitische Kompetenz“ und „Werteorientierung“ zugeschrieben, wenn wirtschaftlich unsinnige Entscheidungen getroffen und „Werte“ im praktischen Handeln ignoriert werden. Die Überzeugung, dass „linke“ Parteien „wirtschaftlich inkompetent“ seien und für „Werteverfall“ stünden, bleibt stärker und unbeeinflusst vom tatsächlichen Agieren der eigenen Partei. Hingegen werden eine der SPD zugeschriebene „Sozialkompetenz“ oder eine den Grünen zugeschriebene „Umweltkompetenz oder „Demokratiekompetenz“ gerade von der eigenen Klientel durchaus kritisch am tatsächlichen Handeln überprüft. Der Spruch, dass die CDU in manchen Wahlkreisen auch einen schwarz angemalten Besenstiel aufstellen könnte und dieser dann gewählt würde, hat insofern wohl einen wahren Kern. Die spannende Frage für mich ist, ob dies eine Generationenfrage ist, oder ob sich solche Haltungen weiterhin reproduzieren werden.
@Dreas
Der Erfolg der CDU gründet sich darauf, dass Ba-Wü wenn man Zahlen und Fakten betrachtet, gut aufgestellt ist und zwar wesentlich besser als viele andere Bundesländer. Das sollte nicht von den Schwächen der CDU-Politik ablenken, aber ist natürlich der Punkt, der große Überzeugungskraft auf CDU-Wähler ausübt. Wenn es einem sehr gut geht, fürchtet man eben auch, viel zu verlieren. Den Baden-Württembergern geht schon ziemlich gut.
Dies hat aber auch den Vorteil, dass die Grün-Rote Regierung nun eine gute Ausgangslage hat und Gesatltungsspielraum.
maat, natürlich bestreite ich nicht die Wirksamkeit des „Erfolgsarguments“. Ich frage mich in diesem Zusammenhang nur ganz grundsätzlich, was geschehen muss, damit Menschen beginnen, über die Richtigkeit dieses Arguments nachzudenken. Also sich beispielsweise zu fragen, ob tatsächlich mehr das Land von einer quasi CDU-immanenten „Wirtschaftskompetenz“ profitiert hat oder ob nicht vielleicht auch die günstigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen im Land die Zuschreibung von „Wirtschaftskompetenz“ an die CDU verfestigt haben. In Ermangelung geeigneter Parallelwelten lässt sich ein empirischer Beweis für die eine oder andere These leider nicht führen. Es hängt also letztlich am Willen der Wählerinnen und Wähler, den Zuschreibungen zu folgen – ergo an der Glaubwürdigkeit der letzteren.
Ich hatte vor einigen Tagen vom Aldi einen Billig-Schampus mitgebracht und zu meiner Frau gesagt: Den trinken wir bei einer Mappi-Schlappi! Aber ich hatte dann einige Tage Zeit zum Nachdenken – und die Brause steht ungeöffnet in der Kammer. Warum? Weil ich zur Überzeugung gelangt bin, daß dieser grandiose Wahlerfolg sich womöglich als Pyrrhus-Sieg erweisen wird.
In Japan steht zu befürchten, daß dort die Situation rund um die – wohl tatsächlich eingetretene – Kernschmelze weiter eskalieren wird. Schon jetzt muß das hochverschuldete Land Hunderte von Milliarden zur Verfügung stellen, d.h. also drucken, um nur die Verwerfungen durch Erdbeben und Tsunami einigermaßen zu beseitigen. Was ist, wenn Japan seine US-Staatsanleihen verkauft, und dies mit der eingetretenen Notsituation begründet – stürzt dann auch das US-Finanzsystem?
Die Kosten für den GAU kann noch niemand beziffern, da kein Ende absehbar ist. Was ist, wenn der Wind dreht, und die Region rund um Tokyo verseucht wird? Was ist, wenn die Wolken (da denke ich an das Buch von Gudrun Pausewang) noch weiter südöstlich ziehen oder das Meer Richtung Korea und China überqueren? Schon heute leidet die Wirtschaft in Japan und damit dann indirekt auch die bei uns. Wenn jetzt Produktions-Einbrüche in Korea und VR China hinzukommen, welche Folgekosten könnte dies haben? Gerade die Wirtschaft im Musterländle BW ist international verzahnt und auf Zulieferungen aus Asien und Exporte in alle Welt aus den hieraus resultierenden Fertigprodukten angewiesen.
Was ist mit den Milliardenkosten, die grün-rot durch den von Mappus eingefädelten EnBW-Deal entstehen werden, nachdem die AKWs, welche EnBW zu Einnahmen verhalfen, ganz oder zum Teil abgeschaltet werden? Im Gegensatz zu EoN und RWE hat EnBW nicht in regenerative Energien investiert! Aus dem Musterländle ein Schuldenländle? Und wenn dem Bund die Steuereinnahmen ausgehen, wer zahlt dann doch für Stuttgart 21 und für Baufirmen und Ingenieurbüros? (Ich bin natürlich gegen das Projekt, aber hier sollten ja auch Gelder verdient, nicht nur verbuddelt werden).
Hat rot-grün die Kraft, das Pumpspeicher-Kraftwerk im Hochschwarzwald durchzusetzen, oder demonstrieren dann Grüne dort gegen die eigene Regierung?
Es wird so sein, wie jetzt bereits in NRW: Schwarz-gelb hat die notwendigen Rückstellungen für die Landesbank NRW bereits als Zusatz-Schulden der rot-grünen Minderheitsregierung in die Schuhe geschoben. Und dies befürchte ich auch in BW, eben dieses: seht ihr, liebe Bürger, auch die können es nicht.
Rot-Grun im Bund dürfte sich erledigt haben, weil Grün das auffängt, was Rot verliert. Und Frau Merkel wird alles tun, und sich noch ein paar Volten einfallen lassen, um dann 2013 mit erstarkten Grünen zu regieren. Die sind schließlich die Art FDP, welche sich Merkel immer schon gewünscht hat.
Wolfgang Fladung, ich kann einerseits Ihre Befürchtungen gut nachvollziehen – ganz explizit zum Beispiel den Hinweis auf die Dreistigkeit, mit der CDU und FDP in NRW die Kosten zur Bewältigung der Bankenkrise als „rot-grüne Schulden“ ausgeben. Was man im Übrigen als Beleg für die in Beitrag #2 geäußerte Annahme ansehen kann, dass das konservativ-liberale Lager stark davon lebt, dem politischen Gegner ungeachtet der Faktenlage grundsätzlich „wirtschaftliche Inkompetenz“ zu unterstellen.
Andererseits sollte man sich wohl aber auch vorsehen, nicht allzuschnell in Verzagtheit zu verfallen. Wann wäre denn der „richtige Zeitpunkt“ für einen Machtwechsel? Wenn alles prima läuft? Weswegen sollten aber dann die Wählerinnen und Wähler einen Machtwechsel herbeiführen, wo es doch jetzt schon so knapp war? Oder erst dann, wenn sich die heute unstreitig vorhandenen negativen Risiken (Einbruch der Weltwirtschaft, EnBW-Verluste, …) unter einer Mappus-Regierung realisiert hätten? Wieso sollte es ausgerechnet dann leichter sein zu regieren?
Auch die Grünen sind nicht von Kritik auszunehmen. Wenn Sie sie aber jetzt schon als „die Art FDP, welche sich Merkel immer schon gewünscht hat“ als politisch fortschrittliche Kraft abschreiben, was bleibt dann noch? Werden dann alle Hoffnungen auf die Linke und vielleicht noch die Piratenpartei projiziert? An einem solchen globalen Anspruch können beide eigentlich nur scheitern. Und wie wäre dann die zeitliche Perspektive für einen demokratischen Machtwechsel?
Lieber Wolfgang Fladung – köpfen Sie die Flasche, der Schampus wird vom Lagern nicht besser. Und lassen Sie uns hoffen (oder ggf. mithelfen), dass eine neue grün-rote Regierung in BaWü einerseits die dümmsten Fehler und offensichtlichsten Fallen vermeidet und andererseits zumindest die wichtigsten Dinge tatsächlich in Angriff nimmt.
Nun, ich habe mir schon lange abgewöhnt, Sekt zu trinken nur weil sich die Regierung ändert. Trotzdem bin ich optimistisch. Seitdem Kretschmann die Wahl gewonnen hat, lächelt er auch mal und wirkt in seiner Artikulation wesentlich entspannter (will sagen: vorher hat er für mein Empfinden dauernd nahezu geschrieen- das hat mich völlig wahnsinnig gemacht. Ein schreiender Ministerpräsident ist ja nun auch nicht das, was man sich wünscht). Ich bin jetzt sogar zufrieden, dass er Ministerpräsident wird und nicht Nils Schmid, der mir vor der Wahl besser gefallen hatte. Beide bilden in meinen Augen ein gutes Team. Wenn sie nicht übermorgen damit beginnen, die Gesamtschule flächendeckend im Südwesten einzuführen, die Gymnasien finanziell verhungern zu lassen oder uns zur Rücknahme von G8 zu zwingen oder die Wochenarbeitszeit der Lehrer zu erhöhen, wird meine Freude auch länger anhalten. Wenn sie sogar die maroden Schulhäuser renovieren, die fast am Zusammenbrechen sind, werde ich sie für immer als Wohltäter in Erinnerung behalten.
Fröhlich
maat
Als erstes sollten sie das Wahlrecht ändern. Mit dem Ziel das die Gruppierung die die meisten Stimmen hat auch regieren kann und nicht so ein Unsinn wie in Schleswig Holstein entsteht.
@ maat
Was aber gegen die flächendeckende Einführung der Gesamtschule spricht, verschließt sich meinem Verständnis. Aber wenn schon: wie könnten denn danach die Gymnasien verhungern?
Eine Verlängerung der Wochenarbeitszeit der Lehrer wäre allerdings schlecht, wollen wir doch nicht morgens, mittags und nachmittags auf frische Kommentare von dir verzichten. Oder schreibst du die etwa während der Wochenarbeitszeit an deinem Pult im Zeichensaal ins Notebook, von dem du ab und zu mal aufschaust, um zu sehen, ob die Kinder auch ordentlich malen?
@Heinrich
Danke für Deinen Spott, aber da erwischt Du die falsche, da ich zu denen gehöre, die sich besonders stark für die Schule engagieren. So verbringe ich jetzt schon wegen einer Vielzahl von Projekten meine Wochenenden dort. Seit heute früh verbringe ich die Zeit mit Gutachten-Schreiben am heimischen Computer, falls es Dich interessiert. Da dies ziemlich konzentrationsintensiv ist, verfasse ich hin und wieder zur Entspannung einen kleinen Kommentar. Du brauchst Dir also keinen Sorgen darüber zu machen, ich könnte zu wenig arbeiten. Was ich gegen die flächendeckende Einführung der Gesamtschule habe, kann ich dir aus Zeitmangel leider nicht schildern, habe dies aber oft genug hier schon ausgeführt und möchte mich auch nicht dauernd wiederholen.
@ maat
Liebe maat,
Ach du, das war doch kein Spott, sondern ein Scherz, von dem ich dachte, dass du ihn durchschaust und verträgst. Dass du eine engagierte Lehrerin bist, ersehe ich doch u.a. aus deinen engagierten Kommentaren. Deine Haltung zur Gesamtschule habe ich aber nicht mitbekommen. Ich war hier auch nicht kontinuierlich präsent, und zudem hat das Blog ein kurzes Gedächtnis, du und ich müssen damit leben, dass, was wir vorgestern geschrieben haben, heute nicht mehr in Erinnerung ist.
Du hast also wirklich keinen Anlass, dich zu rechtfertigen, mein kleiner Sarkasmus gründet darin, dass ich aus eigener langjähriger Lehrertätigkeit, wenn auch mit jungen Erwachsenen, aber im Prinzip unter denselben Arbeitsbedingungen, sowohl die Belastung kenne – du hast sicher eine Vorstellung von der Korrekturarbeit für Grund- und Leistungskurse in Deutsch, Politik und Philosophie – als auch das tendenzielle Unverständnis der Öffentlichkeit für eben diese Belastung. Ich habe mir seinerzeit nach einigen Jahren abgewöhnt, irgendwelche Klugschwätzer davon überzeugen zu wollen, sondern sie damit verblüfft, dass ich ihre Vorurteile bestätigt und entsprechend verstärkt habe: Ich habe den besten Beruf der Welt, habe morgens recht und nachmittags frei.
Meine Erfahrung und Beobachtung ist die, dass die unfähigsten Lehrer, derer es leidlich viele gibt, sich krampfhaft bemühen, der Unterrichtssituation zu entfliehen und stattdessen ausgerechnet in die Lehrerausbildung streben oder in der Schulbehörde Karriere machen. Dort verbrechen sie dann Richtlinien für die Lehrer vor Ort, die zu nichts gut sind, als deren Arbeitskraft vom eigentlichen Sinn ihrer Tätigkeit, nämlich der Ausbildung und Unterrichtung der Schüler und Studierenden, ab- und auf nutzlose bürokratische Auflagen hinzulenken.
Dieser ganze Behörden-Wasserkopf wäre eine optimale Masse für Personaleinsparungen, die wirklich unfähigen Lehrer ebenfalls, die guten, engagierten und produktiven Lehrer wissen von selbst, was sie zu tun haben und tun das auch, die gehören entlastet, um nicht dem in dem Beruf überproportional drohenden Burnout entgegenzusteuern, und die Masse dazwischen müsste durch Entlastung von Bürokratie sowie durch Fortbildung und Supervision ebenfalls auf den bezeichneten richtigen Weg gebracht werden.
Das Einfache ist erfahrungsgemäß ziemlich schwer, aber dass mögliche Veränderungen und Weiterentwicklungen des Schul- und Bildungswesens durch die neue Regierung in diese grob gezeichnete Richtung gehen mögen, das wünscht dir mit solidarischen und kollegialen Grüßen
Heinrich
– du hast sicher eine Vorstellung von der Korrekturarbeit, von der Vorbereitungsarbeit hier zu schweigen,
@Heinrich
Lieber Heinrich,
schön- ich sehe das genauso!
liebe Grüße
maat
(nicht nur) dreas, # 7:
Es gibt einfach keine Heilsbringer mehr, nicht die Grünen, nicht die Linke, und auch bei den restlichen noch verbliebenen Wertkonservativen sieht es nicht allzu rosig aus. Die Grünen meiner Vorstellung heißen Jutta Ditfurth und sind schon lange nicht mehr Mitglied oder Akteur. Die Grünen, die ich kenne, fahren mit ihren echten 3-Lt.-Autos (Hubraum!), nachdem sie sorgfältig ihren Müll getrennt haben, zum Biobauern, wohnen in NUll-Energie-Häusern (welche sich ärmere Schlucker nicht leisten können), nehmen ihre Kinder aufgrund des hohen Ausländeranteils von der Schule und haben – natürlich- Spenden-Daueraufträge für Greenpeace und Amnesty International. Für den Malediven-Urlaub drücken sie selbstverständlich was ab für ein zu pflanzendes Bäumchen irgendwo, und zum vegetarischen Mahl mit Freunden gibt es dann den tollen Rotwein aus Chile.
Auch ich war lange Symphatisant, und dann Mitglied, und mußte feststellen, daß gerade die soziale Frage vielen der Damen und Herren am Allerwertesten vorbeigeht. Da war dann der Farbige in Afrika näher als der Hartz-IV-Empfänger oder Billigarbeiter zuhause. Da längere Zeit mit einer Grundschul-Lehrerin verheiratet, kenne ich somit auch mittelbar die Probleme rund um schulische Abläufe, und um das Personal, sowohl in den Führungsgremien als „draußen“ an der Front. Und aus dieser Zeit durfte ich viele Elends-Verwalter anstelle von Zukunfts-Gestaltern kennen lernen – das Schulamt und die „Umstände“ waren immer Schuld!, oder die Eltern, oder die forschen Kollegen bzw. das Rektorat, oder der Lehrplan, oder die Fernsehsucht der Kleinen, und und und.
Auch ich bin immer noch für gemeinsames Lernen, aber dies funktioniert wohl nur mit
– kleineren Klassen
– einem überarbeiteten Lehrplan in Richtung „lernen lernen“
– Schulen, in die zu gehen Freude macht
– Sozialarbeiter und engagierte Hausmeister, nicht nur in Brennpunkten
– Frühstück, Mittagessen und Nachmittags-Betreuung
– einem austarierten Fördern & Fordern-Prinzip
– Kindern ausländischer Mitbürger, welche bei Schuleintritt die deutsche Sprache beherrschen, und auch nicht allzu fremd der abendländischen Kultur gegenüber stehen
und, last but not least:
Lehrer, die genauso wie Fachkräfte in der freien Wirtschaft an ihren Leistungen gemessen werden. Dies setzt natürlich wiederum voraus, daß es gelingt, eine einigermaßen, nicht nur an der Stromlinienförmigkeit bzw. der Eignung für das Wirtschaftsleben ausgerichtete Herausbildung von Persönlichkeiten, und nicht nur von Funktionierenden, zu erzeugen. Ob dies rot-grün gelingt, weiß ich nicht. Jedenfalls gehörte dazu mehr als nur mehr Geld in die Hand zu nehmen.
@Wolfgang Fladung
Also lieber Herr Fladung,
Ihre Position in Ehren, aber mit Frau Ditfurth an der Spitze hätten die Grünen in Südwesten vermutlich bestenfalls die 5-Prozent-Hürde bewältigt.
So finde ich das viel besser. Ich freue mich darüber, dass ich Neckarwestheim I für alle Zeiten los bin- ist doch ein guter Anfang.
Moment- wieso Rotwein aus Chile???? Es muss heißen Trollinger!
@ Dreas # 3, Wolfgang Fladung # 6
„… dass nach meiner Einschätzung das Ziel konservativer Politik eben nicht darin besteht, politische Macht zur Erreichung gesellschaftlicher Ziele einzusetzen, sondern primär darin, „linke” Parteien von der politischen Macht fernzuhalten.“
Die Analyse von Dreas beschreibt m.E. sehr zutreffend nicht unbedingt konservative Politik schlechthin, wohl aber die eines in Agonie befindlichen Konservatismus im Stil von Merkel und Mappus, dem kein noch so durchsichtiges Manöver und keine Kehrtwendung für dieses Ziel zu blöde ist.
Gerade deshalb ist wohl die Sorge von Wolfgang Fladung über die Folgen des „von Mappus eingefädelten EnBW-Deals“ und von „Stutgart 21“ mehr als berechtigt, aus denen sie genüsslich Munition für den Wahlkampf saugen werden, nach der gerade im Schwabenländle sehr wirksamen Devise, dass „die Linken“ eben doch nicht mit Geld umgehen können. Und die grün-rote Regierung wird gut daran tun, sich um diese Kuckuckseier, die Mappus ihnen ins Nest gelegt hat, so schnell wie möglich zu kümmern, bevor die Verursacher der Misere aus dem Gedächtnis entschwinden.
Dennoch, lieber Wolfgang Fladung, meine ich, sollte man nicht zu pessimistisch sein. Auch die Reaktion auf „Stutgart 21“ hätte den biederen Schwaben doch vor kurzem noch kaum jemand zugetraut. Und wer den Karren so an die Wand gefahren hat wie die schwarzgelben Strategen, der macht, wie man sehen konnte, Fehler über Fehler. Und der größte ist wohl, dass sie die Leute für dümmer halten als sie sind.
Ein bischen sollte man auch die Kirche im Dorf lassen.
Bei ca. 7.600.000 Wahlberechtigten ist der Zugewinn von ca. 740.000 Stimmen für eine Partei (für eine kleinere allemal) natürlich schon eine respektable Leistung, aber wenn also knapp 10% der Wahlberechtigten sich soweit aufrütteln liessen (ob durch Fukushima oder Stuttgart 21 oder was auch immer), daß sie ihre Stimme nach Grün wechselten oder Grün statt gar nicht wählten, ob man dann schreiben sollte: „DIE Bürger lassen sich aufrütteln“? Selbst alle Grünenwähler zusammen machen knapp 16% der Wahlbeteiligten aus… wohl ebenfalls kaum „die Bürger“. Da blieben doch, bei Licht betrachtet, noch reichlich Bürger „unaufgerüttelt“.
Auch die Wahlbeteiligung ist eher eine Normalisierung als ein beachtlicher Anstieg… die Beteiligung 2006 war außergewöhnlich niedrig, nicht die von 2011 außergewöhnlich hoch… aus welchen Gründen sie 2006 so außergewöhnlich niedrig war, erinnere ich allerdings nicht mehr.
# 16 & 17 – Maat: Gibt es in Chile Trollinger? Aber im Ernst – das Bemühen, regional und jahreszeitlich bedingt einzukaufen ist bei vielen Grünen noch nicht angekommen. Da wird dann auch gerne mal was beigebogen, und entschuldigt, und als … „da habe ich was Besonderes, aus XYZ, aber nur für gute Freunde“… deklariert. Menschlich, allzumenschlich, und ein bißchen heuchlerisch beim Gutmenschlichen. Ich erinnere mich gut an meine Arbeit in der Nicaragua-Gruppe, und an den Laden-Dienst beim Verkauf der NICA-Dröhnung und der Bananen im 3. Welt-Laden, und an die Sammlungen für die Sandinistas, und daran, wie wir Ortega hochleben ließen – Ortega, der dann als Diktator ähnlich wie Somoza regierte und regiert. War wohl alles ein wenig zu blauäugig.
Und eine kritische Jutta Ditfurth ist mir immer noch lieber als so viele allzu kompromiß- und konsensbereite Grüne. Wir sind jetzt, vielleicht, Neckerwestheim los, aber da lauert ja noch der Rest, und damit das …Rest-Risiko, hier und anderswo.
Jutta Ditfurth hat sich in der Tat bislang nicht dadurch hervorgetan, besonders kompromissbereit zu sein. Nur – wo bewegt sich denn reale Politik, wenn nicht im Spannungsfeld zwischen dem Wunsch, eigene Vorstellungen durchzusetzen und der Notwendigkeit, Kompromisse einzugehen? Kompromisslose Politik, mögen die Ziele noch so „edel“ sein, führt entweder in die Diktatur oder in die Bedeutungslosigkeit.
Ich finde es interessant, wie gut die Reaktionen auf das Wahlergebnis in den Blogs und Kommentarfunktionen die in Beitrag #3 formulierten Thesen widerspiegeln. Auf der einen Seite die konservativen Stimmen, die mindestens die Insolvenz des Landes Baden-Württemberg wenn nicht sogar den Untergang des christlichen Abendlandes heraufbeschwören, auf der anderen Seite die Stimmen aus dem linken und ökologischen Lager, die entweder ein Scheitern an den Ansprüchen prophezeien oder sogar von vorneherein ausschließen, dass diese Ansprüche überhaupt ernst genommen würden. Und dies noch vor der Wahl und dem Amtsantritt der neuen Landesregierung.
Wichtiger und richtiger erscheint mir ein kritisches Begleiten des Neuanfangs (ich halte es für einen solchen), und als Voraussetzung hierfür die größtmögliche Transparenz bei der Abstimmung über gemeinsame politische Ziele und den Entwürfen für das Regierungshandeln.
@Dreas
Sie sprechen mir im Großen und Ganzen aus dem Herzen, einzig mein Verständnis für die Mentalität der Menschen hier im Süden ist größer. Man muss halt auch sehen, dass der Regierungswechsel für die Leute in Ba-Wü einfach eine Umstellung bedeutet. In anderen Bundesländern wechseln die Landesregierungen ja ständig. Dort kann man sich einfach nicht vorstellen, was im Süden los ist. Unabhängig wie man zur CDU stand, sie gehörte zu Ba-Wü dazu wie der Schwarzwald. Das war quasi bei Anhängern wie bei Gegnern eine Art unerschütterlicher Selbstverständlichkeit und war Quell stetigen Wahlfrustes unter „Linken“. Meine Verwandtschaft besteht aus Menschen, die im Schwäbischen tief verwurzelt sind und ausgesprochen unterschiedliche politische Ansichten vertreten. Mit dem Klischee vom biederen Schwaben, welches zwar nicht von Ihnen, aber von anderen hier vertreten wurde, macht man es sich zu einfach. Meines Erachtens helfen keine Argumente gegen die Befürchtungen, einzig eine überzeugend arbeitende grün-rote Landeregierung kann im Südwesten beweisen, dass die Welt mit der CDU mehr untergegangen wäre als mit Grün-Rot.
@21 dreas
„Jutta Ditfurth hat sich in der Tat bislang nicht dadurch hervorgetan, besonders kompromissbereit zu sein.“
Gott sei Dank ist das so. Glauben Sie wirklich ernsthaft, Frau Ditfurth hätte überhaupt je die Absicht gehabt, sich dadurch „hervortun“ zu wollen, besonders kompromissbereit zu sein? Natürlich geht es nicht ohne Kompromisse. Aber bevor ich faule, morsche, oder gar verkommene Kompromisse eingehe, die schon den Namen nicht verdienen, verabschiede ich mich von einer derartigen „Kompromisstruppe“, so wie es Frau Ditfurth getan hat. Was soll das für Sie eigentlich sein, „besonders kompromissbereit“? Ist es „besonders kompromissbereit“, sich von einer pazifistisch geprägten Friedenspartei, zu einer Kriegspartei zu „mausern“, die sich an einem völkerrechtswidrigen Krieg (Kosovo) beteiligt, kaum dass Rot/Grün 1998 „geboren“ war? Überhaupt diese ganze erbärmliche grüne Verfischerung, die Kumpanei mit schwarz/geld, nicht nur im Hinblick auf Kriegsbeteiligungen, die fatale Militarisierung deutscher Außenpolitik unter einem „grünen“ Außenminister, oder auch die „Geburt“ von Hartz IV, die Arbeitsmarktverformungen (Motto: Willig, Billig, Austauschbar), fälschlich Reform genannt, radikale Senkung der Unternehmenssteuern, roter Teppich für die Hedge Fonds, der ganze Wahnsinn von Privatisierungen, Deregulierungen, in einem Wort, der Kulturbruch in allen wesentlichen politisch/gesellschaftlichen Bereichen, wie er von Rot/Grün verbrochen wurde. Da hätte sich Frau Ditfurth „besonders kompromissbereit“ zeigen und womöglich anschließen sollen? Meinen Sie das? Ich denke mal, Frau Ditfurth hat noch das, was immer mehr auszusterben droht bzw. schon ausgestorben ist, und in früheren Zeiten Charakter und Anstand genannt wurde. Soll heißen, Überzeugungen, die nicht irgendwelchen zombiistischen Kapital- und/oder Machtinteressen geopfert werden, wie das die Schröders, Fischers und Co. seit Jahren „zelebrieren“. Eine Jutta Ditfurth trennt sich lieber von einer Partei (im Gegensatz zu anderen „Grünen“, an der Spitze der unsägliche Fischer)verzichtet auf Amt und Würden, auch auf fette, einträgliche Posten nach der Politik, anstatt Grundsätze zu verraten, für die sie einmal angetreten ist. Und das tut sie sicher nicht nur deshalb, weil sie mit Vornamen auch Jutta heißt.;-) Unglaublich, da gibt es das, was weit und breit, leider, leider, nicht mehr zu sehen ist, eine PolitikerIn, die unverbrüchlich und unbestechlich zu ihren Überzeugungen steht, nicht (ein)zukaufen ist, und gerade der wird dann vorgeworfen, nicht „besonders kompromissbereit“ zu sein. Aber was soll`s, es ist ja auch schon völlig normal, dass sich eine Partei, die immer noch SPD heißt, begeistert feiert, obwohl sie in BW die größte Niederlage aller Zeiten „eingefahren“ hat. Aber das ist bei den Spezial- bzw. Fataldemokraten ja nix Neues, und erinnert an das überaus peinliche Jubel-Schauspiel nach der letzten Bundestagswahl. Ditfurths braucht das Land, so nötig wie die Luft zum Atmen, anstatt weiter von den Fischers, Schröders, Schlauchs, Metzgers, Steinmeiers, Steinbrücks, Clements usw. usw. überschwemmt zu werden. Übrigens, Grün/Rot wird in BW scheitern. Nicht weil ich mir das wünsche, sondern weil es z.B. u.a. an Ditfurths fehlt. Obwohl die „Umstände“ für die schwarze Abwahl extrem gut waren, hat es mal gerade so eben mit einer Mehrheit geklappt. Allerdings wird das nur für eine Wahlperiode reichen, dann übernimmt wieder der „schwarze Block“, für die nächsten … 158 Jahre Jahre.;-) Aber in jedem Fall wird es mit Grün/Rot interessant und wie ich vermute, auch wieder mal entlarvend, und das ist ja auch schon mal was, in den heutigen inhaltsleeren Zeiten.
mfg
Jutta Rydzewski
Jutta Rydzewski (#23), auch dann, wenn Sie Jutta Ditfurths kompromisslose Haltung für richtig und das Agieren der Grünen und der SPD für falsch, verdammens- und beschimpfenswert erachten, erledigt sich dadurch leider nicht die Frage nach der politischen Wirksamkeit. Und auch die Frage nach der „diktatorischen Versuchung“ ist nicht gänzlich obsolet (vgl. Wolfgang Fladungs Hinweis in #20 auf Nicaragua, die Sandinisten und Daniel Ortega). Nachdem ein Teil meiner eigenen politischen Sozialisation in der radikalen Linken stattgefunden hat, denke ich zu wissen, wovon ich da rede.
Bravo, # 23, Frau Rydzewski, ich hätte es nicht besser formulieren können. Ergänzend hierzu möchte ich auf den Kommentar von Jens Berger in den gestrigen Nachdenkseiten, „Die neue Volkspartei, die keine ist“, hier der Link: (Link abgelehnt, Anm. Bronski, siehe Blog-Regel Nr. 8 ) verweisen, sowie auf die Süddeutsche von gestern zum Thema S 21: http://www.sueddeutsche.de/politik/2.220/gruen-rot-streit-um-stuttgart-nach-dem-triumph-ist-vor-dem-krach-1.1078309.
Die Grünen haben sich mit der Akzeptanz des Geißler’schen Schlichterspruchs ja in eine Art babylonische Gefangenschaft begeben. Ließen die klaren Ansagen während der Schlichtung gegen S 21 noch hoffen, kam dann das unsägliche „S 21 Plus“ heraus. Wie sagte Volker Pispers recht drastisch hierzu: … der Unterschied zwischen Scheiße und Scheiße plus“. All die K 21 Befürworter, die der Schlichtung fernblieben, erhielten so ihre Befürchtungen bestätigt.
Und wie Grün-Rot mit einer Befürworter-SPD die Wende schaffen will, ist die Frage. Vielleicht wieder mal ein fauler Deal gefällig: Tausche Tiefbahnhof gegen Neubaustrecke Wendlingen-Ulm? Bei den vielen Volten, welche die Grünen schon geschlagen haben, würde mich nichts mehr wundern.
Vielleicht gibt es auch jetzt bei Mappus & Co. eine klammheimliche Freude über das faule Ei, daß durch die quasi Verstaatlichung von EnBW jetzt Grün-Rot ausbrüten muß? Die Kosten könnten sich durch Entwertung des Aktienpakets auf rund 1,5 Milliarden Miese belaufen, und wer trägt dann die Kosten, oder hat unter den Einsparungen zu leiden? Richtig, auch der grün-rote Wähler.
Grünen-Anhänger und Wähler waren ja immer schon Meister der Selbsttäuschung. Viele halten sich ja immer noch für links. Dieses „links“ stimmt aus der Sicht eines Wirtschaftsliberalen vielleicht noch – mir sind dann eher gestandene Wertkonservative wie Nobbie Blüm lieber. Jedenfalls wette ich heute schon: 2013 werden die Grünen wieder in der Regierung auftauchen, egal, ob dann mit Merkel oder Steinbrück – eben mit denen, mit denen es rein rechnerisch zur Mehrheit reicht.
@24 dreas
Verstehe ich Sie richtig, dass Sie z.B. völkerrechtswidrige Kriege nicht für falsch, verdammens- und beschimpfenswert halten? Auf politische Wirksamkeit kann ich gerne verzichten, wenn damit (Angriffs)Kriege durchgesetzt, Grundrechte beschnitten, oder der Sozialstaat geschliffen werden soll. Konkrete Beispiele hatte ich in meinem Vorposting genannt. Was haben Frau Ditfurths Überzeugungen überhaupt mit „diktatorischer Versuchung“, Nicaragua, Sandinisten und Daniel Ortega zu tun?
„Nachdem ein Teil meiner eigenen politischen Sozialisation in der radikalen Linken stattgefunden hat, denke ich zu wissen, wovon ich da rede“.
Zunächst müsste geklärt werden, was Sie unter einer radikalen Linken verstehen; die Betonung liegt dabei auf radikal. Doch unabhängig davon, weiß ich gar nicht, was das mit links, rechts, mittig, oben und unten zu tun haben soll, wenn ich mich gegen Kriege wende, den Abbau von Bürgerrechten, gegen Reformen, die keine sind, gegen Lug und Trug in der Politik, eine immer mehr um sich greifende Korruption, gegen einen verderblichen, zombiistischen Kapitalismus, in Sonderheit ein widerliches weltweites Finanzgebaren, bei dem auf Rohstoffe, Grundnahrungsmittel, Staatspleiten, also auf Not, Elend, Hunger von zig-millionen Menschen gewettet werden kann. Um mich gegen diese Mammutverbrechen zu wenden, brauche ich nix Linkes, da reicht schon ein ganz normal entwickelter Anstand aus.
mfg
Jutta Rydzewski
Bronski, wird mein Beitrag (mit dem Danke an Frau R.) noch veröffentlicht? Möglicherweise eine Verzügerung wg. der beiden Links auf die NDS und die Süddeutche?
Es grüßt
Wolfgang
Jutta Rydzewski (#26), nein, Sie verstehen mich da leider nicht richtig, denn ich hatte weder zu Jutta Ditfurths Haltung noch zu der von Grünen und Sozialdemokraten inhaltlich Position bezogen. Mein Eingangssatz in Beitrag #21 enthielt einerseits eine kurze Einschätzung zu Jutta Ditfurths m.E. geringer Kompromissbereitschaft und andererseits eine allgemeine Aussage zu den Schwächen und Gefahren von prinzipieller Kompromisslosigkeit in der politischen Praxis.
Wer für Kompromisslosigkeit im politischen Handeln eintritt, sollte eigentlich auch eine Antwort auf die Fragen nach der daraus resultierenden politischen Wirksamkeit (wenn man in einer Minderheitenposition ist) oder „diktatorischen Versuchung“ (wenn man in einer Mehrheits- oder anderweitig begründeten Machtposition ist) geben können. Politik ist schließlich kein Schaulaufen um die schönste/widerspruchfreieste/radikalste/… Haltung, sondern es geht dabei um die Gestaltung der Gesellschaft. Da ist es durchaus von Belang, in welcher Art jemand seine politischen Vorstellungen realisieren will (oder ggf. auch nicht).
Details meiner politischen Sozialisation werde ich in diesem Blog nicht ausbreiten. Wer die radikale Linke ein bisschen kennt, weiß gut genug, dass Kompromisslosigkeit dort eine hohe Wertigkeit hat. Und deswegen weiß ich, was daraus in der Praxis entstehen kann. Das ist leider völlig unabhängig von den politisch-inhaltlichen Vorstellungen.
@28 dreas
„Jutta Rydzewski (#26), nein, Sie verstehen mich da leider nicht richtig, denn ich hatte weder zu Jutta Ditfurths Haltung noch zu der von Grünen und Sozialdemokraten inhaltlich Position bezogen“.
Wenn Sie inhaltlich keine Position bezogen haben, wie Sie schreiben, verstehe ich allerdings nicht, warum Sie sehr wohl eine inhaltliche Bewertung dahingehend vornehmen, wonach ich aus Ihrer Sicht, „das Agieren der Grünen und der SPD für falsch, verdammens- und beschimpfenswert erachten“ würde. Ohne inhaltliche Positionsbeziehung dürfte eine derartige Dreifachbewertung wohl nicht möglich sein.
„Mein Eingangssatz in Beitrag #21 enthielt einerseits eine kurze Einschätzung zu Jutta Ditfurths m.E. geringer Kompromissbereitschaft und andererseits eine allgemeine Aussage zu den Schwächen und Gefahren von prinzipieller Kompromisslosigkeit in der politischen Praxis“.
Eben, und exakt dazu hatte ich in meinem Posting detailliert Stellung bezogen, in dem ich jedoch das Eine fein säuberlich vom Anderen getrennt habe.
„Politik ist schließlich kein Schaulaufen um die schönste/widerspruchfreieste/radikalste/… Haltung, sondern es geht dabei um die Gestaltung der Gesellschaft. Da ist es durchaus von Belang, in welcher Art jemand seine politischen Vorstellungen realisieren will (oder ggf. auch nicht)“.
Nun versuchen Sie sozusagen ins Allgemeine zu flüchten. Ist doch eigentlich gar nicht Ihre Art, was Sie selbst auch gar nicht mögen, wie ich meine schon mal von Ihnen gelesen zu haben. Ich hatte doch ausdrücklich eingeräumt, dass Kompromisse natürlich unumgänglich sind. So ist das nicht nur in der Politik, sondern auch im wahren Leben. Ich hatte allerdings auch deutlich gemacht, wo sich Kompromisse ausschließen, und dafür konkrete Beispiele genannt. Mit Kriegen, Sozialabbau, Beschneidung von Grundrechten usw. eine Gesellschaft zu gestalten, verbietet sich kategorisch, und da gibt es demzufolge auch nix an politischen Vorstellungen zu realisieren. Wenn ein Kompromiss, ob nun in der Politik oder im privaten Leben, gegen meine Grundüberzeugungen gerichtet ist, gibt es keinen Kompromiss. Ich halte das im Übrigen auch für völlig normal. Ein fauler, morscher, oder gar verkommener Kompromiss, würde mich auf Dauer krank machen, wenn ich ihn tatsächlich eingehen würde.
„Details meiner politischen Sozialisation werde ich in diesem Blog nicht ausbreiten“.
Darum hatte ich Sie auch gar nicht ersucht. Zur Erinnerung: „Zunächst müsste geklärt werden, was Sie unter einer radikalen Linken verstehen; die Betonung liegt dabei auf radikal“. So etwas kann mit einigen wenigen Sätzen erklärt werden, ohne dass das sofort (auto)biografische Züge haben muss. Ich sehe es so, dass sich bei radikal irgendwann die Gewaltfrage stellt, was aber nicht unbedingt nur etwas mit physischer Gewalt zu tun haben muss. Allerdings würde das wohl zu sehr vom eigentlichen Thema, den grün/roten Träumen wegführen. Aber dazu hatte ich ja auch, in wenigen Sätzen, meine Meinung gesagt.
mfg
Jutta Rydzewski
Jutta Rydzewski (#29), ich verstehe diese Auseinandersetzung nicht wirklich, und auch die Schärfe des Tonfalls ist irritierend. Jutta Ditfurth wurde von Wolfgang Fladung (#15) als eine der „Grünen meiner Vorstellung“, obwohl sie „schon lange nicht mehr Mitglied oder Akteur“ ist, in die Diskussion eingebracht. Maat bemerkte dazu (#16), dass „mit Frau Ditfurth an der Spitze […] die Grünen in Südwesten vermutlich bestenfalls die 5-Prozent-Hürde bewältigt“ hätten. Woraufhin Wolfgang Fladung antwortete (#20), „eine kritische Jutta Ditfurth“ sei ihm „immer noch lieber als so viele allzu kompromiß- und konsensbereite Grüne“. Und darauf bezog dann sich meine Anmerkung in #21. Ob die Positionen von Jutta Ditfurth „richtig“ oder „falsch“ oder was auch immer seien, war bis dorthin also nicht das Thema, und noch weniger wurden solche Positionen von maat oder mir abgewertet. Diese Dimension haben dann Sie mit ihrem ausgesprochen emotional formulierten Beitrag #23 eingebracht – und zwar nicht beschränkt auf eine Zustimmung zu Ditfurthschen Positionen, sondern ergänzt durch eine wiederum sehr emotional formulierte Abgrenzung von Haltungen und Taten grüner und sozialdemokratischer Prominenz. Stimmt es denn nicht, dass Sie letztere für „falsch, verdammens- und beschimpfenswert“ halten, wo Sie es doch ganz genau so zum Ausdruck gebracht haben?
Das Thema meines Beitrags #21 war und ist in dem Sinne prinzipieller Natur, dass für mich die Frage nach der Kompromissfähigkeit im politischen Handeln unabhängig von der Person Jutta Ditfurths von Bedeutung ist. Das ist also keine „Flucht ins Allgemeine“ (wenn überhaupt war ich vorher schon dort), sondern eine Erörterung grundsätzlicher Aspekte. Ja, ich habe auch gelesen, dass Sie geschrieben haben, Kompromisse seien unausweichlich, aber der Rest Ihres Beitrags zielte darauf, gegen die „faulen, morschen oder gar verkommenen“ Kompromisse auf Kosten der Grundüberzeugungen zu kämpfen. Jedoch löst das die von mir geschilderten (potenziellen) Konflikte nicht auf, sondern transformiert sie nur auf eine andere Ebene – wie konkret sind die Grundüberzeugungen formuliert und ab wann haben sie als verletzt zu gelten? Ich halte es für zu simpel, nur zwischen „Grundüberzeugungen“ und „Prinzipienlosigkeit“ zu unterscheiden und damit bereits die Möglichkeit ethischer Dilemmata zu negieren.
Die Entscheidung, bis zu welchem Punkt Kompromisse eingegangen werden, trifft jeder Mensch für sich persönlich. Auch die Konsequenzen werden zunächst persönlich getragen. Dennoch können sie bedeutsam auf der politischen Ebene werden. Wer aus einer Minderheitenposition heraus kompromisslos agiert, wird in einer Demokratie nicht die Möglichkeit bekommen, seine Vorstellungen umzusetzen. Wer aber Macht besitzt und diese kompromisslos umsetzt, ist eben nicht dagegen gefeit, Macht zu missbrauchen. Die Weltgeschichte ist voll von Beispielen für Bewegungen, die man dafür achten müsste, wie kompromisslos sie ihre Vorstellungen von einer „richtigen“ Gesellschaft umgesetzt haben oder noch umsetzen, vor deren Handlungen man sich aber zu Recht fürchten musste oder noch muss.
Um auf das Anfangsthema zurückzukommen. Wie maat gehe ich davon aus, dass die Grünen mit einer Jutta Ditfurth an der Spitze, einem entsprechenden politischen Programm und einem entsprechenden politischen Auftreten eher unter der 5%-Hürde geblieben wären als darüber. Dann hätte sich auch die Frage erledigt, ob Grün/Rot etwas Substanzielles bewegen kann. Wer keinen Unterschied zwischen Schwarz/Gelb und Grün/Rot sieht, dem mag das egal sein, wer aber auch unterhalb der Ebene fundamentaler gesellschaftlicher Veränderungen auf Verbesserungen hoffen und hinwirken will, dem eben nicht.
Hallo alle,
aus einigen Ihrer Beiträge lese ich heraus, daß nur die kompromiß- und konsensfähigen Parteien die Chance auf Wählerzahlen bekommen, welche ihnen das Mitregieren ermöglicht. Wie weit diese dann bei ihren Kompromissen gehen, ob es am Ende „faule“ sind, oder wie arg die Konsensfähigkeit strapaziert wird, ggf. bis zur Unkenntlichkeit, ist demnach dann Glaubens- oder Einstellungssache.
Ich will es am Beispiel Stuttgart 21 deutlich machen. Ich habe die meisten Gespräche live mit verfolgt, zumindest 70 – 80% der Zeit, und dabei herausgehört bzw. mir die Überzeugung angeeignet, daß Stuttgart 21 Tiefbahnhof einfach teurer Nonsens ist, welcher auch durch die Geissler-Empfehlung nicht besser wird. Mit einem Ausbau des Kopfbahnhofs, also K 21, kann ein besseres Ergebnis billiger und besser auf die Zeitschiene passend erreicht
werden. Da ist für mich der Unterschied zwischen S 21 und S 21 plus nur noch marginal. Und zu sagen, jetzt fallen Kosten für den Vertragsrücktritt an, also beißen wir in den sauren Apfel und bauen weiter, damit dieses Geld nicht verloren ist, wäre für mich eine grundidiotische Begründung.
Bei einem Weiterbau von S 21 Tiefbahnhof werden ganz andere Summen für nix und wieder nix rausgeschmissen, wie wir inzwischen – auch durch die Schlichtung – lernen mußten. Selbst Herr Kefer von der DB war von den Auslegungen von Boris Palmer überzeugt. Und einen Bahnhof nur aus „politischen“ Gründen oder wegen irgendwelcher Grundstückshaie zu bauen, sollte sich aufgrund gesunden Bürgerverstands verbieten – außer, man selbst ist Profiteur der Chose.
Wir haben hier bei uns in Hessen mit Kassel-Calden die gleiche windige und wachsweich begründete Geschichte mit „noch einem Provinzflughafen, der wichtig ist für die Wirtschaftskraft Nordhessens“. Eben Glaubenssache, ohne fundierte Tatsachen.
@Wolfgang Fladung und andere
Ja, bei S21 gehen Grüne und SPD auseinander wie auch die Bevölkerung in Ba-Wü zu ungefähr gleichen Teilen gespalten ist. Ich bin wie schon früher ausgeführt eine Befürworterin des Projektes, sehe aber das Verdienst der Bürgerbewegung und der Grünen, seine Schwächen offen gelegt zu haben. Der Schlichterspruch fordert den Stresstest der Bahn, den wird die Landesregierung kluger Weise abwarten. Entweder die Leistungsfähigkeit ist tatsächlich –wie von den Grünen u.a. vorhergesagt- nicht nachzuweisen und die Kosten explodieren entsprechend, dann erledigt sich das Thema von selbst und/oder es gibt einen Volksentscheid mit allen Konsequenzen, der vermutlich knapp ausgehen wird. Dieses Ergebnis werden alle akzeptieren außer diejenigen, die sich beleidigt an Bäume ketten werden, weil ihre Meinung nicht durchgesetzt wird. Meine Welt geht wegen eines Bahnhofs nicht unter, ich habe auch kein Problem damit, wenn die Grünen am Ende recht behielten. Das S21-Thema hat für mich nicht die Relevanz wie für einige meiner Freunde, die schon wegen der Bedrohung jedes Juchtenkäfers fast einen Heulkrampf bekommen. Wichtig sind mir die Atom/Energiepolitik, die Bildungs-und Sozialpolitik sowie mehr Mitsprachemöglichkeiten der Bürger. Ich hoffe bei der Bildungspolitik auf die moderaten Reformen, die bisher von Schmid vorgeschlagen wurden. Das heißt, dass Schul-Zusammenlegungen freiwillig wären und von den Kommunen ausgingen und Reformschulen nicht von der Landesregierung abgewürgt werden. Mehr Vielfalt und Demokratie also-das finde ich vernünftig, Fundi-Positionen wie in Hamburg werden im Südwesten keine Chance haben.
Maat, # 32, noch eine Replik zu so später Stunde: Ja, Ihre Ansicht bzw. Einstellung ist durchaus ehrenwert, weil es sicherlich in BW, und anderswo, Bürger gibt, die aus ihren Informationen das Projekt S 21 befürworten, so wie es auch Gegner in ihrer Ablehnung tun.
Allerdings mißtraue ich einem Streßtest, will heißen, ich möchte mir genau anschauen, wer diesen durchführt und von welchen Auftraggebern der Durchführende abhängig ist. Ein von der DB durchgeführter oder von der DB in Auftrag gegebener Streßtest hat für mich das schwäbische „Geschmäckle“, das hier – möglicherweise – ein Gefälligkeitsgutachten erstellt wird, so wie auch bei den Gutachten für die Atom-Laufzeit-Verlängerung, siehe Plus-Minus/ARD von heute. Natürlich gilt diese Neutralität auch für die andere, also Gegner-Seite.
Allerdings weiß ich nicht, es anhand der Ergebnisse der Schlichtungs-Gespräche festmachend, was bei einem neutralen Streßtest anderes herauskommen soll, als das S 21-Tiefbahnhof ein Milliarden verschlingendes Nonsens-Projekt ist, und Gelder, so sie denn ausgegeben werden sollen und müssen, besser in eine Erweiterung, Modernisierung (darf ich „Aufrüstung“ sagen?) des Kopfbahnhofs K 21 gesteckt werden sollten.
Oder anders ausgedrückt: nicht alles, was machbar ist, ist auch sinnvoll.
Maat, wenn Sie mögen, können Sie mir als Lehrerin gerne Ihre Meinung zu meinem Beitrag # 15 mitteilen. Sind dies Ihrer Meinung nach „Fundi“-Positionen? Wie müßte denn Schule aussehen, damit das ganze Volk, und nicht nur Einzel-Interessen, davon profitieren? Natürlich ist es theoretisch gut, wenn die Kommunen entscheiden. Aber haben Sie dabei nicht übersehen, daß es arme und reiche, Kommunen mit höherem und geringeren Ausländer- bzw. Armuts-Anteil gibt?
Wie und wo soll eine hochverschuldete Kommune, welche mit maroden Schulen, hohen Klassenschüler-Zahlen, hohem Ausländer-Anteil und hohem Sozial-Gefälle eher schlecht als recht existiert, das Geld für Verbesserungen her nehmen? Da wären dann Land und Bund gefordert, auch das Geld für, nennen wir es Experimente, zur Verfügung zu stellen. Das gutwilligste Rektorat kann nichts verändern mit leeren Taschen, oder, wie es ein Kollege mal ausdrückte: „Mit leerem Beutel kann man keine großen Sprünge machen“.
@30 dreas
„Jutta Rydzewski (#29), ich verstehe diese Auseinandersetzung nicht wirklich, und auch die Schärfe des Tonfalls ist irritierend“.
Ich vermag weder eine Auseinandersetzung, noch eine besondere Schärfe des Tonfalls festzustellen. Sie formulieren Ihren Standpunkt und ich meinen, wobei wir uns eben unterscheiden, nicht nur in der Sache, sondern auch offenkundig im Temperament.
„Stimmt es denn nicht, dass Sie letztere für „falsch, verdammens- und beschimpfenswert“ halten, wo Sie es doch ganz genau so zum Ausdruck gebracht haben?“
Pardon, aber was soll diese rhetorische Frage? Natürlich halte ich es für falsch, verdammens- und beschimpfenswert, dass sich Deutschland unter Rot/Grün an einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg beteiligt hat, und ich erinnere in diesem Zusammenhang an den Art.26 (Abs.1) Grundgesetz. Deshalb hatte ich Sie in @26 ja ausdrücklich gefragt, ob Sie das nicht auch für falsch, verdammens- und beschimpfenswert halten. Aber lassen wir das, zumal Sie ja mehrfach zum Ausdruck gebracht haben, auch mit meinen emotionalen Formulierungen Probleme zu haben. Natürlich vertritt Frau Ditfurth keine Mehrheitsmeinung, wann verfügt das Richtige schon über Mehrheiten? Mag nicht nur sein, sondern sogar mit hoher Wahrscheinlichkeit würde Frau Ditfurth unter 5 Prozent bleiben. Aber das hat doch nichts damit zu tun, dass sich die versammelte grüne Verfischerung von Frau Ditfurth nicht nur eine, sondern mehrere dicke Scheiben abschneiden könnte, hinsichtlich von Glaubwürdigkeit und Unbestechlichkeit. Im Gegensatz zu Fischer und anderen „Grünen“, war und ist Ditfurth nicht zu kaufen. Und exakt darum ging es mir, mit meinen „emotionalen Formulierungen“. Wenn es an den Kern von Überzeugungen geht, gibt es keine Kompromisse. Leider ist diese Einstellung nicht sehr verbreitet und auch nicht mehrheitsfähig, leider. Ich denke, unser Austausch ist damit an sein natürliches Ende angelangt.
Schönen Tag.
mfg
Jutta Rydzewski
@Wolfgang Fladung
Lieber Herr Fladung,
ich könnte dazu schon einiges schreiben, würde es sogar mögen, habe aber leider zu wenig Zeit zur Ausführlichkeit.
Daher nur ein paar Sätze. Im Grundsatz liegen sie schon richtig meines Erachtens. Mit Fundi-Positionen meine ich anderes. Ich fürchte, dass vor lauter Überzeugung von den Vorzügen der Gemeinschaftsschule, die Qualitäten, die in Ba-Wü Realschule und Gymnasium aufweisen, nicht wahrgenommen werden. Diese beiden Schultypen sind hier sehr ausdifferenziert, ich bin ein großer Fan der Realschule mit ihrem großen Angebot an Werkstätten. Für viele Kinder ist diese Schulform einfach genau der richtige Weg und bietet ihnen viele Möglichkeiten der Entfaltung. Ich sehe nicht wie man sinnvoll diese Qualitäten in eine Gemeinschaftsschule integrieren kann ohne Unsummen an Geld dafür in die Hand nehmen zu müssen. Wahrscheinlicher wäre, dass diese Qualitäten einfach verloren gehen.
Ein anderer Punkt, der mich sorgt ist folgender. Wir schaffen es am Gymnasium nicht trotz großer Bemühungen unsere Schüler individuell in dem Maße zu fördern wie das wünschenswert wäre. Dies liegt an verschiedenen Faktoren, u.a. an dem enormen Aufwand der damit verbunden ist. Solange die individuelle Förderung im dreigliedrigen Schulsystem insbesondere am Gymnasium nicht funktioniert, wo man bessere Bedingungen vorfindet, gelingt sie in der Gemeinschaftsschule in Ba-Wü auch nicht. Mit Gelingen meine ich, dass messbare Lernfortschritte herauskommen. Als Abschluss noch eine Anmerkung. Wir beobachten seit einiger Zeit, dass die Veränderung in der Grundschulpädagogik basierend auf dem sog. „selbstgesteuertem“ Lernen, die Grundschüler, die an das Gymnasium kommen (also die Fünftklässler), nicht in die Lage versetzt, selbständig zu arbeiten. Oder anders ausgedrückt: Sie fallen im Vergleich zu früheren Jahrgängen durch ihre Unselbständigkeit und mangelnde Konzentrationsfähigkeit auf. Sie beherrschen darüber hinaus nicht mehr in genügendem Maße Kenntnisse in der Rechtschreibung und im Rechnen, fangen nach 5 Minuten (!) Klassenbesprechung an im Zimmer herumzulaufen, weil dies ihr Bewegungsdrang fordert und müssen nach 10 Minuten Pipi. Aus diesem Grund werden sie kaum einen Gymnasiallehrer finden, der die Ansicht vertritt, man sollte die Grundschulzeit ausdehnen.
Mit freundlichem Gruß
maat
Jutta Rydzewski (#35), in der Diskussion, die Sie für eine „expressive“ Darstellung Ihrer unverrückbaren Grundprinzipien, Werturteile und Standpunkte zum Anlass genommen haben, ging es eigentlich darum auszuloten, inwieweit die neue Konstellation in Baden-Württemberg zu einem realen Politikwechsel führen kann oder wird. Aber davon müssen Sie sich natürlich nicht irritieren lassen…
… noch etwas Bedenkenswertes zum Beitrag #35 (ergänzend zu meinem vorherigen nächtlichen Kommentar dazu , der anscheinend noch in der Moderationsschleife hängt):
Natürlich vertritt Frau Ditfurth keine Mehrheitsmeinung, wann verfügt das Richtige schon über Mehrheiten?
Geht man davon aus, dass es das Ziel politischen Handelns sein sollte, etwas als „richtig“ Erkanntes auch umzusetzen, und weiterhin, dass solches in einer Demokratie korrekterweise über Mehrheiten erfolgt, ergibt sich ein Problem. Warum verfügt denn „das Richtige“ nicht über Mehrheiten?
a) Das Wahlvolk ist mehrheitlich zu blöde.
b) Diejenigen, die „das Richtige“ erkannt haben, sind nicht fähig, Mehrheiten zu organisieren.
c) Beides trifft zu.
Geht man hier davon aus, dass Variante c) die wahrscheinlichste ist, wäre also das Problem teils bei den politischen Akteuren, teils beim Erkenntnisstand des Wahlvolks angesiedelt. Man würde einerseits daraus richtigerweise folgern, es gehe darum, dem Wahlvolk aus seiner teilweisen Blödheit herauszuhelfen, was unter anderem durch eine nachvollziehbare Darlegung der eigenen Positionen sowie ein konsequentes und glaubwürdiges Eintreten für selbige erreicht werden kann. Andererseits wäre der Anspruch, dass Alle dieselben Vorstellungen vom „Richtigen“ haben müssen, totalitär. Folglich lassen sich Mehrheiten nur dann organisieren, wenn man abweichende Standpunkte nicht nur als abweichend zur Kenntnis nimmt, sondern auch fähig ist, sie in einem gewissen Ausmaß mitzuvertreten oder sogar zu teilen. Was als Beispiel wiederum mithelfen könnte bei der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung aus einer partiellen Blödheit heraus.
Wer meint, auf das Organisieren von Mehrheiten verzichten zu können, begibt sich damit nicht nur der eigenen Gestaltungsfähigkeit in einem demokratischen System, sondern riskiert unter Umständen auch, dass die vertretenen Positionen mehrheitlich eben nicht als „richtig“, sondern als „Minderheitenstandpunkte“ angesehen und somit marginalisiert oder ignoriert werden.
@37/38 dreas
Offenkundig können Sie immer noch nicht „loslassen“, und versuchen auch weiterhin mich in Ihre Interpretationsecke zu bugsieren. Also, ein letzter Versuch, wobei ich hoffe, dass Sie jetzt verstehen werden möchten, oder auch möchten werden.
Ohne Kompromisse, darüber sind wir uns wohl einig, geht es nicht, weder in der Politik, noch im wahren Leben. Punkt. Wenn es jedoch ans Eingemachte, also ums Grundsätzliche geht, gibt es keine Kompromisse. Punkt. Das hatte ich Ihnen aber nun schon mehrfach mitgeteilt, und dabei auch konkrete Beispiele genannt, bei denen sich Kompromisse schlicht verbieten. Das trifft insbesondere auf die Teilnahme an völkerrechtswidrigen Angriffskriegen zu, wie unter Rot/Grün, sogar in zweifacher Ausfertigung (Kosovo und Irak), mit den „Friedensfürsten“ Schröder und Fischer. In einem derartigen Fall kann, darf es KEINE Kompromisse geben. Völkerrechtswidrige Angriffskriege sind die denkbar schwersten Menschheitsverbrechen, wie schon vor einigen Jahrzehnten bei den Nazi-Kriegsverbrecherprozessen in Nürnberg, durch die US-Vertreter, mit Fug und Recht, festgestellt wurde. So etwas hat also nix mit dem Organisieren von Mehrheiten zu tun, auch nix mit Blödheit des Wahlvolkes, nix mit „diktatorischer Versuchung“, nix mit Nicaragua, Sandinisten und Daniel Ortega, nix mit „expressiven“ Darstellungen, oder emotionaler „Darstellungsverirrung“ usw. zu tun, sondern mit dem Grundgesetz (Art.26 Abs.1) in Verbindung mit §80 (StGB), wonach es bei Zuwiderhandlungen Freiheitsstrafe nicht unter 10 Jahre bis lebenslänglich gibt. Mit etwas Phantasie können Sie sich jetzt eventuell sogar vorstellen, wer eigentlich alles immer noch sitzen müsste bzw. könnte. Übrigens, wenn die deutsche Justiz, anlässlich der zahlreichen Strafanzeigen wegen der Kriegsbeteiligungen (mein Partner hatte die rot/grünen Verantwortlichen ebenfalls angezeigt, ich kenne also die damalige, höchst merkwürdige Argumentation der Bundesanwaltschaft, keine Ermittlungen und Strafverfolgungen aufzunehmen) derzeitig gem. Grundgesetz und Strafgesetzbuch durchgegriffen hätte, wer weiß, ob es dann immer noch zu dieser fatalen Militarisierung der deutschen Außenpolitik gekommen wäre. Aber eher wäre wohl das Grundgesetz „kriegstauglicher“ gemacht worden.
Natürlich müssen Sie sich davon nicht beirren lassen, es würde mir schon vollständig reichen, wenn Sie jetzt verstanden hätten. Eigentlich bin ich gar nicht so schwer zu verstehen, sofern ich aufmerksam(er) gelesen, und nicht beliebig interpretiert werde. Aber das Problem hatten „wir“ hier schon öfters, und wird „uns“ sicher auch zukünftig „treu“ bleiben.
Ob nun „die neue Konstellation in Baden-Württemberg zu einem realen Politikwechsel führen kann oder wird“, dazu hatte ich mich bereits in @23, wenn auch relativ kurz, geäußert. Wenn Sie von mir noch mehr dazu wissen möchten, fragen Sie ruhig; ich werde bemüht sein, meine Emotionen zu zügeln.;-)
Schönen Tag noch und Bronski gute Besserung.
mfg
Jutta Rydzewski
@ dreas
Schon wieder ein Nachtrag, offenkundig lese ich heute zu viel.;-) Zu Ihrer Anmerkung „inwieweit die neue Konstellation in Baden-Württemberg zu einem realen Politikwechsel führen kann oder wird“, empfehle ich Ihnen zunächst:
(Link abgelehnt, Anm. Bronski, siehe Blog-Regel Nr. 8 ), zumal sich das weitgehend mit meinen Überlegungen deckt. Aber natürlich können Sie immer noch (nach)fragen, sofern Sie dann mögen.;-)
mfg
Jutta Rydzewski
@ Jutta Rydzewski
Wer möchte Ihnen widersprechen, dass politische Kompromisse dort enden müssen, wo sie Grundüberzeugungen tangieren? Doch zur Grundlage der politischen Praxis in einer Demokratie gehört auch, dass Grundüberzeugungen nicht zu „letzten Wahrheiten“ überhöht werden und auch konträren Grundüberzeugungen nicht die Legitimität abgesprochen wird. Auf Kosovo, Afghanistan und Libyen bezogen: Sie mögen die Argumente für falsch halten, aufgrund der z.B. Joschka Fischer zu einer anderen Bewertung des Völkerrechts und des deutschen Grundgesetzes kommt als Sie. Es ist auch Ihr gutes Recht, gegen diese Position zu streiten. Sie sollten aber akzeptieren können, dass auch er eine aus seiner Sicht gut begründete Grundsatzposition vertritt.
Libyen zeigt erneut, dass sowohl das Eingreifen als auch das Nichteingreifen ein moralisches Dilemma darstellen, für das es keine einfache Antwort gibt.
Jutta Rydzewski (#39), interpretiert zu werden („Was will uns der/die Autor/in damit sagen?) ist das Schicksal all derer, die ihre Meinung öffentlich kundtun. Im Fall Ihrer Beiträge, da haben Sie völlig Recht, ist diese Art der Interpretation allerdings unnötig. Ihre Haltung und Ihre Standpunkte zu erkennen und auch zu verstehen, ist nicht allzu schwierig.
Daher habe ich mich solcher Interpretation wie auch der Spekulation über mögliche Hintergründe Ihrer Auffassungen enthalten. Meine an Sie adressierten Beiträge zielten lediglich darauf ab zu erörtern, was denn die Konsequenz daraus sein könnte, einerseits über die richtigen Grundsätze zu verfügen, andererseits aber nicht in der Position zu sein, sie politisch wirksam werden zu lassen. Und mein Beitrag #38 war in diesem Sinne auch nicht als Fortführung eines Zwiegesprächs gedacht, sondern durchaus auch an die hier lesende Allgemeinheit gerichtet. Vielleicht gibt es ja jemanden, den oder die solche Fragen – oder mehr noch mögliche Antworten darauf – interessieren.
@41 Abraham
Obwohl mit einigen Tagen Verspätung noch eine kurze Replik zu dem, was Sie eine andere Bewertung des Völkerrechts und des Grundgesetzes durch einen gewissen Joschka Fischer nennen.
Natürlich werde ich Fischers Bewertung keineswegs akzeptieren, zumal Fischer in diesem Zusammenhang auch gar nix zu bewerten hatte. Angriffskriege, wie der Kosovo- und andere Kriege, sind die denkbar schwersten Menschheitsverbrechen (Näheres dazu in @39). Sie richten sich gegen das Völkerrecht, das Grundgesetz und das StGB. Fischers Grundsatzposition, wie Sie das nennen, waren in diesem Zusammenhang zweifellos völkerrechts-und grundgesetzwidrig. Dem hat im Wesentlichen, z.B. in Sachen deutsche Beteiligung am Irak-Krieg, auch die Bundesanwaltschaft nicht widersprochen. Allerdings hat sie (die Bundesanwaltschaft) sich darauf berufen, dass in Art.26 Abs.1 (GG) ja lediglich von der Vorbereitung eines Angriffskrieges gesprochen wird. Was daraus zu folgern ist, hört sich schier unglaublich an, und ist in der Tat der helle Wahnsinn: Vorbereiten verboten, Führen erlaubt. Das wäre in etwa so, dass die Vorbereitung für einen Mord strafbar ist, die Ausführung aber nicht. Offenbar schreckt der/die weisungsgebundene GeneralbundesanwaltIn vor nix zurück, um das Grundgesetz irgendwie, und mag es auch noch so hanebüchend sein, zurechtzubiegen. Zusammengefasst: Natürlich sind unterschiedliche Bewertungen in politischen Sachfragen legitim, ja, sie sind sogar geboten, wenn sich eine Bewertung jedoch gegen das Völkerrecht und Grundgesetz wendet, und die daraus abgeleiteten politischen Entscheidungen z.B. zu einer Teilnahme an einem Angriffskrieg führen, sind es keine Bewertungen sondern Schwerverbrechen, was auch in §80 (StGB) deutlich wird, wo sicher nicht ohne Grund, Zuwiderhandlungen mit Freiheitsstrafe nicht unter 10 Jahren bis zu lebenslänglich angedroht werden.
mfg
Jutta Rydzewski