Familienunternehmen und die AfD: „Brandmauer fällt“ und „Ersatz für die FDP“, FR-Wirtschaft vom 25. November
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Frei nach Asterix: Die spinnen wohl, die rd. 6.500 Familienunternehmen in Deutschland. Deren Präsidentin Marie-Christine Ostermann will in Anwandlung von unternehmerischem Größenwahn oder politischer Dummheit mit der als gesichert rechtsextremistischen AfD in einen Dialog eintreten, das Kontaktverbot beenden und hofft auf regen Austausch – selbst wenn man ihre Positionen nicht teilt.
Wissen die mittelständischen Familienunternehmen nicht, dass Diskriminierung und Menschenfeindlichkeit – ein Geschäftserfolg der AfD – ein schlechter Motor bei der Anwerbung ausländischer Fachkräfte und ein noch schlechterer bei der Gewinnung neuer ausländischer Märkte für ihre Produktionen sind? Gute Geschäfte im Rahmen unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung sind gewünscht, aber nicht mit einer Partei, deren Wirtschaftsfachfrau Weidel selbstgestrickte Wahrheiten, wie Wirtschaft funktioniert, unters Volk streut – verbunden mit dem Schielen auf russisches Erdgas, mit dem sie ein gesundes Wachstum in Deutschland generieren will. Bei gleichzeitigem Austritt aus der EU und dem Euro!?
Die Lust an der Fraternisierung mit dem aufstrebenden Rechtsextremismus schillert durch – ähnlich wie in den 30er Jahren. „Wir wollen keine Regierung mit AfD-Beteiligung“, so Ostermann. Eine beruhigende Strategie für die eigenen wirtschaftlichen Interessenslagen, aber nicht für die deutsche Bevölkerung und ihre Volkswirtschaft. Frau Ostermann! Wir sind doch nicht blöde und halten die AfD für diskussionsfähig. Empfehlen Sie sich und Ihren Mitgliedern Talk-Shows, Statements in den Printmedien u.ä. Da kann man immer wieder die Diskussionsoffenheit und der Umgang mit gesichert wissenschaftlichen Erkenntnissen der Protagonisten erleben.
Ansonsten: Zu Beginn der NS-Zeit hatten viele deutschen Familienunternehmen ein ambivalentes Verhältnis zur hochkommenden Führung der Nationalsozialisten – Tendenz wohlwollend.
Ich bin entsetzt, mit wie viel naiver Geschichtsvergessenheit Frau Ostermann agiert. Rossmann und Vorwerk haben gottseidank öffentlich die Reißleine gezogen – hoffentlich folgen noch viele Familienunternehmen diesem Beispiel. Nur so können deutsche Kundinnen und Kunden einen Überblick über deren Geschäfte gewinnen und Konsequenzen ziehen.
Herbert Sell, Kassel
Profite sind wichtiger als demokratische Werte
Die Gesellschaft für Unternehmensgeschichte konnte in einer Untersuchung von 1250 Unternehmen (die vor 1945 gegründet worden sind) aufzeigen, dass sich lediglich acht Prozent dieser Unternehmen mit ihrer Geschichte während der NS-Zeit im Rahmen einer wissenschaftlichen Studie auseinandergesetzt haben. 92 Prozent haben sich demnach bisher nicht ausreichend oder überhaupt nicht mit ihrer Rolle im Nationalsozialismus auseinandergesetzt. Bei so viel Geschichtsvergessenheit, Verleugnung und Verdrängung besteht die Gefahr, alte Verhaltensmuster zu wiederholen. Deshalb wundert es mich nicht, dass ein Verband wie „Die Familienunternehmer“ kein Problem darin sieht, die rechtsextreme AfD zu einem „parlamentarischen Abend“ einzuladen. Ideologisch scheint es ja durchaus reichlich Berührungspunkte zu geben. So ist der Verband persönlich und politisch mit der Friedrich-Hayek-Gesellschaft vernetzt, die für eine radikale Liberalisierung der Wirtschaft eintritt und in diesem Zusammenhang besonders die europäische und deutsche Klimapolitik kritisiert. Die Verbandspräsidentin Marie-Christine Ostermann ist dort ebenso Mitglied wie die AfD-Politikerin Beatrix von Storch.
Am 22. Juni 24 erhielt der ultrarechte Präsident Argentiniens, Javier Milei, in Hamburg die Medaille der Hayek-Gesellschaft. Gerd Habermann, Vorstandsmitglied der Gesellschaft, hatte das im Blog „Achse des Guten“ kommentiert: Es gehe Milei um nichts weniger als um die Abschaffung des egalitären Wohlfahrtstaates und des gesellschaftspolitischen Destruktionismus (Genderismus and all that).
Diese marktradikale und antidemokratische Politik imponiert sowohl der AfD als auch einigen „Familienunternehmer*innen“. Und wie bereits ihren Vorfahren im NS-Staat, sind manchen Unternehmer*innen auch heute wieder ihre Profite wichtiger als demokratische, soziale und humanistische Werte.