Immer wieder schicken Sie, liebe Leserinnen und Leser, mir Gedichte, die Sie geschrieben haben. Im Print-Forum der FR, früher Leserforum, habe ich dafür leider keinen Platz. Dort konzentrieren wir uns auf Zuschriften, die das Tagesgeschehen und die Berichterstattung der FR in herkömmlicher Schriftform kommentieren. Vor allem aus Platzgründen, denn Gedichte brauchen wegen ihrer Versform, für die Zeitungsspalten ganz einfach nicht gebaut sind, mehr Platz als Briefe in Prosa. Aber selbstverständlich kann man Kommentare zum Zeitgeschehen auch in Gedichtform fassen. Darum veröffentliche ich hier und heute fünf dieser Zuschriften in Gedichtform und lade Sie ein, gern via Kommentarfunktion, siehe unten, eigene Beiträge beizusteuern.
Übrigens mache ich das schon zim zweiten Mal. Mitte April 2020 habe ich Ihre „Gedichte in der Pandemie“ hier im FR-Blog veröffentlicht.
Und schon geht’s los!
Corona-Weihnachtslied
„Kopf gut schütteln vor Gebrauch“
(frei nach Erich Kästner, 1927)
Morgen, Kinder, wird’s nichts geben,
Christgeschenke sind tabu.
Shoppen gehn gefährdet Leben,
das sagt auch die CDU.
Auch in Venlo nebenan
geht nix mit dem Weihnachtsmann!
Zwar kein Schaden ohne Nutzen:
Onkel Theo darf nicht rein!
Keiner muss die Bude putzen,
kein Zwangsbesäufnis im Verein.
Entlastet Portemonnaie und Bauch –
ohne Christbaum geht es auch!
Doch ein Etwas in der Psyche
gibt beim Michel keine Ruh:
Shopping, Hektik, Stau und Flüche,
das gehört zum Fest dazu,
mittags schon vom Glühwein breit –
Oh, du schöne Weihnachtszeit!
Drum zu Aldi auf die Schnelle,
denn der hat sein Sortiment
umgestellt für alle Fälle,
weil er uns von innen kennt:
Tablets/Spiel/Textil & Co –
Gratis-Glühwein gibt’s to go !
Und so kam’s, wie keiner wollte
(doch so mancher war dabei) :
Die Corona-Welle rollte
trotz Politiker-Geschrei.
Stille Nacht und heilige Nacht –
Kästner hätt sich totgelacht!
Regina Leray-Sochert, Witten
Das Klagelied vom Ladendieb
Der Ladendieb tut mir so leid
in dieser schrecklich schweren Zeit.
Die Läden machen alle dicht,
damit kein Virus dort ausbricht.
Geschäfte schließen Tür und Tor.
Der Kunde schimpft und weint davor.
Verkäufer sitzen all zu Haus
gehn selbst nur noch zum Lidl raus.
Der Einzelhändler ist bankrott
und glaubt deshalb nicht mehr an Gott.
Auch Zulieferer leiden Not,
haben kaum Kohle und kein Brot.
Die Wirtschaft leidet Ungemach,
sie liegt in weiten Teilen brach.
Das alles ist katastrophal.
Der Kahlschlag ist zu radikal.
Doch sehr viel schlimmer trifft der Hieb
zur Weihnachtszeit – den Ladendieb.
Auf einmal spürt er nacktes Grauen,
ist arbeitslos und kann nichts klauen.
Nirgends wimmeln reiche Kunden,
Warenberge sind verschwunden.
Die Quellen sind total versiegt,
so dass er nichts Gescheites kriegt.
Ich höre überall sein Wimmern.
Wir sollten uns mehr um ihn kümmern.
Dem Ladendieb geht es jetzt schlecht.
Die Welt ist sehr sehr ungerecht.
Winfried Rathke, Geisenheim
ich bin nur zu Besuch hier
weiß nicht recht
woher wohin
gekommen um zu gehen
hungrig am gedeckten Tisch
bleiben so viele Fragen
unbeantwortet
im Raum
mit wackliger Kompassnadel
Gegend erkunden
zögerlich
nach dem Weg suchend
entscheide mich
zu staunen
ich bin nur zu Besuch hier
Hanne Strack, Rüsselsheim
Mensch
ich brauch dich
dein DaSein
dein NahSein
dein Kümmern
dein Erzählen
dein Nerven
dein Lachen
und Weinen
dein Gesicht
und deine Hand
deine Ruhe
deinen Lärm
dein Mitgefühl
deinen Gesang
du Mensch in allen Variationen
du Frau du Mann du Tochter du Sohn
du Mutter du Vater
du Freundin
du Nachbar
du Fremder
du Mitmensch du Unmensch
du an der Kasse vor mir
und dahinter
ich brauch dich
du Mensch
Hanne Strack, Rüsselsheim
Geschafft! Endlich!
Statt Dannenröder Tannenroder
Für Beton und gegen Moder
Harvester brechen durch den Forst
Kein Fäller sieht den Vogelhorst
Tannen, Fichten, viele Eichen
müssen Motorsägen weichen
Neue Straßen, freie Bahnen
In Hessen wehen Siegesfahnen
Jeder Axthieb voller Stolz
geschlagen in das Unterholz
Wir brauchen keinen alten Wald!
Denn nachts ist’s dort dunkel
und im Winter zu kalt!
Klimawandel? Wirbelstürme? – ist doch dumm!
Erderwärmung? Wassermangel? – so ein Quatsch!
Ohne Wald kein Baum fällt mehr um,
kein Vogelnest mehr in den Matsch!
Ohne Wälder wird’s nun richtig heiß!
Kein Astbruch mehr durch Schnee und Eis!
Ohne Wald kein Sturm ihm schadet
kein Stechinsekt in Pfützen badet
Insekten dort nun nicht mehr summen
Nun Muldenkipper schreiend brummen
Wenn’s von der A49 dann wir schallen
muss auch der Danni-Rest noch fallen
Das stetige Rauschen im nächtlichen Ohr
Nur Lärmschutzwände schützen davor
Die an die Betonbahn geknüpfte Infrastruktur
ruft bald nach der dritten und vierten Spur
dem verbliebenen Danniwalde droht
somit ein schleichender, qualvoller Tod
Hier stand ein Baum, nun steht ein Kran
tief schlägt des Baggers stählerner Zahn
für neue Straßen freie Bahn
Und ewig droht der Autowahn
Leute, das ist 2020 –
nicht mal Maden sind im Speck,
überall, sogar in Danzig,
werden Weihnachtsplätzchen ranzig,
und das Virus geht nicht weg,
Schnee liegt auch nicht, so ein Dreck!
Jetzt das W-Fest – tote Hose!
Christkind sitzt im Tannenbaum,
lutscht Ravioli aus der Dose,
flucht und spuckt Tomatensoße
auf Knecht Ruprechts Mantelsaum
(weil er rot ist, sieht man‘s kaum).
Doofe Zicke, blöde Schnalle!
Ruft Knecht Ruprecht – und im Sack
hat er eine Mausefalle
(neulich mitgebracht aus Malle),
Falle schnappt schon zu Zack-Zack –
Christkind schreit laut auf Oh Fuck!
Da kommt Krampus, unerschrocken
macht er jeden Unfug mit –
packt sein Strickzeug aus, strickt Socken,
und dann fängt er an zu rocken,
schunkelt sich ein Weihnachtslied:
COVID, COVID –
Oh Baby – Let it Bleed!
Und alle schunkeln mit,
denn Love is All You Need.
Frankfurter Advents-Utopie
Es ist Advent,
kein Lichtlein brennt.
Selbst vom Himmel strahlt kein Stern;
der Mond ist unsichtbar und fern.
Aus Bankentürmen dringt kein Schein,
still und behäbig fließt der Main.
Die Nacht wird finster, alles schweigt,
nur aus dem Bahnhofsviertel steigt
ein blauer Hauch von Sünde.
Es scheint ganz so, als stünde
Frankfurt vor einer Wende,
als wäre dies‘ Jahr der Advent
nicht Anfang, sondern Ende.
Ein Abgesang, ganz konsequent
auf Geld und Gier, Gewinn und Macht,
auf Lug und Trug und Niedertracht.
Sankt Nikolaus und Weihnachtsmann
wandeln der Zeit nicht mehr voran;
genießen ihren Ruhestand
in der Bar „Zum Pflasterstrand“.
Am Nachbartisch, bei Brot und Wein,
finden sich Büchner und Heine ein.
Zwar nur die Geister von denselben,
die mit dem Mut der alten Helden
vollenden woll’n, für das die stritten:
Ein neues Land mit neuen Sitten!
Sie dichten ein anderes Weihnachtslied
über „Friede den Hütten“ und „Krieg den Palästen“;
es klingt nach Freiheit und Dynamit,
nach Revolution und rauschenden Festen.
Vorbei ist die Mär von Hölle und Himmel,
vorbei ist’s mit Christbaum und seichtem Gebimmel.
Jetzt geht’s um die Erde, um Frankfurt am Main,
da soll man unsterblich und glücklich sein.
Ein banges Gefühl
Rechte Glatzen, Fackelzüge
Steh‘n im Osten täglich auf
Sie verbreiten jede Lüge
Steh‘n am Straßenrand zuhauf.
Angst und Bange wird mir heute
Seh’ ich sie mit Hitlergruß
Sind doch ganz normale Leute
Stehen mit Gewehr bei Fuß.
Wo zum Teufel war’n sie damals
Als das Land in Flammen stand?
Ach, sie war’n noch nicht geboren
Als Faschisten hier im Land.
Hatten sie denn in der Schule
Nie geschichtlich Unterricht
Saßen niemals in der Kuhle
Standen nie vorm Kriegsgericht.
Doch zum Glück, ich muss es sagen
Sind sie nur ‘ne Minderheit
Alle andern kann man fragen:
Nazis kommen hier nicht weit.
Covid-19, 2020
Ein Virus reiste um die Welt,
ganz ohne Pass, ganz ohne Geld.
Fand reichlich Nahrung hier und da,
als lebt‘ es in Schlaraffia.
Es liebt Gesellschaft, mag die Menge,
am wohlsten fühlt sich’s im Gedränge
und freut sich, wenn es ignoriert,
kann sich verbreiten ungeniert – dann.
Zu dumm, dass man ihm auf die Spur,
Jetzt geht’s ihm an den Kragen, tickt die Uhr
Auf Leugnen sind wir nicht erpicht,
denn Dummheit siegt am Ende nicht !
Ingolf Bergmann, Wiesbaden
Corona-Weihnachten
Dieses Weihnachtsfest wird ein anderes sein:
Kein Kirchgang, kein Weihnachtsmarkt, viele allein.
Familien können sich spärlich nur treffen.
Von ferne grüßen Cousinen und Neffen.
Begegnungen finden im Internet statt.
Bloß gut, wer Computer und Smartphone hat.
Theater und Kinos geschlossen und leer,
Hotels auch und Kneipen, sie haben es schwer.
Gesichter maskiert und verängstigt der Blick.
Wir wünschen uns Zweitausendneunzehn zurück.
Die Frage: Wie lange, weshalb und warum?
Sie geht immer wieder erneut in uns um.
Doch hilft es, wenn du nicht in Trübsal verfällst,
nicht einknickst, dich klar solidarisch verhältst,
dich einbringst, Ideen hast. Voll motiviert
als Helfer bereitstehst, denn das funktioniert.
Dieses Weihnachtsfest wird ein anderes sein.
Doch Hoffnung keimt auf, denn du bist nicht allein.
Zurückhaltung üben ist vorderste Pflicht.
Wir können es schaffen: Verzagen wir nicht!
Martin Schallert, Schöffengrund
2021 wird heiß
Vom Kalender grüßt der Jänner.
Das neue Jahr ist nicht der Renner.
Denn Corona will nicht weichen,
fordert Lockdown, Masken, Leichen,
ist so stur wie sonst nur Männer.
Doch was jucken uns die Viren,
die nach neuen Opfern gieren?
Das Bett ist warm, das Glas ist voll,
die Bratensoße duftet toll.
Was gibt’s da zu verlieren?
Covid Neunzehn, du Pickelgesicht,
letztlich bist du ein armer Wicht.
Musst dich ganz allein vermehren,
vergeblich nach der Liebe verzehren.
Einen Partner findest du nicht.
Wir aber lassen die Hütte krachen,
machen tausend schöne Sachen.
Auch in der Pandemie kann man tanzen,
singen, ein Bäumchen pflanzen
und das Feuer entfachen.
Das Eis wird dünn, die Bienen sterben,
Borkenkäfer will uns den Spaß verderben.
Am Nordseestrand wächst bald der Riesling,
das freut nicht nur den Öko-Fiesling.
Der Zukunft graust, was wir ihr vererben.
Das Jahr wird heiß für Mensch und Tier;
es wird noch heißer – dafür sorgen wir!
So wünschen wir trotz alledem
ein Neues Jahr, bunt und angenehm,
denn wir leben nur einmal, jetzt und hier.
+ + + + +
Freundliche Grüße und einen guten FRutsch!
Matthias Hermer, Warstein
Die Welt im Covid-Schock 20-20
Werte, Regeln, Worte ändern ganz sich.
Lockdown, cocooning, Bazooka, AHA,
social distancing, hotspot, Triage, RK-
Iiii, Inzidenz, PCR, Pandemie, Covidiot,
Intensivstation, Altenheim, einsamer Tod!
Hope! – Donald is going to go, so Jo
must try to unify a deeply divi-
ded country and world. ‘S ist höchste Zeit
für Ehrlich-, Anständig-, Verlässlichkeit.
Ohne Moral, narzisstisch, brutal regiert er,
Corona, Rassismus, Sexismus negiert er.
Zu black-lifes-matter schickt er Militär,
zur Abwahl Lügen, ein Advokatenheer.
Coronatop bleibt USA, doch Deu-
tschland hat Spitze fast 30 000 Neu-
infektionen, fast 30 000 sind tot!
Der zweite Lockdown, noch mehr soziale Not!
Den Großen hilft der Staat mit Billionen,
Kultur und Kleine sterben. Wir belohnen
Altenpfleger mit Almosen, stellen
Querdenker gleich mit Kriminellen.
Die Kinder gehn zur Schule – oder nicht,
je nach Land, mit – ohne Maskenpflicht.
Der Wirrwarr verwirrt. Verschwörungstheorien
zu Mikrochips, Impfzwang und Gates gediehen.
Querdenker, Reichsbürger, Impfgegner und
Esoteriker, Chaoten – mit AFD im Verbund –
demonstrieren für Freiheit, gegen Zwang,
für nackte Existenz. – Manchem wird bang!
AKK geht, die Herren Kandidaten
kämpfen mit Coronaprofil um den Braten.
Ich hoffe auf Merz. Als Feindbild gäb‘ der
für Rot-Rot-Grün vielleicht ‘was her.
Last minute no to no deal. The pact
saves Boris, EU, UK. So they can act
as winners all. He gambled high and won,
stays close to the EU and „Brexit done“.
Die Welt wird heißer. Kalifornien brennt –
und Flüchtlingscamps – Beirut explodiert.
Lukaschenko sperrt ein, wer demonstriert.
Zar Putin immunisiert sich ungeniert,
während Nawalny ihn seinen Mörder nennt,
die Welt nun auch die Schergen kennt.
Wolfgang Landthaler, Ofterdingen
Knecht Ruprecht mal anders
Von draus vom Walde komm ich her
höre nur noch Corona, das wurmt mich schon sehr
die Leute nur hastig durch Straßen flitzen
und nirgendwo kann ich beim Glühwein sitzen
Und beim Kanzleramt aus dem Eingangstor
schaut mit großen Augen Frau Merkel hervor.
Und so strolch ich einsam durch leeren Gassen
Die Rentiere konn`t ich zuhause lassen.
„Hey Spahn“, ruft Frau Merkel, „alter Gesell
besorge jetzt Impfstoff, aber mal schnell
die Menschen fangen zu meckern an
Sind vom Lockdown gar nicht angetan
Alte und Junge sollen nun
zu Hause bleiben und gar nichts tun
Was soll ich verkünden den Lieben auf Erden
Knecht Ruprecht, was soll jetzt bis Weihnachten werden“?
Ich sprach: „Frau Merkel, es ist Mist
Meine Reise wohl schon zu Ende ist
Was soll ich noch in Land und Stadt
Wenn keiner was zu feiern hat“.
„Hast Du Deine Maske denn nicht bei Dir“?
Ich sprach: „die Maske, die ist hier
Doch trotzdem, weder Groß noch Klein
Lassen mich in ihre Häuser rein“
„Dann Online, ist ja fast wie echt!“
Ich sprach: „Der Jugend ist’s wohl recht,
verkehren eh nur digital
Was soll Knecht Ruprecht dann real“.
Von draus vom Walde komm ich her
Doch diesmal weihnachtet es nicht sehr
Die Geschenke lass ich bei Ama und Zon
Die machen dann meine Arbeit schon
Damit ist dann doch wohl Frieden auf Erden
Und nächste Jahr kann es nur besser werden.
Heinrich Dieckmann, Darmstadt
Gedicht an die Redaktion
Erkenntnisse am Morgen danach
Wieviel schöner ist das Leben
kannst du dich vom Schlaf erheben
und dem Tag ganz ohne Grauen
munter in die Augen schauen
Gleich was er auch bringen mag
vor dir liegt ein schöner Tag!
Und gar selbst am Neujahrsmorgen
ohne Leiden, ohne Sorgen
von Silvester nichts bereuen
nur auf‘ s neue Jahr dich freuen
Zwicken weder Kopf noch Wade
wäre liegen bleiben schade!
GEDANKEN EINES BETRACHTERS
Selten gab es medial
regelmäßig alle Stunden
zwischenmenschlich und global
per Nachrichten und Talkshow-Runden
soviel endloses Geschnatter.
Mich erstaunt und freut das grad,
was ich da bisher vernommen.
Mir scheint, ich bin als Regulat
jetzt bei der Spezies angekommen.
Gruß an Alle!
Tod, Gevatter
Erkenntnisse am Morgen danach
Wie viel schöner ist das Leben
kannst du dich vom Schlaf erheben
und dem Tag ganz ohne Grauen
munter in die Augen schauen
Gleich was er auch bringen mag
vor dir liegt ein schöner Tag!
Und gar selbst am Neujahrsmorgen
ohne Leiden, ohne Sorgen
von Silvester nichts bereuen
nur auf‘ s neue Jahr dich freuen
Zwicken weder Kopf noch Wade
wäre liegen bleiben schade!